Titel: | Einiges über Läuterung des Runkelrübensaftes und über ein Verfahren, nach welchem derselbe immer in den zum Versieden geeignetsten Zustand gebracht werden kann. Von Hrn. Pelletan, Professor der Physik. |
Fundstelle: | Band 58, Jahrgang 1835, Nr. LXVILXV., S. 417 |
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LXVILXV.
Einiges uͤber Laͤuterung des
Runkelruͤbensaftes und uͤber ein Verfahren, nach welchem derselbe immer in
den zum Versieden geeignetsten Zustand gebracht werden kann. Von Hrn. Pelletan, Professor der
Physik.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. Junius
1835, S. 271.
Pelletan's Laͤuterung des
Runkelruͤbensaftes.
Ich hatte in den zwei Jahren, seit denen ich mich mit den verschiedenen auf die
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation anwendbaren Apparaten
beschaͤftige, Gelegenheit die aufgeklaͤrtesten Fabrikanten kennen zu
lernen, eine große Anzahl der besten Fabriken zu besuchen, und namentlich mit Sorgfalt jene
Fabrikationsmethode zu studiren, welche in der schoͤnen Niederlassung in
Boistrancourt von dem eben so thaͤtigen, als gruͤndlich unterrichteten
Hrn. J. Casteleyn befolgt
wird. Ich habe bei diesem praktischen Studium die Ueberzeugung gewonnen, daß die
Hauptschwierigkeiten bei der Laͤuterung und beim Versieden des Syrupes Statt
finden.
Die Laͤuterung geschieht bekanntlich durch Zusaz von geloͤschtem Kalke,
den man dem Safte kurz vor dem Siedepunkte beimengt, worauf man dann noch so lange
zu heizen fortfaͤhrt, bis sich das erste Aufsieden beurkundet. Es entsteht
dadurch ein mehr oder minder diker Schaum, der auf die Oberflaͤche
emporsteigt, waͤhrend sich auf dem Boden ein Niederschlag absezt, so daß die
Fluͤssigkeit mehr oder minder klar und gefaͤrbt zuruͤkbleibt.
Man haͤlt die Laͤuterung im Allgemeinen fuͤr gelungen: 1) wenn
der Schaum consistent ist; 2) wenn sich der Bodensaz rasch und mit Hinterlassung
einer klaren Fluͤssigkeit bildet; und 3) wenn diese Fluͤssigkeit nur
wenig gefaͤrbt ist.
Ungluͤklicher Weise ist die Dosis des anzuwendenden Kalkes je nach der
Jahreszeit, je nach der Beschaffenheit des Bodens, auf welchem die Ruͤben
gewachsen, je nach der befolgten Aufbewahrungsmethode der Ruͤben, und endlich
je nachdem leztere eine lange Zeit uͤber aufbewahrt gewesen, sehr
verschieden. Die Quantitaͤt des Kalkes wechselt nach diesen Umstaͤnden
selbst von 1/2 bis zu 3 Pfd. per Hektoliter Saft. Wenn
der Fabrikant die Laͤuterungen taͤglich und selbst stuͤndlich
mit aller Aufmerksamkeit verfolgt, so lassen sich die Schwierigkeiten, die ich
sogleich andeuten werde, zwar sehr vermindern; allein alle diese Sorgfalt
genuͤgt dennoch sehr oft nicht, weil die gelaͤuterte
Fluͤssigkeit sehr klar seyn kann, obschon die Dosis des Kalkes viel zu gering
war, und weil eine gute, aber mit einer zu großen Menge Kalk erzielte
Laͤuterung bei der weiteren Behandlung die groͤßten Schwierigkeiten
bereitet.
Wenn der Kalk nicht in hinreichender Menge angewendet worden ist, so faͤrben
sich die anfangs sehr schwach gefaͤrbten Fluͤssigleiten
waͤhrend des Eindikens sehr schnell, und der Syrup wird klebrig und schwer
einzudiken; wurde hingegen Kalk in Ueberschuß zugesezt, so werden die Syrupe zwar
nur schwach gefaͤrbt und hellgelb seyn; allein sie werden sich, wenn sie sich
dem Concentrationspunkte annaͤhern, beinahe unmoͤglich versieden
lassen: man wird sie verbrennen, wenn man sie mit freiem Feuer versiedet, und man
wird sie sehr in ihrer Zusammensezung veraͤndern, wenn das Versieden mittelst
Dampf geschieht.
Die Ursachen dieser beiden Unannehmlichkeiten wurden in lezteren Jahren von mehreren
Fabrikanten und Chemikern angedeutet und untersucht. Man zeigte, daß in dem
Runkelruͤbensafte eine schleimige, an der Luft sehr leicht
veraͤnderliche Substanz enthalten ist, welche sich mit dem Kalke zu verbinden
vermag, und in dieser Verbindung niederfaͤllt. Bleibt nach vollbrachter
Laͤuterung noch eine bestimmte Menge dieser schleimigen Substanz in dem
Ruͤbensafte zuruͤk, so entsteht der erste der beiden oben
erwaͤhnten Nachtheile: d.h. die Syrupe faͤrben sich und werden
klebrig. Andererseits wurde aber nachgewiesen, daß der in Ueberschuß angewendete
Kalk sich mit dem Zuker verbindet, und mit ihm einen wahren zukersauren Kalk bildet,
welcher sehr leicht aufloͤslich und unkrystallisirbar ist, und indem er das
Wasser mit groͤßter Hartnaͤkigkeit zuruͤkhaͤlt, die
Concentration verhindert.
Die Fabrikanten besaßen bis jezt nur ein einziges Mittel diesen beiden
Mißverhaͤltnissen zu steuern, und dieses besteht in der Anwendung der
thierischen Kohle. Diese hoͤchst schaͤzenswerthe Substanz besizt auch
in der That nicht bloß die Eigenschaft die Syrupe zu entfaͤrben, sondern sie
verschlingt auch den schleimigen Bestandtheil und den in Ueberschuß zugesezten Kalk,
welche sie beide an sich haͤlt: die Fabrikanten sagen daher auch, daß die
Kohle die Syrupe nicht nur entfaͤrbt, sondern auch entfettet. Hienach
erhellt, daß man streng genommen den Ruͤbensaft und die Syrupe nur durch eine
hinlaͤngliche Menge thierischer Kohle zu filtriren braucht, um guter
Resultate und eines guten Ganges bei der Fabrikation gewiß zu seyn. Dagegen kommt
aber zu erwaͤgen, daß die thierische Kohle theuer ist, daß ihr Preis sogar
noch taͤglich steigt, und daß die erforderlichen Quantitaͤten
außerordentlich groß werden koͤnnen. So sah ich z.B. gleiche Gewichtstheile
Kohle anwenden, und dennoch war diese Quantitaͤt noch nicht genuͤgend;
es erwuchs hienach in einem Jahre fuͤr 500,000 Pfd. fabricirten
Ruͤbenzukers eine Ausgabe von 60,000 Fr., und diese Quantitaͤt
haͤtte vielleicht sogar noch verdoppelt werden muͤssen, um stets
schoͤne Zuker zu erzielen.
Unter so bewandten Umstaͤnden war man natuͤrlich fruͤhzeitig
darauf bedacht, den uͤberschuͤssigen Kalk, den der gelaͤuterte
Saft allenfalls enthalten koͤnnte, durch ein anderes Mittel zu entfernen zu
suchen. Man ermittelte auch wirklich, daß sich der mit dem Kalke in Verbindung
getretene Zukerstoff wieder durch eine Saͤure abscheiden laͤßt, und
dann wieder in seinem natuͤrlichen Zustande erscheint. Mehrere Fabrikanten
wendeten demnach zur Faͤllung des uͤberschuͤssigen Kalkes
Alaunaufloͤsung oder mit Wasser verduͤnnte Schwefelsaͤure an,
und sezten die eine oder die andere dieser beiden Fluͤssigkeiten dem im
Eindampfen oder Versieden begriffenen Syrupe zu, sobald derselbe durch
Aufhoͤren des Siedens Zeichen von uͤberschuͤssigem Kalke
beurkundete. Allein auch dieses Verfahren hatte seine Nachtheile: denn die Zuker, bei
deren Erzeugung dasselbe befolgt worden, waren roth, und durch einen Geruch nach
Gerstenzuker oder Caramel leicht zu erkennen: auch eigneten sie sich nicht zur
Fabrikation von Candiszuker.
Einige gewandte Chemiker schlugen in einer vor der Akademie in Lille vorgetragenen
Abhandlung vor, den uͤberschuͤssigen Kalk mit Kohlensaͤure zu
faͤllen, obschon sie die Schwierigkeiten, die dieses sehr rationelle
Verfahren bei der Ausfuͤhrung darbieten muͤßte, nicht verhehlten. Ich
selbst dachte gleichfalls an die Anwendung dieses Mittels, und traf auch wirklich an
meinen Apparaten zum Versieden im luftleeren Raume die hiezu erforderlichen
Einrichtungen; allein bei genauerer Pruͤfung fand ich, daß diese Methode
nicht nur laͤstig, sondern auch unnuͤz ist. Ich fand, daß der
Runkelruͤbenzuker, um gehoͤrig zu sieden ohne sich roth zu
faͤrben, einen Ueberschuß an Alkali enthalten muͤsse; daß, wenn dieser
Ueberschuß nicht groß genug ist, die Zuker roth werden; und daß, wenn die Alkalien
in zu großem Ueberschusse vorhanden sind, die Syrupe sich fett sieden und gelbe,
feinkoͤrnige Zuker geben. Ich fand diese Resultate durch mehrfache Versuche
bewaͤhrt, und eine Erscheinung, welche meinen Versuchen fremd war, kam
denselben noch zu Huͤlfe.
Der mit heißer Luft arbeitende Apparat des Hrn. Chevalier Brame erzeugt naͤmlich
zufaͤllig oͤfter eine vollkommene Saͤttigung des in dem
gelaͤuterten Safte enthaltenen Alkali, indem die Kohlensaͤure, welche
in den großen Quantitaͤten Luft, die dieser Apparat durch den Saft treibt,
enthalten ist, hinreicht, um allen Kalk zu faͤllen. Aus diesem Grunde
erhaͤlt man, wie man sich im vorigen Jahre uͤberzeugen konnte, bei
Anwendung dieser Vorrichtung auch haͤufig rothe, nach Caramel riechende
Zuker. Der Nachtheil hiebei besteht nicht nur darin, daß die Zuker dieser Art einen
geringeren Werth haben, sondern die von ihnen herruͤhrenden Syrupe sind auch
mager, und sehr schwer zu behandeln, so daß die ersten Producte zwar reich und
grobkoͤrnig, die nachfolgenden aber sehr schlecht werden.
Es schien mir demnach, daß die Gegenwart einer bestimmten Quantitaͤt Alkali im
Syrupe den Zuker vor jener Art von Veraͤnderung, in Folge deren er sich dem
Gerstenzuker oder Caramel annaͤhert, bewahrt. Eine andere nicht zu umgehende
Bemerkung ist aber auch noch, daß Zuker, die sich wegen Mangel an Alkali in der Hize
roth faͤrbten, in der Folge mit thierischer Kohle nur sehr schwer und
manchmal gar nicht mehr entfaͤrben lassen.
Nachdem solcher Maßen hergestellt war, daß die Runkelruͤbensyrupe, wenn das
Versieden gut von Statten gehen und gute Resultate geben soll, einen bestimmten Grad von Alkalitaͤt besizen muͤssen, war nur mehr ein
Verfahren auszumitteln, welches bei gehoͤriger Genauigkeit so einfach
waͤre, daß es von allen Fabrikanten befolgt werden koͤnnte, und nach
welchen man die Syrupe fortwaͤhrend in diesem guͤnstigen Zustande zu
erhalten im Staͤnde waͤre. Ein solches Verfahren nun erlaube ich mir
anzugeben.
Man verschafft sich 1) einen Alkalimeter, welcher zu diesem Zweke eingerichtet ist,
und der aus einer in 100 Theile getheilten Roͤhre besteht; 2) eine
alkalimetrische Fluͤssigkeit, die man sich bereitet, indem man einen
Gewichtstheil kaͤuflicher concentrirter Schwefelsaͤure mit 100 Theilen
reinen Wassers verduͤnnt; 3) ein mensurirtes Gefaͤß, womit man die
Dosis des Syrupes nehmen kann; 4) ein groͤßeres Gefaͤß, worin man
Versuche anstellt; 5) blaues Reagentienpapier, welches durch eine Saͤure sehr
schwach geroͤthet worden.
Wenn nun diese Gegenstaͤnde vorbereitet, wartet man, bis die Eindikung einer
Laͤuterung so weit gediehen ist, daß der Saft an der Syrupwaage 10°
andeutet; worauf man das mensurirte Gefaͤß bis zur Marke fuͤllt, und
diese Quantitaͤt Syrup in das zum Versuche dienende Gefaͤß gießt. Wenn
man dann andererseits die Roͤhre bis auf 0 mit alkalimetrischer
Fluͤssigkeit gefuͤllt, so sezt man dem Syrupe nach und nach und unter
bestaͤndigem Umruͤhren mit einem Glasstabe Saͤure zu, wobei man
von Zeit zu Zeit versucht, ob die blaue Farbe des geroͤtheten Lakmußpapieres
noch hergestellt wird. Im Augenblike, wo dieß nicht mehr der Fall ist, sezt man
weiter keine Saͤure mehr zu; sondern man betrachtet nunmehr den Alkalimeter
und notirt sich den Grad oder die Quantitaͤt der verbrauchten Saͤure.
Nach diesem Versuche beobachtet man dann das Verhalten des Syrupes beim Versieden,
wobei man finden wird, daß sich der Syrup im Allgemeinen gut versiedet, wenn er am
Alkalimeter 50° andeutete.
Jeder Fabrikant soll uͤbrigens um zu ermitteln, bei welchem alkalimetrischen
Grade sich seine Syrupe am besten verhalten, mehrere Versuche anstellen: was um so
leichter moͤglich ist, als diese Versuche, wenn sie auch in der Beschreibung
etwas langwierig und kleinlich lauten, in der Praxis doch so schnell gemacht sind,
daß ein Versuch nicht mehr dann 5 Minuten Zeit erfordert, und daß selbst ein junger
Arbeiter in wenigen Tagen vollkommen damit umzugehen lernt.
Wenn der Fabrikant nun jenen alkalimetrischen Grad, bei welchem sich seine Syrupe gut
versieden, ermittelt, so bereitet er sich in steinernen Kruͤgen eine
verduͤnnte Schwefelsaͤure, indem er auf einen Liter kaͤuflicher
Schwefelsaͤure 20 Liter Wasser zusezt. Dann schreitet er zur
Laͤuterung, zu der er so viel Kalk nimmt, als noͤthig ist, und bei der er selbst noch
einen leichten Ueberschuß an Kalk anwenden kann. Beim Eindiken, und wenn der Syrup
an der Syrupwaage 10° andeutet, schreitet er dann zu dem angegebenen
Versuche. Zeigt der Syrup hiebei einen hoͤheren Grad am Alkalimeter, als er
ihn fruͤher zum Behufe eines guten Versiedens gefunden, so sezt er beim
Eindiken Literweise von der verduͤnnten Schwefelsaͤure zu, und zwar so
lange bis der Syrup auf den gehoͤrigen alkalimetrischen Grad
zuruͤkgefuͤhrt worden ist.
Der Fabrikant weiß demnach hienach, daß wenn er bei der Laͤuterung diese oder
jene Quantitaͤt Kalk zugesezt, er spaͤter eine entsprechende Anzahl
von Litern an Saͤure beifuͤgen muß; ja er wird nach einigen Versuchen
wissen, welche Quantitaͤt Saͤure ein bestimmtes Gewicht Kalk
saͤttigt, und dabei finden, daß ein Liter verduͤnnter Saͤure
beilaͤufig einem Viertelpfunde Kalk entspricht; so daß er, wenn er allenfalls
gezwungen ist zur Laͤuterung eine groͤßere Menge Kalkes anzuwenden,
schon im Voraus weiß, um wie viel Liter Saͤure dann mehr erforderlich seyn
werden, um dem Syrupe den gehoͤrigen Grad von Alkalinitaͤt zu geben.
Obschon der Fabrikant hienach im Voraus im Stande ist, die Zahl der zuzusezenden
Liter Saͤure je nach der geschehenen Vermehrung oder Verminderung des
Kalkzusazes zu bestimmen, so soll er es doch nie versaͤumen nach jeder
Abaͤnderung des Verhaͤltnisses des zugesezten Kalkes einen neuen
alkalimetrischen Versuch anzustellen, und zwar aus Gruͤnden, welche sogleich
erhellen werden.
Ich gebe hier naͤmlich keineswegs einen bestimmten alkalimetrischen Grad als
den beim Versieden vortheilhaftesten an; und eben so wenig bestimme ich auf eine
positive Weise, welche Quantitaͤt Saͤure man auf ein bestimmtes
Gewicht Kalk anzuwenden habe, denn dieß wechselt: 1) je nach der Natur der
Ruͤben, je nach der Jahreszeit, je nach der Dauer der Aufbewahrung etc.; 2)
aber auch je nach der Beschaffenheit des angewendeten Kalkes. Aus denselben
Gruͤnden sollten die alkalimetrischen Versuche auch regelmaͤßig
angestellt werden.
Ich gebe keine bestimmten Normalverhaͤltnisse an, sondern ich zeige dem
Fabrikanten nur, wie er jedes Mal das beste Verhaͤltniß ermitteln kann, wie
sich dieses Verhaͤltniß waͤhrend des Ganges der Fabrikation
beibehalten laͤßt, und wie man folglich immer die moͤglich besten
Resultate zu erzielen im Stande ist. Ich erlaube mir als Beispiel fuͤr die
Wichtigkeit der von mir vorgeschlagenen Methode nur folgende Thatsache, die sich
gegen die Mitte der vorigen Campagne ereignete, anzufuͤhren.
Ich hatte, nachdem ich meine Versuche bei Hrn. Casteleyn
angestellt, Gelegenheit
einen anderen sehr gewandten Fabrikanten zu besuchen, und erkannte gleich beim
Eintritte in die Fabrik an dem in derselben verbreiteten Geruch, daß der Syrup nicht
bei gehoͤriger Alkalitaͤt versotten wird. Der Fabrikant sagte mir
auch, daß er nur sehr geroͤthete Zuker erhalte, die er nicht zu
entfaͤrben im Stande sey. Bei der Untersuchung der Laͤuterung fand
ich, daß man ein Pfund Kalk auf einen Hektoliter Saft anwendete; daß die
Laͤuterungen dem Anscheine nach sehr schoͤn waren, daß sich der Saft
aber beim Eindiken faͤrbte, so daß die Syrupe blutroth wurden. Ich rieth den
Kalkzusaz zu erhoͤhen; man stieg auch wirklich allmaͤhlich auf 3 Pfd.
Kalk per Hektoliter Saft, und von diesem Augenblike an
faͤrbte sich der Saft nicht mehr; die Syrupe und die Zuker wurden wieder
gelb: jedoch mußte man, um zu verhuͤten, daß sie sich nicht fett (gras) sotten, Saͤure anwenden. Derselbe Rath, den
ich noch mehreren anderen Fabrikanten ertheilte, gab eben so vortheilhafte
Resultate; auch bin ich uͤberzeugt, daß wenn man bei der lezten Campagne mein
Verfahren besser gekannt haͤtte, viele Fabrikanten namhafte Verluste
vermieden und weit schoͤnere Zuker erzielt haben wuͤrden.
Ich weiß sehr wohl, daß die mit Saͤure behandelten Zuker, welche man sowohl an
der Farbe, als am Geruche erkennt, in Mißcredit gerathen sind, und will demnach in
dieser Hinsicht in einige Erlaͤuterungen eingehen. Es ist den zahlreichen
Fabrikanten, welche den uͤberschuͤssigen Kalk mit
Schwefelsaͤure zu saͤttigen versuchten, beinahe jedes Mal begegnet,
daß ihre Zuker roth wurden; der Grund davon ist folgender. Man sezte die
Saͤure oft nur auf Gerathewohl zu; allein selbst die sorgfaͤltigsten
Fabrikanten, welche die Saͤure nur nach und nach beifuͤgten, und nach
jedem Zusaze das Reagentienpapier anwandten, um allen Ueberschuß an Saͤure zu
vermeiden, waren ihrer Sache nicht ganz gewiß. Denn der Zuker wird nicht nur dann
roth, wenn der Syrup sauer wird; sondern dieß erfolgt sogar schon dann, wann
lezterer nicht mehr hinreichend alkalisch ist. Das Reagentienpapier ist daher kein
guter Maaßstab fuͤr die Quantitaͤt der Saͤure, die sich ohne
Nachtheil zusezen laͤßt; denn die Quantitaͤt der Saͤure kann
bereits viel zu groß seyn, wenn auch der Syrup die Farbe des geroͤtheten
Lakmußpapieres noch herstellt, so daß also nur der Alkalimeter einen sicheren
Maaßstab fuͤr die zuzusezende Saͤure abgibt.
Eine Bemerkung, welche jene Fabrikanten, die sich fruͤher der Saͤure zu
ihren Laͤuterungen bedienten, uͤberraschen duͤrfte, ist die,
daß man dieses Verfahren wieder aufnehmen und mit Vortheil anwenden kann; wenn man
sich nicht darauf beschraͤnkt die angewendete Saͤure zu
saͤttigen, sondern wenn man mittelst des alkalimetrischen Versuches auch noch so viel Kalk
zusezt, als zu einem guten Versieden und zur Erzielung eines guten Zukers
erforderlich ist. Es bleibt uͤbrigens in dieser Hinsicht noch eine Frage,
welche ich bisher noch nicht zu loͤsen im Stande war: naͤmlich die, ob
alles in den Syrupen enthaltene uͤberschuͤssige Alkali auch wirklich
Kalk ist? Der Runkelruͤbensaft enthaͤlt naͤmlich Kali und sogar
Ammoniak, welche Alkalien nach der Laͤuterung, und selbst nach dem Zusaze
einer bestimmten Quantitaͤt Saͤure frei in der Fluͤssigkeit
bleiben muͤssen, indem sich die Saͤure vorzugsweise mit dem Kalke
verbindet, und in dieser Verbindung waͤhrend der Eindikung zu Boden
faͤllt. Es waͤre demnach auch moͤglich, daß die
uͤberschuͤssige Alkalitaͤt, die dem Versieden nachtheilig ist,
zum Theil dem Kali zuzuschreiben waͤre. Moͤgen andere diese Frage
loͤsen, wenn sie auch auf die Anwendung des von mir empfohlenen Verfahrens
ohne Einfluß ist.
Ich schließe meine Abhandlung mit einer allgemeinen Betrachtung uͤber den
Geist, der die Fabrikanten nur zu oft bei ihrem Geschaͤfte beseelt. Die
meisten Fabrikanten glauben eines sicheren Gelingens gewiß zu seyn, wenn sie genau
eben so verfahren, wie in anderen Fabriken, welche gut gehen, gearbeitet wird; und
dennoch schlaͤgt dasselbe Verfahren an dem einen Orte fehl, waͤhrend
es an einem anderen die vortrefflichsten Resultate gibt. Andere Fabrikanten, welche
mehr Selbstvertrauen besizen, und eingeweihter sind, bilden sich selbst eigene
Methoden aus, die sie als die vorzuͤglichsten betrachten, ohne sich
gehoͤrig daruͤber zu unterrichten, ob man anderwaͤrts nicht
nach einer besseren Methode verfaͤhrt; andere befolgen immer eine und
dieselbe Methode, obschon sie in dem einen Jahre gelingen, in dem anderen hingegen
gaͤnzlich mißlingen kann; beinahe Niemand denkt hingegen an methodische
Versuche, die ihn uͤber die Leitung der Operationen im Großen belehren
koͤnnten; ja man kann sogar sagen, daß man beinahe uͤberall auf einen
Widerwillen gegen alle Laboratoriumsversuche, welche Geduld und Genauigkeit
erfordern, stoͤßt. Ich meines Theils nehme keinen Anstand zu behaupten, daß
die beste Methode zu sicheren guͤnstigen Resultaten zu gelangen darin
besteht, die Arbeit, welche im Großen vorgenommen werden soll, auf genaue und
methodische Versuche zu stuͤzen.