Titel: | Auszug aus dem Berichte, welchen Hr. Ch. Dérosne der Société d'encouragement in Paris über den Concurs erstattete, den sie für die Errichtung von Runkelrübenzuker-Fabriken in Verbindung mit landwirtschaftlichen Unternehmungen ausgeschrieben hatte. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LXXVII., S. 432 |
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LXXVII.
Auszug aus dem Berichte, welchen Hr. Ch. Dérosne der
Société d'encouragement in
Paris uͤber den Concurs erstattete, den sie
fuͤr die Errichtung von Runkelruͤbenzuker-Fabriken in Verbindung
mit landwirtschaftlichen Unternehmungen ausgeschrieben hatte.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. December 1834, S. 468.
Dérosne's Bericht uͤber die
Runkelruͤbenzuker-Fabriken.
Zu der Zeit, zu welcher die Gesellschaft das Programm der Preise abfaßte, die sie zur
Befoͤrderung der Runkelruͤbenzuker-Fabrikation ausschrieb,
hatte dieser neue Industriezweig bei weitem noch nicht jene hohe Wichtigkeit
erlangt, die er gegenwaͤrtig bereits behauptet. Wenn er damals nur
schuͤchtern und furchtsam auftrat; wenn er nur einen hoͤchst
unbedeutenden Theil unseres Zukerbedarfes in den Handel brachte, so machte er
seither solche Riesenschritte, daß er jezt schon als furchtbarer Concurrent der
Colonien auftritt, und auch wirklich von Seite der Pflanzer und der Kaufleute in den
Seestaͤdten zu lebhaften Reklamationen veranlaßte. Es scheint sogar
gegenwaͤrtig hergestellt, daß wenn ihm jene Freiheit gestattet bleibt, deren
er sich bisher erfreute, er die rivalisirenden Colonisten mit ihrem Rohrzuker
gaͤnzlich aus dem Felde schlagen wird. Ich habe jedoch hier nicht in eine
Untersuchung einzugehen, ob es gut ist, die Ruͤbenzukerfabrikation in
Frankreich so sehr zu beguͤnstigen, daß die Rohrzuker-Fabrikation in den Colonien
verdraͤngt, und eines der groͤßten Austauschmittel jener
Laͤnder vernichtet wird; andere moͤgen diese Frage von der politischen
und commerciellen Seite beleuchten.
Die Gesellschaft war, als sie ihre Preise ausschrieb, von den unendlichen Vortheilen
durchdrungen, die aus der Verbreitung dieser Fabrikation fuͤr die
Agriculturbevoͤlkerung Frankreichs erwachsen muͤßte, indem sie
namentlich auch dadurch sehr zu ihrem physischen und moralischen Wohle beitragen
wuͤrde, daß sie ihr waͤhrend eines großen Theiles jener Jahreszeit, wo
so viele Haͤnde ruhen, angemessene Beschaͤftigung verschaffte. Die
Gesellschaft wußte, daß aus der Ruͤbenzuker-Fabrikation eine merkliche
Verbesserung der Landwirthschaft in Frankreich hervorgehen muͤsse, indem sie
den Oekonomen in Stand sezt, eine groͤßere Menge Viehes zu halten, als dieß
fruͤher moͤglich war; indem hiedurch eine groͤßere Menge
Duͤngers erzeugt wird; und indem hieraus umgekehrt wieder eine bessere Cultur
erwachsen muß; kurz sie wußte, daß die Landwirthschaft mit diesen Verbesserungen
selbst an solchen Orten kraͤftig emporbluͤhen wuͤrde, wo sie
bisher nur kuͤmmerlich vegetirte. Von den mit großen Fabriken verbundenen
Unannehmlichkeiten betroffen, hat sie gesucht, das Entstehen kleinerer
hervorzurufen, und zwar in der Ueberzeugung, daß hiedurch eine groͤßere
Anzahl von Landwirthen ihrer Vortheile theilhaftig werden koͤnnte. Sie
schrieb daher in dieser Absicht zwei Preise aus: naͤmlich einen von 1500 Fr.
fuͤr denjenigen, der die Runkelruͤbenzuker-Fabrikation mit
einer Oekonomie verbindet und dabei die Fabrikation auf die beste Weise der
Bewirthschaftung des Bodens, der Vermehrung des Viehstandes und der Erzeugung von
Duͤnger anpaßt, und einen Preis von 4000 Fr. fuͤr eine wenigstens aus
15 bis 20 Landwirthen bestehende Gesellschaft, welche sich zum Behufs der
Ruͤbenzuker-Fabrikation verband, und deren Hauptzwek auf die
Verbesserung des Culturzustandes des Besizes eines jeden Mitgliedes gerichtet ist,
indem ihm dadurch die Mittel an die Hand gegeben wuͤrden, regelmaͤßig
eine groͤßere Anzahl Vieh zu unterhalten.
Als Bewerber des ersten Preises, der wie gesagt eine Fabrik bezwekte, welche dem
etwas bemittelten Landwirthe als Muster dienen koͤnnte, traten in dem Jahre
1833/1834 drei Concurrenten auf. Die Verfasser der ersten Abhandlung gaben eine sehr
ausfuͤhrliche Beschreibung ihrer Cultur- und Fabrikationsmethode; sie
befolgen den sogenannten Achard'schen Proceß durch
Reinigung mit Schwefelsaͤure, und gewinnen den Zuker in
Krystallisationsgefaͤßen; das Klaͤren, das Eindiken des Syrups, so wie
alle uͤbrigen Arbeiten, geschehen ganz so, wie man sie vor 15 Jahren betrieb.
Sie nahmen das Muster ihrer Fabrikation vor 8 Jahren bei Hrn. Crespel-Dellisse
in Arras, und glaubten
ungeachtet der vielen neueren Verbesserungen nichts daran abaͤndern zu
muͤssen, weil sie der Ansicht waren: daß diese Verbesserungen uͤber
die Fassungskraft der Landleute gingen, und eine Art von Director, dessen Bezahlung
beinahe den ganzen Gewinn bei der Fabrikation verschlaͤnge, erforderten. Wir
koͤnnen diese Ansicht jedoch nicht mit ihnen theilen, sondern wir sind
uͤberzeugt, daß viele der neueren Verbesserungen von dem Landmanne sehr
leicht aufgefaßt werden koͤnnen, und daß man heut zu Tage die Anwendung von
Krystallisationsgefaͤßen und aller damit verbundener Mittel unmoͤglich
mehr empfehlen koͤnne. Wir glauben, daß die Syrupe durch die Filtration durch
thierische Kohle von mehr oder minder feinem Korne auf den gehoͤrigen Grad
von Versiedung gebracht werden koͤnnen, ohne daß man Gefahr laͤuft sie
zu verbrennen, und ohne daß hiezu Arbeiter von groͤßerem Verstaͤnde
erforderlich waͤren, als man sie gewoͤhnlich trifft. Der
gehoͤrige Grad von Eindikung bildet heut zu Tage kein Hinderniß mehr, weil
sich der Syrup ohne Gefahr des Verbrennens bis zum erforderlichen Grade concentriren
laͤßt, wenn man eine hinreichende Menge Kohle angewendet hat, und wenn man
die concentrirten Syrupe nicht zu lange der directen Einwirkung des Feuers
auszusezen braucht. Man braucht hiezu durchaus nicht die mit dem luftleeren Raume
arbeitenden Apparate, die fuͤr eine in kleinem Maßstabe unternommene Fabrik
immer zu kostspielig seyn werden. Es ist gegenwaͤrtig vollkommen hergestellt,
daß man durch eine doppelt wirkende Verduͤnstung den gehoͤrigen Grad
von Eindikung erzielen koͤnne, und daß dieß um so leichter ist, mit je
geringeren Mengen man arbeitet; ein eben so genuͤgendes Resultat kann man
aber auch erlangen, wenn man einen heißen Luftstrom durch Syrup leitet, der mit
comprimirtem oder nicht comprimirtem Dampfe erhizt worden ist.
Wir glauben zwar allerdings, daß die Ruͤbenzuker-Fabrikation selbst bei
dem von den Verfassern befolgten Verfahren noch fuͤr den Landwirth von
Vortheil ist, indem ihnen das Kilogr. oder 2 Pfd. Zuker im Durchschnitte auf 65
Centimen zu stehen kommt; allein wir glauben dennoch nicht, daß die Gesellschaft
ihnen den ausgeschriebenen Preis zuerkennen soll und kann, weil die von ihnen
befolgte Methode unmoͤglich anderen als Muster zur Nachahmung empfohlen
werden kann.
Der zweite Concurrent, auf dessen Grundbesiz eine Musterwirthschaft errichtet wurde,
hat in seiner Abhandlung nicht die gehoͤrigen Details angegeben; es erhellt
daraus nur, daß er einen mit comprimirtem Dampfe arbeitenden Apparat errichtete,
welcher fuͤr eine taͤgliche Fabrikation von 100 Hectoliter Saft berechnet ist; allein
es ergibt sich keineswegs, welche Resultate man mit diesen Vorbereitungen, die auf
nicht weniger, als 35,000 Fr. zu stehen kamen, erzielte. Es scheint sogar, daß die
Unternehmung in landwirthschaftlicher Beziehung nicht sehr weit gediehen ist, weil
sich die Runkelruͤbenernte nicht hoͤher, als auf 122,500 Kilogr.
belief. Auf welcher Streke Landes diese Quantitaͤt gebaut wurde, ist nicht
angegeben, obschon der Verfasser im Sinne hat, von seinen 150 Hectaren
kuͤnftig jaͤhrlich 30 mit Runkelruͤben zu bestellen. Zur Zeit
der Abfassung seiner Abhandlung hatte er in seiner Fabrik 4500 Kilogr. Zuker
erzeugt; den Gesammtertrag schlug er jedoch zu 5500 Kilogr. an. Da die Gesellschaft
nur Resultate und nicht bloße Versuche belohnt, und da der Verfasser selbst gesteht,
daß seine Anstalt so bedeutende Verluste machte, daß er nicht weiß, ob er seine
Capitalien hereinbringen werde, und daß hiezu jedenfalls eine sehr lange Zeit
erforderlich seyn duͤrfte, so kann auch ihm der Preis nicht zuerkannt
werden.
Der dritte Concurrent hat sich, wie er selbst gesteht, eigentlich nicht um die
Loͤsung der aufgegebenen Frage beworben, sondern er hat diese Gelegenheit
vielmehr nur zur Einsendung einer Wissenschaftlichen Abhandlung uͤber
verschiedene Fabrikationsmethoden benuzt. Er behandelt in dieser, aus der wir
sogleich einen in diesem Fache erprobten Schriftsteller erkannten,
hauptsaͤchlich zwei hoͤchst wichtige Gegenstaͤnde, von denen
der eine auf eine Verbesserung im Zerreiben der Runkelruͤben, und der andere
auf die vollkommene Ausziehung des in den Ruͤben enthaltenen Saftes Bezug
hat. Wir halten diese Gegenstaͤnde fuͤr so wichtig, daß wir uns
spaͤter einen speciellen Bericht daruͤber vorbehalten; hier mag es
genuͤgen, wenn wir bemerken, daß der Verfasser nichts weniger bezwekt, als
eine vollkommene Ausziehung des in den Ruͤben enthaltenen Zukerstoffes: und
zwar durch ein rasches Verfahren, ohne Mitwirkung der Waͤrme, ohne merkliche
Verminderung der Schwere oder des Gehaltes des Saftes, mit Hinweglassung der Zeuge
und Weidengeflechte, die die zerriebenen Ruͤben stets veraͤndern; d.h.
mit Einem Worte dadurch, daß er statt der gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen
Auspreßmethode durch hydraulischen Druk, einen pneumatischen Druk anwendet, der
durch einen in einem unterhalb befindlichen Behaͤlter erzeugten luftleeren
Raum hervorgebracht wird. Der Verfasser meint, daß diese seine Methode mit Vortheil
die von Matthieu de Dombasle und Beaujeu vorgeschlagenen Verfahrungsweisen ersezen, und eine Idee zur
Ausfuͤhrung bringen koͤnnte, welche Ihr Berichterstatter schon vor 20
Jahren kund gab, und durch welche in Folge des schnellen Ganges des Processes den so leicht
entstehenden Veraͤnderungen im Runkelruͤbensafte vorgebaut werden
koͤnnte.
Was nun den zweiten Preis von 4000 Fr. betrifft, so trat nur Ein Concurrent hierum
auf. Aus der zu diesem Zweke vorgelegten Abhandlung geht hervor, daß sich in der
Gemeinde Saint-Clair, Bezirk la Tourdu Pin, Dept. de
l'Isère, eine Gesellschaft von 15 Landwirthen bildete, welche
gemeinschaftlich eine Runkelruͤbenzuker-Fabrik errichtete. Die
Gesellschaft schoß 150,000 Fr. zusammen, welche in 24 Actien vertheilt sind. Jeder
Actieninhaber ist gehalten, jaͤhrlich 50,000 Kilogr. Runkelruͤben zu
liefern, so daß also die 15 ersten Actionaͤre schon 750,000 Kilogr.
Ruͤben liefern: eine Quantitaͤt, die mehr als zur Erzeugung der von
dem Programme geforderten 25,000 Kilogr. Zuker noͤthig ist. Die Ruͤben
muͤssen vom 1. Oktober eines jeden Jahres an von den Actionaͤren in
die Fabrik geschafft werden, um daselbst in Silos gebracht zu werden. Im April und
Mai 1833 bestellten die Teilnehmer zuerst ihre Felder mit Runkelruͤben, im
Oktober und November erfolgte die Ernte; die Zukerfabrikation begann mit dem 31.
December 1833, und war mit dem 1. Maͤrz 1834 beendigt. Im ersten Monate
wurden in 24 Stunden beilaͤufig 12,500 Kilogr., und im zweiten
taͤglich uͤber 20,000 Kilogr. Ruͤben zerrieben; mehrere Male
wurden mehr dann 15,000 Liter Saft geklaͤrt. Die Quantitaͤt
Ruͤben, welche in zwei Monaten zerrieben ward, belief sich auf 725,000
Kilogr.
Das ausgepreßte Mark wird taͤglich an die Actionaͤre abgegeben und
ihnen in Rechnung gebracht; jeder derselben war hiedurch im Stande, 2–4
Stuͤk Rindvieh mehr zu halten, als fruͤher, und der ganze Viehstand
zeigte sich besser genaͤhrt und gesuͤnder, als fruͤher. Man
machte auch einen Versuch mit der Aufbewahrung des Markes in Silos, die im Januar
angelegt wurden und vor dem Junius nicht geoͤffnet werden sollten. Wegen
Mangel an Futter war man jedoch gezwungen, sie schon Anfangs Mai zu oͤffnen;
das Mark zeigte sich hiebei gut erhalten, es war nicht so geschmaklos, wie das
frische Mark, sondern hatte einen etwas saͤuerlichen Geschmak angenommen,
wegen welchem es von dem Viehe noch gieriger gefressen ward. Die Resultate dieses
Versuches veranlaßten jeden der Actionaͤre, sich einen eigenen Silo
fuͤr sich graben zu lassen, um darin den Ueberschuß des taͤglichen
Bedarfes aufzubewahren.
Die Errichtung der Fabrik selbst ward Hrn. Thevenel
uͤberlassen, der sie der Sorgfalt des Hrn. Charbonneau, des Besizers einer Ruͤbenzuker-Fabrik bei
Crest, anvertraute. Man hatte alle Ursache hiemit zufrieden zu seyn; denn man findet
in der Fabrik die gegenwaͤrtig als die besten anerkannten Apparate, wie z.B.
den
Roth'schen Apparat mit dem luftleeren Raume und andere
Dampfapparate.
Die neu erstandene Gesellschaft hat demnach jezt schon alle in dem Programme der
Preisaufgabe geforderten Bedingungen erfuͤllt, und bald wird sie dieselben
sogar noch weit uͤbertreffen. Die Theilnehmer bebauten naͤmlich im
Jahre 1834 bereits 100 Hectaren Landes mit Runkelruͤben, waͤhrend sie
im Jahre 1833 nur 18 Hectaren damit bestellten. Dieß ist aber noch nicht Alles,
sondern die guͤnstigen Resultate, welche die Gesellschaft erzielte,
veranlaßten, wie der Unterpraͤfect von la
Tour-du-Pin schreibt, bereits im Jahre 1834 in seinem Bezirke
allein die Errichtung von 5 anderen Fabriken durch Zusammentritt mehrerer
Landeigenthuͤmer; und fuͤr das Jahr 1835 sind gleichfalls schon 5 neue
Unternehmungen dieser Art beschlossen! Da nun alle diese Daten amtlich nachgewiesen,
und saͤmmtliche Bedingungen hiemit erfuͤllt sind, so schlaͤgt
die Commission vor, der in Saint-Clair gebildeten Gesellschaft den
ausgeschriebenen Preis von 4000 Fr. zuzuerkennen.