Titel: | Bericht über die von Hrn. Baldwin erfundenen Verbesserungen an den Dampfwagen; erstattet von einer von dem Franklin-Institute zu Philadelphia ernannten Commission. |
Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. LXVI., S. 322 |
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LXVI.
Bericht uͤber die von Hrn. Baldwin erfundenen Verbesserungen an den Dampfwagen;
erstattet von einer von dem Franklin-Institute zu
Philadelphia ernannten Commission.
Im Auszuge aus dem Franklin
Journal im Mechanics' Magazine, No.
620.
Bericht uͤber Baldwin's Verbesserungen an den
Dampfwagen.
Die Commission hat mehrere der Locomotivmaschinen, welche Hr. Baldwin gegenwaͤrtig in seiner Werkstaͤtte in Philadelphia
baut, untersucht, und zahlreiche Verbesserungen an denselben, die sich beinahe auf
saͤmmtliche Theile erstreken, gefunden.
Die erste dieser Verbesserungen betrifft die Stellung und den Bau der Drukpumpen, die
den Kessel mit Wasser versehen. Die Fuͤhrer der Kolbenstangen, sind hohl, und
die dadurch gebildeten hohlen Raͤume dienen als Kammern fuͤr die
Drukpumpen; die Fuͤhrer erhalten hiedurch nicht nur eine groͤßere
Staͤrke, ohne daß deßhalb ihr Gewicht bedeutend erhoͤht wird; sondern
es faͤllt auch das Gestell und die uͤbrigen Befestigungsmittel der
Drukpumpen weg. Jede dieser Pumpen ist mit 5 Ventilen versehen, von denen sich drei
zwischen dem Kessel und dem Kolben, und zwei zwischen dem Kolben und dem
Wasserbehaͤlter befinden. Das dem Kessel zunaͤchst liegende Ventil ist
an einen Stiel gedreht, der durch einen dampfdichten, am Scheitel der
Ventilbuͤchse befindlichen Halsring geht; man kann bei dieser Einrichtung die
Klappe oder das Ventil untersuchen und von allen Hindernissen befreien.
Die vier uͤbrigen Ventile befinden sich in einer Buͤchse, die mit einem
Buͤgel an der Pumpe befestigt ist. Dieser Buͤgel kann durch Nachlassen
einer einzigen Schraube entfernt werden, so daß die Ventile in wenigen Minuten
herausgenommen, gereinigt und wieder eingesezt werden koͤnnen. Bei dieser
großen Erleichterung der Untersuchung und Reinigung der Ventile werden die Pumpen
nicht so leicht in Unordnung gerathen, und folglich wird der Kessel auf eine
regelmaͤßigere und mehr sichere Weise mit Wasser gespeist werden. Da nun
allgemein angenommen wird, daß viele Explosionen lediglich durch einen Fehler in der
gehoͤrigen Speisung der Kessel mit Wasser ihren Grund haben, so
duͤrfte auf diese Weise vielen Ungluͤksfaͤllen vorgebaut
werden.
Eine weitere Verbesserung betrifft die Art und Weise, auf welche die Bewegung der
Dampfklappen umgekehrt wird. Dieß geschieht naͤmlich an den englischen
Maschinen mit einem Tretschaͤmel und mit einer Reihe von Hebeln, welche die
Excentrica seitlich an der Treibwelle bewegen, nachdem die Haken der excentrischen
Stangen außer Verbindung mit den Schuͤttelwellen gebracht worden sind. An den
Maschinen des Hrn. Baldwin hingegen ragen die Arme der
Schuͤttelwellen aus entgegengesezten Seiten des Stuͤzpunktes hervor,
und jede der excentrischen Stangen ist mit zwei nach entgegengesezten Richtungen
gekehrten Haken versehen, so daß sie in jeden Arm ihrer Schuͤttelwelle
eingehakt werden koͤnnen. Die Excentrica sind unbeweglich an der Achse
befestigt, und die excentrischen Stangen sind nicht, wie gewoͤhnlich an dem
vorderen Theil der Maschine, sondern nach Hinten gefuͤhrt, wo sie nach
Belieben des Maschinisten in den einen oder anderen Arm der Schuͤttelwellen
gehakt werden. Sind die Haken der excentrischen Stangen an dieselben Arme der
Schuͤttelwellen geschirrt, wie die Ventilstangen, so entspricht die Bewegung
der Ventile jener der Excentrica; werden sie aber an die entgegengesezten Arme
geschirrt, so wird die Bewegung der Ventile umgekehrt; und sind sie weder an den
einen, noch an den anderen Arm geschirrt, so koͤnnen die
Schuͤttelwellen und Dampfventile durch Handhebel in Bewegung gesezt werden.
Diese Einrichtung gewaͤhrt mehrere Vortheile; denn, da die Excentrica an der
Achse befestigt sind, so werden sie nicht so leicht lose, und brauchen auch nicht so
oft ausgebessert zu werden; ferner werden auch der Tretschaͤmel mit den dazu
gehoͤrigen Theilen, die vier Schuͤttelwellen und die complicirte
Handsteuerung der englischen Methode entbehrlich. Der groͤßte Vortheil
erwaͤchst jedoch daraus, daß sich die Schuͤttelwellen und die
excentrischen Haken unmittelbar unter den Augen des Maschinisten befinden, was bei
der gewoͤhnlichen Anordnung der Maschine nicht der Fall ist.
Auch die Achse der Treibraͤder ward von Hrn. Baldwin verbessert. Anstatt naͤmlich die Enden der Achse in dem
Mittelpunkte der Raͤder zu befestigen, wie dieß gewoͤhnlich zu
geschehen pflegt, laͤßt er an jedem der Kurbelstuͤke einen der Arme
weg, und befestigt dafuͤr das Rad auf solche Weist an dem sogenannten
Handgelenke (wrist) des Kurbelstuͤkes, daß dessen
Mittelpunkt dem Mittelpunkte der Achse entspricht. In Folge dieser
Veraͤnderung der Form der Achse wird die Kraft der Maschine direct auf das
Rad angewendet, so daß also die auf die Achse wirkende Gewalt bedeutend vermindert,
und mithin die Gefahr eines Bruches derselben geringer wird. Hr. Baldwin hat hiedurch auch in einem gewissen Grade die
Neigung der Treibraͤder sich um die Achsen zu drehen und lose zu werden, ein
Fehler, der an den Dampfwagen so haͤufig vorkommt, gluͤklich
beseitigt. Ein anderer Vortheil dieser Einrichtung ist der, daß die Entfernung
zwischen den beiden Kurbelstuͤken beinahe um 10 Zoll groͤßer wird,
wodurch eine entsprechende Vergroͤßerung des Kessels und eine vorteilhaftere
Anordnung des Gewichtes der Feuerstelle moͤglich wird, indem man dieselbe
beinahe um 14 Zoll naͤher an die Achse bringen kann.
Die Dampfroͤhre ist durch die Oeffnung, durch welche der Kessel
gewoͤhnlich mit der Kuppel und den Cylindern communicirt, in den Kessel
gefuͤhrt, und ihr Ende unter der Kuppel ruht so auf einem in dem Kessel
befestigten Boke, daß die durch die Veraͤnderungen der Temperatur bedingten
Laͤngenausdehnungen und Zusammenziehungen dadurch moͤglich sind. Aus
gleichem Grunde ist auch der Aufhalter des Drosselventiles an der
Dampfroͤhre, und nicht am Scheitel des Kessels befestigt. Aus dieser
Einrichtung ergibt sich ein doppelter Vortheil; denn erstens braucht die
Roͤhre innerhalb dem Kessel kein Gefuͤge zu haben, und zweitens
braucht in dem Kessel kein Loch zum Einsteigen eines Mannes angebracht zu werden.
Die Verbindung zwischen der Kuppel und dem Kessel, so wie alle uͤbrigen
Dampfgefuͤge, ist naͤmlich genau eingerieben, und ohne allen Kitt und
ohne alle Liederung vermittelt, so daß die Kuppel leicht abgenommen und aufgesezt
werden kann, und daß sich deren Oeffnung folglich benuzen laͤßt, um in das
Innere des Kessels zu gelangen.
An seinen Triebraͤdern bedient sich Hr. Baldwin
eiserner Naben (hubs) und Speichen, die aus einem
Stuͤke gegossen sind; die aus hartem Holze bestehenden Felgen werden in die
Enden der Speichen gekeilt, und das Ganze wird mittelst eines starken
schmiedeisernen Reifens, an dessen innerer Kante sich ein vorstehender Rand befindet, fest
zusammengehalten. Man findet daher in diesen Raͤdern die Festigkeit des
Eisens mit der Elasticitaͤt des Holzes vereint.
Hr. Baldwin hat bereits mehrere Dampfwagen erbaut, an
denen man alle diese Verbesserungen vereint findet; einer derselben faͤhrt
auf der Eisenbahn zwischen Philadelphia und Trenton, vier auf jener nach Columbia,
und einer zu Charlestown; alle leisten sie, was man von ihnen verlangen kann.