Titel: | Bemerkungen über die Anwendung von sogenannten Schleußen (locks) anstatt der schiefen Flächen an den Eisenbahnen. |
Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. LXVIII., S. 333 |
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LXVIII.
Bemerkungen uͤber die Anwendung von
sogenannten Schleußen (locks) anstatt der schiefen
Flaͤchen an den Eisenbahnen.
Aus dem American Railroad
Journal im Mechanics' Magazine, No.
619.
Bemerkungen uͤber die Anwendung von sogenannten Schleußen
anstatt der schiefen Flaͤchen an den Eisenbahnen.
Man hat schon lange sehnlich gewuͤnscht, die stationaͤren
Dampfmaschinen an den Eisenbahnen ganz entbehrlich zu machen; und da die Wichtigkeit
dieser Angelegenheit von Tag zu Tag mehr anerkannt wird, so schenkt man derselben
auch immer mehr und mehr Aufmerksamkeit. Die Anstrengungen des Erfindungsgeistes
waren bisher hauptsaͤchlich auf solche Erfindungen an den Locomotiv-
oder Dampfmaschinen gerichtet, wodurch dieselben in Stand gesezt wuͤrden, durch ihre eigene Kraft
und ohne alle Beihuͤlfe uͤber bedeutende Anhoͤhen
hinanzusteigen.
Man las kuͤrzlich in einem in Baltimore erscheinenden Blatte, daß daselbst
eine Maschine erbaut worden sey, mit der man eine schiefe Flaͤche von einer
Steigung von einem Fuß in 20 hinanfahren koͤnne; und daß dieselbe Maschine
wahrscheinlich im Stande seyn duͤrfte, 100 Reifende in einem Wagenzuge mit
einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen in der Zeitstunde uͤber eine
schiefe Flaͤche, welche in einer engl. Meile um 100 Fuß steigt,
hinaufzutreiben. Dieß mag vielleicht Alles wirklich erreicht worden seyn; allein
wenn dem auch so ist, so zweifeln wir dennoch an dem wirklichen Nuzen dieser
Leistungen. Denn um die hoͤchste Ersparniß zu erzielen, soll alle die Kraft,
welche die Maschine mit Sicherheit auszuuͤben im Stande ist,
bestaͤndig und ununterbrochen angewendet werden; und wenn die Maschine Kraft
genug besizt, um die Wagen uͤber so steile Anhoͤhen hinauszuschaffen,
so muß bei der Fahrt auf den uͤbrigen ebenen Theilen der Bahn nothwendig ein
großer Verlust an Kraft Statt finden.
In einem Berichte, den die Directoren der
Liverpool-Manchester-Eisenbahn vor einigen Jahren dem Hause der
Gemeinen erstatteten, wird angegeben, daß angestellten Versuchen gemaͤß eine
Maschine, welche auf ebener Bahn 30 Tonnen fortzuschaffen im Stande ist, nicht mehr
als 7 Tonnen auf einer Bahn zu bewegen vermag, deren Steigung einen Fuß in 100 oder
beilaͤufig 52 Fuß in der engl. Meile betraͤgt. Wenn dieß richtig ist,
so wuͤrde dieselbe Maschine bei einer Steigung von 100 Fuß in der Meile
hoͤchstens 3 Tonnen fortschaffen koͤnnen, indem die Last, welche
bewegt werden kann, in einem weit rascheren Verhaͤltnisse faͤllt, als
der Grad der Steigung zunimmt. Da nun die Maschine und die dazu gehoͤrigen
Gegenstaͤnde beinahe allein die Transportkosten bedingen, so folgt hieraus,
daß der Transport von 3 Tonnen uͤber eine Bahn mit solcher Steigung eben so
viel kosten wuͤrde, als der Transport von 30 Tonnen auf ebener Bahn. Die
Last, welche eine Maschine fortzuschaffen vermag, ist durch jene Last, die sie
uͤber den schwierigsten Theil der Bahn zu bewegen im Stande ist,
beschraͤnkt oder begraͤnzt. Wir zweifeln nun keineswegs, daß sich eine
Maschine erbauen laͤßt, welche eine bestimmte Last uͤber eine Bahn,
welche per Meile um 100 Fuß steigt, bewegen kann; allein
wir fragen, ob es nicht besser waͤre, die Bahn lieber so eben zu bauen, daß
dieselbe Maschine eine mehrmals groͤßere Last darauf fortzuschaffen im Stande
waͤre. Wo es sich um den Transport von Reisenden allein handelt, und wo also
die Wohlfeilheit gegen die Schnelligkeit wenig in Betracht kommt, ließe sich so ein Verlust an
Kraft rechtfertigen; allein wo es sich um die Fracht von Waaren und Guͤtern
handelt, und wo die Verminderung der Fracht eine Hauptruͤksicht ist, da
lassen sich die triftigsten Einwendungen gegen eine Methode machen, nach welcher ein
großer Theil der Triebkraft den groͤßeren Theil des Tages uͤber
unthaͤtig bleiben und nur dann in Anwendung kommen wuͤrde, wenn es
sich um die Ueberwindung von Anhoͤhen handelt. Man haͤlt es daher in
Amerika, wo man nicht bloß in dem Baue, sondern auch in der Behandlung der
Eisenbahnen mehr Erfahrung besizt, als in England, fuͤr unklug
Anhoͤhen, deren Steigung mehr dann 50 Fuß in der engl. Meile betraͤgt,
mittelst der Kraft der Locomotivmaschinen allein hinansteigen zu wollen.
Nicht der Mangel an Kraft allein ist es jedoch, wodurch der Grad der Thunlichkeit der
Steigung an den Eisenbahnen beschraͤnkt wird. Es handelt sich naͤmlich
nicht mehr um die Kraft der Maschine allein; denn wenn die Adhaͤsion der
Raͤder an den Schienen nicht mehr im Stande ist, das Umgleiten derselben zu
verhindern, so kann die Last nicht weiter bewegt werden; und dieser Umstand ist es
mehr, als irgend ein anderer, welcher starke Steigungen an den Eisenbahnen
unthunlich macht. Versuche, welche mit neuen und mit solchen Raͤdern und
Schienen angestellt wurden, die durch den Gebrauch noch nicht gehoͤrig
geglaͤttet worden, geben in dieser Hinsicht keine genuͤgenden
Resultate, besonders wenn man in Anschlag bringt, daß die Schienen durch Eis und
Schnee sehr glitscherig werden koͤnnen.
Hieraus erhellt zur Genuͤge, von welcher Wichtigkeit eine Vorrichtung seyn
muͤßte, die mit Vortheil anstatt der schiefen Flaͤchen angewendet
werden koͤnnte. Einen Vorschlag dieser Art, welcher bereits in mehreren
Blaͤttern Erwaͤhnung fand, machte Hr. Obrist Taylor mit seiner sogenannten Eisenbahnschleuße (railroad lock), welche, wie man bei genauer Pruͤfung finden wird,
auf wohlbegruͤndeten mechanischen Principien beruht, und welche sich daher
gewiß als zwekmaͤßig bewaͤhren duͤrfte.
Mittelst dieser sogenannten Schleuße soll naͤmlich die Locomotivmaschine in
Stand gesezt werden, sich selbst in den angehaͤngten Wagenzug durch ihre
eigene Staͤrke und ohne alle Beihuͤlfe auf irgend eine beliebige
Hoͤhe, wie hoch und wie steil sie auch seyn mag, emporzuschaffen. Um diesen
Zwek zu erreichen, nahm man seine Zuflucht zu dem allgemein bekannten mechanischen
Principe, daß das, was einer Kraft an Intensitaͤt fehlt, durch die Distanz
ersezt werden kann; und daß, wenn die Kraft nur halb so groß ist, als sie bei
directer Anwendung erforderlich ist, um eine bestimmte Last zu bewegen, eine
Maschinerie angebracht werden muß, in Folge deren die Entfernung, durch welche
sich die Kraft bewegt, zwei Mal so groß ist, als jene, durch welche die Last gehoben
wird. Das Verdienst der fraglichen Erfindung besteht darin, daß wenn eine
Anhoͤhe uͤberstiegen werden soll, und die gewoͤhnliche Kraft
hiezu nicht ausreicht, Vorsorge getroffen werden kann, daß die von lezterer zu
durchlaufende Entfernung um ein Beliebiges groͤßer ist, als jene Entfernung,
welche die Last hinansteigt: so daß also die Locomotivmaschine in keinem Falle einer
außerordentlichen Beihuͤlfe bedarf.
Dieß wird nun durch Schrauben erzielt, welche, indem sie von der Locomotivmaschine
selbst in Thaͤtigkeit gesezt werden, die Maschine und den ganzen Wagenzug
senkrecht von einem Punkte zu einem anderen emporheben. Es erhellt von selbst, daß
zwischen der Kraft und der Last leicht eine solche Maschinerie angebracht werden
kann, daß die von ersterer durchlaufene Entfernung, d.h. der Raum, durch welchen
sich der Kolben bewegt, in einem beliebigen Verhaͤltnisse zu jener
Entfernung, welche leztere hinansteigt, steht.
Es muß, wie gesagt, zur Erzielung der groͤßten Ersparniß in den
Transportkosten eine solche Einrichtung getroffen werden, daß die zum Fortschaffen
einer Last erforderliche Kraft die ganze Bahn entlang, in jedem ihrer Theile gleich
und eine und dieselbe bleibt; und dieß ist denn auch der Fall, wenn die Bahn
vollkommen horizontal ist; wenn alle Abweichungen von dem Niveau, die sich an
derselben vorfinden, durch die fraglichen Schleußen uͤberwunden werden; und
wenn die Maschinerie dieser Schleußen in einem solchen Verhaͤltnisse gebaut
ist, daß dieselbe Kraft, welche die Last auf den Schienen fortzuschaffen vermag,
genau hinreicht, um die Last auch in den Schleußen emporzuschaffen. Auf diese Weise
wuͤrde waͤhrend des ganzen Laufes der Last auf der Bahn auch nicht
eine Unze Kraft muͤßig liegen, und eben so wenig wuͤrde je auch nur
eine Unze Kraft fehlen; es wuͤrde demnach weder Verlust noch Mangel an Kraft
eintreten, und das System waͤre, wenigstens was die Wohlfeilheit des
Transportes betrifft, vollkommen. Ein so hoher Grad von Genauigkeit ist jedoch weder
noͤthig, noch raͤthlich; und die vermehrten Auslagen, welche das
Planiren veranlaßt, wuͤrden die Vortheile, die eine vollkommen ebene Bahn
gewaͤhrt, vollkommen aufwaͤgen. Die Kraft einer Dampfmaschine ist auch
nicht fix und unwandelbar; ja sie kann sogar ohne Nachtheil bis auf einen gewissen
Grad erhoͤht werden, so zwar, daß sie die Wagen uͤber maͤßige
Anhoͤhen zu treiben im Stande ist. Wenn es uͤbrigens auch nicht
moͤglich ist, das fragliche System zur absoluten Vollkommenheit zu bringen,
so laͤßt sich dieser Vollkommenheit doch so nahe kommen, daß man die
groͤßten Vortheile damit erzielt.
Wir haben die fragliche Schleuße hier in Hinsicht auf Sicherheit,
Zwekmaͤßigkeit und Wohlfeilheit des Baues nicht beleuchtet. Die Vortheile,
die sie in allen diesen Beziehungen gewaͤhrt, sind so auffallend, daß sie auf
den ersten Blik in die Augen fallen. Es scheint uns daher, daß dieser Versuch die
Eisenbahnen zu verbessern wahrscheinlich von glaͤnzendem Erfolge
gekroͤnt werden, und in der Geschichte der Erfindungen Epoche machen
duͤrfte.