Titel: | Einiges über den Dampfwagen des Hrn. John Scott Russell Esq. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XLI., S. 245 |
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XLI.
Einiges uͤber den Dampfwagen des Hrn.
John Scott Russell
Esq.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
602.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Einiges uͤber Russell's Dampfwagen.
Wir legen dem Publicum hier eine Zeichnung eines neuen Dampfwagens vor, der in den
lezten Tagen des Februars und abwechselnd mit einem anderen aͤhnlich gebauten
Wagen auf der Hammersmithstraße hin und her fuhr, und mit welchem die
Eigenthuͤmer eine regelmaͤßige Verbindung zwischen London und Windsor
herzustellen trachten. Diese beiden Wagen nun sind zwei von jenen sechs, welche zu
Anfang des Jahres 1834 in Edinburgh nach dem Patente des Hrn. John Scott Russell Esq. erbaut wurden, und welche zur
Dampfwagenverbindung zwischen Glasgow und Paisley bestimmt waren. Auf welche Weise
die Straßenbeamten diese Wagen von lezterer Straße vertrieben, haben wir bereits in
einigen fruͤheren Artikeln gezeigt.Wir verweisen in dieser Hinsicht aus die Notizen, die wir im Polyt. Journale
Bd. LII. S. 233, Bd. LIII. S. 386 und 454, und erst noch kuͤrzlich
in einem der lezten Hefte bekannt machten. A. d. R.
Das Fuhrwerk des Hrn. Russell (Fig. 17)
uͤbertrifft dem aͤußeren Ansehen nach Alles, was wir bisher noch von
Dampfwagen sahen; und wenn dasselbe auch etwas schwerer ist, als die
gewoͤhnlichen Reisewagen, so kann man doch mit allem Rechte von ihm sagen,
daß es eine sehr glaͤnzende Equipage bildet, welche mit eben so viel Eleganz
als Bequemlichkeit ausgestattet ist. Die Dampfmaschine ist unter dem hinteren Theile
des Wagens angebracht, und hinter lezterem ist ein Zugkarren angehaͤngt, der
zum Fortschaffen des Brennmateriales und Wasservorrathes dient, und den man in Fig. 18
einzeln und in groͤßerem Maßstabe abgebildet sieht. Der Wagen und der
Zugkarren koͤnnen im Inneren 6 und außen 18 Reisende aufnehmen.
Das ganze Gewicht dieses Baues ruht auf Federn; und zwar der Wagen auf C foͤrmigen, und die Maschinerie auf
Heuschrekenfedern; in Hinsicht dieser Aufhaͤngung soll der neue Dampfwagen
bedeutende Vorzuͤge vor allen uͤbrigen Dampfwagen voraus haben. Hr.
Russell behauptete in seiner Abhandlung uͤber
die Dampfwagen, welche er im Foreign Quarterly Review
niederlegte, und welche er geschrieben zu haben schien, bevor er sich noch selbst
mit dem Dampfwagenbaue beschaͤftigte, daß alle Versuche, die man bisher noch
machte, um die Dampfwagen in Federn aufzuhaͤngen, mißlangen. „Die
Versuche,“ fuͤgt er bei, „mißlangen, nicht weil
keine Federn angebracht waren, sondern weil entweder nicht das ganze Gewicht auf
denselben ruhte, oder weil sie ihre Wirkung nicht ausuͤben konnten. An
einigen derselben ruhte naͤmlich zwar der Kasten des Wagens, nicht aber
die Maschinerie selbst, auf Federn; an anderen hingegen ward zwar das Ganze
zuerst auf Federn gesezt; allein hinterher, wo man fand, daß sich deren Wirkung
nicht mit jener des uͤbrigen Mechanismus vertruͤge, wurden diese
Federn zur Verhinderung ihrer Biegung so niedergedruͤkt, so verdikt oder
so verkuͤrzt, daß sie nicht fuͤglich als etwas anderes, denn als
steife Metallklumpen zu betrachten waren.“ Hr. Russell ging selbst noch weiter; denn er behauptete, daß alle bisher
erbauten Dampfwagen nur wegen unvollkommener Aufhaͤngung zu Grunde gingen.
Wenn wir auch nicht glauben, daß es ihm so leicht werden duͤrfte, diese seine
Behauptung in ihrer ganzen Ausdehnung zu beweisen, so laͤßt sich doch nicht
laͤugnen, daß die Unvollkommenheit der Aufhaͤngung, oder noch besser
die Schwierigkeit, die Maschinerie auf irgend eine Weise so aufzuhaͤngen, daß
sie von den Erschuͤtterungen, welche selbst auf den besten Landstraßen durch
die unvermeidlichen Unebenheiten hervorgebracht werden muͤssen, keinen
Schaden leide, bisher eines der vorzuͤglichsten Hindernisse war: ein
Hinderniß, welches, wie wir fuͤrchten, durch keine Federvorrichtung je
vollkommen beseitigt werden duͤrfte. Hr. Russell
sagt uns in dem oben angefuͤhrten Aufsaze, daß die Wirkung der Federn dahin
zielen soll, daß der Wagen und dessen Ladung so viel als moͤglich von den
Raͤdern und Achsen getrennt werden, damit die Erschuͤtterungen, welche
leztere erleiden, nicht an das oberhalb befindliche Gewicht fortgepflanzt werden;
und daß, so lange diese Aufgabe nicht geloͤst wird, alle kuͤnftigen
Versuche das Loos der fruͤheren haben werden. Wir fuͤrchten, daß auch
Hrn. Russell's Dampfwagen dieser Bedingung nicht
vollkommen entsprechen duͤrfte; allein wir glauben, daß er dessen ungeachtet
mehr verspricht, als irgend eine andere Unternehmung seines Gleichen. Einen
Dampfwagen so zu erbauen, daß sich die durch die Unebenheiten der Straße
hervorgebrachten Erschuͤtterungen nicht uͤber die Raͤder und Achsen hinaus
erstreken, ist offenbar eine mechanische Unmoͤglichkeit, wie sich Hr. Russell wohl seither selbst uͤberzeugt haben wird.
Er wird sich damit begnuͤgen, wenn ihm Jedermann, der seine Wagen in
Thaͤtigkeit sah, mit vollem Rechte das Zeugniß gibt: daß er eine
Aufhaͤngemethode erfand, welche weit besser ist, als irgend eine andere
bisher an den Dampfwagen in Anwendung gebrachte. Diese Methode besteht, um uns der
Worte des Patenttraͤgers zu bedienen, darin, daß er jede Feder so baut, daß
sie bei ihrer Biegung um einen gewissen Punkt einen solchen Kreis beschreibt, wie er
von der Achse des in Bewegung befindlichen Wagens um die Achse der Maschinerie
beschrieben wird. Wir hoffen spaͤter die Patenterklaͤrung selbst
ausfuͤhrlich mittheilen zu koͤnnen.
Die Maschine hat zwei Cylinder aus Kanonengut von 12 Zoll im Durchmesser, und von
einem Kolbenhube von 12 Zoll. Es gab eine Zeit, zu welcher Hr. Russell lieber einen, als zwei Cylinder anwendete, indem er es fuͤr
unmoͤglich hielt, daß zwei Cylinder vollkommen genau zusammenwirken
koͤnnten; seitdem er sich aber die Muͤhe gab, seine theoretischen
Ansichten auf die Praxis zuruͤkzufuͤhren, scheint er sich von obigem
Irrthume uͤberzeugt zu haben. Die Art und Weise, auf welche es ihm gelang,
die angebliche Unmoͤglichkeit zu beseitigen, ist sehr einfach; die Cylinder
haben naͤmlich getrennte Kurbelachsen, welche durch Zahnraͤder und
Getriebe mit der Hauptachse in Verbindung stehen. Die durch diese Mittel erzielte
Einheit der Bewegung laͤßt nichts zu wuͤnschen uͤbrig.
Der Dampfkessel ist nach dem vortrefflichen Systeme erbaut, welches Hr. Booth fuͤr die Dampfwagen der
Liverpool-Mancher-Eisenbahn erfand; nur hat Hr. Russell einige Verbesserungen daran vorgenommen, welche seinem Patente
gemaͤß in Folgendem bestehen. 1) Baut er seinen Kessel so, daß er
uͤberall aus gegenuͤberliegenden oder parallelen Oberflaͤchen,
oder so viel als moͤglich aus solchen besteht; und daß er diese
Oberflaͤchen mittelst Draͤhten oder Staͤben verbindet, welche
er je nach der directen Cohaͤsionskraft, und je nach dem Grade des
Widerstandes, den sie zu leisten haben, in entsprechenden Entfernungen von einander
anbringt. 2) Kann er in Folge dieser Methode Metallblech anwenden, welches viel
duͤnner ist, und welches folglich die Hize weit leichter durchlaͤßt,
als dieß bisher an anderen Kesseln der Fall war. An dem Kessel des Wagens, von dem
wir hier eine Abbildung mittheilen, ist das Kupferblech nur 1/10 Zoll dik,
waͤhrend es an den Booth'schen Kesseln einen
halben Zoll Dike hat. Die Zahl der Verbindungsstaͤbe, von denen jeder 1/4
Zoll im Durchmesser hat, soll uͤber 1300 betragen. Hr. Russell ist durch die von ihm eingefuͤhrten Verbesserungen in Stand
gesezt, mit einer und
derselben Heizoberflaͤche in einer bestimmten Zeit eine groͤßere Menge
Dampf zu erzeugen, als dieß Hr. Booth mit seinem Kessel
vermag; d.h. mit anderen Worten, er kann das Gewicht des Kessels bedeutend
vermindern, ohne daß dadurch dessen Kraft Schaden leidet. Was die Sicherheit
betrifft, so ist auch diese nicht nur nicht geringer, sondern im Gegentheile
groͤßer; denn da es unmoͤglich ist saͤmmtlichen Staͤben
und den Schraubenmuttern, womit sie befestigt werden, eine vollkommen gleiche
Staͤrke zu gehen, und da einige derselben immer weit schwaͤcher seyn
werden, als die uͤbrigen, so wird in dem Augenblike, in welchem der Druk
beginnt, der schwaͤchste der Staͤbe nachgeben, und so wie auch nur
einer dieser Staͤbe nachgibt, so wird auch saͤmmtliches Wasser aus dem
Kessel entweichen, der Druk des Dampfes wird aufhoͤren, das Feuer wird
verloͤschen, und alle Gefahr von Explosion wird verschwinden.
Der angehaͤngte Vorrathskarren ist wie der Wagen selbst in Federn
gehaͤngt; er enthaͤlt einen kupfernen Behaͤlter, welcher 180
Gallons Wasser zu fassen vermag, und gewaͤhrt uͤberdieß
hinlaͤnglichen Raum fuͤr den Vorrath von Kohks. Das Wasser wird in dem
Maaße, als der Kessel dessen bedarf, in zwei Kautschukroͤhren aus dem
Behaͤlter in den Kessel gefuͤhrt, und neben dem Kessel befinden sich
zwei messingene Pumpen, von denen eine jede mit doppelt sphaͤrischen
Saug- und Entleerungsventilen versehen ist. An bestimmten Stationen werden
solche Karren mit Wasser und Kohks gefuͤllt in Bereitschaft gehalten, so daß
man daher nur den einen leer gewordenen Karren aus-, und einen neuen
dafuͤr einzuhaͤngen braucht: ein Geschaͤft, wozu offenbar weit
weniger Zeit erforderlich ist, als zu dem gewoͤhnlichen Umspannen der
Pferde.
Die zur Bedienung dieser Dampfwagen noͤthigen Personen sind: ein Steuermann,
der auf dem Boke sizt; ein Maschinist, welcher unmittelbar uͤber den
Maschinen auf dem hinteren Außensize sizt, und der nicht bloß das Drosselventil,
sondern auch mehrere Haͤhne unter seiner Aufsicht hat, so daß er zu jeder
Zeit sowohl den Stand des Wassers, als jenen des Dampfes genau zu ermitteln im
Stande ist. Der Heizer sieht vor der Feuerstelle auf einem Fußtritte, und vertritt
zugleich auch die Stelle eines Kammerdieners fuͤr die Reisenden.