Titel: | Bereitung eines Auflösungsmittels für den Kautschuk und andere Substanzen, worauf sich William Henry Barnard, Gentleman in New-Broad-Street, in der City of London, am 20. August 1833 ein Patent ertheilen ließ. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LII., S. 288 |
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LII.
Bereitung eines Aufloͤsungsmittels
fuͤr den Kautschuk und andere Substanzen, worauf sich William Henry Barnard, Gentleman in
New-Broad-Street, in der City of London, am
20. August 1833 ein Patent ertheilen
ließ.
Aus dem London Journal of Arts. Maͤrz 1835, S.
382.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Barnard's Bereitung eines Aufloͤsungsmittels fuͤr den
Kautschuk.
Meine Erfindung besteht in einem wesentlichen Oehle oder in einer
Fluͤssigkeit, die ich durch Destillation eines bekannten Handelsartikels,
naͤmlich des Kautschuk oder des Federharzes erhalte, und die ich mir auf
folgende Weise bereite.
Ich nehme eine Masse Kautschuk, so wie er im Handel vorkommt, und zerschneide sie in
kleine Stuͤke von beilaͤufig zwei Kubikzoll. Diese Stuͤke
bringe ich in einen gußeisernen Destillirapparat, den man in Fig. 51 abgebildet sieht.
A ist naͤmlich die Destillirblase; B der Dekel, welcher so abgeschliffen ist, daß er genau
darauf paßt, und der mit Klammern und Schrauben darauf befestigt wird. In diesem
Dekel befindet sich ein Loch mit einem eingeriebenen Pfropfe, welches dazu dient,
daß man die Temperatur mit einem Thermometer messen kann. C ist die Feuerstelle, D das Aschenloch,
E das Schlangenrohr, F das
Mauerwerk, welches die Destillirblase umschließt. G ist
eine Rolle und ein Wagen, welche in Verbindung mit einem Krahne oder mit anderen
Vorrichtungen zum Abnehmen des Dekels dienen, welches zum Behufe der Entfernung des
Ruͤkstandes und zum Behufe der Ladung der Destillirblase zu geschehen hat.
H ist eine an dem Dekel befestigte Kette.
Diese Destillirblase heize ich auf die gewoͤhnliche Weise, und zwar so stark,
daß das Thermometer auf beilaͤufig 600° F. (252° R.) steigt. So
wie das Thermometer allmaͤhlich bis auf diese Temperatur steigt, geht ein
dunkelgefaͤrbtes Oehl uͤber, welches meine Erfindung bildet, und
welches ein Aufloͤsungsmittel fuͤr Kautschuk und andere harzige und
oͤhlige Substanzen ist. Wenn das Thermometer 600° F. erreicht hat, so
bleibt in der Blase nur mehr Schmuz und Kohle zuruͤk. Die Destillation geht,
wie ich fand, leichter von Statten, wenn man auf 2/3 Kautschuk vorher 1/3 dieses
Oehles zusezt.
Das auf diese Weise gewonnene dunkle Destillat unterwerfe ich dem
gewoͤhnlichen Rectificationsprocesse, wodurch ich Fluͤssigkeiten von
verschiedener specifischer Schwere erhalte, von denen die leichteste bisher nicht
unter 0,670 wog, und welche ich gleichfalls als meine Erfindung in Anspruch nehme.
Bei jeder Rectification wird die Fluͤssigkeit heller und durchsichtiger, bis
sie endlich bei einer specifischen Schwere von beilaͤufig 0,680 farblos und
hoͤchst fluͤchtig wird. Bei dem Rectificationsprocesse bringe ich zur
Erzielung einer groͤßeren Menge farblosen Oehles beilaͤufig 1/5 Wasser
in die Destillirblase.
Das erhaltene Destillat ist in jedem Zustande ein kraͤftiges
Aufloͤsungsmittel fuͤr Kautschuk und verschiedene harzige und
oͤhlige Substanzen, und in Verbindung mit Alkohol auch fuͤr andere
Substanzen, wie z.B. fuͤr den Copal.
Da ich gefunden habe, daß der Schmuz und die Unreinigkeiten, welche am Boden der
Destillirblase zuruͤkbleiben, so fest ankleben, daß sie sich schwer
beseitigen lassen, so bringe ich eine Legirung aus Blei und Zinn, das sogenannte
Loth, in die Destillirblase, und zwar in einer Hoͤhe von beilaͤufig
einem halben Zoll. So wie naͤmlich diese Legirung in Fluß geraͤth,
koͤnnen die Unreinigkeiten leichter weggeschafft werden.
Da man mir gegen den Geruch der nach meiner Methode gewonnenen Fluͤssigkeit
Einwendungen machte, so habe ich ausgemittelt, daß ihr dieser Geruch genommen werden
kann, wenn man sie mit Salpetersalzsaͤure oder mit Chlor schuͤttelt,
und zwar in einem Verhaͤltnisse von 1/4 Pinte Saͤure von
gewoͤhnlicher Staͤrke auf ein Gallon Fluͤssigkeit.
––––––––––
Das London Journal begleitet dieses wichtige Patent,
welches Aufschluß gibt, wer eigentlich der Entdeker jener Fluͤssigkeit ist,
die die HH. Enderby und Beale
in Greenwich bereits in so ungeheurer Menge erzeugen und verbrauchen, mit einem
Aufsaze, aus welchem wir zur Ergaͤnzung dessen, was wir schon im Polytechn.
Journale Bd. LIV. S. 225 und Bd. LV. S. 118 hieruͤber mitgetheilt
haben, noch Folgendes ausheben. Einige wenige, des Zusammenhanges wegen
noͤthig gewordene Wiederholungen moͤge man uns verzeihen; sind ja doch
schon viele hoͤchst nuͤzliche Dinge troz vielfacher Wiederholung
beinahe unberuͤksichtigt voruͤbergegangen!
Das chemische Aufloͤsungsmittel, sagt das London
Journal, welches den Gegenstand obigen Patentes bildet, hat nicht bloß
wegen der ausgedehnten Anwendung und Neuheit als Handelsartikel, sondern auch wegen
zweier ihm eigener Eigenschaften großes und beinahe allgemeines Interesse erregt.
Seine specifische Schwere ist naͤmlich, wenn es sich in fluͤssigem
Zustande befindet, geringer, als jene irgend einer anderen den Chemikern bekannten
Fluͤssigkeit: denn es ist leichter als Schwefelaͤther; dagegen ist es
aber als Dampf schwerer als die schwersten Gase. Die Eigenschaften dieses
sonderbaren Productes sind noch nicht gehoͤrig ermittelt; uͤbrigens
haben bereits der beruͤhmte Faraday sowohl als Dr. Hue am Bartholomaͤus-Hospital in
London ihr Augenmerk auf dasselbe gerichtet, und ihm auch nach der Substanz, aus der
es gewonnen wird, den Namen Kautschukcin beigelegt.
Das Federharz quillt bekanntlich aus verschiedenen Baͤumen der
Tropenlaͤnder; die Haevea Caoutchouc in
Suͤdamerika, die Urceola elastica in Sumatra, die
Ficus elastica und indica in Ostindien, die Artocarpus incisa in
Westindien, und mehrere andere Baͤume in Afrika und anderen Laͤndern
liefern dasselbe in ungeheueren Quantitaͤten; ja man sagt sogar, daß aus
manchen Staͤmmen bis gegen 2/3 ihres Gewichtes gewonnen wird, und daß sich
diese Quantitaͤt nach einigen Monaten Ruhe schnell erneuert. Faraday fand, wie bekannt, folgende Bestandtheile in 1000
Theilen des Milchsaftes:
Kautschuk
301,0
Eiweißartige Substanz
19,0
Stikstoffhaltiger bitterer Farbstoff
70,0
Wachs
1,3
Aufloͤsbare Substanz
29,0
Wasser, Saͤure etc.
563,7
––––––
1000,0
Seine Elemente sind demnach 6,812 Kohlenstoff oder 8 Aequivalente, und 1,000
Wasserstoff oder 7 Aequivalente.
Nach der Destillation ist auch nicht ein Atom Sauerstoff in der Fluͤssigkeit
enthalten; sie ist daher in hoͤchst rectificirter Form auch zur Aufbewahrung
von Kalium geeignet. Mit reinem Alkohol vermischt sie sich leicht; so wie jedoch die
specifische Schwere des ersteren zunimmt, thut sie dieß nicht mehr. Es ist zwar noch
nicht ganz genau bekannt, bei welcher specifischen Schwere eine Scheidung Statt
findet, allein nach aufgezeichneten Versuchen scheint es, daß sie sich bei einem
specifischen Gewichte von 0,75 nicht laͤnger mehr mit Alkohol verbindet. Man
erhaͤlt das Destillat von allen zwischen 0,67 und 0,88 befindlichen Schweren;
uͤbrigens moͤchte noch ein anderes Resultat zum Vorschein kommen, wenn
die Operation mit groͤßter Genauigkeit bewerkstelligt wuͤrde, und wenn
man sich den Kautschuk ohne alle fremdartige Beimischung verschaffen
koͤnnte.
Durch schnelle Verdampfung des Kautschukcin entsteht eine empfindliche Kaͤlte,
so zwar, daß die Temperatur in 1 1/4 Minuten von + 60° F. auf –
10° F. herabsinkt. Bei beilaͤufig 10° uͤber Null bildet
sich an der Kugel des Thermometers eine sehr merkwuͤrdige,
schneeaͤhnliche Concretion, welche Faraday ein
Wasserstoff-Bicarburet nennt, und welche auch eines der neuen von Mitscherlich entdekten Producte seyn soll. Dr. Ure zeigte diesen Versuch zuerst, und derselbe
laͤßt sich leicht wiederholen, wenn man um die Thermometerkugel ein
Stuͤk duͤnnen Mousselin windet, und wenn man waͤhrend des
Auftropfens der Fluͤssigkeit mit einem Blasebalge darauf blaͤst.
Wenn man sich sowohl Wasserstoffgas als die hoͤchst rectificirte
Fluͤssigkeit wohlfeil verschaffen koͤnnte, so wuͤrde man auf
diese Weise ein vortreffliches tragbares Licht erhalten; gegenwaͤrtig steht
der Preis beider jedoch dieser Anwendung noch im Wege.
Die neue Fluͤssigkeit ist ein vortreffliches Aufloͤsungsmittel
fuͤr alle Gummiharze, und namentlich fuͤr das Copalgummi, das sie
schon bei der gewoͤhnlichen Temperatur aufloͤst, was keines der bisher
bekannten Aufloͤsungsmittel vermag. Sie eignet sich daher ganz vortrefflich
zu Firnissen, und da sie sich auch mit den Oehlen leicht verbindet, so gibt sie auch
ein vortreffliches und wohlfeiles Menstruum zur Aufloͤsung von Oehlfarben;
die Malerei wird wegen der schnellen Verdampfung beinahe augenbliklich troknen, und
selbst die zarteste Farbe wird durch das Kautschukcin nicht die geringste
Veraͤnderung erleiden. Das Kokosnußoͤhl, welches bei der
gewoͤhnlichen Temperatur bekanntlich eine feste Masse bildet, wird durch
Zusaz dieser Fluͤssigkeit gleichfalls fluͤssig, so daß es in diesem
Zustande ein mit großem Glanze brennendes Lampenoͤhl bildet; ein Theil
Kautschukcin auf 4
Theile Kokosnußoͤhl reicht hin. Uebrigens hat Herr Beale die neue Fluͤssigkeit auch auf andere Weise zur Speisung
einer Lampe verwendet, auf die er ein Patent nahm, und die wir demnaͤchst in
ausfuͤhrlicher Beschreibung mittheilen zu koͤnnen hoffen.
Wir glauben hier am Schlusse nur noch einige Auszuͤge aus dem Vortrage
beifuͤgen zu muͤssen, den Hr. Faraday
kuͤrzlich vor der Royal Society in London
uͤber den Kautschuk und dessen Anwendung hielt, und auf den wir bereits
fruͤher aufmerksam machten.
Hr. Faraday begann naͤmlich seinen Vortrag mit
einer Erlaͤuterung der Erfindung und Operationsweise des Hrn. Barnard, und ging hierauf auf das Geschichtliche
uͤber, bei welcher Gelegenheit er auch Exemplare der Pflanzen, aus denen der
Kautschuk gewonnen wird, so wie den rahmaͤhnlichen Milchsaft, der aus
denselben quillt, und die verschiedenen Formen, unter denen der Kautschuk im Handel
vorkommt, vorzeigte. Er bemerkte hiebei, daß der Kautschuk zuerst vor 70 Jahren von
Hrn. Nairne, dem Verfertiger mathematischer Instrumente
am Cornhill, in den Handel gebracht, und lange zu nichts anderem, als zum
Ausloͤschen von Bleifederzeichnungen verwendet wurde, bis sich endlich in
neuester Zeit die mannigfaltigsten Anwendungen desselben ergaben, so daß
gegenwaͤrtig schon jaͤhrlich uͤber 200 Tonnen davon nach
England eingefuͤhrt werden. Vor dem 1. Oktbr. 1832 betrug der Zoll, der auf
dem Kautschuk lastete, 5 Den. (15 kr.) per Pfd., oder
beinahe 50 Pfd. Sterl. per Tonne, wodurch seine Einfuhr
im Großen beinahe unmoͤglich gemacht wurde; seither wurde der Zoll bis auf 1
Pfd. Sterl. per Tonne ermaͤßigt, und nunmehr
stieg die Einfuhr schnell auf die angegebene außerordentliche Weise.
Unerschoͤpflich kann man die Quantitaͤt Kautschuk nennen, welche uns
die Tropenlaͤnder liefern koͤnnten; die von den HH. Enderby und Comp. ausgesandten Agenten fanden die Ufer
des Amazonenstromes mit unermeßlichen Waͤldern bedekt, deren Baͤume
großen Theils Kautschuk liefern; und Java allein koͤnnte die ganze Welt mit
diesem nuͤzlichen Stoffe versehen.
Hr. Faraday gibt hierauf Nachrichten uͤber die
ausgedehnte Fabrik der HH. Enderby und Comp. in
Greenwich, die ihre Anstalt den Besuchenden mit der groͤßten
Liberalitaͤt oͤffnen; er legte von den Fabrikaten dieser Herren vor,
und bemerkte, daß sie gegenwaͤrtig schon jaͤhrlich uͤber 100
Tonnen Kautschuk verbrauchen, den sie theils mit Theer geschmolzen zum Zurichten
ihrer aus neuseelaͤndischem Flachse verfertigten Taue, theils auch zur
Destillation des Kautschukcins verwenden, welches taͤglich mehr und mehr in
Anwendung kommt. – Er ging dann auf die Anwendung des Kautschukcins zur Beleuchtung
uͤber, und brannte hiebei selbst ein glaͤnzendes, mit Kautschukcin und
Kokosnußoͤhl gespeistes Licht. – Nachdem er endlich auch von der
wichtigen Anwendung gesprochen, welche die HH. Mackintosh,
Hancock und Andere von dem Kautschuk zu verschiedenen haͤuslichen
und chirurgischen Geraͤthen machen, und nachdem er eine große Menge dieser
Geraͤthe zur Ansicht vorgelegt hatte, ging er auf die chemische
Zusammensezung dieser Substanz uͤber, die wegen ihres großen
Kohlenstoffgehaltes ein Hydrocarbuͤr ist, indem auf 68 Theile Kohlenstoff 10
Theile Wasserstoff kommen.
Hr. Faraday brachte hierauf eine sehr geringe Menge des
milchrahmaͤhnlichen Kautschuksaftes in einer Schale uͤber eine
Weingeistlampe, und bewirkte dadurch, daß der Kautschuk als feste Masse darin
gerann, und zwar in einer ungeheuren Menge, was um so mehr Erstaunen erregte, als
die Fluͤssigkeit in der Flasche ohnedieß bereits eine große Menge festen
Kautschuks abgesezt hatte. Als eine der außerordentlichen Eigenschaften wurde
hervorgehoben, daß die Zusammensezung des Kautschuks der gaͤnzlichen
Umwandlung ungeachtet, die er beim Schmelzen in seinen Eigenschaften
erfaͤhrt, dennoch keine Veraͤnderung erleidet. Er wird naͤmlich
durch Schmelzen in eine klebrige Substanz verwandelt, die nicht mehr zu gerinnen im
Stande ist; und bei noch hoͤherer Temperatur gehen durch Destillation aus 12
Theilen festen Kautschuks 10 Theile Kautschukcin uͤber, welches leichter ist
als Aether, und wegen der großen Quantitaͤt fester Substanz, die auf diese
Welse in fluͤssiger Form erhalten werden kann, hoͤchst
merkwuͤrdig ist. Als eine hoͤchst sonderbare Eigenschaft ist es nach
Faraday's Ansicht zu betrachten, daß das Kautschukcin
ein Aufloͤsungsmittel fuͤr den natuͤrlichen Kautschuk ist, und
daß sich lezterer wieder in vollkommen unveraͤndertem Zustande daraus
abscheiden laͤßt; wahrscheinlich wird diese Eigenschaft noch zu
unzaͤhligen nuͤzlichen Anwendungen fuͤhren. Das Kautschukcin
ist außerordentlich fluͤchtig, und dennoch ist sein Dampf so schwer, daß er
leicht und wie Wasser aus einem Gefaͤße in ein anderes geleert werden kann.
Man kann dieß sehr deutlich und uͤberraschend zeigen, wenn man den Dampf in
eine flache Schale gießt, und dieser dann ein brennendes Licht naͤhert; der
Dampf wird sich hiebei sogleich entzuͤnden und lebhaft brennen, obschon die
Schale ganz leer gewesen zu seyn schien.