Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XXXVIII., S. 228 |
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XXXVIII.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur
universel.
(Fortsezung von Heft 2, S. 145.)
Gegenwaͤrtiger Zustand einiger Industriezweige in
Frankreich.
IV. Ueber die Tuch- und
Wollenwaaren-Fabrikation.
12. Fortsezung der Aussagen des
Herrn Cunin-Gridaine, Tuchfabrikanten in Sedan und Abgeordneten der
dortigen Berathungskammer.
Fr. Wie vertheilt sich der Gesammtbetrag der
Tuchfabrikation in die verschiedenen Tuchqualitaͤten? – A. Ich
habe bereits gesagt, daß Sedan jaͤhrlich 28 bis 3000 Stuͤk Tuch
fabricirt, welche zusammen einen Werth von 20 bis 21 Mill. Fr.
repraͤsentiren, und daß sich hienach die Elle im Durchschnitte auf 36 Fr.
berechnet. Die niedrigste Qualitaͤt des Tuches, welches in Sedan
fabricirt wird, kostet 17 bis 18 Fr. per Elle; die
feinsten Tuͤcher, welche jedoch nur ausnahmsweise fabricirt werden,
kommen per Elle auf 50 Fr.; die groͤßte Menge
des Fabrikates gilt 22 bis 25 Fr. Ich muß hiebei bemerken, daß eben diese
Tuͤcher im Jahre 1817 noch mit 33 bis 34 Fr. bezahlt wurden, doch muß ich
zugleich gestehen, daß Tuch, welches gegenwaͤrtig 23 Fr. kostet, und
welches durch sein aͤußeres Aussehen den Kaͤufer mehr anlokt, der
Qualitaͤt nach doch nicht besser ist, als Tuch, welches man im Jahre 1817
mit 34 bis 36 Fr. bezahlte. Wir haben durch die Anwendung des Dampfes in
Hinsicht auf den Glanz, den wir den Tuͤchern zu geben im Stande sind,
außerordentliche Fortschritte gemacht; die Wolle wird dadurch schoͤner,
milder und gleichsam feiner; allein wenn nicht mit groͤßter Sorgfalt
dabei zu Werke gegangen wird, so leidet sie auch merklich Schaden, und je mehr
ein Tuch jenen verfuͤhrerischen Glanz darbietet, eine um so
nachtheiligere Veraͤnderung hat es erlitten. Dieser Umstand hat
wesentlich zum Sinken der Preise der Tuͤcher beigetragen, und in ihm
liegt auch die Erklaͤrung, warum die Mittelwolle
verhaͤltnißmaͤßig hoͤher im Preise gestiegen ist, als die
feine Wolle. Im Jahre 1831 zahlten wir Wolle, die gegenwaͤrtig 10 bis 11
Fr. gilt, nur fuͤr 5 1/2 Fr. per Kilogr. Wir
verarbeiten nur Merinoswolle, welche weicher und elastischer ist, als die
Bastardwolle; wir fabriciren ferner, einige wenige Ausnahmen abgerechnet, nur
schwarze Tuͤcher, von denen wir 10 bis 12. Qualitaͤten
unterscheiden.
Fr. Was koͤnnen Sie uns uͤber den
Verkauf Ihrer Fabrikate sagen; welche Absazwege haben Sie im Inlande, und welcher
Concurrenz begegnen Sie auf den franzoͤsischen Maͤrkten? –
A. Unser Absaz erstrekt sich uͤber ganz Frankreich. Von Seite der
franzoͤsischen Fabriken erfahren wir keine Concurrenz, denn wir sind
beinahe ausschließlich im Besize der Fabrikation feiner schwarzer
Tuͤcher; in Elbeuf wird zwar auch schwarzes Tuch erzeugt: allein von
einer Qualitaͤt, welche wenigstens um 4 Fr. wohlfeiler ist, als unsere
niedrigsten Fabrikate. Dieser Absaz leidet jedoch bedeutende Schwankungen; im
Jahre 1833 erzeugte und verkaufte Sedan sehr viel, und wir konnten, weil uns die
Rohstoffe wohlfeiler zu stehen kamen, um maͤßige Preise verkaufen. Da man
jedoch ein Steigen der Preise voraussah, so legte man sich groͤßere
Vorraͤthe bei, und da diese noch nicht aufgeraͤumt sind, so ward
im Jahre 1834 weniger verkauft. Der Unterschied im Verkaufspreise in den
Fabriken mag zwischen den beiden Jahren 1833 und 1834 wenigstens ein Sechstel
betragen. Als Verkaufsbedingungen bewilligen wir außer dem Scontro auch noch
einen Vortheil im Messen, und einen Abzug fuͤr die im Tuche befindlichen
Taren, so daß sich hieraus eine Verminderung des Facturenpreises um 10 bis 12
Proc. ergibt. Viele Tuchfabrikanten verkaufen ihre Tuͤcher direct an die
Kleidermacher; ich fuͤr meine Person thue dieß nur an solchen Orten, wo
es keine eigentlichen Tuchhandlungen gibt; denn bei einem groͤßeren
Betriebe, wie der meinige ist, halte ich es fuͤr zwekmaͤßiger,
sich an die Tuchhandlungen zu wenden, wenn auch der Gewinn im Einzelnen hiebei
geringer ist. Uebrigens loben mehrere Sedaner Haͤuser, die bloß an
Kleidermacher abgeben, diesen Verkehr sehr; auch ist allerdings richtig, daß der
Preis der Kleider bei weitem nicht in demselben Maße gesunken ist, wie jener der
Tuͤcher. – Die laͤngste Unterbrechung erlitt unser Absaz in
den 6 lezten Monaten des Jahres 1834 und in den 6 ersten Monaten des Jahres
1831; gegen die Mitte des Jahres 1831 nahm die Fabrikation wieder großen
Aufschwung, wozu namentlich die Equipirung der Nationalgarde viel beitrug. Im
Jahre 1832 erhoͤhte die Cholera den Absaz an Tuch bedeutend; im Jahre
1833 war der Absaz gleichfalls stark; im Jahre 1834 hingegen nahm er merklich
ab. Vor der Juliusrevolution waren die Jahre 1827 und 28 den Tuchfabriken in
Frankreich sehr unguͤnstig, waͤhrend die Jahre 1824 und 25 die
gluͤklichsten waren, die die Tuchfabrikation bei uns erlebte.
Fr. Wie verhaͤlt sich Ihre Tuchausfuhr?
– A. Die Ausfuhr betraͤgt kaum den zehnten Theil der
Gesammtproduction, und findet hauptsaͤchlich nach Piemont und Italien
Statt. Sie nahm in neuerer Zeit nicht zu, sondern vielmehr ab, indem wir einige
wichtige Absazwege verloren. Vor dem Abschlusse des preußischen Zollvereines
machte ich in Wuͤrtemberg und Bayern bedeutende Geschaͤfte, die
jedoch seit dem 1. Januar 1834 aufgehoͤrt haben. Ich versandte
fruͤher nach Muͤnchen jaͤhrlich fuͤr 50,000, und
nach Stuttgart fuͤr 40,000 Fr. Tuͤcher; mein Gesammtabsaz in
Deutschland mochte gegen 150,000 Fr. betragen; dieß hat jedoch
aufgehoͤrt, was um so mehr zu bedauern ist, als diese Ausfuhr lediglich
aus ganz feinen Tuͤchern bestand.
Fr. Sie erhalten bei der Ausfuhr eine Praͤmie von 13 1/2 Procent, welche
den Zoll ausgleicht, den Sie bei der Einfuhr fremder Wolle zu bezahlen haben.
Halten Sie diese Praͤmie fuͤr unentbehrlich? – A.
Allerdings; denn wir haben unsere Facturen fuͤr das Ausland auch jedes
Mal um diese 13 1/2
Proc. ermaͤßigt, weil wir ohne diese Maßregel vielleicht auch nicht ein
Stuͤk haͤtten ausfuͤhren koͤnnen.
Fr. Sind Ihnen fremde Fabrikate bekannt, welche jenen
von Sedan gleichkommen, und welche Preise haben gleiche Tuͤcher im
Auslands? – A. In Belgien, England und Preußen gibt es Fabriken, die
gleich den unserigen ausschließend schwarze Tuͤcher erzeugen. In Aachen
sind mehrere derlei Fabriken von bedeutender Groͤße, gegen die wir auf
den fremden Maͤrkten nicht Concurrenz halten koͤnnen. Wir
koͤnnen nur deßhalb noch ausfuͤhren, weil das Sedaner Tuch doch
noch immer von einigen Leuten gesucht ist, weil die fremden Tuͤcher keine
so schoͤne und eben so solide schwarze Farbe haben, wie die unserigen;
und weil die Tuchhandlungen daher gezwungen sind, auch von unseren
Tuͤchern ein Sortiment zu halten. Tuch, welches wir zu 24 Fr. die Elle
verkaufen, gilt in Belgien nur 18 Fr.; die englischen schwarzen Tuͤcher
hingegen sind im Handel weniger geschaͤzt. Ausnahmsweise und um den
Geschmak einzelner Reicher zu befriedigen, fuͤhren wir jedoch zuweilen
selbst Tuͤcher nach Belgien aus; so erhielt ich bei der lezten Trauer am
belgischen Hofe Auftraͤge auf Tuch von erster Qualitaͤt. –
Die preußischen Fabriken liefern sehr schoͤne Fabrikate und haben die
angedeuteten Vortheile vor uns voraus; sie gewinnen uͤberdieß
taͤglich eine groͤßere Entwikelung, und jaͤhrlich entstehen
ihrer daselbst auch neue.
Fr. Welche Ansicht haben Sie von der Ersezung des
Einfuhrverbotes durch einen Schuzzoll? – A. Ich kann diese Frage, so wie
sie gestellt ist, nicht beantworten, und erlaube mir daher sie so zu nehmen, wie
ich sie verstehe. Ich bin uͤberzeugt, daß das Einfuhrverbot nicht ewig
dauern koͤnne; allein wir haben auch den Zeitpunkt noch nicht erreicht,
wo unsere Wollenwaarenfabrikanten die Aufhebung dieses Verbotes ohne ungeheueren
Schaden ertragen koͤnnten. Liegt die Maßregel, die man
vorschlaͤgt, im Interesse der sogenannten Consumenten, und wird man in
diesem Falle den beabsichtigten Zwek auch wirklich erreichen? Diese Frage ist
es, bei der die Interessen von ganz Frankreich betheiligt sind; denn man kann
nicht an die beiden groͤßten Industriezweige Frankreichs, naͤmlich
an die Wollen- und Baumwollenwaaren-Fabrikation, Hand anlegen,
ohne daß zugleich auch auf alle uͤbrigen und namentlich auf die
Landwirthschaft eine Ruͤkwirkung erfolgte. Fuͤr die
Landwirthschaft wuͤrde die Einfuhr fremder Zeuge eben so nachtheilig
werden, wie die Einfuhr fremder Rohstoffe, und eben so wuͤrden auch alle
uͤbrigen Industriezweige, und mithin auch das Privateigenthum sowohl, als
das Staatseinkommen dadurch betroffen werden. Wenn daher das Einfuhrverbot
aufgehoben werden soll, so muß man die beiden großen Industriezweige, auf die
man diese Maßregel anwenden will, vor Allem unter dieselben Verhaͤltnisse
bringen, unter denen sie sich im Auslande befinden. Ich weiß wohl, daß die
Regierung nicht machen kann, daß mir das Brennmaterial, welches ich zu 20 Fr.
zahle, gleichwie in Belgien auch nur auf 12 Fr. zu stehen komme; und daß wir
nicht einen um 30 bis 35 Proc. hoͤheren Arbeitslohn zahlen, als er in
Belgien bezahlt wird. Allein wenn die Regierung dieß nicht kann, so soll sie
wenigstens warten, bis die Industriezweige, die uns die Rohstoffe liefern, ihre
Preise ermaͤßigt haben, und nicht mit den lezten Fabrikaten die Reform
beginnen. Ich muß mich jedoch hier auf die Angabe der Gruͤnde
beschraͤnken, wegen welcher die Regierung das auf den fremden
Tuͤchern lastende Einfuhrverbot aufrecht erhalten soll. Das Wort
Einfuhrverbot klingt etwas hart, und die Regierung darf sich daher bei der
Annahme des dadurch bezeichneten Systemes nur durch das allgemeine Interesse
leiten lassen. Ich frage, ob die beiden Industriezweige, um die es sich hier
hauptsaͤchlich handelt, bei dem Prohibitivsysteme stationaͤr
geblieben sind, und ob sie wirklich, wie man sagt, eine Art von Monopol
ausuͤbten? Daß sie nicht stationaͤr blieben, dafuͤr spricht
nicht bloß obiger, zwischen den Tuchpreisen der Jahre 1817 und 1834 angestellte
Vergleich, sondern dieß beweisen auch die großen und allgemein anerkannten
Fortschritte, die wir machten. Leidet der Consument auch wirklich bei dem
gegenwaͤrtigen Stande der Dinge, und koͤnnen der Handelsstand von
Bordeaux und die Landwirthschaft mit Recht dem Prohibitivsysteme die in ihren
Geschaͤften eingetretene Stokung zuschreiben? Ich glaube nicht; denn wenn
Bordeaux verloren hat, so haben Marseille und Havre dafuͤr gewonnen, so
daß eigentlich nur eine Ortsveraͤnderung in der Handelsbewegung eintrat;
ja ich gehe sogar noch weiter, und behaupte, daß Bordeaux bei dieser Maßregel
nicht so sehr interessirt ist, als gerade fuͤr die Landwirthschaft ein
Nachtheil daraus erwachsen wuͤrde. Es ist naͤmlich bekannt, daß
Frankreich 9/10 von seinen Weinen selbst verbraucht und nur 1/10
ausfuͤhrt; wenn nun, wie ich glaube, durch die Aufhebung des
Einfuhrverbotes unsere Maͤrkte mit fremden Producten uͤberschwemmt
werden wuͤrden, so wuͤrde wegen der geringeren Thaͤtigkeit
unserer Fabriken, die hieraus folgen muͤßte, nothwendig auch eine
Verminderung des Weinverbrauches im Innern und damit eine
verhaͤltnißmaͤßige Verminderung des Ertrages der directen Auflagen
entstehen. Die englische, preußische und belgische Industrie wuͤrden also
den Gewinn auf unseren Maͤrkten theilen, und dagegen nicht das Geringste
zur Bestreitung der Beduͤrfnisse unseres Staates beitragen. – Soll
bloß mit England und Belgien uͤber die Aufhebung des Einfuhrverbotes
unterhandelt werden? Ich muß hier vorlaͤufig bemerken, daß sich Belgien
in einer unangenehmen Lage befindet, indem es von den franzoͤsischen und
preußischen Mauthen gedraͤngt wird, und durch die Revolution den Absaz
nach Holland und den hollaͤndischen Colonien verlor. Will man die
belgischen Wollenwaaren zulassen, so frage ich, welche Entschaͤdigung
eine Bevoͤlkerung von 3 Millionen einem Volke von 33 Millionen bieten
kann? Man wird mir zwar dagegen einwenden, daß ein so kleines Volk uns wohl
nicht so gefaͤhrlich werden koͤnnte, als man fuͤrchtet.
Allerdings, wenn die Fabrikationsmittel Belgiens mit seiner Bevoͤlkerung
im Verhaͤltnisse stuͤnden; allein die belgischen Fabriken sind in
großem Maßstabe eingerichtet und in den Haͤnden sehr reicher
Capitalisten, die ihr Capital bereits groͤßten Theils geloͤscht
haben. Sie koͤnnen daher abgesehen von dem, was ich oben uͤber den
Arbeitslohn und uͤber den Preis der Steinkohlen und der Rohstoffe gesagt
habe, wohlfeiler fabriciren; sie koͤnnen sich ferner zu jenen Zeiten, wo
die Wollen am wohlfeilsten sind, große Vorraͤthe davon ankaufen;
waͤhrend wir, die wir unsere Wollen nur in Masse unseres Bedarfes aus
Deutschland beziehen, allen aus den Schwankungen der Preise hervorgehenden
Nachtheilen ausgesezt sind. Dieß mag genuͤgen, um zu beweisen, daß die
Zulassung der belgischen Fabrikate den nachtheiligsten Einfluß auf unsere
Fabriken uͤben muͤßte, und daß das Einfuhrverbot gegen Belgien zu
unserer Existenz bisher noch unumgaͤnglich nothwendig ist. –
Sollen wir dagegen die Wollwaaren Englands, Preußens und aller anderen
Laͤnder, die uns ihre Maͤrkte verschließen, zulassen? Wenn wir
dieß sollen, so muͤßte man uns vorerst die fremden Maͤrkte
eroͤffnen, und uns unter gleiche Verhaͤltnisse mit dem Auslande versezen.
Wenn die Regierung nach Abschaffung aller auf die Rohstoffe gelegten
Zoͤlle uns sagen wuͤrde: wir eroͤffnen euch die fremden
Maͤrkte mit vollkommener Reciprocitaͤt in Hinsicht auf die
Zulassung der Fabrikate des Auslandes; dann muͤßte allerdings das
Prohibitivsystem aufgehoben und durch einen maͤßigen Zoll von 9 bis 10
Proc. ersezt werden. So lange dieß jedoch nicht der Fall ist, kann ich mich
wenigstens in keine Eroͤrterungen zur Festsezung eines Schuzzolles
einlassen; denn wie groß er auch seyn moͤchte, so wuͤrde dieß
fuͤr unsere Industrie ein Schlag seyn, von welchem sie sich nur schwer
erholen wuͤrde. Nach einigen Jahren und nach vorausgegangenen ungeheueren
Verlusten wuͤrde man sich freilich unter ganz anderen Umstaͤnden
befinden; die Fabriken wuͤrden nach vergeblichem Abmuͤhen um
aͤußerst niedrige Preise verkauft, und das Material unter besseren
Bedingungen erneuert worden seyn, so daß sich die neuen Fabriken dann unter
guͤnstigeren Umstaͤnden befaͤnden. Dieß gebe ich allerdings
zu; allein ein solches Verhaͤltniß ließe sich nur auf Kosten aller
gegenwaͤrtig bestehenden Fabriken schaffen. Wenn man daher unseren
Fabriken keine Absazwege zu eroͤffnen vermag, die sie fuͤr alle
Verluste, die sie machen werden, schadlos halten, so muß man die Frage
wenigstens vertagen. Nachdem ich nun als Wollenwaarenfabrikant gesprochen,
koͤnnte ich die Frage auch noch unter anderen Beziehungen betrachten.
Nehmen wir z.B. nur die Eisenfabrikation, die sehr im Emporkommen ist, und die
innig mit unserem Geschaͤfte im Zusammenhange steht, indem wir ein
ungeheures Capital in den Maschinen steken haben. Wuͤrde der Preis des
Eisens durch Aufhebung des hohen Zolles, der auf das fremde Eisen gelegt ist,
ploͤzlich bedeutend fallen, so wuͤrde dieß auf eine sehr
unangenehme Weise auf den Werth der Maschinen, die uns so schweres Geld
kosteten, zuruͤkwirken. Uebrigens ist diese Bemerkung nur in so fern von
Belang, als sie beweist, wie sehr in Dingen dieser Art eine Mauthmaßregel eine
weit ausgedehnte Ruͤkwirkung hat.
Fr. Wollen Sie sich in keine Eroͤrterungen
uͤber den festzusezenden Schuzzoll einlassen? – A. Ich will
allerdings auf diese Hypothese, gegen welche ich jedoch bereits meine Zweifel
erhoben habe, eingehen. Nehmen wir an der Zoll betrage 30 bis 40 Proc., so
kaͤme dieser einem Verbote gleich, wenn er nicht umgangen werden
koͤnnte. So wie aber fuͤr 20 Proc. geschmuggelt wird, so werden
die fremden Tuͤcher vor den unserigen den Vorzug erhalten. Allein selbst
wenn der Zoll vollkommen erhoben wuͤrde, so wuͤrde doch noch immer
ein Nachtheil fuͤr uns daraus erwachsen, weil wir fuͤr den Verlust
an Absaz, den wir auf den inlaͤndischen Maͤrkten erleiden
wuͤrden, nirgendwo eine Entschaͤdigung finden koͤnnten. Der
Detailhandel wird anfangs allerdings dabei gewinnen, indem die Neuheit und die
Vorliebe fuͤr Alles, was einen fremden Namen fuͤhrt, Viele
anziehen wird; allein dieß wird nicht lange dauern, und bald wird ein Gegenstoß
fuͤhlbar werden, der den Verbrauch beschraͤnken, und die
allgemeine Wohlfahrt hart betreffen wird.
Fr. Sie sagten oben, daß die Industrie, die
Landwirthschaft und der Handel in inniger Verbindung mit einander
stuͤnden, und daß das Verbot zum Schuze gewisser Industriezweige aufrecht
erhalten werden muͤsse. Waͤre nicht zu fuͤrchten, daß man
in anderen Laͤndern auf gleiche Weise urtheilte, und daß man uns daher
daselbst Maͤrkte verschloͤsse, die uns gegenwaͤrtig offen
sind, woraus nothwendig eine große Stoͤrung fuͤr manche unserer
Industriezweige erwachsen muͤßte? – A. Ich weiß nicht, welche Industriezweige
auf solche Weise betroffen werden koͤnnten. Wurden wir uͤbrigens
nicht gerade in dieser Hinsicht in manchen Laͤndern
uͤberfluͤgelt; zeigte sich das viel gepriesene England liberaler
als wir?
Fr. Ich stellte die Frage im Allgemeinen, und sprach
nicht von England allein? – A. Ich kann nur von jenen Laͤndern
sprechen, mit denen wir in Verbindung stehen, und daraus fuͤr den
speciellen Fall der gegenwaͤrtigen Untersuchung Schluͤsse ziehen.
Die Vereinigten Staaten z.B. lassen unsere Seidenwaaren zu, weil sie wenig oder
gar nichts davon erzeugen; die Tuͤcher hingegen zahlen daselbst einen
Zoll, der beinahe einem Verbote gleichkommt. Die Idee des Verlustes, den wir bei
der Zulassung der englischen und belgischen Tuͤcher erleiden
wuͤrden, wenn nicht eine gehoͤrige Ausgleichung vorausginge, ist
bei mir die vorherrschende. Ich glaube, daß die Maßregel, um die es sich
handelt, unendliches Ungluͤk uͤber Frankreich bringen
wuͤrde, und daß der Fortbestand dessen, was wir gegenwaͤrtig
haben, keines der fremden Laͤnder veranlassen wird, unsere
Verhaͤltnisse zu denselben abzuaͤndern. Man darf uͤbrigens
nicht vergessen, daß unsere Ausfuhr gegen den inneren Verbrauch hoͤchst
unbedeutend ist, waͤhrend sich das jaͤhrliche Erzeugniß unserer
Zeugfabriken bis gegen 400 Millionen belaͤuft. Ich glaube nicht, daß das
Prohibitivsystem fuͤr immer wird beibehalten werden muͤssen; die
Zeit, wo dessen Aufhebung einst raͤthlich seyn wird, kann ich nicht
bestimmen.
Fr. Sie scheinen zu glauben, daß bei einem Schuzzolle
leichter geschmuggelt werden koͤnne, als beim Fortbestehen des
Einfuhrverbotes? – A. Beim Bestehen des Einfuhrverbotes erfolgt die
Schmuggelei immer unter viel haͤrteren Bedingungen, als beim Bestehen
eines Einfuhrzolles. Ich bin uͤberzeugt, daß wenn man heute statt des
Verbotes einen Zoll von 40 Proc. einfuͤhren wuͤrde, die
Schmuggelpraͤmie nur 25 bis 30 Proc. betragen wuͤrde, und daß
vielleicht selbst fuͤr 10 und 12 Proc. geschmuggelt werden
koͤnnte. Wenn man bei dem Zolle auch die Wegnahme von allem fremden
Tuche, dem die Mauth nicht den Stempel aufdruͤkte, beibehielte, so
wuͤrde dieß doch nicht gehoͤrig schuͤzen; denn es gibt kein
Mittel fremdes Tuch von inlaͤndischem zu unterscheiden. Nur das Sedaner
Tuch ist durch ein ganz eigenes Siegel leicht von allen fremden Tuͤchern
zu unterscheiden; im Allgemeinen laͤßt sich aber nicht erkennen, ob ein
Tuch belgischen oder franzoͤsischen Ursprunges ist.
Fr. Die Vergleichung des Registers des Fabrikanten
wuͤrde jedoch leicht nachweisen, ob die Marke nachgemacht worden oder
nicht? – A. Ich kann mich gegenwaͤrtig nicht auf eine Untersuchung
der Ausfuͤhrung dieser Maßregel einlassen.
13. Aussagen des Hrn. Deneirouse,
Shawlfabrikanten in Paris.
Fr. Welche Aufschluͤsse koͤnnen Sie uns
uͤber Ihren Industriezweig geben? – A. Wir befinden uns auf einer
weit hoͤheren Stufe, als alle unsere Nachbarn, und haben daher deren
Concurrenz durchaus nicht zu scheuen. Was jedoch die indischen Shawls betrifft,
so wuͤrden uns jene, deren Preis unter 1000 Fr. betraͤgt, großen
Eintrag thun, waͤhrend wir die theureren, die uns als Muster dienen,
nothwendig beduͤrfen. Der auf die Caschemirshawls gelegte Zoll von 20 Proc.
gewaͤhrt uns nicht hinreichenden Schuz; und uͤberdieß wird selbst
dieser Zoll nicht streng erhoben, indem eine große Menge Shawls gegen eine
Praͤmie von 10 Proc. eingeschmuggelt wird. Allerdings werden sowohl in
Marseille als in Bordeaux solche Caschemirshawls auch wirklich verzollt, allein
dieß geschieht nur, wenn Mangel an solchen auf dem Plaze eingetreten ist, und
wenn man, um diesen Mangel rasch deken zu koͤnnen, nicht auf die
Schmuggler warten kann. Ich weiß allerdings, daß fuͤr die indischen
Shawls keine Zolldeclaration unter 500 Fr. angenommen wird, und daß also kein
solcher Shawl unter 110 Fr. Zoll zahlt; allein selbst dieser Zoll wuͤrde
uns auch bei genauer Erhebung nicht hinreichend schuͤzen. Was meine
Fabrikate betrifft, so haben dieselben 100 bis 800 Fr. Werth per Stuͤk; und in ganz Frankreich
moͤgen Shawls im Werthe von 5 bis 6 Mill. Fr. aus den Haaren der
Tibethziege erzeugt werden. Das rohe Material beziehen wir uͤber Moskau.
Wegen der großen Fortschritte, die die Spinnerei in den beiden lezten Jahren
machte, ist der Werth der Shawls seither um 25 Proc. gesunken. Die
Englaͤnder fabriciren gleichfalls Shawls; diese sind jedoch
aufgenaͤht und thun uns keinen Eintrag; man kann sogar sagen, daß die
englischen Shawls noch unter jenen stehen, die in Nîmes fabricirt werden.
Ausgefuͤhrt wird nur der sechste Theil unseres Fabrikates, und zwar nach
England, wohin wir vergangenes Jahr nicht unbedeutende Geschaͤfte
machten, nach Deutschland und nach Rußland. Vergangenes Jahr war die Ausfuhr im
Steigen; heuer gehen die Geschaͤfte hingegen wieder flauer.
Fr. Fabriciren Sie keine sogenannten spulinirten
Shawls? – A. Ich besaß 10 Webestuͤhle dafuͤr, welche gegen
31 Arbeiter beschaͤftigten. Dieser Artikel, dessen Fabrikation sehr
einfach ist, koͤnnte in Frankreich viele Menschenhaͤnde
beschaͤftigen, denn man brauchte wenigstens 1200 Arbeiter, um in einem
Jahre in diesem Artikel fuͤr eine Million Fr. Geschaͤfte machen zu
koͤnnen. Man koͤnnte diesen Fabrikationszweig auf das Land
verpflanzen, und ihn auf diese Weise vor der Concurrenz der indischen Shawls,
von der er Alles zu fuͤrchten hat, schuͤzen. Mehrere Pariser
Haͤuser haben Agenten nach Calcutta zum Aufkaufe gesandt, und wenn diese
mit ihren großen Massen zuruͤkkommen, so werden unsere Fabriken sehr
darunter leiden; ja die Fabrikation der spulinirten Shawls duͤrfte
gaͤnzlich dadurch vernichtet werden. Wir liefern Shawls, die wohlfeiler
sind, als die indischen; leztere sind bei einem Preise von 1000 Fr. grobe Gewebe
voller Naͤhte, und gewiß schlechter, als Shawls, die wir fuͤr 4
bis 500 Fr. liefern. Allein unsere Damen kaufen der Mode und der Caprice wegen,
so wie auch um zu zeigen, daß sie etwas sehr Theures um ihre Schultern
haͤngen haben, lieber einen aus vielen Stuͤken
zusammengenaͤhten, als einen franzoͤsischen Shawl. Es waͤre
daher sehr zu wuͤnschen, daß man keine indischen Shawls unter 1000 Fr. im
Werthe gegen den festgesezten Zoll von 20 Proc. zuließe. Zur Verhuͤtung
der Schmuggelei muͤßten die Shawls, welche bei der Einfuhr wirklich
verzollt wurden, mit einem Stempel versehen werden.
(Fortsezung folgt.)