Titel: | Bericht über die Abhandlungen, welche über die beiden von der Société d'encouragement ausgeschriebenen Preise in Betreff der Erfindung von Sicherungsmitteln gegen die Explosionen der Dampfmaschinen und der Dampfkessel an die Gesellschaft eingesandt wurden. Erstattet vom Hrn. Baron Séguier. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LVII., S. 321 |
Download: | XML |
LVII.
Bericht uͤber die Abhandlungen, welche
uͤber die beiden von der Société
d'encouragement ausgeschriebenen Preise in Betreff der Erfindung
von Sicherungsmitteln gegen die Explosionen der Dampfmaschinen und der Dampfkessel an
die Gesellschaft eingesandt wurden. Erstattet vom Hrn. Baron Séguier.
Im Auszuge aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. December 1834, S. 454.
Séguier's Bericht uͤber einige Erfindungen von
Sicherungsmitteln gegen die Explosionen der Dampfmaschinen.
Die Gesellschaft hat bekanntlich seit mehreren Jahren zwei Preise, jeden zu 12,000
Fr., ausgeschrieben, und zwar den einen fuͤr Erfindung eines Dampferzeugers,
bei welchem man gegen jede schaͤdliche Explosion geschuͤzt ist; und
den zweiten fuͤr denjenigen, der die gegenwaͤrtig
gebraͤuchlichen Apparate mit solchen Vorkehrungsmitteln versieht, daß sie
gegen alle Wechselfaͤlle einer allenfallsigen Explosion gesichert sind. Wir
bedauern, daß sich der wiederholten Prorogation dieser Preise ungeachtet, auch in
diesem Jahre nur fuͤnf Preisbewerber meldeten, und daß wir anzeigen
muͤssen, daß auch von diesen keiner die eine oder die andere der beiden
Fragen auf genuͤgende Weise geloͤst hat. Wir koͤnnten uns mit
dieser Erklaͤrung begnuͤgen, allein es duͤrfte dennoch besser
seyn, die Motive, auf denen dieses Urtheil beruht, zu erlaͤutern: theils weil
sie fuͤr die Mitglieder der Gesellschaft von Interesse sind, theils um dem
Publicum zu zeigen, daß die Gesellschaft ihre Preise nicht bloß dem Scheine nach
ausstellt, und die Leistungen der Concurrenten nicht unter nichtigen, auf die Form
bezuͤglichen Vorwaͤnden zuruͤkweist.
Ein Concurrent sandte unter dem Motto: „Die Anwendung des Dampfes ist noch
in ihrer Kindheit,“ eine lange und gelehrte Abhandlung ein, in der
der Verfasser tiefe Kenntnisse in der Physik und Chemie beurkundet. Leider
koͤnnen wir aber seine Ansichten uͤber die Vortheile der von ihm in
Vorschlag gebrachten Mittel nicht theilen. Es genuͤgt, wenn wir sagen, daß
sein Verfahren hauptsaͤchlich in der Anwendung eines doppelten Kessels
besteht, den er concentrisch in dem gewoͤhnlichen Dampfkessel angebracht
wissen will. Der zwischen beiden Kesseln befindliche Raum waͤre hienach
vollkommen mit Wasser
angefuͤllt, und der mittlere Kessel wuͤrde nur Dampf allein enthalten.
Ohne uns in eine theoretische Abhandlung der Einwendungen, die sich gegen eine
solche Einrichtung vorbringen lassen, einzulassen, bemerken wir bloß, daß das
Programm forderte, daß die vorgeschlagenen Mittel einfach, leicht
ausfuͤhrbar, nicht kostspielig, und durch die praktische Erfahrung
bewaͤhrt seyen. Da der Verfasser jedoch noch keine einzige seiner Ideen
praktisch ausfuͤhrte und erprobte, so kann er um so weniger Anspruch auf den
Preis machen, als durch seine Vorrichtung die Kosten bedeutend erhoͤht
werden, weil um den gewoͤhnlichen Kessel herum auch noch ein anderer Kessel
gebaut werden muͤßte.
Auch der zweite Concurrent, der das Motto „Salamander“
waͤhlte, brachte nur Ideen in Vorschlag, die bisher noch nicht
ausgefuͤhrt worden sind. Nachdem wir uns das Mechanische derselben, welches
er in seiner Abhandlung auf eine ziemlich verworrene Weise darlegte, eigen gemacht,
glauben wir, daß die von ihm empfohlenen Mittel lediglich in verschiedenen
Anwendungen schmelzbarer Platten, schwacher Waͤnde und Klappen bestehen. Da
nun alle diese Mittel bereits hinreichend bekannt und erprobt sind, so glauben wir
nicht, daß sich der Verfasser durch eine einfache Angabe derselben einen der beiden
Preise erworben habe.
Der dritte Concurrent mit dem Motto: „Die einfachsten Ursachen bringen oft
die außerordentlichsten Wirkungen hervor,“ hat in der Abhandlung, die
er an die Gesellschaft einsandte, mehrere Versuche angedeutet, die er anstellte, um
namentlich die Destillation der Schwefelsaͤure zu erleichtern. Die Vortheile,
die er zu bemerken glaubte, wenn er Stuͤke Bergkrystall in die mit
Saͤure gefuͤllte, und der Einwirkung des Feuers ausgesezte Retorte
brachte, um dadurch die durch eine ungleiche Vertheilung des Waͤrmestoffes
durch die ganze Masse bedingten Stoͤße zu verhindern, brachte ihn auf die
Idee, sich auch an den Dampfkesseln aͤhnlicher Mittel zu bedienen, um die
Waͤrme besser im Wasser und im Dampfe zu vertheilen. Der Concurrent glaubt,
daß eine solche bessere Vertheilung der Waͤrme hinreichen wuͤrde, um
alle Gefahren zu beseitigen; die Commission hingegen kann dieser Ansicht nicht
huldigen, sondern sie glaubt, daß, wenn die Wirksamkeit der hier vorgeschlagenen
Methode auch durch die Erfahrung nachgewiesen waͤre, sie doch nichts weniger
als den Gefahren der Explosionen steuern koͤnnte, indem leztere bekanntlich
nicht lediglich durch eine ungleichmaͤßige Vertheilung des
Waͤrmestoffes im Kessel bedingt sind. Aus diesen Gruͤnden glaubt daher
die Commission dem Vorschlaͤger einer Methode, deren Wirkungen ihr sehr
zweifelhaft vorkommen, keinen der Preise zuerkennen zu koͤnnen.
Der vierte Concurrent hielt dafuͤr, daß das sicherste Mittel die Explosionen
zu verhuͤten darin liege, die Bewegung der Triebkraft gleichfoͤrmig
und bestaͤndig zu machen; er uͤberließ daher den Apparat, in welchem
der Dampf erzeugt wird, gaͤnzlich sich selbst, und richtete dafuͤr
seine ganze Aufmerksamkeit auf die Dampfmaschine selbst. Er will naͤmlich
durch einen Zaum die Ungleichheiten des Widerstandes, welche eine Beschleunigung
oder Verspaͤtung in den Umdrehungen des Flugrades erfordern, ausgleichen.
Dieß mag genuͤgen, um der Gesellschaft zu zeigen, daß sich dieser Concurrent
nicht auf jenem Wege befindet, der zur Loͤsung der eigentlichen Frage
fuͤhren duͤrfte.
Beim Durchlesen der Abhandlung des fuͤnften und lezten Concurrenten erkannten
wir in diesem sogleich einen Mann, der nicht bloß von der Theorie durchdrungen,
sondern auch voll praktischer Erfahrung ist; wir fanden in ihr die Frage von der
gehoͤrigen Seite aufgefaßt, und alle bisher in Vorschlag gebrachten Mittel
von einem Praktiker beleuchtet, der alle denselben in den Weg tretenden Hindernisse
praktisch aufgefaßt hat. Wenn wir ihm jedoch auch hierin volle Gerechtigkeit
wiederfahren lassen, und wenn wir auch eingestehen, daß sein Verfahren, welches er
noch geheim gehalten wissen will, in der praktischen Anwendung wirklich von Nuzen
seyn duͤrfte, so muͤssen wir ihm doch zugleich auch bemerken, daß sein
Verfahren nicht neu ist, sondern daß wir selbst es formell in einer Abhandlung
andeuteten, die wir bereits vor mehreren Jahren vor der Akademie der Wissenschaften
vortrugen.Hr. Baron Séguier bezieht sich hier auf
seine gelehrte und originelle Abhandlung, die wir bereits im Polyt. Journale
Bd. XLIV. S. 401
ausfuͤhrlich bekannt machten. A. d. R. Dem Concurrenten gebuͤhrt jedoch das Verdienst, diesen Apparat zuerst
praktisch ausgefuͤhrt, und an einer Dampfmaschine von 12
Pferdekraͤften in Anwendung gebracht zu haben. Wenn wir daher auch
unmoͤglich fuͤr die Ausfuͤhrung eines bereits der
Publicitaͤt verfallenen Vorschlages den Preis zuzuerkennen im Stande sind;
wenn dieß um so mehr unthunlich ist, als das vorgeschlagene Verfahren nicht allen
Anforderungen entspricht, indem es nur ein Mittel an die Hand gibt, durch welches
man lediglich unfehlbar Kenntniß von dem erhaͤlt, was in dem Kessel vorgeht,
und welches keineswegs diesen angedeuteten Maͤngeln zu steuern vermag, so
glauben wir doch, daß derjenige, der dieses Mittel zuerst und im Großen in Anwendung
brachte, großen und aufrichtigen Dank von unserer Seite verdient. Wir schlagen daher
vor, diesem Concurrenten in der Person des Herrn Bresson, Professors der
Mechanik in Paris, zum Beweise der Anerkennung seiner Verdienste die goldene
Medaille zweiter Classe zu ertheilen.