Titel: | Die Wirkungen der Perspective in Bezug auf die Baukunst, und mit Rüksicht auf die Anfertigung von Baurissen dargestellt durch C. A. Menzel. Greifswald, im August 1835. |
Fundstelle: | Band 58, Jahrgang 1835, Nr. XI., S. 90 |
Download: | XML |
XI.
Die Wirkungen der Perspective in Bezug auf die
Baukunst, und mit Ruͤksicht auf die Anfertigung von Baurissen dargestellt durch
C. A. Menzel.
Greifswald, im August 1835.
Die Wirkungen der Perspective in Bezug auf die Baukunst
etc.
Die Kenntniß der Perspective ist fuͤr jeden, der sich mit der Baukunst
ernstlich beschaͤftigt, so unerlaͤßlich, daß man sich nur
daruͤber wundern kann, wie es hin und wieder selbst noch Baumeister gibt,
welche das Studium derselben fuͤr entbehrlich halten; obgleich ohne die
Perspective vollkommen inne zu haben, der Architekt nie mit Gewißheit bestimmen
kann, welche Wirkung in der Natur der von ihm angefertigte Bauriß hervorbringen
wird. Bei nachfolgendem Aufsaze mußte die Bekanntschaft des Lesers wenigstens mit
den Elementen der Linearperspective vorausgesezt werden, um nicht durch
Weitlaͤuftigkeiten und Vorbereitungen den einfachen Gang des Gegenstandes zu
unterbrechen und zu stoͤren. Da erlaͤuternde Zeichnungen ebenfalls aus
mancherlei Ursachen wegbleiben mußten, auch gewoͤhnlich solche Beispiele
gewaͤhlt wurden, welche vor den Augen eines jeden auf den Straßen sich
darbieten, oder in viel verbreiteten architektonischen Kupferwerken vorhanden sind,
so glaubt der Verfasser der Deutlichkeit nicht zu schaden, wenn er sich auf
hinlaͤnglich erlaͤuterte und durch den Stich bekannt gemachte
Gebaͤude bezieht.
Wie sehr die Baumeister des Alterthums mit den Wirkungen der Perspective vertraut
waren, wird der Verfolg dieser Blaͤtter zeigen, eben so wie wenig die
Baumeister mit Ausnahme der lezten 30 Jahre, namentlich in unserem Vaterlande, es
sich angelegen seyn ließen, diesen wichtigen Zweig der aͤsthetischen
Architektur zu pflegen.
NB. Die Bezeichnung perspektivischer Linien und Punkte
ist in diesem Aufsaze so beibehalten, wie sie in dem vom Verfasser herausgegebenen
Handbuche der praktischen Linearperspective, Berlin bei W. Logier, angenommen sind.
1. Jede gerade Linie, welche parallel mit der Grundlinie der Tafel liegt, erscheint
im Bilde (oder in der Natur, welches hier immer gleichbedeutend gesezt werden wird)
als gerade und parallel mit der Grundlinie, nur wird sie um so kleiner, je mehr sie
sich dem Horizonte naͤhert. Hieraus, folgt, daß eine mit der Grundlinie (oder
Tafel) parallele vordere Ansicht eines Gebaͤudes zwar in ihren
Verhaͤltnissen beinahe dieselbe bleibt, jedoch immer kleiner erscheint, je mehr sie von der
Grundlinie der Tafel absteht, oder je weiter sich der Beschauer davon entfernt.
2. Jede gerade Linie erscheint im perspektivischen Grundrisse um so kuͤrzer,
je mehr der Winkel, welchen die senkrechte Ebene, worin ihr Verschwindungspunkt
liegt, mit der Bildtafel macht, sich einem rechten Winkel naͤhert.
Denkt man sich also in der Bildtafel von dem Grundpunkte aus eine gerade Linie nach
dem Augenpunkte gezogen, so wird diese Linie, welche zugleich in die Mittellinie der
Tafel faͤllt, die kuͤrzeste von allen Normalen auf die Grundlinie
seyn, die zugleich in der horizontalen Ebene liegen.
Von allen Normalen, welche in solchen Ebenen liegen, die mit der horizontalen
parallel sind, gilt dasselbe unter aͤhnlichen Umstaͤnden.
Hieraus folgt, daß die Seitenansicht eines Gebaͤudes um so kuͤrzer
erscheint, je naͤher sie dem Verschwindungspunkte der architektonischen Linie
liegt, auch wenn der Verschwindungspunkt ein anderer als der Augenpunkt
waͤre.
3. Jede gerade und senkrechte Linie erscheint im Bilde um so kuͤrzer, je mehr
die Ebene, worin sie steht, sich von der Ebene der Tafel entfernt, und sich dem
Horizonte naͤhert.
NB. Es ist hiebei immer ein solcher Standpunkt
angenommen, daß man den jedes Mal gewaͤhlten Gegenstand genau und gut
uͤbersehen kann, also niemals unter 45 Grad.
4. Jede vordere Ansicht eines Hauses ohne bedeutende Vor- oder
Ruͤkspruͤnge wird also in der Natur dieselben Verhaͤltnisse
behalten, welche sie im geometrischen Baurisse hatte. Die kleinen perspectivischen
Ansichten der Fenster und Thuͤrvertiefungen der Gesimse etc. kommen
vorlaͤufig hiebei noch nicht in Betracht. Hieraus folgt, daß eine solche
Ansicht eines Hauses ohne besondere Ruͤksicht auf perspektivische Wirkung
entworfen werden, und doch in der Natur angenehme Verhaͤltnisse darbieten
kann, wie die Façaden unserer Staͤdte jeden Augenblik beweisen,
obgleich sie mit wenig Ausnahmen nur von Werkmeistern entworfen sind, die in der
Regel ohne alle Kenntniß der Perspective sind, also auch beim Entwerfen der
Zeichnung keine Ruͤksicht darauf nehmen koͤnnen.
5. Gibt man der Façade aber Vor- und Ruͤkspruͤnge aus
Gruͤnden der Construction oder der schonen Form, so aͤndert sich die
perspectivische Ansicht wesentlich gegen die der geometrischen Zeichnung, wie wir
gleich sehen werden.
Angenommen es waͤre in der Ansicht eines Gebaͤudes ein bedeutender
Vorsprung in der Mitte desselben, zugleich denke man sich den Beschauer vor die Mitte des
Ganzen gestellt, so wird von dem zuruͤkliegenden Theile der Façade um
so mehr durch den vorspringenden Theil verdekt werden:
a) je groͤßer der Vorsprung seiner Tiefe nach
ist;
b) je breiter der Vorsprung in seiner vorderen Front
ist.
Bei der geometrischen Zeichnung aber wird dieß theilweise Verdeken des
zuruͤkliegenden Theiles gar nicht sichtbar seyn, weil hiebei nur die
Projectionen des Linien erscheinen und nicht ihre perspectivischen Lagen.
Machte man den Vorsprung in der Mitte so weit vorstehend, daß derselbe gleich den
uͤbrigbleibenden Theilen der Façade zur Rechten und Linken
waͤre, so wuͤrde man von den Flanken unter einem Sehewinkel von 45
Grad in der Natur gar nichts zu sehen bekommen, obgleich in der geometrischen
Zeichnung diese Flanken in ihrer ganzen Breite sichtbar bleiben werden.
Hieraus folgt, daß ein Vorsprung so groß werden kann, daß ein Mißverhaͤltniß
zwischen ihm und dem zuruͤkspringenden Theile der Façade entsteht.
Ist der Grundriß des Vorsprunges ein Quadrat, so thut man, wie z.B. bei
Kirchtuͤrmen, am besten, 3 Seiten des Quadrats vorzulegen. Entsteht aber der
Vorsprung aus anderen inneren Anordnungen, so ist es fuͤr die
Schoͤnheit des Gebaͤudes vortheilhaft, dem Vorsprunge eine
groͤßere Breite zu geben, als jeder der einzelnen Flanken, weil, wenn der
Vorsprung (in seiner vorderen Ansicht) schmaͤler ist, als eine der Flanken,
dieß eine uͤble und kleinliche Wirkung fuͤr das Gebaͤude
macht.
Die Tiefe, welche dem Vorsprunge zu geben ist, richtet sich nach der Laͤnge
der Flanken, und seine Tiefe darf nie der Laͤnge einer der Flanken gleich
werden, weil man sonst von den Flanken schon bei einem Sehewinkel von 45 Grad nichts
mehr sehen wuͤrde, welches offenbar wider die Schoͤnheit der Anlage
streitet, weil man bei groͤßeren Mitteln weniger Wirkung erreicht, welches in
der Baukunst unter allen Umstaͤnden ein Fehler ist.
6. Ein Gebaͤude mit sogenannten Fluͤgeln erscheint in der Natur
ebenfalls ganz anders als in der geometrischen Zeichnung.
Stellt man sich vor die Mitte des Hauses, so werden die vorderen Ansichten beider
Fluͤgel ihr urspruͤngliches Verhaͤltniß im Ganzen behalten. Die
Tiefen der Fluͤgel aber werden sich nach dem zuruͤkliegenden Theile
der Façade zu immer mehr verkleinern, und der zuruͤkliegende Theil der
vorderen Ansicht selbst wird um so niedriger und kleiner gegen die mit ihm parallel
stehenden vorderen Ansichten der Fluͤgel erscheinen, je groͤßer die
Tiefen der Fluͤgel sind, oder je mehr die vorderen Flaͤchen der Fluͤgel gegen
die mit ihnen parallel laufenden mittleren Theile der Façade vorspringen.
Auch hievon ist in der geometrischen Ansicht nichts zu bemerken. Hieraus folgt, daß
die Fluͤgel so weit vorspringen koͤnnen, daß sie ein
Mißverhaͤltniß gegen den mittleren Theil der Façade hervorbringen; man
gebe daher jedem einzelnen Fluͤgel ein Viertheil der ganzen Breite der
Façade zur vorderen Ansicht, so also, daß jeder einzelne Fluͤgel 1/2
Mal so breit ist, als der zwischen beiden eingeschlossene Theil der geometrischen
Façade.
Ferner lasse man die Fluͤgel nicht mehr vor der Hauptfront vorspringen, als
sie selbst breit sind. Wachsen die Fluͤgel durch die Bedingungen, wie z.B.
bei Einschließung großer Hoͤfe, so sind die Fluͤgel als Façaden
fuͤr sich zu betrachten, und werden demnach behandelt.
7. Die Hoͤhe eines Gebaͤudes steht mit dessen Laͤnge in genauem
Wechselverhaͤltniß, und die Erfahrung lehrt, daß wenn eine Façade drei
Mal so lang als ihre Hoͤhe ist und ohne Vor- oder Ruͤklage
angeordnet wird, dieß das laͤngste, anzunehmende Verhaͤltniß ist. Wird
also die Façade laͤnger als ihre dreimalige Hoͤhe, so
muͤssen Unterbrechungen angeordnet werden, entweder der Hoͤhe nach
durch Aufbauten in der Flaͤche der Façade, oder durch Vorlagen oder
Ruͤkspruͤnge in der Façade.
8. Wird ein Gebaͤude laͤnger als hoch, so muß der Baumeister wo
moͤglich dafuͤr sorgen, daß der Hauptstandpunkt, von wo aus man das
Ganze am vortheilhaftesten uͤbersieht, so liege, daß der Sehewinkel
fuͤr dessen Laͤnge eingerichtet wird, oder daß man das Ganze von einem
Punkte am vortheilhaftesten uͤbersieht, wo man mindestens um die
Haͤlfte der Laͤnge des Gebaͤudes davon absteht, also unter
einem Sehewinkel von mindestens 45 Grad, aber niemals naͤher.
Ist im umgekehrten Falle das Gebaͤude hoͤher als breit, wie
Thuͤrme etc., so ist der Punkt, von wo aus man es uͤbersehen soll, so
zu waͤhlen, daß mindestens die halbe Hoͤhe des Gebaͤudes
fuͤr die Entfernung des Auges davon genommen werden muß, niemals
naͤher. Hieraus folgt, daß Plaͤze um große Gebaͤude herum
uͤbermaͤßig groß angelegt werden muͤßten, wenn man von
demselben Plaze aus, worauf ein sehr großes Gebaͤude steht, das leztere
zugleich bequem uͤbersehen wollte.
Waͤchst aber ein das Gebaͤude umgebender Plaz zu sehr, so verschwindet
das Gebaͤude selbst, seine Massen noch immer mehr, und erscheint kleiner,
weil das Auge den Maaßstab derjenigen Gebaͤude nach und nach verliert, welche
das groͤßere Gebaͤude umgeben. Deßhalb ist es vortheilhaft, große
Gebaͤude nicht isolirt auf große Plaͤze zu stellen, sondern entweder
kleinere Gebaͤude dagegen zu stellen, oder den Plaz selbst nicht zu groß zu
halten, und lieber die Hauptansichten gegen breite, den Plaz kreuzende Straßen zu
richten, aus welchen man schon auf große Entfernung vermoͤge der Erweiterung
des Sehewinkels das große Gebaͤude selbst wird uͤbersehen
koͤnnen.
Die großen Pallaͤste in Petersburg scheinen vermoͤge
uͤbermaͤßig großer Plaͤze kleiner als sie wirklich sind. Die
altdeutschen Kirchen und Thuͤrme dagegen wegen der meistens engen
Plaͤze, worauf sie stehen, gewoͤhnlich kolossaler, als sie sind, da
die sie nahe umgebenden Gebaͤude der beste, fuͤr das Auge leicht zu
vergleichende Maaßstab ihrer Groͤße werden.
Am auffallendsten ist das Verschwinden architektonischer Masse bei solchen Bauwerken,
welche in weiten Flaͤchen frei ohne alle Umgebung gegen die Luft stehen.
Das Monument auf dem Kreuzberge bei Berlin steht auf einem Huͤgel außerhalb
der Stadt, erscheint aber eben wegen seiner freien Lage, wenn man sich gegen die
weniger entfernten Gebaͤude so stellt, daß man sie nicht sieht, noch aus
maͤßiger Entfernung gesehen kaum halb so hoch als es im Maaße ist. Dieser
lezte Fall, die Bauwerke isolirt gegen die Luft ohne vergleichbare
Gegenstaͤnde zu stellen, ist also besonders zu vermeiden. Die Ursache, warum
dergleichen Maaße so sehr verschwinden, ist einfach diese: daß die sichtbare
Flaͤche des Gebaͤudes im Verhaͤltniß zur Flaͤche des
Himmels, welche man uͤbersieht, viel zu klein ist, um einen Vergleich von
Groͤße auszuhalten, besonders wenn andere vergleichbare Gegenstaͤnde,
als Baͤume, Gebaͤude, deren Groͤße wir aus der Erfahrung
abschaͤzen gelernt haben, nicht in der Naͤhe sind.
Aus demselben Grunde macht der Anblik der Pyramiden in den gleichfoͤrmigen
Sandwuͤsten nur erst dann einen Eindruk, wenn man so nahe gekommen ist, daß
man die Maaße von Menschen und Thieren damit vergleichen kann.
Aus demselben Grunde sehen alle Gebaͤude, welche an Berglehnen oder in engen
Thaͤlern liegen, so lange klein aus, so groß sie immer seyn moͤgen,
weil die Masse des Gebaͤudes im Verhaͤltnisse zur Masse des Gebirges
verschwindet.
Große Gebaͤude auf maͤßigen Huͤgeln errichtet und mit
vergleichbaren nahen Gegenstaͤnden umgeben, machen daher immer eine
großartigere Wirkung als unter oben angefuͤhrten Bedingungen.
9. Ist ein Gebaͤude so angeordnet, daß ein Aufbau sich aus der Mitte desselben
erhebt, daß also rings um den Aufbau ein mehr oder minder großer Vorsprung durch den
niedrigeren Theil des Gebaͤudes gebildet wird, so wird dieser vorspringende untere Theil
den oberen hoͤheren Aufbau in der Natur um ein bestimmtes Maaß verdeken, also
scheinbar niedriger machen; hievon ist in der geometrischen Zeichnung nichts zu
sehen.
Angenommen der Vorsprung des niedrigeren Theiles gegen den Aufbau betruͤge 10
Fuß, der Sehewinkel 45 Grad, so wird von dem Aufbaue 10 Fuß Hoͤhe in der
Natur verdekt werden, und wenn der Aufbau 20 Fuß hoch war, wieder unter dem
gewaͤhlten Sehewinkel nur 10 Fuß hoch erscheinen; man wuͤrde also in
der geometrischen Zeichnung, wenn man des guten Verhaͤltnisses wegen den
Aufbau 20 Fuß hoch, bei einem guten Sehewinkel von 45 Grad, wollte erscheinen
lassen, in der geometrischen Zeichnung den Aufbau 30 Fuß hoch zeichnen
muͤssen, welches in der geometrischen Zeichnung sehr schlecht, in der Natur
aber sehr gut aussehen wuͤrde.
Dieser einfache Fall ist einer der wichtigsten, um zu zeigen, wie unrecht diejenigen
haben, welche da meinen, daß die Perspektive dem Baumeister entbehrlich sey. Auch
erstrekt sich dieselbe Erscheinung unter unendlichen Modificationen bis in die
kleinsten Theile architektonischer Werke, daß wir uns hier mehr damit
begnuͤgen muͤssen, nur darauf aufmerksam zu machen, als wir im Stande
waͤren eine vollstaͤndige Erlaͤuterung davon zu geben.
Wir wollen nur als in die Augen springend die Anordnung von Kuppeln in der Mitte
großer Kirchen erwaͤhnen. Je mehr der untere Theil der Kirche vorspringt,
desto mehr wird er von der daruͤberstehenden Kuppel verdekt werden. Als
Michael Angelo den Grundriß der Peterskirche entwarf,
waͤhlte er die Hauptform eines griechischen Kreuzes mit gleichen Armen, die
Kuppel der Kirche waͤre also von allen Seiten gleich gut sichtbar gewesen.
Allein die spaͤtere Verlaͤngerung der vorderen Kirchenschiffe
verursachte, daß man jezt, wenn man vor den Colonnaden auf dem Petersplaze steht,
von der Kuppel sehr wenig zu sehen bekommt, und dieser kolossale Bau fast
verschwindet; hiezu tragen die Colonnaden vor der Kirche und der große dadurch
eingeschlossene Plaz noch mehr bei, weil sie als dem Auge nahe, groß erscheinen, die
ungeheuere Kuppel aber wegen ihrer Entfernung und Verdekung durch den vorderen Theil
der Kirche klein aussieht. Man hat also gegen den Willen des urspruͤnglichen
Baumeisters mir großen Mitteln eine geringe Wirkung hervorgebracht, welches doch
gerade umgekehrt seyn sollte.
Namentlich bei Thuͤrmen ist darauf aus obigen Gruͤnden sehr zu achten,
daß man bei dem sogenannten Einziehen der Mauern nach Oben nur wenig bedeutende
Ruͤkspruͤnge anordne, denn je groͤßer dieselben sind, um so
mehr wird vom Thurme von Unten herauf verdekt werden, und er wird viel kuͤrzer erscheinen als er
wirklich ist, welches alles aber aus einer bloß geometrischen Zeichnung nicht zu
ersehen ist, im Gegentheil wird er hier immer in keinem guten Verhaͤltnisse
erscheinen, wenn er in der Natur gut aussieht, und umgekehrt.
Vorzuͤgliche Beispiele einer zwekmaͤßigen Anordnung in dieser Hinsicht
liefern die altdeutschen Kirchen und Thuͤrme. Bei freistehenden
Wohngebaͤuden, welche in ihrer Mitte dergleichen erhoͤhte Aufbaue
haben, die von den uͤbrigen niedrigeren Ruinen ganz umschlossen liegen, ist
bloß darauf zu sehen, daß der Ueberbau nicht zu hoch gegen das Haus erscheint, von
dem Punkte aus also, wo er unter einem mittleren Sehewinkel bemerkt werden kann, bis
zu dem Punkte seiner hoͤchsten Hoͤhe, darf er alsdann nur so hoch
erscheinen, daß er niedriger als das niedrigste Stokwerk des Hauses aussieht (den
verdekten Theil also nicht mit gerechnet), wenn nicht andere Ursachen des
Beduͤrfnisses oder der Construction fuͤr eine groͤßere
Hoͤhe sprechen. Liegt ein dergleichen Aufbau so, daß er mit einer Front des
Gebaͤudes eine und dieselbe Ebene bildet, so faͤllt natuͤrlich
die Ruͤksicht ganz weg, daß er, um gesehen zu werden, noch eine besondere
Erhoͤhung erhalten muß, und er ist alsdann so nach der uͤbrigen
Flaͤche des Hauses zu proportioniren, daß er nicht stoͤrend
fuͤr das Auge wirkt, und namentlich nicht zu hoch werde.
Naͤhere Bestimmungen lassen sich hieruͤber deßhalb nicht geben, weil
jeder einzelne Fall andere Verhaͤltnisse herbeifuͤhren muß.
10. Gebaͤude, welche im Grundrisse die Kreisform darstellen, sehen von jedem
gleich entfernten Standpunkte gleich breit aus, und wenn sie oberhalb mit einem
horizontalen Gesimse schließen, erscheinen sie oben in der Mitte hoͤher und
nach den Enden hin gesenkt, unten in der Mitte am naͤchsten, gegen den
Horizont hin aber sich erhebend, wenn ihre Grundlinie unterhalb des Horizontes
lag.
Da Gebaͤude, die im Grundrisse einen Kreis bilden, keine Theilung nach der
Hoͤhe haben (wenn man nicht absichtlich welche daran anbringt), so scheinen
sie stets bei geringer Hoͤbe etwas plump, und es ist daher gut, ihrem
Hoͤhenverhaͤltnisse so viel zuzulegen als Construction und
Beduͤrfnis) irgend erlauben. Mit den Gebaͤuden von elliptischer
Grundrißform ist es eben so. Wie schiklich sich die roͤmischen Baumeister aus
der Verlegenheit zogen, damit nicht ein zu niedriges Verhaͤltniß der
Hoͤhe bei den Theatern und Amphitheatern entstuͤnde, sehen wir aus der
Anordnung, daß sie die aͤußeren Fronten gedachter Gebaͤude mir
Saͤulenstellungen zwischen den Arcaden schmuͤkten, und die
Gebaͤlke dieser Saͤulen der Hoͤhe nach durchkroͤpften.
Hieraus entstand fuͤr das Auge eine senkrechte Theilung des Gebaͤudes,
welche sehr wohlthaͤtig auf das Verhaͤltniß wirkt.
Im Innern haben runde und elliptische Gebaͤude, welche von der Kreisform wenig
abweichen, wenn sie zu oͤffentlichen Schauspielen gebraucht werden, den
Vortheil, daß jede gleichgroße Sehne des Bogens von irgend einem Punkte der
Peripherie aus betrachtet, denselben Sehewinkel bildet, den Gegenstand also auf
allen Plaͤzen in gleich großen Dimensionen erscheinen laͤßt. Diesen
Vortheil haben vierekige Schauplaͤze nicht, da die Sehewinkel fuͤr
eine gleich große Linie auf der Buͤhne, je nachdem man verschiedene
Standpunkte im vierekigen Umkreise nimmt, sich wesentlich andern, und nur von der
Mitte aus gut uͤbersehen werden koͤnnen. Sind die Schauraͤume
uͤberhaupt von geringen Dimensionen, so ist der Unterschied freilich
unbemerkbar, bei der Groͤße der roͤmischen Amphitheater aber
wuͤrde es sehr unangenehm aufgefallen seyn, wenn man sie statt in einer
Ellipse von maͤßigem Verhaͤltnisse vierekig construirt
haͤtte.
11. Das Achtek als Grundrißform bietet ein schlankeres Verhaͤltniß, als der
Kreis fuͤr den Hoͤhenriß; denn das Auge bemerkt sogleich die
senkrechte Theilung, welche durch die staͤrkere Abstufung der Schattirung
entsteht. Diese Leichtigkeit der Uebersicht, dieses schlankere Verhaͤltniß
des achtekigen Prisma's (und des vielekigen uͤberhaupt) machte den Schluß des
hohen Chores der altdeutschen Kirchen gegen den im byzantinischen Style
fruͤher uͤblichen Halbkreis vorzugsweise anwendbar. Eben so entstand
die Brechung der Eken und Kanten aus derselben Ursache; denn ein vierekiges Prisma
mit gebrochenen Eken sieht viel schlanker aus als wenn die Eken rechtwinklich
bleiben. Eben daher schreibt sich die Verwandlung der runden byzantinischen
Thurmspize in die achtekige altdeutsche; auch der Uebergang des vierekigen
Unterbaues der Thuͤrme und Strebepfeiler in achtekige Fortsezungen mit
achtekigen Spizen beruht ganz auf demselben Systeme des Leichterwerdens der Form
durch das schlankere Ansehen. Perspektivisch wirken noch die schraͤg
gestellten Ebenen mit, welche nach 2. schmaͤler erscheinen als sie wirklich
sind. Im Allgemeinen verkuͤrzt jede wiederholte horizontale Theilung eine
senkrechte Flaͤche scheinbar, und eine senkrechte Theilung macht eine
senkrechte Ebene scheinbar hoͤher. Eine große ungetheilte Flaͤche aber
erscheint immer kleiner als sie ist, theils durch Veraͤnderung der
Sehewinkel, theils weil, wenn gar keine Theilung vorhanden ist, das Auge den
vergleichenden Maaßstab gaͤnzlich verliert. Von allem diesem aber ist in der
geometrischen Zeichnung wenig oder nichts zu bemerken; denn ein achtekiges Prisma
von gleichem Durchmesser, wie ein Cylinder, erscheint hier auch eben so stark und
ganz in demselben Verhaͤltnisse als der leztere.
Die in huͤgeligen und Gebirgsgegenden so oft und mit so großer Wirkung angewendeten Terrassen,
deren Bekroͤnung irgend ein Pallast, Wohngebaͤude, Pavillon oder
Belvedere ausmacht, folgen im Allgemeinen der einfachen Bedingung, daß sie
perspectivisch gesehen einander nicht verdeken. Ein Beispiel mag die Sache
deutlicher machen.
Die unterste Terrasse bilde zwei nach Oben steigende Linien, welche gemeinschaftlich
an einem zwischen beiden liegenden Plateau oberhalb endigen. Wuͤrde man die
darauffolgende Terrasse parallel mit ersterer anordnen, so wuͤrde die untere
die daruͤberstehende groͤßten Theils verdeken; es ist daher besser
eine Terrasse folgen zu lassen, deren geneigte Flaͤche normal auf der
Grundlinie der erstern zu stehen kommt; uͤber dieser zweiten kann die dritte
stehen wie sie will, da die schraͤg nach Oben steigende zweite Terrasse
nichts von der naͤchstfolgenden verdeken wird, weil die schiefe Ebene der
ungefaͤhren Richtung des Sehewinkels mit folgt. Die Italiaͤner sind
hierin unsere besten Muster; man sehe die Terrassen der Villa Papa Giulio, des
Casino vom Schlosse zu Caprarole u.a.m.
Nur muß die Breite der Terrassen, wo man genoͤthigt ist sie mit einander
parallel laufen zu lassen, moͤglichst gering seyn, denn je breiter die untern
vorspraͤngen, desto mehr wuͤrden sie von der oberen verdeken.
12. Nach dem Vorhergegangenen ist klar, daß die einzeln erwaͤhnten
Faͤlle, wenn sie vermischt erscheinen, auch besondere Ruͤksichten
hinsichtlich ihrer Composition erfordern, welche alle aufzufuͤhren nicht
angeht, nur uͤber die jezt bei uns uͤblichen Daͤcher und ihre
perspectivische Erscheinung wollen wir das Nothwendigste erwaͤhnen.
Indier und Aegyptier bauten ihre Daͤcher als Plateformen, sie waren also von
Unten nie sichtbar. Griechen und Roͤmer versahen ihre Tempel mit
Giebeldaͤchern, ihre Privatwohnungen aber wenigstens bis zur
roͤmischen Kaiserzeit mit Pult- oder Schleppdaͤchern, aber
immer mit Ruͤksicht auf ein gutes Verhaͤltniß zu dem
Gebaͤude.
Die Einwendung unserer Gewerksmeister, daß die Daͤcher immer steil seyn
muͤßten, um den Einwirkungen des Schnee- und Regenwassers zu
widerstehen, sind um so falscher, da gerade Tyroler, Schweizer und Steyermarker, wo
das Klima fuͤr die Bedachung weit unguͤnstiger ist, als bei uns, sich
vorzugsweise der flachen Daͤcher seit alten Zeiten her bedienen. Die hohe
Dachform ist bei uns ein Nachlaß des altdeutschen Baustyls. Die neuere Zeit hat an
die Stelle des damals senkrecht strebenden Formenwesens jezt vorzugsweise das
horizontal sich begraͤnzende griechische angenommen, mit welchem Recht
gehoͤrt nicht hieher. Die altdeutschen hohen Giebel verschwanden als
Hauptansicht der Gebaͤude, und mußten sich bequemen die Seitenansichten der
Gebaͤude zu begraͤnzen. Als Hauptansichten machten sie, verbunden mit den
Formen des zugehoͤrigen Styls, ungeachtet ihrer Hohe eine schoͤne
Wirkung, aber auf die Seiten des Gebaͤudes geruͤkt, ließen sie an ihre
Stelle in die Hauptfront des Gebaͤudes eine um so widerlichere, alles
Verhaͤltniß zerstoͤrende Dachflaͤche treten, je hoͤher
die Giebel selbst blieben. Nichts ist verfehlter in seinen Verhaͤltnissen,
als ein dergleichen Dach nach altdeutschen Hoͤhenverhaͤltnissen, und
darunter eine Façade, worin der Architekt sich abquaͤlt griechisch zu
erscheinen.
Indeß werden Vorurtheil und Gewinnsucht der Gewerksmeister, welche bei hoben
Daͤchern mehr Geld verdienen als bei niedrigen, noch lange verhindern, daß
man auch dem Verhaͤltnisse des Daches zum Hause einige Aufmerksamkeit
schenkt. Was die Erscheinung der Daͤcher in perspektivischer Hinsicht
anbelangt, so macht der flache Giebel (etwa 1/6 oder bei Steindach 1/4 der Breite
zur Hoͤhe) immer die beste Figur fuͤr unser nun einmal angenommenes
geradliniges System. Naͤchst dem Giebel stoͤrt am wenigsten der ganze
Walm, weil er selbst bei nicht geringer Hohe des Daches in der Perspective viel
niedriger erscheint als er wirklich ist.
Das Satteldach, wo die Giebel zur Seite des Hauses stehen, ist nur dann einiger Maßen
ertraͤglich, wenn das Dach selbst bedeutend niedriger ist als die
Hoͤhe des Gebaͤudes vom Fußboden bis zum Dache gerechnet.
Am haͤßlichsten jedoch sind die Mansarden und Bohlendaͤcher, da ihre
constructionsmaͤßig erforderte unverhaͤltnißmaͤßige
Hoͤhe jede andere Form des Bauwerkes zerstoͤrt, und alle angewandten
Mittel, um die rohe Dachflaͤche dem Auge ertraͤglich zu machen, als
Erker, hohe Dachfenster, zierliche Schornsteine, wie sie die franzoͤsische
Bauart dort und in Deutschland zeigt, sind nicht im Stande, das ungeheuer
Druͤkende des großen Daches und das Ueberwiegende desselben uͤber die
Formen des Gebaͤudes selbst ins Gleichgewicht zu bringen. Der sogenannte
halbe Walm ist nur bei unbedeutenden Gebaͤuden brauchbar, da eben die
Halbheit seiner Form ihn fuͤr schoͤnere Zweke ausschließt.
13. Die Anordnung griechischer Tempel im Aeußern in Bezug auf perspectivische Wirkung
zeigt den feinsten Beobachtungsgeist ihrer Erbauer, so daß man wohl mit Recht
annehmen darf, daß ihnen die Grundsaͤze der Perspective in Bezug auf
Architektur keineswegs unbekannt waren.
Wir wollen die Propylaͤen von Eleusis (man vergleiche: Alterthuͤmer von
Attica, herausgegeben von A. W. Eberhard, Leipzig, Leske)
bei dieser Betrachtung zum Grunde legen.
Die sechs Saͤulen der Hauptfront sind so gestellt, daß die Raͤume zwischen denselben nach
der Mitte zu immer groͤßer werden. Der mittelste Zwischenraum ist der
groͤßte, hier besonders als Hauptdurchgang; aber auch wenn diese Bedingung
nicht waͤre, ist es gut den Zwischenraum der Saͤulenstellung in der
Mitte um ein Geringes weiter zu machen, als die uͤbrigen, selbst wenn er der
Annahme nach nicht groͤßer scheinen soll, als die uͤbrigen; denn
zeichnet man mehrere senkrechte Linien in gleichen Entfernungen auf ein Papier, so
scheint der mittelste Raum zwischen den Linien kleiner, als die uͤbrigen, die
an den Enden aber um ein geringes groͤßer; deßhalb sind die Saͤulen an
den Eken, wenn es auch nicht der Sicherheit der Construction wegen noch mehr
geschieht, der Mitte um ein geringes naͤher, die Saͤulen in der Mitte
aber um ein geringes weiter auseinander zu ruͤken, als eine durchweg gleiche
Axentheilung erfordern wuͤrde.
Im vorerwaͤhnten Beispiel faͤllt das Vergroͤßern der
Raͤume zwischen den Saͤulen nach der Mitte am meisten auf, obgleich es
bei den genannten Propylaͤen nur aus der Anordnung der Eingaͤnge und
der Construction in so bedeutenden Unterschieden hervorgegangen ist. Auch die
Eksaͤulen sind um ein geringes staͤrker zu halten, als die
dazwischenstehenden; denn da sie immer gegen die Luft abschneiden (und auch in
schraͤger Ansicht zwei davon), so erscheinen sie schwaͤcher, wenn sie
gleiche Dimensionen mir den uͤbrigen haben, welche Erscheinung auf demselben
Grunde beruht, wie bei 8. erwaͤhnt wurde.
Die Verjuͤngung der Saͤulen, (welche zugleich eine festere Stellung
derselben ergibt) verursacht vermoͤge ihrer nach Oben schmaͤler
werdenden Form eine pyramidale Linie des Ganzen fuͤr das Auge, wenn auch der
Architrab in seiner lothrechten Lage mit dem untern Durchmesser der Eksaͤule
zusammenfaͤllt, welches bei der roͤmisch-dorischen Ordnung
bekanntlich nicht der Fall war.
Das Zusammenziehen der Thuͤroͤffnungen nach Oben hat mehr einen alt
herkoͤmmlichen constructiven Grund, um die obere Oeffnung leichter schließen
zu koͤnnen; auch an den aͤgyptischen Tempel- und
Pyramideneingaͤngen, an dem Loͤwenthore in Mycene, an den Gallerien in
Thyrint etc. findet sich diese Zusammenziehung der Oeffnungen, nur in bedeutend
groͤßerem Verhaͤltniß als hier, da bei vorliegendem Beispiel eine
staͤrkere Zusammenziehung zu sehr mit den uͤbrigen
Verhaͤltnissen contrastirt haben wuͤrde. Aber auch ein
perspectivischer Grund ist dafuͤr vorhanden. Zwei senkrechte Linien,
besonders wenn sie sehr lang sind und eine Oeffnung einschließen, scheinen nach Oben
um ein geringes auseinander zu weichen; um dieß zu verhindern, zog man sie nach Oben
unmerklich zusammen.
Auch bei freistehenden Thuͤrmen zeigt sich eine ganz aͤhnliche
Erscheinung, hiebei gehen die senkrechten Linien der Umfassungswaͤnde an den
Eken scheinbar oben auseinander, oder was dasselbe ist, diese Linien scheinen nach
Außen uͤberzuhaͤngen, um diese Taͤuschung aufzuheben; zieht man
von Stokwerk zu Stokwerk der Hoͤhe nach um etwas Weniges ein, so erscheint
die vorher uͤberhaͤngende Linie alsdann lothrecht; eine
staͤtige gerade eingezogene Linie wuͤrde namentlich bei Thurmmauern
von Ziegelsteinen zu vielen technischen Schwierigkeiten unterworfen seyn, da
besonders dabei das Ablothen der Mauern wegfallen wuͤrde, oder man wenigstens
sehr lange, und unten an der entgegengesezten Seite der Mauer genau rechtwinkelige
Chablonen haben muͤßte, deren richtige Aufstellung neue Schwierigkeiten
erzeugt.
Alle hier angefuͤhrten Ruͤksichten sind bei der geometrischen Zeichnung
nicht bemerkbar, da vermoͤge ihrer Natur die perspectivischen Linien
wegfallen, und auch zugleich der Maaßstab so klein, im Verhaͤltniß zur
Ausfuͤhrung in der Natur ist, daß nur einiger Maßen zarte Unterschiede gar
nicht auffallen.
Aus derselben Ursache des scheinbaren Ueberhaͤngens verlangt Vitruv, daß bei hohen wenig verjuͤngten
Saͤulen, wie die corinthischen und namentlich wenn sie zu Rundbauten
angewendet werden, man sie auf schraͤge Baͤnkchen stelle, deren
Abschraͤgung so viel betraͤgt, daß die nach dem Gebaͤude
zugekehrte Verjuͤngungslinie beinahe eine lothrechte bilde; die
aͤußere Verjuͤngungslinie also wird nach dem Gebaͤude zu oben
sich neigen und deßhalb nicht nach Außen zu uͤberzuhaͤngen scheinen,
welche Ansicht auch mit den Erscheinungen in der Natur uͤbereinstimmt.
Die Anten der Griechen und Pilaster der Roͤmer wurden aus aͤhnlichen
Ursachen von geringerem Durchmesser als die Saͤulen gemacht, obgleich bei den
griechisch dorischen Tempeln die Architraben so breit waren, als die unteren
Saͤulendurchmesser, also wo sie oben auf der Ante auflagen, nothwendig auf
den Seiten uͤberstehen mußten. Der Grund aber, weßhalb man vierekige Pfeiler,
die hinter Saͤulen stehen, schwacher und schlanker machte, ist allein ein
perspectivischer; denn ein Prisma mit quadratischer Grund- und oberer
Flaͤche, und von gleicher Hoͤhe wie ein abgestumpfter Kegel
(Saͤule), und von gleichem Durchmesser wie lezterer, wird immer, von allen
Seiten gesehen, dem Auge mehr Masse darbieten als der Kegel, und folglich gegen
lezteren unfoͤrmlich erscheinen. Daher also der geringere Durchmesser der
Ante auch wo sie mit der Saͤule correspondirt, gestellt ist. Daher findet man
auch verjuͤngte Pilaster.
Der Giebel erscheint hier wie bei allen griechischen und roͤmischen Tempeln als Hauptfront
wegen der groͤßeren Hoͤhe der architektonischen Masse und der
pyramidalen Form; man waͤhlte nicht die lange Seite des Tempels dazu, weil
diese oben erwaͤhnte Vortheile entbehrte, und eine lange Dachflaͤche
(obgleich sie bei den Tempeln immer in einem untergeordneten Verhaͤltniß
erscheint) niemals einen interessanten Anblik wegen ihrer Gleichfoͤrmigkeit
gewaͤhrt. Die freistehenden aͤgyptischen Tempel dagegen, wo man kein
geneigtes Dach und keinen Giebel hatte, stehen den griechischen Tempeln
entgegengesezt, mit ihrer breiten Seite in der Hauptfront und der pyramidale Bau
wird durch die bedeutende Abschraͤgung der Ekmauern erreicht.
Bei den Propylaͤen in Eleusis sind ferner die im Innern der Halle stehenden
Saͤulen von ganz anderen und zarteren Verhaͤltnissen und Formen, als
die aͤußeren, welches auch der Natur der Sache ganz gemaͤß ist; denn
in geschlossenen Raͤumen faͤllt der Vergleich mit großen
Gegenstaͤnden und namentlich mit der Flaͤche der aͤußern Luft
weg. Die vergleichbaren Gegenstaͤnde ruͤken nahe an einander, und dem
Auge ist es auf jedem Standpunkt moͤglich zu proportioniren; deßhalb
muͤssen die inneren Proportionen schlanker, feiner und zierlicher seyn, denn
waͤren sie eben nach solchen Verhaͤltnissen gebildet wie im Aeußeren,
so wuͤrden sie ungeschikt, roh und plump aussehen. Schon aus diesem Grunde
ist es laͤcherlich den Saͤulenordnungen solche allgemeine
Verhaͤltnisse unterzulegen, welche fuͤr aͤußere und innere
Anordnungen zugleich und unter allen Umstaͤnden gelten sollen. So sehr aber
auch die griechischen Baumeister fuͤr eine sorgfaͤltige Anordnung in
Bezug auf perspectivische Erscheinung waren, so opferten sie ihr doch niemals die
Festigkeit der Construction; z.B. im Innern der Propylaͤen zu Eleusis stehen
6 Saͤulen jonischer Ordnung, so daß wenn man in die Halle tritt, sie
saͤmmtlich die Voluten der Capitaͤler verkuͤrzt und nicht in
der Breiten-Ansicht zeigen; ein roͤmisch gebildeter Architekt
wuͤrde dieß offenbar fuͤr einen Uebelstand erklaͤren, und die
Saͤulen entweder mit den Voluten so gestellt haben, daß man ihre Ansicht von
Vorne, und nicht wie jezt von der Seite bekommen haͤtte, oder er
wuͤrde aus uͤbel verstandener Symmetrie den Saͤulen acht
Voluten statt vier gegeben haben. Dieß streitet jedoch gegen die Richtigkeit der
Construction, welche der Grieche hiebei festhielt, und wie immer, wenn sich das
Zwekgemaͤße mit der bloß aͤußeren Erscheinung nicht wohl vereinigen
ließ, vorzog, dem Wesen der Construction zu folgen, anstatt sie, wie die
Roͤmer, haͤufig einer nur durch willkuͤrliche Regeln
festgesezten, eingebildeten, schoͤnen Form zu opfern.
Die erwaͤhnte Anordnung, daß die sechs Saͤulen in der Halle dem Beschauer nur die Polster
der Voluten und nicht leztere selbst unverkuͤrzt zeigen, beruht auf der
Construction des Capitaͤls. Es ist die Eigenthuͤmlichkeit der
jonischen Anordnung, daß das griechisch-jonische Capitaͤl im Grundriß
kein Quadrat wie das roͤmische bildet, und zwar deßwegen weil der,
vermoͤge der schlanken Proportion der Saͤulen im Verhaͤltniß
weit frei liegende Architrab nicht genug Unterstuͤzung haben wuͤrde,
wenn der Abacus nur quadratisch waͤre und nicht wie hier nach der Lage des
Architrabs sich verbreitete. Die Anordnung des griechisch-jonischen
Capitaͤls ist wie die eines sogenannten Sattelholzes auf einer
hoͤlzernen Saͤule, d.h. laͤnger als breit; aus dieser
Grundform, da die Schneken urspruͤnglich mittragen helfen mußten, ist die
ganze Anordnung constructiv hervorgegangen, aber weder aus den Loken der Frauen,
noch aus Hobelspaͤnen, welche an den Dekbrettern zufaͤllig stehen
geblieben waren.
Haͤtte demnach der griechische Baumeister die Rollen anders gestellt, als wie
es wirklich der Fall ist, so waͤre es der Construction zuwider gewesen.
Aehnliches wie das von dem angezogenen Beispiel Gesagte gilt im Allgemeinen von der
Anordnung aller griechischen Gebaͤude, und mit einiger Aufmerksamkeit, so wie
mit Huͤlfe perspectivischer Kenntnisse, wird jeder sehr leicht im Stande seyn
aus den von antiken Monumenten vorhandenen geometrischen Abbildungen die Ursachen
der gewaͤhlten aͤußeren Anordnungen und Maaße auch in perspectivischer
Hinsicht sich klar zu machen und einzusehen, wie wichtig das Studium der Perspective
fuͤr den Baumeister und wie unerlaͤßlich es ist, wenn man die bei der
wirklichen Ausfuͤhrung beabsichtigte schoͤne Erscheinung im Voraus mit
Gewißheit zu beurtheilen im Stande seyn will; durch bloße Uebung in geometrischen
Zeichnungen aber wird keiner hiezu gelangen.
14. Wenden wir uns zu einem Baustyl der, zwischen der modernen Welt und der antiken
in der Mitte stehend, mit dem griechischen einen vollkommenen Gegensaz in der
Erscheinung bildet, zu dem sogenannten altdeutschen (germanischen) und zwar zu einem
seiner schoͤnsten Muster, dem Muͤnster in Freiburg im Breisgau. (Man
sehe: Denkmaͤler der deutschen Baukunst von D. G. Moller. Darmstadt, Leske.)
Das System des genannten Baustyls ist ein hochstrebendes und wie ausgezeichnet ist es
in der perspectivischen Erscheinung des genannten Beispiels
durchgefuͤhrt!
Der starke, massive einfache Unterbau, welcher durch die Seitenansichten der
Strebepfeiler (wovon in der geometrischen Ansicht nichts sichtbar wird) noch mehr
Staͤrke und Kraft gewinnt, schließt mit einer feinen Gallerie uͤber der Uhr. Die
Strebepfeiler des Unterbaues selbst endigen in schlanken Thuͤrmchen und
deuten so schon auf die noch schlankere Endigung des Ganzen.
Ueber der Gallerie geht der Thurm in die achtekige Form aus der vierekigen
uͤber. Vier achtekige Thuͤrmchen motiviren in dem durch das Achtek auf
dem Vierek dreiekig abgeschnittenen Stuͤke den Uebergang vollkommen, so daß
die Dekung des Achteks, welche durch die Eken des Unterbaues entstehen
wuͤrde, wenn die Thuͤrmchen nicht da waͤren, vollkommen
ausgeglichen wird und fuͤr das Auge den vollstaͤndigsten Zusammenhang
mit dem oberen Theil bildet.
Die Gallerie, wo die lezte achtekige Hauptspize anfaͤngt, ist von steilen
Fenstergiebeln durchbrochen; ließe man diese weg, so wuͤrde die horizontale
Vegraͤnzung der Gallerie vorherrschen, und das Hochstrebende des Systems
verloren gehen. Die achtekige Spize endlich selbst ist mannigfach durchbrochen und
schließt in einer architektonischen Blume vorteilhaft das Ganze.
Der Vorwurf, welchen die Puristen in der Architektur dieser durchbrochenen Spize
machen, ist, daß sie nicht als das Dach wirklich diene, welches sie vorstelle,
allein der ganze Styl, besonders in den spaͤtern Monumenten, ist so sehr
moͤglichste Verkoͤrperung einer abstracten Gottesverehrung, daß es
unrecht ist, den bloß handwerksmaͤßigen Maaßstab dabei anzulegen, und alle,
welche gegen diese Monumente bis jezt noch muͤndlich und schriftlich geeifert
haben, koͤnnten sich doch bei dem Anblik derselben nicht eines
Gefuͤhls innerer Erhebung erwehren, so sehr auch die Form der Erscheinung
gegen ihre verkehrte aͤsthetische Ansicht seyn mochte.
Um die Schlankheit der Verhaͤltnisse dem Auge moͤglichst
vorzufuͤhren, und dadurch das Hochstrebende der Form zu erreichen, sind hier
wie bei allen altdeutschen Gebaͤuden die gewoͤhnlichen Mittel
gebraucht, sie sind: Verwandlung des Viereks in das Achtek, Vermeidung horizontaler
Linien ohne Vor- und Ruͤkspruͤnge, senkrechte Theilung des
Ganzen, schlanke Verhaͤltnisse der Giebel und Spizen.
Abschraͤgung der Fenster- und Thuͤrvertiefungen, welche
geringere Breite der Pfeiler erlaubt, ohne der Festigkeit zu schaden.
Brechung der Kanten und Eken, wo die Verhaͤltnisse feiner werden sollen, m. s.
11.
Stark ansteigende Fensterbruͤstung und Flaͤchen, wo die vierekige Form
in die achtekige uͤbergeht.
Hoͤchst verstaͤndige Anordnung, daß kein vorspringender Theil von einem
hinter ihm stehenden perspectivisch mehr zudekt, als er um die Form nicht zu
stoͤren zudeken darf.
Die Anordnung von Unten nach Oben ist eine sanft abnehmende; keine bedeutenden
Vorspruͤnge verdeken obere Theile durch untere, und das Auge folgt der ganzen
schoͤn und schlank geformten Pyramide, ohne Stoͤrung und wehethuende
Unterbrechung, bis zur aͤußersten Spize. Die geometrische Zeichnung allein
zeigt von allem dem nur so viel, als sie ihrer Natur gemaͤß zeigen kann.
15. Waͤhlen wir die Peterskirche als Repraͤsentanten der Zeit, wo
vorzugsweise das Studium roͤmischer Ruinen durch aͤußere
Umstaͤnde beguͤnstigt, eine neue Kunstbluͤthe hervortrieb, so
ist ruͤksichtlich ihrer perspectivischen Anordnung folgendes bemerkbar:
Michael Angelo waͤhlte, wie bei 9. bereits
erwaͤhnt, zwekmaͤßig, um der Kuppel scheinbar nichts von ihrer
Hoͤhe zu rauben, das griechische Kreuz zum Grundriß; spaͤtere Anbaue
zerstoͤrten diese urspruͤngliche Form bis auf 3/4.
Vergleichen wir sie hinsichtlich der perspectivischen Anordnung mit dem
Muͤnster zu Freiburg, so schlaͤgt der Vortheil verstaͤndiger
perspectivischer Anordnung zu Gunsten des lezteren aus; denn die Peterskirche
erreicht den Haupteindruk nur durch die maͤchtige Kuppel, welche sich aus
ihrer Mitte erhebt. Auch wenn der spaͤtere vordere Anbau der Schiffe nicht da
waͤre, so steht die Kuppel um ein Bedeutendes gegen den Unterbau
zuruͤk, welcher leztere also natuͤrlich ein bedeutendes Stuͤk
der Kuppel in der aͤußeren Ansicht nothwendig verdeken muß. Diesen Fehler
haben die Kuppeln der Paulskirche in London, der Kasankirche in Petersburg, des
Invalidendoms in Paris etc.
Michael Angelo hat dieß wohl gefuͤhlt, und die Form
des griechischen Kreuzes im Grundriß moͤglichst durch Anlage der kleinen
Treppen und Kapellen in den Winkeln so geformt, daß die Arme des Kreuzes wenig im
Aeußeren bemerkbar sind und die Kuppel in moͤglichst gleichem Abstande durch
die aͤußeren Umrißlinien des Unterbaues eingeschlossen wird; allein ganz
aufheben ließ sich der Uebelstand nicht bei der gewaͤhlten Anordnung.
Selbst die Nothwendigkeit der hochstrebenden Form schwebte den Baumeistern vor, wozu
der roͤmische Styl mit seinen Kroͤpfungen die Hand bot, und selbst die
Kuppel erhielt consequent mit dem Unterbau Rippen, welche die runde Form derselben
perspectivisch in ein Vielek verwandelte und so der Schlankheit bis zur
aͤußersten Spize zu Huͤlfe kam.
Nichts desto weniger erscheint diese und alle auf solche Art angeordnete Kuppeln im
Aeußeren nicht als eine wesentliche Fortsezung des Unterbaues, sondern als ein
willkuͤrlich darauf aufgeseztes Bauwerk; wie ganz anders bei dem
Muͤnster zu Freiburg; jeder naͤchst hoͤhere Theil entspringt
aus dem naͤchst unteren, alles geht eines sichtbar in das andere uͤber. Bei den
altdeutschen Kirchen, wo die Mittelschiffe bedeutend gegen die Seitenschiffe
zuruͤkspringen, vollenden die freien Bogen der Strebepfeiler diesen
sichtbaren Uebergang der unteren Theile in die oberen. Bei dem roͤmischen
Pantheon uͤbersieht man den ganzen ungeheueren Bau, sowohl von Außen als von
Innen mit einem Blik, und daher auch die gewaltige Wirkung.
Hieraus folgt, daß man sich stets huͤten muß durch Vor- oder
Ruͤkspruͤnge der Hoͤhe oder Breite nach irgend einen Theil des
Gebaͤudes unnoͤthig zu verdeken, und daß je mehr zugleich sichtbare
Flaͤche ein Gebaͤude dem Auge darbietet, desto weniger zersplittert,
und desto mehr ein Ganzes wie aus einem Guß es zu seyn scheint. Man sehe die
Pallaͤste von Rom und Florenz.
Wie tief war z.B. der Baumeister der Villa Pia in Rom, Pirro Lijorio, von der perspectivischen Ansicht durchdrungen, und obgleich die
Anlage durch das Treppenhaus und den einen vorgebauten Raum, uͤber welchem
das Belvedere steht, sogar unsymmetrische Anordnungen hat, so vereinigt sich doch
Alles zu einem reizenden Ganzen, wo alle einzelnen Gebaͤude unter sich auf
das vollkommenste klar mit einander verbunden scheinen, und die Localitaͤt
auf das Verstaͤndigste benuzt ist. Zeichnungen der Villa Pia finden sich in:
Percier et Fontaine, choix des plus
célèbres maisons de plaisance de Rome etc. und in Quatremère de Quincy's
Geschichte der beruͤhmtesten Architekten, aus dem Franzoͤsischen
uͤbersezt von Heldmann. Leipzig. Leske.
16. Die neuere und neueste Zeit bieten in vorangegangener Hinsicht einer
perspectivischen Anordnung mit Ausnahme einiger weniger Architekten, unter denen Schinkel unbestritten obenansteht, nicht viel
Erfreuliches dar. Man klebte zu sehr an den todten Lehrsaͤzen einer
handwerksmaͤßigen Schule, welche man vorgeblich den großartigen Ueberresten
des Alterthums entlehnt haben wollte, die aber nur wegen ihrer kategorischen
Imperative in den Glaubensartikeln ein Beweis geistiger Faulheit in der zur Zeit
herrschenden Kunstansicht waren.
Wir koͤnnten viele und große Namen habende Bauwerke neuer und neuester Zeit
anfuͤhren, jedoch bleibt es nach dem was vorangeschikt wurde, jedem zu
eigener Beurtheilung uͤberlassen, ob die angefuͤhrte Behauptung wahr
oder falsch sey.
Die unverstaͤndigen kalt lassenden Anordnungen entsprangen aber
groͤßten Theils nur daraus, daß die Baumeister das Studium der Perspective in
ihrem groͤßten Umfange verschmaͤhten, daß sie nicht einmal sich
Muͤhe gaben die Natur zu beobachten, und daß sie sich damit begnuͤgten, die
geometrische Zeichnung ohne Ruͤksicht auf perspectivische Anordnung als
einzige Grundlage der Erscheinung des Bauwerks in der Natur zu betrachten, welches
Alles freilich sehr bequeme, aber verfehlte Ansichten sind.
Die Anlage eines Bauwerks im Allgemeinen erfordert aber, daß es nicht nur, aus einem
entfernten Standpunkte gesehen, einen guͤnstigen Eindruk mache, es muß auch,
je naͤher man tritt, immer feinere Schoͤnheiten der Details entwikeln,
und bei Betrachtung in geringster Distanz in der Vollendung der Einzelheiten noch
die Vollkommenheit zeigen, welche seiner groͤßeren oder geringeren
Wuͤrdigkeit zukoͤmmt. Wie die teppichartigen Wandverzierungen des
Alhambra in groͤßerer Entfernung ein bestimmteres einfaches Schema zeigen,
naͤher gesehen sich in kleinere Formen aufloͤsen, und ganz nahe die
Spruͤche des Korans dem Auge leserlich darstellen, so muß eine gewisse
Stufenfolge immer mehr entwikelter Deutlichkeit und Verstaͤndlichkeit der
einzelnen Theile des Bauwerkes bei immer naͤher ruͤkendem Standpunkte
Statt haben. Alle Jahrhunderte (das naͤchstvergangene bis auf die jezige Zeit
ausgenommen) benuzten auch im Aeußeren, wie neuere Forschungen dargethan haben, den
Vortheil verschiedenartiger Faͤrbung, um die perspectivische Wirkung zu
erhoͤhen, und zugleich mit der Schoͤnheit der Form durch die der
harmonisch wohlgewaͤhlten Farbe das Auge angenehm zu fesseln, und
naͤchst der plastischen auch eine mahlerische Wirkung zu erzielen.
Hier eroͤffnet sich den lebenden Baumeistern ein neues weites Feld mehr, ihren
Erzeugnissen einen zwar in der Vergangenheit schon dagewesenen, jedoch seit lange
versiegten Quell neuer Schoͤnheiten aus Licht zu foͤrdern.
Die Griechen bedienten sich der kuͤnstlichen Pigmente.
Die prachtliebenden Roͤmer schufen ihre Farben aus dem mannigfaltigsten
Material selbst, dem sie die sorgfaͤltigste Politur gaben, alle farbigen
Marmorarten, Bronze, Gold, Silber, Edelstein, und das zur damaligen Zeit den
Edelsteinen gleich theure Glas, Alles wurde benuzt, um farbigen Zauber uͤber
die Schoͤpfungen ruhmduͤrstiger Erzeuger zu verbreiten.
Wir begnuͤgen uns mit weißem Kalkpuz.
17. Die Saͤulenordnungen hinsichtlich ihrer
perspectivischen Anordnung.
NB. Die Abbildungen in M. Mauch Fortsezung des C. Normanschen Werkes
(vergleichende Darstellung der architektonischen Ordnungen), Potsdam bei Riegel, sind hier zum Grunde gelegt.
Die griechisch-dorische Saͤule.
Der Saͤulenschaft, seine Form ein abgestumpfter Kegel, sowohl aus statischer
Ruͤksicht als hinsichtlich seiner schlankeren Form verjuͤngt. Die
Cannelirungen des Schaftes, gewoͤhnlich 20, geben vermoͤge der
groͤßeren Flaͤche, welche sie dem Auge darbieten und vermoͤge
der sichtbaren Theilung des Schaftes, so wie der damit verbundenen leichteren
Schaͤzung der Maaße, dem Schafte noch mehr scheinbare Staͤrke, als
wenn die Saͤule nicht cannelirt waͤre. Staͤbe zwischen den
Cannelirungen hiebei anzubringen, wie bei den schlankeren Saͤulenordnungen,
waͤre aus eben dem Grunde unzwekmaͤßig gewesen.
Das Capitaͤl ist seiner Form nach constructiv bedingt, der Echinus bildet den
einfachsten und natuͤrlichsten Uebergang vom Vierek zur Rundung, seine Form
kann perspectivisch nicht besser gewaͤhlt werden; denn waͤre sie mehr
in der Form eines Viertelkreises, wie bei den schlankeren
roͤmisch-dorischen Saͤulen, so wuͤrde sie fuͤr
die kurzen Verhaͤltnisse der griechischen zu schwer scheinen.
Die eingeschnittenen Streifen dienen naͤchstdem, daß sie als Tropfrinnen
gestaltet sind, dazu, fuͤr das Auge eine bestimmte Form abzuschneiden, wo die
Gliederungen des Capitaͤls aufhoͤren.
Die Linie der Ausladung des Echinus zieht sich bei den besseren Monumenten als eine
staͤtige Linie durch diese Einschnitte hindurch und vereinigt sich als solche
mit dem Halse.
Der gerade Hals des Capitaͤls ist mit den Fortsezungen der Cannelirungen
versehen, weil der Schaft sonst, wegen seines ohnehin kurzen Verhaͤltnisses,
zu kurz erscheinen wuͤrde, wenn man den Hals glatt lassen oder
uͤberhaupt in der Form gegen den Schaft trennen wollte. Wo der Hals eine
ausgezeichnete Form fuͤr sich allein annimmt, wie am Tempel der Ceres in
Paͤstum, ist er auch bedeutend kuͤrzer als sonst, aus denselben
Ursachen.
Der scharfe Einschnitt am Echinus unterhalb des Abacus ist zur Trennung beider Formen
um so noͤthiger, da die obere Kante des Echinus immer im Schatten liegt.
Stieße der Echinus stumpf an, wie bei dem roͤmischen Capitaͤl, so
wuͤrde die Trennung weniger zu sehen seyn.
Das Uebertreten des Architrabs uͤber die Verjuͤngung der Saͤule
ist constructiv wegen Staͤrke des Architrabs nothwendig, faͤllt aber
nicht unangenehm auf, weil es durch das kraͤftige Capitaͤl
hinlaͤnglich vermittelt ist.
Der Architrab selbst ist eine ebene Flaͤche, durch eine einfache Platte und
durch Plaͤttchen mit den Tropfen bekroͤnt, lediglich als Abschluß der
Form fuͤr das Auge, denn constructiv sind beide nicht noͤthig. In
einzelnen Faͤllen ist er unten breiter als oben, um ihn kraͤftiger zu erhalten,
allein fuͤr die perspektivische Ansicht ist dieß unvortheilhaft, da er
dadurch niedriger erscheint, als wenn er gerade waͤre.
Der Fries mit seinen Triglyphen und Metopen ist senkrecht; leztere sind entweder
ebene Flaͤchen ohne Reliefs, und alsdann machen die Triglyphen fuͤr
das Auge den verzierten Theil und bewirken eine angenehme Unterbrechung der sonst
todten Flaͤche; oder die Metopen sind mit Reliefs geschmuͤkt, alsdann
bilden die nur durch flache Einschnitte verzierten Triglyphen die ruhigere
Flaͤche zur Trennung und zur deutlicheren Theilung fuͤr das Auge
zwischen den reich verzierten Metopen. Oder der Fries ist durchweg mit Bildwerken
bedekt, welche eine fortlaufende Handlung darstellen wie am Parthenon auf der
inneren Seite der Saͤulenhalle.
Die Nothwendigkeit der Triglyphen aus der Construction zu erweisen, ist bis jezt noch
nicht gelungen. Aus der Holzconstruction erfolgten sie am leichtesten als die
Koͤpfe der Balken uͤber dem Architrab, allein die griechischen
Monumente enthalten davon nichts, im Gegentheil steigt der Fries auf der inneren
Seite immer hohl und glatt mit einem kleinen Kroͤnungsgesims bei allen
Ordnungen in die Hoͤhe. Bei dem Tempel des Theseus geht zwar an der Stelle,
wo die vordere Halle mit der Cella trifft, ein steinerner Balken als Fries quer
durch, allein auch der Architrab geht mit heruͤber, welches auch bei anderen
Tempeln der Fall ist, um die groͤßere Steindeke der Vorhalle bequem zu
bilden; allein an den Seitenhallen treffen bei griechischen Tempeln sonst selten die
Mitten der Saͤulen auf die Mitten der Anten, welche auch alsdann sehr schmal
sind, und durchaus nicht hindeuten einen Steinbalken unterstuͤzen zu
sollen.
Der Triglyphe bildet aber immer ein nicht einmal durch die ganze Tiefe des Frieses
durchgehendes Stuͤk Stein; wie erklaͤrt sich demnach der Triglyph und
der Fries aus der Nothwendigkeit der Construction, da er in der Form mit
Beibehaltung der uͤbrigen Verhaͤltnisse nicht fehlen darf?
Der Architrab aber waͤre seiner Staͤrke nach allein
hinlaͤnglich, wie bei den aͤgyptischen Monumenten, die Steindeke zu
unterstuͤzen. Im Inneren der Propylaͤen kommen Steinbalken vor, welche
aber keinen Zusammenhang mit den Triglyphen haben, wenigstens nur theilweise.
Die Cornische ist hoͤchst einfach, nur aus einer stark vorspringenden
Haͤngeplatte mit unterstuͤzenden und bekroͤnenden Gliedern
gebildet. Die daran befindlichen sogenannten Diehlenkoͤpfe koͤnnen auf
keine Weise weder nach ihrer schraͤgen Lage, noch nach ihrer in
Zwischenraͤumen Statt findenden Stellung aus der Holzconstruction hergeleitet
werden; sie sind
constructiv nur wegen Verstaͤrkung der haͤngenden Platte
stehengebliebene Stuͤke, welche zur Verstaͤrkung der Platte
aͤhnlich beitragen, als Strebe- oder Verstaͤrkungspfeiler an
einer senkrechten Mauer; daß sie nicht aus der Holzconstruction unbedingt
hervorgegangen sind, beweisen z.B. der Tempel der Ceres in Paͤstum und das
Monument des Thrasillos zu Athen, wo gar keine vorhanden sind.
Mit den sogenannten Tropfen an den Diehlenkoͤpfen hat es dieselbe Bewandtniß;
auch sie sind nur wie erstere eine Verstaͤrkung der Masse des
uͤberragenden Steines, mit moͤglichster Erleichterung der Form
fuͤr das Auge. Beweis dafuͤr ist der große Tempel in Paͤstum
(siehe parallèles d'Architecture par Durand, wo
an den Diehlenkoͤpfen diese sogenannten Tropfen nicht vorhanden sind, sondern
an ihrer Stelle runde Loͤcher in der unteren Flaͤche der
Diehlenkoͤpfe sich befinden, welches offenbar auf Erleichterung der Masse
hindeutet).
Die gewoͤhnlich schraͤge Unterschneidung der haͤngenden Platte
ist constructiv so gestaltet, um das an der vorderen Flaͤche der
haͤngenden Platte herunterlaufende Regenwasser herabfallen zu machen Die
ebenfalls schraͤge Unterschneidung der Diehlenkoͤpfe entsteht in
analoger Art aus dem fuͤr das Auge immer wohlgefaͤlligen Parallelismus
der Linien. Aus gleichem Grunde geht die Neigung des Giebels unter gleichem Winkel
mit der Unterschneidung der haͤngenden Platte und der Diehlenkoͤpfe.
Ferner nimmt die auf vorerwaͤhnte Art unterschnittene Haͤngeplatte
vermoͤge des Sehewinkels auf diese Art fuͤr das Auge mehr eine
horizontale Richtung an, als wenn sie wirklich horizontal waͤre; in lezterer
Art wuͤrde sie sich nach Hinten zu senken scheinen. Die haͤngende
Platte bekroͤnen auf der langen Seite des Tempels nur zwei Glieder, ein stark
unterschnittener und unten in Rinnleistenform endender Rundstab als Tropfrinne und
eine Leiste ebenfalls mit einer Tropfrinne; mehr bedurfte es auch nicht, denn das
mit reichen Stirnziegeln versehene flache und vermoͤge seiner Construction
niemals fuͤr das Auge stoͤrend wirkende Dach schließt die
schoͤne Form von der Seite, wie der flache wohlgefaͤllige Giebel in
den Fronten.
Einen Fuß wie andere Saͤulenordnungen hat die dorische nicht, zuweilen nur
einen kurzen uncannelirten Sokel, denn ein hoͤherer Saͤulenfuß
wuͤrde die Saͤule nur ohne Noth der Breite nach theilen, also
scheinbar verkuͤrzen, welches bei dem ohnehin gedrungenen
Verhaͤltnisse uͤbel wirken muͤßte; die dorische Ante dagegen
vertraͤgt in (statischer und) perspectivischer Hinsicht einen Fuß, da sie
schmaͤler als die Saͤule ist.
18. Ganz anders verhaͤlt es sich mit der roͤmisch-dorischen
Ordnung. Die Anordnung derselben, so wie der roͤmischen Saͤulen
uͤberhaupt, zeigt mehr die Befolgung eines abstracten Systems in der Bildung
der Form, als deren Hervorgehen aus der Natur der Sache, wie bei den griechischen
Saͤulen. Hieher gehoͤrt die Stellung des Triglyphs unmittelbar
uͤber den Saͤulenmitteln anstatt an der Eke, nicht uͤber deren
Mitte.
Die aͤngstliche Construction aller architektonischen Glieder aus bestimmten
Kreisstuͤken ohne Ruͤksicht aus Perspective.
Vermeidung der Massen und streng symmetrische Vertheilung, auch wo es der Natur der
Sache widerspricht, wie bei Metopen und Triglyphen.
19. Die griechisch-jonische Ordnung.
Die Verhaͤltnisse werden schlanker und feiner als bei der dorischen. Sie
beginnt von Unten nach Oben mit einem Saͤulenfuße.
Der im Verhaͤltnis geringe untere Durchmesser macht die Verbreiterung
noͤthig; die Form des Fußes ist mannigfach, aber gewoͤhnlich so
gewaͤhlt, daß er von Unten herauf gesehen, die beste perspectivische Wirkung
macht, wohl wegen der Hoͤhe des Unterbaues, und weil das Volk selten die
Tempelhalle betrat und sich mehr auf dem den Tempel umgebenden Plaze, und bei
groͤßeren Tempeln in den Saͤulenhallen aufhielt, welche den Hofraum
einschloͤssen, der Saͤulenfuß also von dem groͤßten Theil der
Beschauer von Unten hinauf gesehen wurde. Der roͤmisch-jonische Fuß
ist umgekehrt mehr darauf berechnet von Oben herunter gesehen zu werden, so auch
z.B. der Saͤulenfuß der jonischen Ordnung im Inneren des Apollotempels in
Bassaͤ. Der Saͤulenstamm ist verjuͤngt cannelirt und mit einer
Schwellung (entasis) versehen, weil der nur nach einer
geraden Linie sich verjuͤngende Stamm zu mager aussehen wuͤrde. Die
Schwellung aber macht diesen perspectivischen Uebelstand verschwinden, obgleich sie
constructiv nicht nothwendig ist.
Das Capitaͤl verdankt seine ganze eigenthuͤmliche Form nur der Natur
der Sache und der Construction.
Die jonischen Saͤulen erforderten, vermoͤge ihrer geringeren Masse als
die dorischen, kleinere, folglich schwaͤchere Architraben, welche
verhaͤltnißmaͤßig weniger Unterstuͤzung hatten als die
dorischen; auch wurden die Zwischenraͤume der Saͤulen
verhaͤltnißmaͤßig weiter und es wurde daher nothwendig den Architrab
breiter zu unterstuͤzen, als bei den dorischen.
Denkt man sich die rohe Construction des Capitaͤls als einen auf der
Saͤule mit dem Architrab parallel liegenden Stein, welcher nach der Linie der
Lage des Architrabs laͤnger ist, als die Breite des Architrabs, also etwa wie
ein kurzes Sattelholz in der Holzverbindung, so hat man die Grundform des jonischen
Capitaͤls, welche alle constructiven Bedingungen erfuͤllt. Aus dieser
Form konnte es wohl keinen angemesseneren Uebergang zur Form des
Saͤulenschaftes geben, als die Abrundung durch Polster und Rollen, welche
zugleich den Stein so kraͤftig erhalten, daß er den Architrab noch
hinlaͤnglich unterstuͤzen kann; daher ist auch der bei der dorischen
Saͤule so starke Abacus hier nur angedeutet und schließt nur die obere Form
des Capitaͤls zu einer ebenen Flaͤche ab, worauf der Architrab ruhen
kann.
Nur aus diesem Gesichtspunkte kann die aus dem Wesen der Sache hervorgegangene Form
des jonischen Capitaͤls betrachtet werden, denn jede andere Art sie zu
beleuchten wuͤrde nur auf Abwege fuͤhren.
Da constructiv auf den Langseiten die Rollen ebenfalls, wie vorhin erwaͤhnt,
mit der Linie des Architrabs parallel stehen mußten, so wuͤrde an der
jedesmaligen Eksaͤule der Uebelstand fuͤr das Auge eingetreten seyn,
daß die Eksaͤule der Halle mit dem Polster der Schneke gegen die Rolle der
folgenden Saͤule auf der Langseite erschienen waͤre; um diesem
Uebelstande abzuhelfen, entstanden die Ekcapitaͤle mit uͤberek
vorgezogenen Rollen.
Die geometrische Zeichnung gibt von der richtigen perspectivischen Wirkung derselben
nur ein schlechtes Bild.
Aus diesen griechischen Ekcapitaͤlen entstand spaͤter das jonische
Capitaͤl mit acht Rollen. Die Technik war weiter fortgeschritten, man verließ
die urspruͤnglich bedingte Bildung und opferte sie einer eingebildeten
Symmetrie, wie dieser Vorwurf dem roͤmischen Baustyl uͤberhaupt immer
gilt. Hieraus entstand bei dem roͤmisch-jonischen Capitaͤl
gleichzeitig der quadratische Abacus und die zum Tragen des Architrabs nicht mehr
geeignete, im Verhaͤltniß gegen die griechische sehr kleine Rolle.
Der die Saͤule gegen die Rolle abschließende Eierstab wird zwar immer eine
unvollstaͤndige Form bleiben, jedoch hat man bis jezt noch keine bessere
Vermittlung gefunden. Der jonische Architrab erhaͤlt gewoͤhnlich drei
ungleiche Abtheilungen der Hoͤhe nach; die Ursache hievon kann nur in einer
beabsichtigten Abwechselung der Theilung liegen, denn aus der Verschiedenheit der
Sehewinkel geht die im Verhaͤltniß starke Zunahme der Hoͤhe nach nicht
in dem Grade hervor.
Im Friese verschwinden die Triglyphen der dorischen Ordnung, und er erscheint
entweder ganz glatt, oder mit Reliefs bedekt, welches beides eine vollkommene
Trennung her Form der Architrabs und der Cornische fuͤr das Auge bewirkt.
Die Cornische enthaͤlt:
1) die Glieder, welche uͤber dem Friese befindlich sind,
2) eine stark vorspringende Platte mit den sogenannten Zahnschnitten, welche sich so
wenig wie die dorischen Diehlenkoͤpfe aus der Holzconstruction herleiten
lassen; denn sie selbst, mit der Platte woran sie stehen, dienen nur zur
Unterstuͤzung der vermoͤge der feinen Verhaͤltnisse der
jonischen Ordnung weit vorspringenden und schwachen Haͤngeplatte. Die
Zahnschnitte selbst sind eine Erleichterung der Masse, und da die Platte, woran sie
sich befinden, stets im Schlagschatten der Haͤngeplatte liegt, so war es nur
durch scharfe und tiefe Einschnitte moͤglich, der Einfoͤrmigkeit
zweier vierekiger Platten in der Cornische zu begegnen. Die leichte Form des
Rinnleistens bekroͤnt mit seinem zugehoͤrigen Plaͤttchen das
jonische Gebaͤlk zwekmaͤßig.
Die Pilaster-Anten dieser Ordnung sind im griechischen Styl in ihrem Capital
nur analog dem der Saͤule nachgebildet, haͤufig ganz dem System der
vierekigen Grundrißform des Pilasters entsprechend, ohne Ruͤksicht auf die
Form des Saͤulencapitaͤls, welches auch sehr natuͤrlich ist, da
hier ganz andere constructive Bedingungen eintreten. Bei den
roͤmisch-jonischen Pilastern dagegen ist man aͤngstlich
bemuͤht gewesen, wieder aus uͤbelverstandener Symmetrie die
Pilaster-Capitaͤle denen der Saͤulen moͤglichst gleich
zu bilden, obgleich daraus nichts Naturgemaͤßes werden konnte.
20. Die corinthische Ordnung wurde erst zur Roͤmerzeit in ein bestimmtes
System gebracht. Man folgte im Allgemeinen den nur noch mehr verfeinerten
Verhaͤltnissen der jonischen Ordnung; bloß das Saͤulencapitaͤl
und die Cornische zeigen wesentliche Abweichungen. Erst die Roͤmer wandten
die corinthische Saͤule im Aeußeren an; bei den griechischen Tempeln kommt
sie nur im Inneren vor.
Die Construction des Capitaͤls ist offenbar eine Nachbildung des jonischen,
mit acht Rollen oder Schneken. Die Stellung der Blaͤtter ist so
gewaͤhlt, daß sie, von Unten hinauf gesehen, sich moͤglichst wenig
einander verdeken.
Der Abacus ist geschweift, weil er in ganz vierekiger Form bei der starken Ausladung
der Seitenrollen zu schwer wuͤrde ausgefallen seyn, auch die im Vierek
unterhalb entstehenden horizontalen leeren Flaͤchen sonst auf keine Weise
sich vermitteln ließen.
Die Cornische erhaͤlt wegen der feinen Verhaͤltnisse nur eine schwache
weit vorspringende Platte; unter dieser befinden sich die sogenannten
Sparrenkoͤpfe, welche eben so wie die Zahnschnitte der jonischen und die
Diehlenkoͤpfe der dorischen Ordnung sich auf keine Weise aus der
Holzconstruction erklaͤren lassen.
Die Sparrenkoͤpfe mit der Platte, woran sie stehen, dienen nur zur
Unterstuͤzung und Verstaͤrkung der haͤngenden Platte, ganz in
derselben Art, wie 17. bei den Diehlenkoͤpfen erwaͤhnt wurde.
Bei der großen Ausladung wurde aber noch eine dritte Platte zur Unterstuͤzung
der beiden oberen nothwendig, welche zuweilen Zahnschnitte zeigt, wie am Tempel des
Jupiter Stator in Rom und anderen, oder wohl gar nicht vorhanden war, wie bei dem
Tempel des olimpischen Jupiters, oder glatt erscheint, wie am Pantheon in Rom.
Der corinthische Pilaster ist ein roͤmischer Styl, wie der jonische, in seinem
Capitaͤl dem der Saͤule aͤngstlich treu nachgebildet; bei den
griechischen Monumenten ist er, wie bei der jonischen, nur analog. Die
perspectivische Erscheinung der corinthischen Ordnung gibt das Bild von Pracht und
Verfeinerung.
21. Ganz verschieden von den aͤußeren Anordnungen in perspectivischer Hinsicht
sind die im Inneren der Gebaͤude. Der Vergleich mit den großen
Naturgegenstaͤnden, als Himmel, Berge, Baͤume, Feld faͤllt in
so fern ganz weg, als man sie nur durch die Thuͤr- und
Fensteroͤffnungen erbliken kann, und sie also von den inneren Raͤumen
abgeschlossen und begraͤnzt sind. Die Sehewinkel sind vermoͤge der
groͤßeren Naͤhe der Standpunkte meist groͤßer als außerhalb und
vertragen deßhalb, um die einzelnen Gegenstaͤnde vortheilhaft
uͤbersehen zu koͤnnen, nur verhaͤltnißmaͤßig kleinere
Dimensionen als im Aeußeren.
Hieraus folgt, daß alle Proportionen innerer architektonischer Gebilde schlanker und
zarter seyn muͤssen als im Aeußeren.
Ferner wirkt die Art der Beleuchtung viel mit; hoch oben an den Seitenwaͤnden,
oder noch besser durch die Deke den Raum zu beleuchten, gibt das schoͤnste
Licht. Mag man es aber waͤhlen wie man will, so ist der innere Raum
vermoͤge der Einschließung durch Waͤnde und Deke immer dunkler, als
der Raum in der freien Luft.
Die Profilirungen muͤssen also hier weit schaͤrfer und mehr
unterschnittener gehalten werden als im Freien, denn man ist ja schon im Aeußeren
genoͤthigt diejenigen Glieder, welche immer im Schlagschatten anderer liegen,
viel schaͤrfer zu modelliren, da sie außerdem nicht gut sichtbar werden. Die
besten Muster geben hier ebenfalls die griechischen Ueberreste; bei den
roͤmischen aber ist keine Spur davon; sie formten die architektonischen
Glieder, wie fruͤher erwaͤhnt, streng nach Kreisscheiben im Aeußeren
und Inneren gleich, gaben den Saͤulen im Inneren eben solche Gebaͤlke,
Saͤulenstuͤhle und machten uͤberhaupt die innere Ordnung gleich
der aͤußeren, welches zwar fuͤr den handwerksmaͤßig gebildeten
Baumeister das bequemste ist, jedoch auf keine Weise ausreicht. Selbst die von den
roͤmisch gebildeten Archaͤologen so verschrienen altdeutschen
Baumeister waren wirkliche vollkommene Meister in der Kunst, auch im Inneren die
architektonischen Theile so zu ordnen, daß sie immer einen guͤnstigen
perspectivischen Anblik gewaͤhren.
Hieher gehoͤrt, daß innere architektonische Theile kleinere Ausladungen haben,
als aͤußere, damit sie theils die daruͤberliegenden nicht verdeken,
theils nicht zu schwer erscheinen. Die Beleuchtung, welche namentlich bei unseren
Wohngebaͤuden fuͤr die Dekengesimse von Unten nach Oben wirkt, macht
ganz eigen geschnittene Profilirungen noͤthig, damit sich die Theile unter
dieser Beleuchtung immer vortheilhaft gegen einander absezen; es ist nur bei dieser
einfachen Voraussezung sehr leicht zu uͤbersehen, wie unzulaͤnglich es
ist, eine allgemein guͤltige Regel fuͤr die Form aller Gesimse und
ihrer Glieder festsezen zu wollen, denn das Gesims, welches sich im Freien von Oben
beleuchtet sehr gut ausnimmt, wird im Inneren, von Unten nach Oben beleuchtet, sehr
schlecht aussehen u.s.w.
Ein vollstaͤndiges System laͤßt sich aus der Ursache, daß jeder Fall
anders ist, nicht liefern, und wir wollen uns begnuͤgen in wenigen Beispielen
die Richtigkeit obiger Behauptung zu zeigen.
Die altdeutschen Kirchengewoͤlbe, welche vielfache Gewoͤlbrippen baden,
zeigen in diesen Rippen, bei den besseren Mustern, immer im Querdurchschnitt die
sogenannte Herzform, als die welche fuͤr alle Sehewinkel in der Hoͤhe
am schlanksten, folglich am leichtesten erscheint. Wo die Gewoͤlbrippen auf
den Pfeilern aufstehen, macht ein kleines Capitaͤl den Abschnitt der Form und
die Unterstuͤzung der Gewoͤlbrippe geht nun gewoͤhnlich als 3/4
vorspringender Cylinder am Pfeiler hinunter.
Die vierekigen Kirchenpfeiler selbst sind selten oder nie mit der Mittellinie des
Grundrisses der Kirche so gestellt, daß sie damit parallel stuͤnden, sondern
sie stehen so, daß ihre Diagonale normal auf erwaͤhnter Mittellinie steht.
Theils bilden sich dadurch die 4 Hauptansaͤze der Rippen des
Kreuzgewoͤlbes, ganz natuͤrlich, aber besonders erscheint der Pfeiler
durch seine scharfe Schattirung in dieser Stellung schlanker, als wenn er mit einer
seiner Seiten parallel mit der Mittellinie des Grundrisses der Kirche
stuͤnde.
In den griechischen Tempeln waren die Saͤulen im Inneren stets kleiner als die
aͤußeren, die Gliederungen feiner; die weit vorspringenden
Haͤngeplatten, welche hier ohnedem ohne Zwek waͤren, und das
daruͤber Liegende ohne Noth verdeken wuͤrden, fallen weg.
Wie hoͤchst verstaͤndig fuͤr die Schoͤnheit des Anbliks
waren die Wohngebaͤude eingerichtet! Beweis dafuͤr geben die
Ueberreste Pompejis; mit einem Blik uͤbersah man von der Hausthuͤre an
zugleich die
groͤßten Raͤume des Hauses einen hinter den anderen bis in den Garten
hinein, an dessen Hinterwand wohlgeordnete Gemaͤhlde die Perspective noch
scheinbar verlaͤngerten.
Betrachten wir die roͤmischen Pallaͤste des Mittelalters: mit welcher
tiefen Ruͤksicht auf perspectivische Anordnung sind die Hausfluhren, die
Hoͤfe, die Treppenhaͤuser, die kleinen da und dort anstoßenden
Gaͤrten angelegt; wie schoͤn sind Unebenheiten des Terrains zu
Terrassen, Grotten, Springbrunnen benuzt; wie zeichnen sich die Pallaͤste
Genua's in dieser Hinsicht der Terrainbenuzung aus, und durch welche einfache Mittel
erreichten die alten Baumeister alle diese großartigen Wirkungen?
Durch moͤglichste Einfachheit der Grundrisse, durch Benuzung der jedesmaligen
Oertlichkeit. Man grub eine maͤßige Erhoͤhung des Terrains nicht fort,
wie wir es thun wuͤrden, um ein Paar Fuß freien Raum mehr zu haben; alles war
ihnen willkommen, alles zwekmaͤßig verwendet, woraus ihnen noch der Vortheil
entsprang, daß durch die Eigenthuͤmlichkeit der Localitaͤt auch eine
Eigenthuͤmlichkeit der Anlage jedes Mal erreicht wurde, welches bei der
gewoͤhnlichen unverstaͤndigen Behandlung des Terrains niemals der Fall
ist.
Welche angenehme perspectivische Wirkung macht es schon, wenn mehrere hinter einander
liegende Raͤume durch geoͤffnete große Thuͤren mit einem Male
dem Auge sichtbar werden, wie viel groͤßer aber wird die Wirkung seyn, wenn
statt der bis an die Deke reichenden Querwaͤnde diese nur bis etwa zur
Mannshoͤhe hinauf gehen, uͤber diesen sich schlanke Stuͤzen der
Deke erheben, welche die Plafonds tragen; und noch reicher wird der Anblik, wenn man
an die Stelle derselben Querwaͤnde Saͤulen sezt, diese auf die
Haͤlfte der Hoͤhe der Wand mit Teppichen schließt und so alle
Raͤume zu einem einzigen großen vereinigt; zwekmaͤßig angebrachte
Spiegel thun ebenfalls viel, eine schoͤne innere perspectivische Wirkung
hervorzubringen, besonders wenn sie einander gegenuͤber stehen, so daß die
dazwischen liegenden Gegenstaͤnde ins Unendliche wiederholt erscheinen.
22. Die Hoͤhen innerer Raͤume im Verhaͤltniß zur Laͤnge
und Breite tragen nicht wenig dazu bei; sie sind einfach folgende:
Ist der Grundriß quadratisch, so seze man die Hoͤhe gleich einer Seite des
Quadrats; es wird demnach ein Kubus entstehen, dessen Ansicht namentlich bei
wachsenden Dimensionen immer imposanter sich gestaltet. Jeder laͤnglich
vierekige Raum erhaͤlt die schmale Seite zur Hoͤhe; er wird also der
Natur gemaͤß im Verhaͤltnisse immer niedriger werden, je
laͤnger er ist.
Jeder Raum, dessen Grundriß ein Kreis oder regelmaͤßiges Vielek ist, werde so
hoch als sein Durchmesser lang ist, uͤbersteige aber niemals die Hoͤhe
von 2 Durchmesser Laͤnge, sonst hat man nirgends mehr einen Standpunkt ihn
nur einiger Maßen zu uͤbersehen.
Die Ellipse richtet sich nach dem Verhaͤltnisse des Rechteks, und bekommt
ihren kleineren Durchmesser zur Hoͤhe.
Geringe Abweichungen werden dem Totaleffect hiebei keinen Eintrag thun, nur muß der
Raum niemals niedriger werden als obige Angaben sind.
Bei Wohngebaͤuden lassen sich diese Voraussezungen allerdings nicht so streng
anwenden; allein der Baumeister kann auch hierin viel thun, wenn er die zu nehmende
Ruͤksicht auf perspectivische Anordnung nicht aus den Augen laͤßt. Vor
allen Dingen aber duͤrfen dabei Hausfluhren und Treppenhaͤuser nicht
noch kleiner und elender werden als sie schon sind, wenn auch nicht die dringendsten
Ruͤksichten wegen Feuersgefahr diese Theile besser, fester und groͤßer
anzulegen veranlassen muͤssen.
23. Am meisten werden perspectivische Anordnungen im Inneren der Gebaͤude bei
Treppenhaͤusern, Saͤlen und Schauspielhaͤusern in Anspruch
genommen. Die beste Wirkung machen große Treppen, wenn sie nur aus dem
naͤchst unteren Stokwerk in das naͤchst obere fuͤhren, und das
Auge das obere Stokwerk seiner ganzen Hoͤhe nach mit uͤbersieht; auch
duͤrfen die nach einer Richtung aufsteigenden normal mit ihren Wangen gegen
den Beschauer stehenden Arme nicht durch Ruheplaͤze unterbrochen werden; denn
der breite Ruheplaz verdekt perspectivisch mehr oder weniger von den daruͤber
folgenden Stufen, und macht so eine unangenehme gebrochene Linie; die
Ruheplaͤze befinden sich am schoͤnsten in den Eken der Treppe, wo die
Arme andere Richtungen annehmen. Aus obigem Grunde macht eine runde Treppe, welche
durch viele Stokwerke geht, nie die natuͤrliche und schoͤne Wirkung,
welche eine vierekige unter denselben Umstaͤnden macht. Die krumme Linie und
namentlich die Schraubenlinie zeigt sich nur vorteilhaft, wenn sie staͤtig
bleibt, was bei Anordnung von Ruheplaͤzen nicht angeht; eine
fortwaͤhrend steigende Treppe aber wuͤrde bald ermuͤden, und
ist nicht statthaft; deßhalb bleiben die Treppen im Vierek immer die
schoͤnsten und bequemsten. Treppen im Achtek geben gute Anordnung, wenn die
Ruheplaͤze dreiekig werden, und an 4 Seiten des Achteks Stufen angebracht
sind.
Pfeiler und Gewoͤlbe durch alle Stokwerke gehend und die Treppenarme
unterstuͤzend machen nur da gute Wirkung, wenn der Zwischenraum der Treppenarme groß ist.
Naͤher an einander angebracht, Haufen und deken sich die Gegenstaͤnde
so, daß es unangenehm wird.
Bei allen inneren Raͤumen wird die Wirkung ungemein gesteigert, wenn die
Waͤnde anderer Gemaͤcher, welche an einen großen Raum stoßen,
durchbrochen, und durch Arcaden, Pfeiler, Saͤulen gebildet werden. Ein
schoͤnes Beispiel ist der Concertsaal im Berliner Schauspielhause, voll tief
durchdachter perspectivischer Wirkung.
24. Die Anordnung architektonischer Gliederungen entspringt hauptsaͤchlich aus
der Construction, welches hier zu eroͤrtern zu weit fuͤhren
wuͤrde; in perspectivischer Hinsicht ist zu bemerken, daß Gliederungen am
Aeußeren der Gebaͤude im Verhaͤltnisse groͤßere Dimensionen,
großartigere Anordnung und der scharfen Sonnenbeleuchtung wegen weniger geschwungene
Profilirungen haben, als im Inneren, wo von allem das Gegentheil eintritt.
Außerdem ist es Haupterforderniß, daß kein Glied unter den gewoͤhnlichen
Standpunkten gesehen ein anderes zur Ungebuͤhr verdeke, sondern jedes
einzelne seiner vollstaͤndigen Form nach von dem Auge bemerkt werden kann.
Wollte man z.B. die Glieder eines Hauptgesimses so construiren, daß die untersten am
meisten vorstuͤnden, so wuͤrde man die oberen gar nicht sehen. Es
scheint uͤberfluͤssig dergleichen zu erwaͤhnen, und doch gibt
es Faͤlle genug, wo so verfahren wird, namentlich bei Mobiliar aller Art; wie
oft sieht man Tische, Komoden etc., wo unter der oberen hervorstehenden Platte feine
Gliederungen angebracht sind, die kein Mensch sieht, weil sie bei dem
gewoͤhnlichen Standpunkte durch den oberen Theil verdekt werden.
In der geometrischen Zeichnung faͤllt dieß nicht auf, und wollte man dabei die
erwaͤhnten Glieder weglassen, so wuͤrde es schlecht aussehen; eben so
kann man sich bei weniger hervorstechenden Gelegenheilen taͤuschen, wenn man
ohne Ruͤksicht auf Perspektive verfaͤhrt.
Die Farbe gibt ein vortreffliches Mittel an die Hand, Verzierungen, welche sich an
architektonischen Gliedern befinden, mit Leichtigkeit vortreten zu lassen, ohne daß
die Verzierung sehr hervortretend gearbeitet zu seyn braucht; deßhalb finden wir
auch die Verzierungen griechischer Gliederungen im Ganzen flach gearbeitet, da man
Farbe benuzte; die der roͤmischen Gliederungen aber ungleichhervorstehender,
da hier die Verschiedenheit der Farbe nur in der Verschiedenheit des Materiales der
einzelnen Architekturtheile bestand. Die Profilirung roͤmischer und diesen
nachgebildeten Gliederungen erfuͤllen die perspectivischen Ruͤksichten
durch ihre nach vollstaͤndigen Zirkelstuͤken gebildete Form am
wenigsten. Man denke nur am roͤmisch-dorischen Capitaͤl an den
Echinus (im Viertelkreise profil), gegen den Echinus am griechischen Capitaͤl; abgesehen von
der Constructionstuͤchtigkeit der lezteren Linie bleibt sie dem Auge vielmehr
unverkuͤrzt, folglich kraͤftiger sichtbar. Die vielen Riemchen in den
roͤmischen Profilirungen, welche stets je zwei gebogene Glieder trennen,
geben ihnen ebenfalls ein flaches uninteressantes Ansehen.
Da sich ohne Zeichnungen hieruͤber nichts Genaueres anfuͤhren
laͤßt, moͤge es genuͤgen darauf aufmerksam gemacht zu haben,
wie wenig geometrische Zeichnungen allein genuͤgen, um die Wirkung, welche
ein Bauwerk in der Natur hervorbringen soll, zu bestimmen.
Aus dem Wenigen, was hier von der Beruͤksichtigung der perspectivischen
Wirkungen hinsichtlich der Bauwerke angefuͤhrt werden konnte, ist zu ersehen,
wie unerlaͤßlich das Studium der Perspective fuͤr den Baumeister ist;
ferner wie die perspectivischen Wirkungen es wohl verdienten einen eigenen Theil der
Baulehre (in aͤsthetischer Hinsicht) auszumachen, und wie selbst in
Baugewerksschulen die Lehrer ihre Zoͤglinge wenigstens auf den großen Einfluß
aufmerksam machen sollten, den die Perspective auf Alles aͤußert, was erbaut
dem Auge sichtbar wird. Mit diesem frommen Wunsche nimmt der Verfasser Abschied vom
Leser.
Greifswald, im August 1835.
C. A. Menzel.