Titel: | Ueber Hrn. Avery's Dampfmaschine mit kreisender Bewegung. |
Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XII., S. 81 |
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XII.
Ueber Hrn. Avery's
Dampfmaschine mit kreisender Bewegung.
Aus dem Mechanics' Magazine, No. 637, S.
50.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Avery's Dampfmaschine mit kreisender Bewegung.
Wir hatten bereits einige Male Gelegenheit aus amerikanischen Blaͤttern einer
von Hrn. Avery
erfundenen Dampfmaschine mit Kreisbewegung zu erwaͤhnen, und auch zu
bemerken, daß diese Maschine nicht nur in zwei oder drei Fabriken zur Zufriedenheit
der Eigenthuͤmer arbeitet, sondern auch schon mit Vortheil zum Betriebe einer
auf einer Eisenbahn laufenden Locomotivmaschine in Anwendung gebracht worden seyn
soll. Wir entnehmen aus dem trefflichen Railroad Journal
folgenden Aufsaz uͤber eine kleine Dampfmaschine dieser Art, welche Hr. Minor in New-York fuͤr seine Drukerei bauen
ließ.
Fig. 15 ist
ein Aufriß einer Dampfmaschine von zwei Pferdekraͤften, welche zum Betriebe
einer Drukerei dient, in welcher beide Seiten des Papieres bedrukt werden, ehe die
Bogen aus der Presse kommen. Die Maschine nimmt mit dem Kessel, der Drukpumpe und
dem Governor, kurz mit Allem, was zum Betriebe noͤthig ist, nur den sehr
kleinen Raum von 4 Fuß 8 Zoll auf 2 Fuß 10 Zoll ein. A
ist ein Dampfkessel von 17 Zoll im Durchmesser auf 78 Zoll Hoͤhe, welcher
sich in einem gußeisernen, innen mit einem Roste versehenen Rahmen befindet.
B ist die Dampfroͤhre, die den Dampf in das Ende
der Welle C, C fuͤhrt, deren anderes Ende in
einer (uͤberfluͤssigen) gußeisernen Roͤhre eingeschlossen ist.
Der Dampf wird gewoͤhnlich in einer einfachen Dampfroͤhre aus dem
Kessel in das Ende der Welle geleitet; und diese Roͤhre kann 6 bis 12 Fuß
Laͤnge haben, je nachdem es noͤthig ist, um die Maschine ohne
Ruͤksicht auf die Stellung des Kessels der uͤbrigen Maschinerie
anzupassen.
C, C ist die Welle, welche durch das Gehaͤuse D und durch die aus Fig. 16 ersichtlichen
Arme Q, Q geht; leztere drehen sich in dem
Gehaͤuse D, von welchem sie umschlossen sind. An
dieser Welle befindet sich, wie Fig. 16 zeigt, auch die
Rolle E von der an die Maschinerie ein Laufband
fuͤhrt.
D ist ein kreisrundes, gußeisernes Gehaͤuse,
welches aus zwei, genau zusammengebolzten und dampfdicht schließenden Theilen
besteht. Es kann in gewissen Faͤllen aus Eisenblech, besser jedoch aus
Gußeisen verfertigt werden. Es mißt, obschon der sich drehende Arm an seiner diksten
Stelle nur 3/8 Zoll hat, in der Mitte, wo die Welle durchgeht, wenigstens 5 Zoll,
indem die beiden concaven Oberflaͤchen gegen einander gekehrt sind. Uebrigens
ist dessen Durchmesser bedeutend groͤßer, als die Laͤnge der Arme,
damit gehoͤrig Raum ist; dieser Raum ist noch erweitert, indem beim Gießen
der beiden Stuͤke an jedem derselben gegen den aͤußeren Rand hin ein
Halbkreis von beilaͤufig 3 Zoll im Durchmesser gelassen ist, so daß außerhalb
des Endes des Armes ein kreisender Canal gebildet ist, durch welchen der Dampf den
Austritt durch die am Boden befindliche Roͤhre F
findet, um dann durch eine andere Roͤhre aus dem Gebaͤude
hinausgeleitet zu werden.
G ist die zur Speisung dienende Pumpe, welche hier in
diesem Falle durch ein Zahnrad, sonst aber gewoͤhnlich durch ein Laufband in
Bewegung gesezt wird. Die Raͤder sind jedoch in der Abbildung nicht
angedeutet, indem wir die Maschine in ihrer einfachsten Form und zum allgemeinen
Gebrauch eingerichtet darstellen wollten.
H, I stellt den Governor oder jenen Apparat vor, der den
Zufluß des Dampfes an die Maschine regulirt. Dieser Regulator ist nach einem neuen
Systeme gebaut, und arbeitet mit Zahnraͤdern.
K sind die Eichhaͤhne und L ist die Sicherheitsklappe, die fuͤr einen Druk von 100 Pfd. auf
den Quadratzoll eingerichtet ist. M stellt eine
6zoͤllige Ofenroͤhre als Rauchroͤhre angebracht vor.
N ist der Apparat, womit der Dampf abgesperrt oder in
die Maschine eingelassen werden kann. O dient zur
Regulirung der Liederung um die Welle herum; und P ist
die zur Speisung dienende Wasserroͤhre.
In Fig. 16 ist
C, C die Welle; E die
Rolle fuͤr das Laufband; r die Oeffnung in dem
Ende dieser Welle, durch welche der Dampf in sie eintritt. Q,
Q sind die Arme, die sich unter rechten Winkeln mit der Welle drehen, und
durch welche die Welle selbst geht.
Da zwischen dem Kessel und der Welle und den Armen eine freie Communication Statt
findet (ausgenommen dieselbe wird, je nachdem die Geschwindigkeit erhoͤht
oder vermindert werden soll, durch die Drosselklappe G
ganz oder zum Theil abgesperrt), so muß nothwendig auf den Quadratzoll der Arme ein
eben so großer Druk Statt finden, wie auf den Quadratzoll des Kessels; und folglich
entsteht die Reaction in Folge des Drukes, der mit Ausnahme der Austrittsstelle des
Dampfes auf jeden Theil Statt findet, und nicht durch die Wirkung des Dampfes gegen die
Atmosphaͤre, wie man allgemein annimmt.
Die Hauptvorzuͤge dieser Maschine bestehen, wie uns scheint, in ihrer
Festigkeit, in der Leichtigkeit, womit sie von Jedermann, der die Feuerung zu leiten
versteht, gehandhabt werden kann; in den geringen Kosten, welche das zu ihrem
Betriebe noͤthige Brennmaterial veranlaßt; in den geringen
Anschaffungskosten; und in der vollkommenen Gleichfoͤrmigkeit ihrer Bewegung:
welch lezterer Umstand besonders in manchen Faͤllen, wie z.B. bei der
Anwendung der Dampfmaschinen in Drukereien von hoͤchstem Belange ist. Diese
Gleichfoͤrmigkeit ist bei einer Geschwindigkeit von 5000 Umdrehungen der
Armwelle und folglich auch der an ihr befindlichen Rolle oder des Rades so groß, daß
Niemand waͤhnen wuͤrde, es sey hier eine Dampfmaschine im Gange, wenn
nicht die Maschinerie daran erinnerte.
Ueber eine Maschine dieser Art, welche seit zwei Jahren in den Werkstaͤtten
der HH. Lynds und Sohn in
Syracuse, New Orleans mit 6 Pferdekraͤften arbeitet, koͤnnen wir
Folgendes mittheilen. Die Maschinerie, d.h. die Welle mit den Armen, wiegt nur 15
Pfd.; die Arme messen vom Mittelpunkte der Welle bis zu ihren Enden 18 Zoll, und
beschreiben bei ihren Umgaͤngen einen Kreis von 9 Fuß 5 Zoll im Umfange. Die
beiden, an den Enden der Arme befindlichen Oeffnungen kommen dem 8ten Theile eines
Quadratzolles gleich, und halten unter einem Druke von 80 Pfd. auf den Quadratzoll
einer Last von 10 Pfd. das Gleichgewicht. Nach einigen Versuchen bewegt die Maschine
eine Last von 8 Pfd. in einer Minute durch 37,600 Fuß. Der Kessel hat 66 Fuß
Heizoberflaͤche, und verzehrt taͤglich eine halbe Ladung trokenes
weiches Holz. Die Dampfmaschine sezt folgende Maschinerien in Bewegung: zwei große
Drehebaͤnke, eine Maschine zum Bohren von Cylindern, zwei Bohrbaͤnke,
einen Schleifstein, eine Muͤhle zum Mahlen von Kohle, und zwei
Geblaͤse, von denen jedes per Minute 40
Doppelhube macht, und welche in jeder Minute 580 Kubikfuß Luft unter einem Druke von
1 1/2 Pfd. per Quadratzoll liefern, so daß
stuͤndlich 1500 Pfd. Eisen geschmolzen werden koͤnnen.
Eine andere aͤhnliche Maschine von 12 Pferdekraͤften, welche zum
Saͤgen von Mahagonybloͤken u. dgl. dient, arbeitet gegenwaͤrtig
in Boston mit dem besten Erfolge.
Wir glauben immer noch, daß sich die Erfindung des Hrn. Avery ganz vorzuͤglich fuͤr Dampfwagen auf Eisenbahnen
eignen duͤrfte. Die einzige Locomotivmaschine dieser Art, von der wir jedoch
bisher wissen, lief voriges Fruͤhjahr kurze Zeit uͤber auf der
Eisenbahn von Newark. Wie wir hoͤrten, zog die Maschine bei einigen mit ihr angestellten
Versuchen mit großer Leichtigkeit einen mit 4 Tonnen Eisen beladenen Karren
uͤber die schiefe Flaͤche von Bergin Ridge, welche eine Steigung von
152 Fuß in der engl. Meile hat.
Anhang.
Wir haͤngen dieser guͤnstigen Notiz uͤber Hrn. Avery's Dampfmaschine einen Auszug aus einem im Mechanics' Magazine, No. 639 erschienenen Gegenartikel
an.
Hrn. Avery's Dampfmaschine, heißt es daselbst, ist weder
originell, noch brauchbar. Das Princip derselben wurde zuerst von Hero aufgestellt und in Anwendung gebracht. Am Anfange
des 17ten Jahrhunderts machte Giovanni Branca eine
Maschine bekannt, die gleichfalls auf dem Principe Hero's
beruhte und nur eine leichte Modifikation davon war; und im Jahre 1791 nahm James
Saddler von Oxford ein Patent auf eine rotirende
Maschine, die der Avery'schen sowohl im Principe, als in
der Form so aͤhnlich war, daß leztere nur eine leichte Modification ersterer
genannt werden kann. Spaͤter nahmen einige große Fabrikanten in Manchester
ein Patent auf eine aͤhnliche Maschine, die sie jedoch aufgaben, und nach
diesen kommt nun, was die Anwendung dieses Principes auf Dampfmaschinen betrifft,
Hr. Avery. Auf Wassermuͤhlen wurde dasselbe
Princip bereits schon laͤngst von Barker
angewendet; einer aͤhnlichen Maschine bedienen sich die Baumwollweber zum
Aufruͤhren der Schlichte; und in den Straßen Londons kann man dasselbe
Princip an den sich drehenden Gaslichtern mancher Branntweinbuden angebracht finden.
Ich bin jedoch weit entfernt, das Princip selbst laͤcherlich zu machen, und
zu laͤugnen, daß es nicht mancher vortheilhaften Benuzung faͤhig ist;
sondern ich behaupte nur, daß es noch nie auf eine brauchbare Weise auf
Dampfmaschinen angewendet ward, und daß Hr. Avery in
dieser Hinsicht nicht gluͤklicher war, als seine Vorgaͤnger.
Hr. Minor sagt oben, wo er von der Maschine der HH. Lynds und Sohn spricht, daß
die beiden Oeffnungen an den Enden der Arme dem achten Theile eines Quadratzolles
gleichkommen, und daß bei einem Druke von 80 Pfd. auf den Quadratzoll einer Last von
10 Pfd. das Gleichgewicht gehalten wird. Ich schließe hieraus, daß die Maschine mit
einem Druke von 80 Pfd. per Quadratzoll arbeitete; und
wenn dem wirklich so ist, so muͤßte die Quantitaͤt des verbrauchten
Brennmateriales ungeheuer seyn, indem 16 Kubikfuß Wasser verdampft werden
muͤßten, um eine Maschine dieser Art eine Stunde lang in Gang zu erhalten!
Wird eine Dampfmaschine ausdehnungsweise mit Dampf von solcher Dichtheit und zugleich mit einem
Verdichter betrieben, so wird ein solcher Verbrauch an Wasser eine Dampfmaschine von
30 Pferdekraͤften geben; allein nach der allgemein uͤblichen
Berechnung, wonach ein Kubikfuß in Dampf verwandeltes Wasser nach der geringsten
Schaͤzung eine Stunde lang die Kraft eines Pferdes gibt, muͤßte die
oben erwaͤhnte Maschine Avery's nicht mit 6,
sondern mit 16 Pferdekraͤften arbeiten. Es waͤre laͤcherlich
anzunehmen, daß sie wirklich dieß leistet, und ich sehe daher nicht ein, durch
welche Vortheile ein so ungeheuerer Verlust an Brennmaterial aufgewogen werden
koͤnnte.