Titel: Untersuchung der Baumwoll-, Wollen-, Flachs- und Seidenfasern. Von Hrn. Dr. Ure.
Fundstelle: Band 58, Jahrgang 1835, Nr. XIX., S. 158
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XIX. Untersuchung der Baumwoll-, Wollen-, Flachs- und Seidenfasern. Von Hrn. Dr. Ure. Im Auszuge aus Dr. Ure's Philosophy of Manufactures.Der vollstaͤndige Titel dieses ausgezeichneten Werkes, aus welchem man einen gruͤndlichen Ueberblik uͤber die englischen Baumwoll-, Wollen-, Flachs- und Seidenwaaren-Fabriken oder die sogenannten Muͤhlen erhaͤlt, ist: The Philosophy of Manufactures: or an Exposition of the Scientific, moral and commercial Economy of the Factory-System of Great Britain. By Andrew Ure M. D., F. R. S. etc. 8. London 1835, bei Charles Knight. Wir werden noch Mehreres des Wesentlichsten aus diesem Werke fuͤr unsere Leser ausheben, und hoffen ihnen dadurch einen nicht unangenehmen Dienst zu leisten.A. d. R. Mit Abbildungen auf Tab. II. Untersuchung der Baumwoll-, Wollen-, Flachs- und Seidenfasern. Die Fasern der Baumwolle, der Wolle, der Seide, des Flachses und des Hanfes weichen wesentlich in ihrem Baue von einander ab; die drei ersteren bestehen aus bestimmten und ganzen Faͤden, welche sich ohne Zerstoͤrung oder Zersezung nicht theilen lassen; die beiden lezteren hingegen sind aus Fadenbuͤndeln, welche in paralleler Richtung mit einander verbunden sind, und welche sich wieder in duͤnnere Faͤden theilen lassen, zusammengesezt. Diese Faserbuͤndel werden durch parenchymatoͤse Ringe zusammengehalten, und von diesen Ringen werden sie beim Hecheln, Spinnen und Bleichen befreit; schwache alkalische Laugen loͤsen diese Ringe auf, ohne auf die Linienfasern selbst zu wirken. Die Baumwollfasern sind, so lange die Baumwollpflanze noch frisch und im Wachsthume begriffen ist, cylindrische Roͤhren, die jedoch beim Reifen und Troknen der Baumwolle mehr oder weniger flach gedruͤkt werden. Diese Roͤhren sind an beiden Enden verschlossen, und ihr Durchmesser nach der flach gedruͤkten Seite genommen, betraͤgt je nach der Qualitaͤt der Baumwolle 1/500 bis 1/3000 Zoll. Ich besuchte im Oktober 1833 Paris hauptsaͤchlich in der Absicht, mir Aufschluͤsse uͤber die botanischen Beziehungen der verschiedenen im Handel vorkommenden Baumwollsorten zu verschaffen, und um zu erfahren, welche Fortschritte die Anwendung des Mikroskopes auf die organische Chemie gemacht habe. Ich war so gluͤklich, daselbst ein achromatisches Mikroskop von außerordentlicher Kraft und Klarheit, welches ein in Paris wohnender deutscher Optiker, Hr. Georg Oberhaͤuser, verfertigt hatte, zu erwerben, und benuzte es alsogleich zur Untersuchung der Baumwoll- und Flachsfasern. Im December oder im Januar des naͤchstfolgenden Jahres theilte ich die Resultate meiner Beobachtungen einigen meiner Freunde in der Royal Society mit. Da mich Hr. Pettigrew bei dieser Gelegenheit aufforderte, auch den Zeug, in welchen die Mumien eingewikelt sind, zu untersuchen, so unterzog ich mich diesem Ansinnen, und theilte Hrn. Pettigrew folgende Aufschluͤsse mit, die im Maͤrz 1834 in einer Note zu dessen interessanten Geschichte der aͤgyptischen Mumien gedrukt erschienen. „Die Flachsfasern haben, wenn man sie bei Tageslicht unter einem guten Mikroskope beobachtet, ein glaͤnzendes Aussehen und eine cylindrische Gestalt; nur selten sind sie flach gedruͤkt. Ihr Durchmesser betraͤgt gegen 1/2000 Zoll; sie brechen nach der Quere mit einer glatten Oberflaͤche, wie sie eine mit einer Feile durchschnittene Glasroͤhre darbietet. Eine beleuchtete Linie bezeichnet ihre Achse; an der einen Seite bemerkt man eine dunkle Schattirung, die, je nachdem das Licht auf die Fasern faͤllt, wohl auch an beiden Seiten ersichtlich wird. Die Baumwollfaͤden hingegen bilden nie wahre Cylinder, sondern sie sind immer mehr oder weniger flach gedruͤkt oder gewunden, so daß sie unter dem Mikroskope betrachtet, bald wie ein Band von 1/1000, bis 1/1200 Zoll Breite, bald aber wie eine schmale Linie erschienen. In der Mitte sind die Baumwollfaͤden perlartig durchscheinend, waͤhrend sie an beiden Raͤndern einen dunklen schmalen Saum zeigen; ihr Querbruch ist faserig oder hakig. Der nach diesen Criterien untersuchte Mumienzeug scheint sowohl in der Kette, als im Eintrage aus Flachs- und nicht aus Baumwollfasern zu bestehen. Ich untersuchte eine bedeutende Menge verschiedener von Mumien abgewikelten Baͤnder mit einem vortrefflichen achromatischen Mikroskope, und fand in keinem derselben Baumwollenfasern enthalten.“ Als ich einige Monate spaͤter meinem Freunde James Thomson Esq. das Aussehen der Baumwollenfasern unter dem Mikroskope zeigte, sagte er mir, daß er den Mumienzeug, mit dessen Untersuchung ich mich in lezter Zeit abgab, vor einigen Jahren gleichfalls zum Gegenstande seiner Forschungen gemacht hatte. Er hat seither eine sehr interessante Abhandlung uͤber diesen Gegenstand bekannt gemacht, und derselben mehrere Abbildungen beigegeben, welche der beruͤhmte Francis Bauer nach dem Mikroskope gezeichnet hatte.Wir haben bereits im Polyt. Journale Bd. LVI. S. 154 auf die Abhandlung des Hrn. Thomson vorwiesen, und die vorzuͤglichsten Resultate der Forschungen dieses Gelehrten bekannt gemacht. Man wird aus Vergleichung des daselbst Gesagten mit dem, was Dr. Ure hier behauptet, finden, daß diese beiden Herren in gaͤnzlichem Widerspruche mit einander stehen, indem ersterer den Mumienzeug fuͤr einen offenbaren Leinenzeug erklaͤrt, waͤhrend lezterer nur Baumwollfasern in demselben entdekt haben will. Es ist dieß um so auffallender, als sowohl Thomson und Bauer, als Dr. Ure den Baumwollenfasern so ziemlich einen gleichen Bau zuschreiben, und nur in Hinsicht auf den Bau der Flachsfasern wesentlich von einander abweichen.A. d. R. Nach diesen Abbildungen haͤtten die Flachsfasern in regelmaͤßigen Entfernungen von einander, und zwar unter rechten Winkeln mit ihrer Laͤngenachse etwas eingezogene Gelenke, waͤhrend die Baumwollfasern aus zwei durch eine duͤnne Haut verbundenen und spiralfoͤrmig um einander gewundenen Straͤngen bestuͤnden. Es scheint mir jedoch, daß die HH. Bauer und Thomson die Baumwolle untersuchten, nachdem sie sie mit canadischem Balsam oder mit irgend einem anderen Firnisse getraͤnkt hatten, wodurch deren Fasern ein eigenthuͤmliches Aussehen bekamen, welches sie nicht besizen, wenn sie durch andere Medien, die eine minder kraͤftige Strahlenbrechung haben, betrachtet werden. Die Gestalt der Flachsfasern ist, wenn man sie in meinem Mikroskope, welches eine 300malige Vergroͤßerung besizt, betrachtet, aͤußerst deutlich, und dessen ungeachtet bemerkte ich nie jene unter rechten Winkeln gestellten, rohrartigen Gelenke oder Gliederungen; ich beobachtete nur manchmal verschiedene Querlinien, welche unter verschiedenen Winkeln gegen die Laͤngenachse verliefen, und durchaus keine bestimmten Entfernungen von einander einhielten. Nicht selten bemerkte ich auch gar keine derlei Querlinien, selbst wenn die Fasern in Balsam getraͤnkt worden waren. – Betrachtet man Baumwollfasern im Balsam, so erscheinen sie unter dem Mikroskope ganz anders, als sie sich zeigen, wenn man sie fuͤr sich allein oder in etwas Wasser eingeweicht der Beobachtung unterwirft. All das schoͤne Adergeflecht auf der bandfoͤrmigen Oberflaͤche verschwindet unter diesen Umstaͤnden, und deßhalb sieht man auch an den Zeichnungen des Hrn. Bauer nichts davon; die duͤnnen runzeligen Raͤnder der Baͤnder werden zu cylindrischen Straͤngen erweitert; und die schoͤnen Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen im Handel vorkommenden Baumwollsorten, wie der Sea-Island, Upland, New-Orleans, Surat-Baumwolle etc., die das Schaͤzenswertheste dieser Untersuchungen bilden, gehen hiedurch entweder gaͤnzlich verloren, oder werden wenigstens verwischt. So sieht die Baumwolle von Sea-Island in trokenem Zustande untersucht, wie aus den beigefuͤgten Zeichnungen ersichtlich, ganz anders aus, als jene von Smyrna; waͤhrend sich beide Sorten, wenn man sie im Balsam betrachtet, kaum von einander unterscheiden lassen. Wenn man den Einfluß, den die Refractionskraft der verschiedenen Medien, in welche man die zu untersuchenden Gegenstaͤnde bringt, nicht sehr beruͤksichtigt, so wird das Mikroskop zur Quelle zahlreicher Taͤuschungen und falscher Urtheile, wie Raspail in seiner Chimie organique deutlich auseinandergesezt hat. Ich habe gefunden, daß fluͤssiges Eiweiß fuͤr viele Gegenstaͤnde ein sehr gutes Medium ist, indem es deren Umrisse genau und ohne Verdrehung zeigtDer Einfluß der Luft und anderer die Strahlen brechender Medien laͤßt sich sehr gut studiren, wenn man Staͤrkmehltheilchen, wie z.B. Arrow-Root, unter dem Mikroskope betrachtet. Die Theilchen der Arrow-Root bestehen naͤmlich, wie alle anderen Arten von Sazmehl aus einer durchsichtigen Substanz, welche in einem Hauligen Sake von sphaͤroidaler Form eingeschlossen ist. Dieser Sak, der die in ihm enthaltene Substanz gegen die aufloͤsende Kraft des Wassers schuͤzt, berstet, wenn er einer erhoͤhten Temperatur ausgesezt wird, so daß die Staͤrkmehl-Substanz dann ihre aufloͤsliche gummiartige Beschaffenheit beurkunden kann. Wenn man nun etwas Arrow-Root auf einen Glasstreifen streut, und in den Focus eines guten achromatischen Mikroskopes bringt, so scheint sie aus schwarzen elliptischen Ringen von bedeutender Breite und mit stark erhelltem Mittelpunkte zu bestehen, wie man sie in Fig. 58Fig. ist auf bezeichneter Tafel nicht vorhanden. bei a abgebildet sieht. Befeuchtet man sie hingegen mit Wasser, so erscheinen die Theilchen als helle sphaͤroidale Linsen oder vielmehr als unregelmaͤßige Ovoide mit schwaͤrzlichen Raͤndern, wie sie bei b ersichtlich sind. Mit Terpenthinoͤhl befeuchtet zeigen die Theilchen zwar dieselbe Form, allein ihre umrisse sind schaͤrfer, obschon sie selbst bei gleichem Lichte dunkler, und gegen ihre Mittelpunkte hin mit schwarzen Punkten besezt erscheinen, wie man bei c sieht. In diesem Falle vermindert das die Theilchen umgebende Medium wegen seiner groͤßeren Strahlenbrechung die Abweichung des Lichtes an den Raͤndern, waͤhrend es zugleich um dieselben herum wie eine concave Linse wirkt, so daß das Licht, welches sich sonst in ihrer Substanz concentrirt hatte, nach Außen zerstreut wird. Wenn man die Theilchen kurze Zeit nachdem das Oehl so verdampfte, daß ein fester Ueberzug zuruͤkblieb, betrachtet, so erscheinen sie als schattirte Perlen d. In canadischem, mit Terpenthinoͤhl verduͤnntem Balsam hingegen zeigen sich die Theilchen durchaus nicht mehr als sphaͤroidale, in der Mitte am meisten erleuchtete Linsen, sondern als haͤutige Schuppen, welche in der Mitte ihrer Convexitaͤt einen sehr dunklen schwarzen Fleken haben, wie man bei e erficht. Nach einigen Minuten, wenn der Balsam durch Verfluͤchtigung des aͤtherischen Oehles diker geworden ist, erscheinen die Theilchen, als waͤren sie in der Mitte concav, und als waren deren Raͤnder, die nun mehr schwarze Punkte zu haben scheinen, aufgebogen. Wenn der Balsam endlich zur festen Masse erhaͤrtet, so verlieren sich alle deutlichen Umrisse, und einige der Theilchen verschwinden ganz, waͤhrend man von anderen nur perlartig schimmernde Punkte mehr bemerkt, wie man bei f sieht.Ich hatte das Vergnuͤgen, diese interessanten Erscheinungen dem beruͤhmten Entomologen Hrn. W. Spence Esq., und einigen anderen Maͤnnern, die als Zeugen fuͤr die Genauigkeit meiner Beobachtungen dienen koͤnnen, zu zeigen. Ich kam hiebei zu dem Schluͤsse, daß, um irgend einen sphaͤroidalen oder cylindrischen Gegenstand mit Vortheil unter dem Mikroskope betrachten zu koͤnnen, man denselben in ein Medium tauchen muß, dessen Strahlenbrechung nur wenig von jener des zu untersuchenden Koͤrpers abweicht. Ist der Unterschied in dieser Hinsicht groß, wie es z.B. zwischen der Luft und der Wolle der Fall ist, so wird sich der innere Bau der Fasern nicht wahrnehmen lassen, waͤhrend die warzigen Erhabenheiten, die man an gewissen groben Wollen trifft, sehr deutlich sichtbar werden. Ist hingegen dieser Unterschied gering, wie z.B. zwischen dem Balsam und der Wolle, so wird der dachziegelfoͤrmige Bau der Fasern deutlich erscheinen, waͤhrend die Warzen verschwinden, indem sie wegen ihres schwammigen Gewebes der optischen Eigenschaft des Firnisses theilhaftig werden. Die Baumwollfasern haben einen solchen Bau, daß sie die durch dieselben gehenden Strahlen nur in geringem Grade brechen; und hieraus folgt, daß sie sich in Luft oder Wasser besser beobachten lassen, als in Balsam, welcher deren Kanten eben so beeintraͤchtigt, wie jene der Staͤrkmehltheilchen. Duͤnne Schuppen oder parallele Durchschnitte irgend einer Art erzeugen keine Abweichung oder Brechung des senkrecht auf ihre Oberflaͤchen fallenden Lichtes, und sind daher, was deren Umriß betrifft, in der Luft deutlich sichtbar. Folgende Fluͤssigkeiten geben eine gute Gradation der Strahlenbrechung.Textabbildung Bd. 58, S. 161Index der Strahlenbrechung; Wasser; Eiweiß; Kolbsalzaufloͤsung; Salmiakaufloͤsung; Lavendeloͤhl; Terpenthinoͤhl; Canadischer Balsam; Gewuͤrznelkenoͤhl; SchwefelkohlenstoffGemenge von Terpenthinoͤhl und canadischem Balsam geben Medien, deren Strahlenbrechung zwischen 1,476 und 1,528 wechselt.Ich hatte waͤhrend meines lezten Besuches in Manchester Gelegenheit, mehreren der ausgezeichnetsten dortigen Spinner und Fabrikbesizer zu zeigen, auf welche Weise sich die Kraft des achromatischen Mikroskopes zur Unterscheidung er verschiedenen Qualitaͤten Baumwolle benuzen laͤßt, und wie ein solcher beim Ankaufe der Wolle große Vortheile gewaͤhren kann. Viele derselben gaben mir daher auch den Entschluß zu erkennen, sich ein derlei Instrument anzuschaffen. – Um zu zeigen von welchem Nuzen solche wissenschaftliche Forschungen im praktischen Leben werden koͤnnen, erlaube ich mir noch ein anderes Beispiel anzufuͤhren. Die Cassawa und Arrow-Root sind zwei dem aͤußeren Anscheine, ihrem Gebrauche und den chemischen Eigenschaften nach einander vollkommen aͤhnliche Sazmehlarten, welche jedoch in Hinsicht auf ihren Ursprung und den Einfuhrzoll, den sie zahlen, sehr von einander verschieden sind. Die Cassawa zahlt naͤmlich als ein Product der fremden Colonien einen Zoll von 20 Schill. per Cntr., waͤhrend die Arrow-Root als ein auf den englischen Colonien erzeugtes Product nur 1 Schill, per Cntr. bezahlt. Vor einigen Monaten nun wurde ich amtlich ausgefordert, meine Ansicht uͤber einen Artikel abzugeben, welcher als Arrow-Root declarirt wurde, von dem man aber vermuthete, daß er Cassawa sey. Ich bewies, indem ich etwas davon unter das Mikroskop brachte, daß er wirklich Cassawa sey, indem er kleine sphaͤrische zusammengeballte Theilchen bildete, waͤhrend die Arrow-Root aus einzelnen, beinahe doppelt so großen, abgestumpft eifoͤrmigen Theilchen besteht.A. d. O.. Einige neuere Naturforscher bruͤsten sich mit der außerordentlichen Sehkraft, die ihnen ein einfaches Linsenmikroskop verleiht; allein sie werden wohl kaum behaupten wollen, daß sie mit dieser Huͤlfe die feinen Querlinien in den Flachs- oder Wollenfasern entdeken koͤnnen. Wenn ein solches Instrument, selbst bei einer nicht seltenen Gewandtheit zu beobachten, einen Leuwenhoek verleiten konnte, die Baumwollfasern als dreikantig und mit feinen scharfen Kanten versehen zu beschreiben (so zwar, daß man dieser Gestalt die nachtheilige und reizende Wirkung der auf wunde Stellen gelegten Baumwolle zuschrieb), um wie viel mehr Irrthuͤmer wird dasselbe in den gewoͤhnlichen Haͤnden erzeugen? Wenn ich bedenke, daß selbst ein in mikroskopischen Untersuchungen so gewandter Mann, wie Hr. Bauer, sowohl die Flachs- als die Baumwollfaser unter Formen darstellte, die ich als irrig betrachten muß, so muß ich gestehen, daß mein Glauben an die Richtigkeit der mikroskopischen Beobachtungen bedeutend erschuͤttert worden ist. Ich nehme um so weniger Anstand diese Bemerkung zu machen, als die Beobachtungen, die ich mit meinem Mikroskope anstellte, bei der Vergleichung mit jenen Beobachtungen, welche mit einem vortrefflichen achromatischen Mikroskope Tully's und mit einem sehr feinen Instrumente Powell's gemacht wurden, vollkommen mit diesen lezteren correspondirten. Ich zweifle weder an der Vortrefflichkeit des Instrumentes Ploͤßl's, dessen sich Bauer bediente, dem uͤbrigens das Powell'sche auch nicht nachstehen duͤrfte; noch seze ich in die Gewandtheit des Hrn. Bauer irgend einen Zweifel; allein ich glaube, wie gesagt, daß das Medium, in welches er die Gegenstaͤnde zum Behufe der Untersuchung brachte, in Folge der ihm eigenen Strahlenbrechung die Gestalt derselben wesentlich veraͤnderte. Wolle und Seide koͤnnen am besten in canadischem Balsam, der mit etwas Terpenthinoͤhl verduͤnnt worden, beobachtet werden; indem sich das Wasser nicht gut mit deren Fasern und deren Strahlenbrechung vereint. Die solcher Maßen in einem kraͤftigen achromatischen Mikroskope betrachteten Wollenfasern sehen beinahe wie Schlangen aus, deren Schuppen etwas weniges von der Oberflaͤche abstehen, so daß die Seiten im Profile wie eine feine Saͤge aussehen, deren Zaͤhne in der Richtung von den Wurzeln zu den Spizen hin abgedacht sind. Jede Faser scheint demnach aus gesaͤgten Ringen zu bestehen, die wie die Gefuͤge der Schachtelhalme dachziegelfoͤrmig uͤber einander liegen. Die Zaͤhne sind an verschiedenen Wollen in Hinsicht auf Form und Hervorragung verschieden, so wie auch die ringfoͤrmigen Raͤume zwischen denselben verschieden sind; leztere haben gewoͤhnlich 1/2000, bis zu 1/3000 Zoll im Durchmesser, waͤhrend der Durchmesser der Wollenfasern selbst von 1/1000 bis zu 1/1400 wechselt. Die Querlinien haben einige Aehnlichkeit mit den Ringen der Regenwuͤrmer; sind jedoch nicht so regelmaͤßig wie leztere. Wuͤrde man mehrere Trichter mit unebenen Raͤndern in einander steten, so wuͤrde man einen Cylinder erhalten, der in seinem Umrisse einer Merinoswollenfaser, an der man diesen Bau am deutlichsten ersieht, nicht unaͤhnlich waͤre. An der feinsten sachsischen Wolle ist das gegliederte Aussehen und folglich auch das saͤgefoͤrmige Profil der Raͤnder gleichfalls zu sehen, und eben so bemerkt man es an der besten langen Kammwolle von Hrn. d'Arthur aus Neuholland. An der langen Wolle aus dem Leicestershire hingegen sind die Saͤgezahne sehr klein, und die Querlinien ganz undeutlich. Betrachtet man die Wollenfasern in ihrem trokenen Zustande unter einem guten Mikroskope, so zeigen sie wohl warzige Erhabenheiten; der gegliederte Bau hingegen ist wegen der Strahlenbrechung nicht zu sehen; dagegen werden unter einer duͤnnen Schichte Terpenthin. Firniß oder Oehl die Saͤgezahne sichtbar, waͤhrend die warzenfoͤrmigen Erhabenheiten dafuͤr verschwinden. Zu diesen Beobachtungen eignet sich uͤbrigens selbst nicht ein Mal ein gutes zusammengeseztes Mikroskop von dem gewoͤhnlichen Baue; sondern es ist, wenn sie genuͤgend ausfallen sollen, ein achromatisches Instrument mit einer linearen Vergroͤßerungskraft von 300 dazu erforderlich. Die Eigenschaft der Wolle sich zu filzen, haͤngt von dem saͤgefoͤrmigen Baue derselben ab, obschon sie nicht mit der groͤßeren Entwikelung oder Ausbildung dieses Baues im Verhaͤltnisse steht. Die Saͤgezaͤhne der Fasern greifen naͤmlich gleich den Sperrkegeln an den Sperrraͤdern in einander, so daß, wenn die Wolle in Masse zusammengedruͤkt und wieder nachgelassen wird, unter den Fasern eine verworrene Bewegung entsteht, in Folge deren sie so lange vorwaͤrts getrieben werden, bis sie ein dichtes Gewebe, welches man Filz zu nennen pflegt, bilden. An einigen Wollen sind die Zaͤhne schief gestellt, so daß sie wie die Schuppen der Tannenzapfen aussehen. Die Seidenfaden sind doppelte oder Zwillingsroͤhren, welche der Seidenwurm beim Spinnen parallel legt, und durch den Firniß, womit deren ganze Oberflaͤche uͤberzogen ist, mehr oder minder gleichfoͤrmig an einander kittet. Jede Faser dieser Faͤden hat 1/1800, bis zu 1/2500 Zoll im Durchmesser; im Durchschnitte betraͤgt die Breite eines jeden Roͤhrenpaares gegen 1/1000, Zoll, obschon sie an verschiedenen Seidensorten verschieden ist. Die Seide von Fossombrone, wovon das Pfund 22 bis 24 Schill, gilt, besteht aus 4 Seidenfaͤden oder aus acht Doppelfasern, von denen jeder beilaͤufig 1/2000 Zoll mißt, so daß auf den ganzen Strang beilaͤufig 1/500 Zoll kommt. An der weißen italienischen Seide von Bergamo haben die lezten Fasern eine Dike von 1/2500 Zoll. Die verschiedenen Rohseiden scheinen unter dem Mikroskope in Hinsicht auf Dichtheit und Parallelismus der Zwillingsfasern wesentlich von einander abzuweichen, was theils von der Beschaffenheit der Cocons, theils von der Geschiklichkeit beim Abhaspeln abhaͤngt. Die ostindische Comerollyseide hat eine lose Textur, und besteht aus 16 Urfasern, von denen jede beilaͤufig 1/2000 Zoll mißt, waͤhrend der ganze Strang an ihrem dichtesten Theile einen Durchmesser von 1/333 Zoll hat. Die tuͤrkische oder Brutiaseide sieht flachsartig aus, und besteht aus 10 Urfasern, die zusammen einen Strang von 1/333 Zoll bilden. Ich habe verschiedene Methoden mikroskopische Gegenstaͤnde zu messen erprobt, und gebe, wenn es sich um große Genauigkeit handelt, dem Troughton'schen Visier mit parallelen Draͤhten, welche durch eine mit einem graduirten Kopfe versehene Schraube in Bewegung gesezt werden, den Vorzug. Mir Huͤlfe dieser Vorrichtung kann ein gewandter Beobachter an meinem achromatischen Mikroskope leicht den hunderttausendsten Theil eines Zolles messen. Fuͤr eine minder genaue Messung genuͤgt der Glasstreifen Tully's, welcher mit einem Diamante in parallele Linien, die 1/1000 Zoll weit von einander entfernt sind, getheilt ist; man erhaͤlt naͤmlich, wenn man ein etwas geuͤbtes Auge besizt, mit dieser Vorrichtung Messungen, welche bis auf 1/5000 Zoll genau sind. Ich stimme vollkommen dem großen Naturforscher Robert Brown bei, wenn er sagt, daß die Mikrometermessungen, die von dem Bilde genommen werden, welches man auf einer Flaͤche in der Gesichtslinie uͤber oder unter dem Mikroskope in Projection sieht, wegen der Wirkung der Parallaxe großen Irrthuͤmern ausgesezt sind. Ich befolgte diese Methode oͤfter, bevor ich auf die Anwendung der beiden oben angegebenen graduirten Instrumente kam; die großen Abweichungen jedoch, die ich bei der Wiederholung meiner Versuche an einen und denselben Gegenstaͤnden erfuhr, veranlaßten mich ihr zu entsagen. Viele der Messungen, welche Raspail von den verschiedenen Sazmehlsorten gegeben, sind aus gleichen Gruͤnden falsch. Die chemische Zusammensezung der verschiedenen Faserstoffe war schon im Jahr 1822 der Gegenstand meiner Forschungen; ich trug auch deren Resultate im Junius desselben Jahres vor der Royal Society vor, welche diese Abhandlung in ihre Denkschriften aufnahm. Die Bestandtheile ergaben sich hienach folgender Maßen. Textabbildung Bd. 58, S. 165 Kohlenstoff; Wasserstoff; Sauerstoff; Stikstoff; Baumwolle; Flachs; Seide; Wolle Der Flachs besizt beinahe dieselben chemischen Bestandtheile wie der Zuker, und kann daher auch leicht durch Abreiben mit Schwefelsaͤure und Saͤttigung der Saͤure mit Kalk in Zuker verwandelt werden. Die Seide und die Wolle zeichnen sich wie die uͤbrigen organischen Substanzen durch ihren Gehalt an Stikstoff aus. Die Baumwolle gibt beim Einaͤschern in 100 Theilen einen Theil unverbrennliche Asche, welche aus 0,6 aufloͤslicher Salze (hauptsaͤchlich kohlensaurem Kali mit etwas schwefelsaurem und salzsaurem Kali) und 0,4 einer unaufloͤslichen Substanz besteht, in welcher phosphorsaurer und kohlensaurer Kalk mit phosphorsaurer Bittererde und rothem Eisenoxyde enthalten ist. Das Eisenoxyd ist ein urspruͤnglicher Bestandtheil, denn die Einaͤscherung geschah in einem Tiegel aus reinem Silber, waͤhrend die Analyse in Gefaͤßen aus Platin und Glas vorgenommen wurde. Die genaue Bestimmung des specifischen Gewichts der verschiedenen Faserstoffe ist schwieriger, als man anfangs glauben moͤchte; auch wurde sie wahrscheinlich aus diesem Grunde bisher unterlassen. Da ich mir jedoch einige Muͤhe hiemit gab, und da ich eine einfache Methode, welche dennoch genaue Resultate gibt, ausfindig gemacht zu haben glaube, so will ich in einige Details hieruͤber eingehen. Ich nehme eine Phiole mit duͤnner zulaufendem Halse, welche beinahe 2000 Gran destillirten Wassers zu fassen vermag; waͤge sie, nachdem sie gefuͤllt worden, ab; bezeichne an dem Halse die Hoͤhe, bis zu welcher das Wasser reichte, und gieße dann genau 200 Gran des Wassers aus. Dann waͤge ich 300 Gran des Faserstoffes ab; lege sie in eine reine Mulde, und trage sie hierauf langsam und in kleinen Quantitaͤten auf ein Mal in die Phiole ein, indem ich jeden Theil so mit einem Drahte niederdruͤke, daß er durch und durch befeuchtet ist, und daß alle daran haͤngen gebliebene Luft entfernt wird. Wenn nun so viel von dem Faserstoffe zugesezt worden, daß die Wasserlinie ihren fruͤheren Stand an dem Halse erreicht hat, so wurde offenbar soviel davon eingetragen, als noͤthig ist, um die 200 Gran Wasser zu ersezen. Das Mehr- oder Uebergewicht, welches die Phiole hiedurch erhaͤlt, getheilt durch zwei, wird dann der Quotient seyn, der die specifische Schwere des untersuchten Faserstoffes im Vergleiche mit jener des Wassers, und leztere zu 100 gerechnet, andeutet. Wegen der schwammigen Beschaffenheit der Baumwolle, Wolle, Seide und des Flachses saugen diese Substanzen viel Wasser ein, und dieses Wasser wird von den in der Phiole belassenen 1800 Gran Wasser geliefert. Macht man rohe Baumwoll-, Wollen-, Flachs- oder Seidenfasern zum Gegenstande dieses Versuches, so halten sie so viele kleine Luftblaͤschen an sich, daß nothwendig irrige Resultate zum Vorscheine kommen muͤssen. Ich konnte aus diesem Grunde, nachdem ich mich mehrere Stunden lang mit Ausfuͤllung des leeren Raumes der Phiole mit Wollenfasern beschaͤftigt, und diese zum Behufe des Austreibens der Luft lange unter dem Wasser abgeknetet hatte, unmoͤglich 200 Gran Wolle eintragen, so daß hienach zu schließen 206 Gran Wolle einen groͤßeren Raum einnehmen, als 260 Gran Wasser. Nimmt man hingegen Flanellschnizel, die sich, wenn sie durch Waschen entfettet werden, leicht befeuchten lassen, so wird man finden, daß in den Raum, den fruͤher die 200 Gran Wasser einnahmen, 252 Gran Wolle gebracht werden koͤnnen, so daß sich das eigentliche specifische Gewicht der Wolle, jenes des Wassers als Einheit angenommen, zu 1,260 berechnet. Auf gleiche Weise ergab sich mir fuͤr die Baumwolle ein specifisches Gewicht von 1,47 bis zu 1,50; fuͤr den Flachs von 1,50; fuͤr die Seide von 1,30 und fuͤr den Mumienzeug von 1,50. Ich habe oben gesagt, daß bei dem Beginne eines jeden Versuches eine bestimmte Quantitaͤt der zu untersuchenden Substanz, naͤmlich 300 Gran abgewogen wurden. Diese Vorsicht ward zum Behufe der Verificirung des Resultates genommen; denn dieses Gewicht, weniger dem Gewichte der uͤbrig gebliebenen Masse, mußte genau der Gewichtszunahme der Phiole gleichkommen. War dieß nicht der Fall, so wurde der Versuch als mangelhaft betrachtet und deßhalb wiederholt. Da ein Ballen Leinenzeug weit schwerer wiegt, als ein Ballen Baumwollzeug von gleicher Groͤße, so moͤchte man hieraus den Schluß ziehen, daß der Flachs eine dichtere Substanz sey, als die Baumwolle; allein man darf hiebei nicht vergessen, daß die Baumwolle einen hoͤheren Grad von Elasticitaͤt besizt, und folglich bei gleichem Druke weniger compact wird. Nur durch Abwaͤgen beider Substanzen, nachdem dieselben unter eine Fluͤssigkeit getaucht worden, erfaͤhrt man deren wahre Dichtheit; und da sich hiebei zwischen dem specifischen Gewichte der Baumwolle und jenem des Flachses nur ein sehr geringer Unterschied ergab, so moͤchte ich um so mehr schließen, daß diese beiden Substanzen in Hinsicht auf Dichtheit einander gleichkommen, als es an der Baumwolle weit schwerer ist als Luft auszutreiben, als an dem Flachse. Die vegetabilischen Faserstoffe haͤtten demnach eben so gleiche Dichtheit oder gleiches specifisches Gewicht, wie die animalischen, und wuͤrde man Holz zum Gegenstande der Untersuchung machen, so zweifle ich nicht, daß dessen specifisches Gewicht oder dessen Dichtheit mit jener des Flachses zusammenfallen wuͤrde. Uebrigens ist nicht zu vergessen, daß die Porositaͤt des Holzes ein falsches Unheil uͤber die Dichtheit seiner Substanz bedingt. Die Wolle erscheint unter dem Mikroskope in der Luft betrachtet mit rauher Oderflaͤche, und von einem Durchmesser von 1/1000 bis zu 1/1600 Zoll; selbst unter der besten spanischen, sachsischen und australischen Wolle sind nur wenige Fasern zu finden, die einen groͤßeren Grad von Feinheit besizen. Die wohlfeilen englischen Wollen sind nicht nur wegen der Textur ihrer Faser selbst, sondern auch wegen der vielen warzigen Erhabenheiten, die laͤngs derselben hervorragen, rauh. Die feinste australische Wolle von Hrn. M'Arthur's Heerde, wovon das Pfund 4 Schill. gilt, hat eine glasartige Durchsichtigkeit; auch bemerkt man an ihr, gleichwie an den besten saͤchsischen und spanischen Wollen keine Warzen, selbst wenn man sie ohne Firniß betrachtet. Ihre Cylinder sind sowohl in Hinsicht auf Groͤße, als in Hinsicht auf Gestalt gleichfoͤrmiger, als jene der beiden anderen zulezt erwaͤhnten Wollen. Der Durchmesser der australischen Wollenfaser betraͤgt im Durchschnitte 1/1200 Zoll, und nur in einzelnen Fasern 1/1500 Zoll; dagegen findet man in saͤchsischer Wolle, wovon das Pfund 5 Schill. gilt, mehr Fasern von 1/1600, zugleich aber auch welche von 1/1000 Zoll. Die spanische Wolle von 3 Schill. 6 D. per Pfund hat im Durchschnitte glichen Durchmesser mit der australischen; allein sie ist nicht so gleichfoͤrmig, indem der Durchmesser von 1/900 bis zu 1/150° wechselt; auch erscheinen einige Fasern derselben unter dem Mikroskope als warzig. Die kleineren Flachsfasern lassen sich leicht von einander trennen, wenn sie mit heißem Wasser und einer schwachen alkalischen Lauge ausgewaschen worden, oder wenn man einen Faden eines gebleichten Leinenzeuges mit einer Nadelspize zertheilt. Diese feinen Fasern haben im Durchschnitte 1/2500 Zoll im Durchmesser; an einigen betraͤgt der Durchmesser selbst nicht uͤber 1/3000 Zoll. Verschiedene Sorten Flachs lassen sich mit verschiedener Leichtigkeit in diese zarten Fasern zertheilen, und hienach richtet sich der verschiedene Werth, den ihnen der Spinner beilegt. Die feinen Fasern haben einen Glasglanz beinahe wie er den glaͤsernen Haarroͤhrchen eigen ist; sie erscheinen unter dem Mikroskope und in der Luft glatt, gleichmaͤßig und ohne Glieder, wie man, sie in Fig. 13 sieht. Die relative Zaͤhheit oder Staͤrke der verschiedenen Faserstoffe wurde dadurch ermittelt, daß man verschiedene Gewichte an Schnuͤren von gleicher Dike aufhaͤngte. Es ergab sich hiebei fuͤr den Flachs 1000, fuͤr den Hanf 1390, fuͤr den neuseelaͤndischen Flachs 1996 und fuͤr die Seide 2894. Die Staͤrke der Baumwolle und Wolle ist noch nicht gehoͤrig ermittelt; steht aber weit unter jener der oben erwaͤhnten Faserstoffe. Der neuseelaͤndische Flachs, der so starke Taue gibt, laͤßt sich durch einen winkeligen Druk leicht brechen, und gibt daher keinen so dauerhaften Canevaß. Ich fuͤge nun nur noch Einiges uͤber die verschiedenen Methoden die Fasern, Garne und Faͤden zu zahlen und zu nummeriren, deren man sich in den Fabriken bedient, bei. Die Untersuchung eines Fadens beschraͤnkt sich nicht bloß auf dessen Form oder Textur, sondern sie begreift auch dessen Farbe, Weiche, Haͤrte und Staͤrke. Das Maaß seiner Staͤrke ist ein Gewicht, welches denselben zum Bruche bringt, sobald man es an dem einen Ende des Fadens aufhaͤngt; wobei zu bemerken kommt, daß, wenn der Faden cylindrisch oder beinahe cylindrisch ist, dieses Gewicht immer gleich bleibt, welches auch die Laͤnge des Fadens seyn mag. Eine gute Methode diese Messung anzustellen ist folgende: man bindet das eine Ende des zu untersuchenden Fadens an das lezte Glied einer auf einen Tisch gelegten Kette, und zieht dann das andere Ende des Fadens so lang empor, bis so viele Glieder der Kette aufgehoben werden, als noͤthig sind, um den Bruch des Fadens zu bewirken. Das Gewicht oder die Zahl der auf diese Weise emporgehobenen Kettenglieder wird die Staͤrke des Fadens andeuten. Eine sinnreiche Vorrichtung, welche die Gewichte registrirt, bei denen die verschiedenen Theile eines Fadens brachen, ward von Hrn. Henry Houldsworth Esq. in Manchester erfunden; er ist mit deren Huͤlfe im Stande leicht und schnell die Staͤrke seiner feinen Baumwollengarne zu verificiren. Bei den Baumwollgarnen ist die Art der Nummerirung sehr einfach, indem sie sich darnach richtet, wie viele Straͤhne von je 840 Yards Laͤnge ein Pfund geben; so bezeichnet Nr. 40 ein Garn, wovon 40 Straͤhne auf ein Pfund gehen. In Frankreich geschieht die Nummerirung des Baumwollgarnes in Folge einer Ordonnanz vom Jahr 1819 nach der Zahl der Kilometer, welche in einem halben Kilogramm Garn enthalten sind. Es ist so ziemlich gleichguͤltig, ob die Nummerirung des Garns nach der in einem Pfunde oder in einem halben Kilogramm enthaltenen Fadenlaͤnge bestimmt wird, indem beide Gewichte einander beinahe gleichkommen; allein die Franzosen nahmen als Einheit eine zur Bestimmung von unbedeutenden Unterschieden in der Feinheit ungeeignete Fadenlaͤnge an. Ihre Einheit betraͤgt naͤmlich gegen 1300 Yards, waͤhrend die unserige nur 840 Yards mißt. Bei dem Wollengarne befolgen die Franzosen eine andere Nummerirung, die dem englischen Systeme entspricht. In Sedan bezeichnet naͤmlich die Nummer des Wollengarnes die Zahl der Straͤhne, welche in einem Pfund enthalten ist. Der Straͤhn enthaͤlt 22 Macques und die Macque besteht aus 22 Haspelumdrehungen, waͤhrend der Haspel selbst 1,543 Meter mißt; der Straͤhn haͤtte demnach 1493,6 Meter. Die gewoͤhnlichen Nummern sind 4, 5 1/2, 6 1/2 und 8, und von diesen bezeichnet z.B. die Nr. 8, daß 8 Straͤhne dieser Nummer auf ein Pfund (livre de marc) gehen. Das langwollige Garn wird nach demselben Principe nummerirt; nur ist der Straͤhn um etwas mehr als die Haͤlfte kuͤrzer, indem er nur 731 Meter lang ist. Das Flachsgarn wird in Frankreich nach dem Viertel (quarter) gerechnet, welches 12 1/2 Buͤndel (portées) enthaͤlt; da nun jedes Buͤndel aus 16 Faden zu je 16 Ellen Laͤnge besteht, so folgt hieraus, daß das Viertel 3800 Meter mißt. Das Gewicht des Viertels bestimmt die Feinheit des Garnes. In England rechnet man auch hier nach der Zahl der Straͤhne, die auf ein Pfund gehen; die Laͤnge des Straͤhnes betraͤgt 640 Yards. In Hinsicht auf das Seidengarn hat man in Lyon Deniers oder Grane des Pfundes von Montpellier als Maaßstab zum Grunde gelegt. Dieses Pfund enthaͤlt 414,65 Gramme oder 6417,6 Gran englisch. Die Einheit der Laͤnge betraͤgt 400 Ellen oder 475 Meter oder 520 Yards englisch; und das Garn, welches zur Probe in einen Straͤhn von dieser Laͤnge gewunden wird, bezeichnet durch das Gewicht, welches es an Granen aufwiegt, den Titel der Seide. Die in Lyon am meisten gebraͤuchlichen Nummern sind: Gewoͤhnliches Organsingarn von 25 bis 30 Deniers Feines ditto 18     – Feinste Seide fuͤr Tull 10     – Matteau oder Straͤhn weiße Tram- oder Eintragseidevon 2faͤdiger Roh- oder Grègeseide 24   –  26     – Die Grègeseide besteht aus vier Coconsfaden. Der Gran oder Denier von Montpellier wiegt nach Molard 45 Milligramme und das Pfund enthaͤlt 9216 Grane; folglich verhaͤlt sich der Denier von Lyon zu dem Gran der englischen Goldarbeiter wie 693 zu 1000. Ich habe jedoch durch Versuche gefunden, daß der unter den Londoner Seidenfabrikanten gebraͤuchliche Denier 0,83 eines englischen Granes gleichkommt, oder daß 100 Deniers 83 englische Grane aufwiegen. Erklaͤrung der Abbildungen. Fig. 4 zeigt auf welche Weise Hr. Francis Bauer die Flachsfasern darstellte. Fig. 5 gibt eine Ansicht der Baumwollfaser, wie sie demselben Beobachter gemaͤß aussehen soll. Fig. 6 zeigt, wie ich die Baumwolle von Sea-Island unter dem Mikroskope und in canadischem Balsam fand. Fig. 7 gibt eine Ansicht der Baumwolle von Smyrna. Eine Million der hier ersichtlichen Quadrate geht auf einen Quadratzoll. Die unregelmaͤßigen Baͤnder, die diese Wolle vorstellt, haben eine Breite von 1/700 bis 1/1200 Zoll. Fig. 8 zeigt den Bau der Baumwolle von Surate, welche gleichfalls eine unregelmaͤßige Bandform hat; die Breite dieser Baͤnder ist sehr wandelbar. Fig. 9 zeigt die Baumwolle der sogenannten gelben Baumwollstande (Religious Cotton), aus der die Brahminen Garn spinnen; sie hat sehr feine aber bruͤchige Fasern, welche große Sorgfalt beim Spinnen erfordern. Fig. 10 gibt eine Ansicht der besten Baumwolle von Sea-Island, aus der Tuͤll und feiner Musselin erzeugt wird; ihre Fasern haben 1/2000 Zoll und bilden gewundene Halbcylinder von gleichfoͤrmiger Groͤße. Fig. 11 zeigt australische Merinoswolle von der Heerde des Hrn. Mac Arthur. Fig. 12 gibt Ansichten von verschiedenen Wollen; a ist Leicesterwolle, b feinste saͤchsische Wolle, und c feinste spanische. Fig. 13 zeigt Wolle fuͤr sich allein unter dem Mikroskope betrachtet. Fig. 14 zeigt den Flachs fuͤr sich allein betrachtet. Fig. 15 gibt eine Ansicht des Flachses, wenn man ihn in Balsam betrachtet. In Fig. 16 endlich zeigt a ein Robbenhaar; b ein Haar einer Tigerraupe und c die Zwillingsfaͤden der Seide, saͤmmtlich in Balsam betrachtet.

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