Titel: | Untersuchung der Frage, ob das Fleisch der in den Schindereien abgedekten Pferde in gesottenem oder rohem Zustande ohne Nachtheil für die Gesundheit zur Schweinemastung verwendet werden kann. Auszug aus einem Berichte, den die HH. Adelon, Huzard Sohn und Parent Duchatelet an die Sanitätscommission in Paris hierüber erstatteten. |
Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XXIII., S. 132 |
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XXIII.
Untersuchung der Frage, ob das Fleisch der in den
Schindereien abgedekten Pferde in gesottenem oder rohem Zustande ohne Nachtheil
fuͤr die Gesundheit zur Schweinemastung verwendet werden kann. Auszug aus einem
Berichte, den die HH. Adelon, Huzard
Sohn und Parent
Duchatelet an die Sanitaͤtscommission in Paris
hieruͤber erstattetenWir beeilen uns diesen Bericht obiger als Veterinaͤre und Gelehrte
ausgezeichneter Maͤnner zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, indem es uns
scheint, daß derselbe auch bei uns in Deutschland, wo sich die Schindanger und
Abdekereien groͤßten Theils noch in einem hoͤchst verwahrlosten,
große Streken verpestenden Zustande befinden, die groͤßte Aufmerksamkeit
verdient. Es ist zwar vorauszusehen, daß die in diesem Berichte gemachten
Vorschlaͤge bei uns noch lange kein Gehoͤr finden werden; ja daß
man sogar aus einer falschen Scheu und von manchen Vorurtheilen befangen,
polizeiliche Maßregeln dagegen verlangen und erhalten duͤrfte. Dieß
schrekt uns jedoch nicht ad, der Sache, die uns an und fuͤr sich
zwekmaͤßig, vortheilhaft und unschaͤdlich erscheint, und die wir
von unserer Seite auch bei uns realisirt zu sehen wuͤnschten, alle
moͤgliche Oeffentlichkeit zu geben.A. d. R..
Aus den Annales d'hygiène et de médecine légale im Journal des connaissances
usuelles. December 1835, S. 252.
Ueber Anwendung des Pferdefleisches zur
Schweinemastung.
Die Verwaltung wendete waͤhrend der lezten 10 Jahre außerordentliche Sorgfalt
auf Verbesserung der Schindereien und Schindanger, so wie auf Erforschung aller
Mittel, wodurch diesen Anstalten, die zu den ungesundesten und laͤstigsten
gehoͤren, ihre Nachtheile und Maͤngel benommen werden koͤnnten.
Man hat nach einander mehrere zu diesem Behufe gemachte Vorschlaͤge versucht;
lange blieb die Frage unentschieden, bis sie nunmehr endlich durch die Anwendung des
Dampfes zur Behandlung der todten thierischen Koͤrper definitiv
geloͤst zu seyn scheint. Dank der kraͤftigen Wirkung dieses Mittels
findet das Fleisch der Schindereien gegenwaͤrtig eine vortheilhafte Benuzung,
ohne daß es der Faͤulniß uͤberlassen zu werden braucht; und eben so
wenig werden die Knochen, die durch den Dampf vollkommen von dem Fleische getrennt
werden, in Zukunft jenen Gestank verbreiten, der deren Gegenwart eben so unangenehm
machte, wie die zur Wuͤrmerzucht verwendeten faulen
Fleischtruͤmmer.
Unter den verschiedenen Anwendungen des durch Dampf von den Knochen geschiedenen
Fleisches der Pferde etc. ist gewiß die Benuzung desselben zur Schweinemastung die
merkwuͤrdigste und wichtigste. Die guͤnstigen Erfolge, die einzelne in
dieser Hinsicht gemachte Versuche beurkundeten, kamen bald zur Kenntniß mehrerer
Speculanten, die sogleich Gewinn daraus zu ziehen wußten, und die auf diesen Grund hin in der
Nachbarschaft von Paris mehrere große Schweinestaͤlle errichteten. Einige
dieser Anstalten fassen 4 bis 500 Schweine, und der Gewinn, den sie abwerfen, ist so
bedeutend, daß mehrere Unternehmer im naͤchsten Winter 1000 bis 1200 Schweine
zu ziehen gesonnen sind.
Wir haben die Ursachen der ploͤzlichen und raschen Zunahme der Schweinezucht
in Paris zu erforschen gesucht, und kamen bei unseren Forschungen zu folgenden
Resultaten. Die Anzahl der in Paris und in dessen Umgebung erstandenen Saz-
und Staͤrkmehlfabriken ist sehr bedeutend; die große Menge der in denselben
sich ergebenden Abfaͤlle wird daher um hoͤchst niederen Preis an die
Viehzuͤchter und Milchleute der Nachbarschaft abgegeben. Man versuchte
natuͤrlich auch die Schweine damit zu fuͤttern und zu maͤsten;
allein bei diesen Thieren ging dieß nur dann, wenn dieses Nahrungsmittel mit einer
gewissen Menge thierischer Substanz verbunden wurde. Da diese Substanz selten zu
haben und in ihren Eigenschaften nur wenigen Personen bekannt war, so war es nicht
wahrscheinlich, daß man sich ihrer einst im Großen bedienen koͤnnte.
Nachdem nun die Behandlung der Großcadaver mit Dampf eine große Menge thierischer
Substanzen zur Verfuͤgung stellte, so wußte man anfangs nichts weiter damit
anzufangen, als sie zu troknen und sie in diesem Zustande an die Landwirthe oder an
die Fabriken chemischer Waaren abzugeben. Bald darauf versuchte man jedoch die
Schweine damit zu fuͤttern, und wenn die großen Erfolge, die sich hiebei
ergaben, nicht unmittelbar zu einer ausgedehnten Ausbeutung dieses hoͤchst
vortheilhaften Handelszweiges fuͤhrten, so lag das Hinderniß nur darin, daß
man gezwungen war zu diesem Behufe eine specielle Erlaubniß der vorgesezten
Behoͤrde einzuholen, und daß diese nicht ertheilt werden konnte, bevor nicht
eine Untersuchung der Einwendungen der Nachbarschaft erhoben worden war.
Die gluͤklichen Resultate, die sich aus dieser Anwendung des Pferdefleisches
fuͤr die erwaͤhnten Unternehmer ergaben, wurden jedoch bald bekannt;
ihre Nachbarn wollten sie daher nachahmen, und suchten eine bestimmte
Quantitaͤt der Producte dieser Anstalten kaͤuflich zu erwerben. Der
Verkauf des Pferdefleisches geschah anfangs zu einem Centime per Kilogramm; allein mit der großen Zunahme der Nachfrage stieg der Preis
so sehr, daß er gegenwaͤrtig bereits auf 4 Cent. per Kilogr. steht. Die Sache ist bereits so weit gediehen, daß nur mehr
jene, welche nur wenige Schweine auf ein Mal ziehen, das Pferdefleisch von der
großen Schinderei in Grenelle holen; jene hingegen, die große Schweinstaͤlle
errichtet, kaufen selbst und direct todte und lebendige Pferde auf, um diese dann je
nach den verschiedenen
Umstaͤnden auf verschiedene Weise behandelt zur Schweinemastung zu verwenden.
In allen diesen Anstalten trifft man einen Dampfkessel, der jedoch in einigen
Faͤllen ein einfacher Dampferzeuger ist, waͤhrend in anderen
Faͤllen der Dampf auf das in dem Kessel enthaltene Fleisch mit einem Hizgrade
wirkt, der einem Druke von 5 oder 6 Atmosphaͤren entspricht. Diesem Stande
der Dinge allein muß es wahrscheinlich zugeschrieben werden, daß sich im vergangenen
Winter die außer Dienst befindlichen Pferde im Vergleiche mit den fruͤheren
Jahren so hoch im Preise erhielten; ja deren Werth hat sich sogar verdoppelt, was
fuͤr die Pferdeeigenthuͤmer und namentlich fuͤr die Landwirthe
von großem Vortheile ist. Wenn eine erst im Aufkeimen begriffene Industrie bereits
solche Resultate gewaͤhrt, so darf man wohl auf noch guͤnstigere
Erfolge schließen, wenn die Erfahrung ein Mal gezeigt haben wird, welche
Zubereitungen fuͤr diese Art von Fuͤtterungsweise die
zutraͤglichsten sind, und in welchem Verhaͤltnisse diese
Nahrungsstoffe mit dem groͤßten Vortheile gereicht werden koͤnnen. Aus
den bisher angestellten Untersuchungen ergibt sich in dieser Hinsicht, daß von allen
denen, die die fragliche Methode die Schweine zu fuͤttern befolgen, jeder in
Hinsicht auf die Anwendung des Pferdefleisches sein eigenes Verfahren
einschlaͤgt. Die einen fuͤttern die Schweine lediglich mit solchem
Fleische; die anderen mengen vegetabilische Stoffe in hoͤchst verschiedenen
Verhaͤltnissen darunter; die einen lassen es kochen, bis es beinahe eine
Fleischaufloͤsung genannt werden kann, die anderen werfen es roh und ohne die
geringste Zubereitung vor. In dieser Verschiedenheit der Fuͤtterungsmethoden
ist auch wahrscheinlich der Grund zu suchen, warum die Schweine in dem einen Falle
schneller als in dem anderen eine gewisse Mastung erreichen. Die Verschiedenheit ist
in lezterer Beziehung so groß, daß sie in einigen Anstalten selbst 6 Wochen bis 2
Monate betraͤgt. Dem sey aber wie ihm wolle, so ist so viel gewiß, daß diese
Fuͤtterungs- und Mastungsweise wegen der Vortheile, die sie abwirft,
sehr merkwuͤrdig und beachtenswerth ist; man wird sich davon
uͤberzeugen, wenn man bedenkt, daß nach dem eigenen Gestaͤndnisse
jener, die sie betreiben, jedes Schwein in 6 Wochen bis 2 Monaten einen reinen
Gewinn von 15 bis 18 Fr. abwirft.
Jede Neuerung findet Widersacher und nie fehlt es an Leuten, die sich deren
Emporkommen widersezen; natuͤrlich mußte daher auch jene, um die es sich hier
handelt, diese Probe bestehen. Man schrie namentlich uͤberall herum, daß die
mit Fleisch gefuͤtterten Schweine wild werden, und alle Kinder und Menschen,
auf die sie traͤfen, anfallen wuͤrden. Man erregte mancherlei
Besorgnisse uͤber die Gesundheit des Fleisches dieser Schweine als
Nahrungsmittel, und bezog sich in dieser Hinsicht auf manche aͤltere Verordnungen, in denen diese
Fuͤtterungsweise der Schweine verpoͤnt ist, weil aus derselben
allerlei Krankheiten fuͤr die Thiere und namentlich der Aussaz erwachsen
sollen. In einigen Orten endlich wurden die Laden mehrerer Wursthaͤndler und
Garkoͤche aufgegeben, weil sich das Geruͤcht verbreitet hatte, sie
haͤtten ihre Schweine mit Aas und mit den Cadavern von Pferden, die an
anstekenden Krankheiten gestorben seyen, gemaͤstet.
Diese und aͤhnliche Gruͤnde veranlaßten die Sanitaͤtscommission
sich von den oben erwaͤhnten Mitgliedern einen Bericht uͤber diesen
Gegenstand erstatten zu lassen, und was nunmehr folgen soll, ist das Resultat der
Nachforschungen, welche die ernannte Commission anstellte.
Wir wollen das Schwein zuerst anatomisch und physiologisch betrachten, und sehen ob
sich nicht schon aus dessen Bau erkennen laͤßt, welche Nahrung demselben von
Natur aus bestimmt ist. Das Schwein steht seiner ganzen Organisation nach zwischen
den fleischfressenden und den großen pflanzenfressenden Thieren in der Mitte. Die
Gelenkverbindung des Unter- mit dem Oberkiefer, welche eine solche ist, daß
sie keine seitlichen Bewegungen zulaͤßt, entfernt dasselbe von den
ausschließend pflanzenfressenden Thieren. Das Schwein hat gleich den uͤbrigen
allesfressenden Thieren, wohin z.B. der Mensch, der Baͤr und die eigentlichen
Ratten gehoͤren, hintere Bakenzaͤhne mit flachen Kronen, die mit
gelinden paarweise gestellten Erhabenheiten versehen sind; es hat uͤberdieß
an beiden Seiten der beiden Kinnladen vordere Bakenzaͤhne, die gleich den
falschen Bakenzaͤhnen der fleischfressenden Thiere seitlich
zusammengedruͤkt sind, wodurch sich das Schwein den Fleischfressern
annaͤhert. Sein Magen ist haͤutig-muskelig gleich jenem der
Fleischfresser, der Pachydermen und der kleinen Pflanzenfresser; nirgendwo bemerkt
man an demselben jene Abtheilungen und Faͤcher, die man an den
Wiederkaͤuern, den vorzuͤglichsten Pflanzenfressern, trifft. Der
Darmcanal ist an den Pflanzenfressern sehr lang, an den Fleischfressern sehr kurz;
der Mensch steht in dieser Hinsicht zwischen den beiden Extremen beinahe in der
Mitte, und in demselben Falle befinden sich auch der Baͤr, das Schwein, die
Ratte und einige andere Thiere. Aus allem diesem ergibt sich demnach, daß das
Schwein ein allesfressendes Thier ist, und daß ihm von Natur aus ein solcher Bau
zukommt, daß Fleisch mit zu seinen Nahrungsmitteln gehoͤrt.
Man wird uns vielleicht einwenden, daß das wilde Schwein in den Waͤldern kein
Fleisch findet. Allein wer versichert uns, daß das Wildschwein in den
Waͤldern nicht nach thierischen Substanzen sucht? Mehrere Leute, die die
Lebensweise der Wildschweine genau verfolgten, haben sich sogar uͤberzeugt,
daß diese Thiere im Sommer viele Insecten verzehren, daß sie im Winter auf
Maulwuͤrfe und Maͤuse Jagd machen, und daß sie den Boden gar oft nur
deßwegen aufwuͤhlen, um Wuͤrmer und andere Thiere aufzufinden.
Uebrigens ist erwiesen, daß der Darmcanal des Wildschweines laͤnger ist, als
jener des zahmen Schweines, woraus nothwendig folgt, daß das Schwein durch seine
Zaͤhmung noch mehr zum fleischfressenden Thiere gemacht wurde, als es im
wilden Zustande ein solches ist. Die Wildkaze hingegen, die nur von der Jagd lebt,
hat einen kuͤrzeren Darmcanal, als die Hauskaze, was gewiß nur davon
herruͤhrt, daß leztere mit den Abfaͤllen unserer Tische mehrere
vegetabilische Nahrungsstoffe zu sich nimmt. Aus allem diesem geht als erwiesen
hervor, daß das Schwein schon von Natur aus und durch seine Organisation zwar
keineswegs dazu bestimmt ist sich lediglich von Fleisch zu naͤhren; daß aber
eine gewisse Quantitaͤt Fleisch mit zu dessen Nahrung gehoͤrt, und daß
dem zahmen Schweine in Folge einer langen Gewohnheit ein Theil thierischer Nahrung
weit nothwendiger geworden, als dem wilden SchweineEs nimmt uns Wunder, daß die Berichterstatter unter den vielen Beispielen,
die sich noch zum Beweise dafuͤr anfuͤhren ließen, daß die
Schweine eine thierische Nahrung sehr lieben und sehr gut vertragen, nicht
auch auf die bekannten Thatsachen hinwiesen, daß man bei uns zur Vertilgung
der Maͤuse auf Aekern und Wiesen nicht selten Schweinheerden benuzt,
und daß man in Nordamerika in den Schweinen die besten Vertilger fuͤr
Schlangen gefunden hat.A. d. R..
Eine Menge von Thatsachen beweist auch wirklich taͤglich, wie nothwendig es
ist unter die Nahrung der Schweine einige thierische Substanzen zu bringen. Ist es
z.B. nicht bekannt, daß es sehr schwer ist Schweine aufzuziehen, ohne die bei
Milchwirthschaften sich ergebenden Abfaͤlle benuzen zu koͤnnen; und
wenn man Schweine mit Getreide maͤsten will, erreicht man seinen Zwek
gewoͤhnlich nicht erst dann vollkommen, wenn man diese Nahrung mit
thierischen Stoffen verbindet? Eine Beobachtung, welche man neuerlich an der
Musterschule in Grignon zu machen Gelegenheit hatte, gibt dem eben Gesagten so viel
Gewicht, daß wir nicht anstehen, den von dem Vorstande dieser Anstalt erstatteten
Berichten dieser Hinsicht woͤrtlich anzufuͤhren. „Die bei
der Kartoffelsazmehl-Fabrikation bleibenden Ruͤkstaͤnde,
heißt es naͤmlich in diesem Berichte, waren im Winter 1830 ein kostbares
Ergaͤnzungsmittel unserer Futterstoffe. Die glaͤnzenden Erfolge,
die wir bei der ausschließlichen Fuͤtterung einer zur Mastung bestimmten
Schafheerde mit diesen Abfaͤllen hatten, brachten uns auf die Idee, daß
sich diese Nahrung auch fuͤr die Schweine eignen duͤrfte. Um
uns hievon zu uͤberzeugen, wurde unser ganzer Schweinstall ausschließlich
mit diesem Nahrungsstoffe gefuͤttert. Der Abnahme, die sich bei dieser
Fuͤtterung bald an Ebern, Zuchtschweinen und Frischlingen zeigte, suchten
wir durch Erhoͤhung der Rationen abzuhelfen: allein vergebens; wir ließen
die Thiere sogar davon fressen, so viel sie nur wollten; dieß vermehrte aber nur
das Uebel, indem sie nur noch muͤhsamer verdauten. Da die Schweine
ungeachtet der Begierde, mit der sie fraßen, nur dike Baͤuche bekamen,
aber nicht an Fleisch zunahmen, so ließen wir die Abfaͤlle, bevor wir sie
ihnen vorschuͤtteten, kochen; sie fraßen sie nun noch gieriger, nahmen
aber eben so wenig dabei zu, so daß sich offenbar ergab, daß diese
Kartoffelabfaͤlle fuͤr sich allein, in welcher Quantitaͤt
man sie auch den Schweinen reichen mochte, diesen Thieren keine
genuͤgende Nahrung waren. Wir dachten, daß eine Beimengung von
animalisirter Substanz vielleicht das Mangelnde ersezen duͤrfte, und
sezten daher den Kartoffelabfaͤllen taͤglich per Schwein 3 Unzen Gallerte zu. Der Versuch gelang,
und in wenigen Wochen hatten die Schweine ihre diken Baͤuche verloren und
dafuͤr an Fleisch zugenommen.“ Gibt es einen offenbareren
Beweis, daß die Gegenwart einer stikstoffhaltigen Substanz in dem Schweinefutter
durchaus noͤthig ist, wenn deren Leben unterhalten und sie zur Mastung
gebracht werden sollen? Die Schweine wurden, wie dieser Versuch zeigte, bei eine
Nahrung, bei der sich die Schafe sehr wohl befanden, krank; und so
merkwuͤrdig dieses Resultat auch scheinen mag, so haͤtte man es doch
aus einer Vergleichung der Organisation dieser beiden Thierarten fuͤglich
voraussehen koͤnnen.
Die Veterinaͤrschule in Alfort lieferte uns aber auch noch einige andere
schlagende Beweise fuͤr die Zwekmaͤßigkeit der thierischen Nahrung
fuͤr Schweine. Seit mehreren Jahren fressen naͤmlich die in dieser
Anstalt befindlichen Schweine die Ueberreste aller Cadaver, die zum Unterricht und
zu Sectionen gedient hatten. Von den Zuchtschweinen bis zu den Frischlingen wirft
sich Alles mit groͤßter Begierde auf die Ueberreste und Eingeweide der
Thiere, die ihnen zwei oder drei Mal des Tages in rohem Zustande vorgeworfen werden.
Seit sieben Jahren werden die 100 bis 150 Raceschweine von allen Arten, die sich
fortwaͤhrend in der Veterinaͤrschule in Alfort befinden, auf diese
Weise genaͤhrt; und wahrhaftig nirgendwo duͤrfte man schoͤnere
und gesundere Thiere dieses Geschlechtes finden. Es bleibt daher ein fuͤr
allemal ausgemacht, daß das Schwein unter die allesfressenden Thiere gehoͤrt;
daß ihm die animalische Nahrung unumgaͤnglich nothwendig ist; und daß es ohne
diese und mit vegetabilischem Futter allein weder gemaͤstet, noch auch
genaͤhrt werden kann, ausgenommen lezteres enthaͤlt Stoffe, die sich
ihren chemischen Bestandtheilen nach mehr den thierischen Substanzen
annaͤhern.
Diese Nahrung, sagt man aber, macht die Thiere wild, und die Folge wird seyn, daß sie
Erwachsene und Kinder anfallen und verzehren. Es laͤßt sich allerdings nicht
laͤugnen, daß auf dem Lande leider schon oft Kinder von den Schweinen
aufgefressen wurden; ja man hat sogar Beispiele, daß sich Schweinheerden
uͤber ihre Hirten herwarfen und sie verzehrten. Dieß sind und bleiben jedoch
einzelne Faͤlle, deren Ursache man um so weniger der Art der Nahrung
beimessen kann, als sie sich gewoͤhnlich gerade da ereigneten, wo die
Schweine beinahe ausschließlich auf vegetabilische Nahrung beschrankt waren. Die
ziemlich haͤufig verbreitete Meinung uͤber den Einfluß der thierischen
Nahrung duͤrfte sich wahrscheinlich von einem ungluͤklichen Ereignisse
herschreiben, welches vor 50 Jahren in Vaugirard Statt fand, indem zwei Schweine,
die mit den Abfaͤllen einer benachbarten Abdekerei gefuͤttert wurden,
auskamen und zwei Kinder zerrissen. Ohne diesen ungluͤklichen Vorfall, der
weit und breit Schreken verbreitete, wuͤrde sich die Anwendung der
thierischen Nahrung bei den großen Vortheilen, die sie gewaͤhrt, gewiß schon
so allgemein verbreitet haben, daß von den Unbequemlichkeiten der Schindereien schon
laͤngst keine Rede mehr waͤre. Konnte uͤbrigens dieser Unfall
auch wirklich der den beiden Schweinen gereichten Nahrung zugeschrieben werden? Wir
zweifeln sehr; wenigstens hat man noch nicht bemerkt, daß die Schweine, die
gegenwaͤrtig mit rohem oder gekochtem Fleische gefuͤttert werden, auch
nur im Geringsten wilder und schwerer zu baͤndigen sind, als die Schweine
uͤberhaupt. An der Schule in Alfort treiben wenigstens die Kinder des
Huͤters diese Thiere hin, wohin sie wollen, und sie gehorchen ohne den
geringsten Anstand. Wenn Tausende von Schweinen, die in dieser Anstalt seither mit
rohem Fleische gefuͤttert wurden, ihre
Neigungen auch nicht im Geringsten veraͤnderten, so laͤßt sich
wahrlich nicht glauben, daß gesottenes Fleisch diese
Thiere so wild machen koͤnnte, daß sie den Menschen gefaͤhrlich werden
duͤrften. Die in dieser Hinsicht verbreiteten Meinungen erscheinen vielmehr
als voͤllig ungegruͤndetSo sehr wir in allem dem bisher Gesagten mit den Berichterstattern
uͤbereinstimmen, so scheint uns doch, daß sie hier in diesem lezteren
Punkte etwas zu weit gegangen sind. Der Einfluß, den die Fuͤtterung
der Thiere mit Fleisch, und namentlich mit rohem Fleische, auf die
Zaͤhmung der Thiere ausuͤbt, ist so allgemein anerkannt, und
so vielfach erwiesen, daß die von den Berichterstattern angefuͤhrte
Erfahrung, die man in Alfort machte, noch keineswegs zu dessen vollkommener
Widerlegung genuͤgen duͤrfte. Die Berichterstatter verglichen
oben das Schwein als allesfressendes Thier mit dem Menschen; wir nehmen
diesen Vergleich auch hier wieder auf; und bemerken, daß man sogar an den
Menschen die Erfahrung machte, daß sie bei vegetabilischer Kost viel
leichter zu leiten und ruhiger werden, als bei animalischer. Die
Vorstaͤnde einiger Zucht- und Correctionshaͤuser haben
hieruͤber in neuester Zeit nicht unwichtige Daten geliefert. –
Wenn aber auch die Schweine durch die thierische Nahrung wirklich wilder
werden sollten, so gibt dieß doch noch keinen Grund gegen die Anwendung
dieser sonst vortheilhaften Mastungsmethode; denn man braucht ja die Thiere
nur gehoͤrig einzusperren, um sich und Jedermann gegen alle
Unannehmlichkeiten und Angriffe von ihrer Seite zu schuͤzen.A. d. R.
Eine andere nicht minder wichtige Frage, die wir nunmehr zu eroͤrtern haben,
ist die, ob die Fuͤtterung der Schweine mit Pferdefleisch diesen Thieren
Krankheiten und namentlich den Aussaz zuziehen koͤnne, und ob deren Fleisch,
deren Blut, deren Spek den Menschen nachtheilig werden koͤnnen. Zieht matt
nun in dieser Hinsicht die Physiologie und die Medicin zu Rathe, so lehren uns
diese, daß eines der besten Mittel zur Erhaltung der Gesundheit darin besteht, die
Nahrung der Thiere ihren Verdauungsorganen und der ihnen von der Natur
eingepflanzten Freßlust anzupassen. Da nun das Schwein so gebaut ist, daß es sich
von Fleisch und Vegetabilien und nicht ausschließlich von dem einen oder von dem
anderen naͤhren kann, so wird man nur den Gesezen der Natur nachkommen, und
gewiß eine zur Gesundheit der Schweine beitragende Fuͤtterung befolgen, wenn
man thierische Substanzen unter deren Nahrung bringt. Die Erfahrung hat
uͤbrigens auch hierin bereits gesprochen.
Wie bereits oben gesagt, bekamen die Schweine der Heerde von Grignon bei der
ausschließlich vegetabilischen Nahrung dike, harte Baͤuche und andere
Unterleibskrankheiten, die durch Zusaz einer geringen Menge Gallerte schnell geheilt
wurden. Die Schweine an der Veterinaͤrschule in Alfort erfreuen sich stets
der besten Gesundheit; seit 6 Jahren kamen keine Krankheiten unter denselben vor,
und den Aussaz bemerkte man nur ein einziges Mal unter ihnen. Wuͤrden die
Schweine wohl in so kurzer Zeit mit einer wahrhaft merkwuͤrdigen
Geschwindigkeit fett werden, wenn das Pferdefleisch die Schweine zu Krankheiten
geneigt machte? Ist dieses Fettwerden nicht vielmehr ein Beweis einer vollkommenen
Verdauung, die ohne volle Gesundheit nicht moͤglich ist?
Ein Beweis dafuͤr, daß das Fleisch der mit Pferdefleisch genaͤhrten
Schweine nicht schlecht ist, liegt darin, daß diese Thiere auf den Maͤrkten
gesucht sind; daß die Wurstmacher und Garkoͤche sie nicht von den auf andere
Weise gefuͤtterten Schweinen zu unterscheiden im Stande sind; und daß die
Zoͤglinge in Alfort das Schweinefleisch unter allen moͤglichen Formen
genießen, obschon sie die ganze Ernaͤhrungsweise dieser Thiere kennen. Wir
selbst konnten an dem Fleische gar keinen und an dem Speke nur den Unterschied
bemerken, daß er etwas weicher ist, als an den mit Koͤrnern
gefuͤtterten Schweinen. Dieser Unterschied duͤrfte jedoch vielleicht mehr darin gelegen
seyn, daß die Schweine in Alfort immer sehr jung geschlachtet werden, als in der
Ernaͤhrungsweise derselben.
Die Gegner der neuen Fuͤtterungsmethode haben ferner bemerkt, daß wenn auch
das Fleisch gesunder Pferde ohne Nachtheil an die Schweine verfuͤttert werden
kann, dieß doch keineswegs mit dem Fleische der kranken Thiere der Fall seyn
duͤrfte. Sie forderten daher, daß wenn die Schweinemastung mit Pferdefleisch
ja geduldet werden sollte, dieses Fleisch nur nach vorausgegangener Besichtigung
durch Sachverstaͤndige zu diesem Behufe abgegeben werden darf. Da jedoch die
Frage der Gefahr, welche aus der Benuzung des Fleisches kranker Thiere zur
Schweinemastung erwachsen koͤnnte, bereits vor 10 Jahren vor einer
Sanitaͤtscommission abgehandelt worden ist, so wollen wir nicht abermals auf
diesen Gegenstand zuruͤkkommen, sondern nur erinnern, daß die Thiere, welche
gegenwaͤrtig das Fleisch der Pferde, an welcher Krankheit diese auch zu
Grunde gegangen seyn moͤgen, verzehren, sich sehr wohl dabei befinden. Daß
man sowohl Hunde als Kazen laͤngere Zeit mit krebsartig entartetem Fleische
naͤhrte, ohne daß fuͤr diese Thiere auch nur der geringste Nachtheil
daraus erwachsen waͤre. Daß, wie Desgenettes und
Larrey sahen, die Hunde und Schakals waͤhrend
der in Jaffa herrschenden Pest die Leichen ausgruben und die Pestbeulen ausfraßen,
ohne daß ihnen diese Nahrung Schaden gebracht haͤtte. Daß nicht bloß Thiere,
sondern auch Menschen ungestraft das Fleisch von Thieren genießen koͤnnen,
die am Carfunkel, an der Rinderpest und an der Wuth zu Grunde gingen, wie dieß durch
1000fache Erfahrung erwiesen ist. Daß endlich waͤhrend der ersten
franzoͤsischen Revolution die Ungluͤklichen von St. Germain und aus
der Umgegend von Alfort 7 bis 800 rozige und mit dem Wurme behaftete Pferde, welche
von der Regierung zum Behufe anzustellender medicinischer Versuche dahin gesendet
worden, verzehren mußten; und daß diese Nahrung nicht nur keinem dieser
Ungluͤklichen Schaden brachte, sondern vielen derselben das Leben
rettete.
Die Veterinaͤrschule in Alfort bietet weitere Aufklaͤrungen in Hinsicht
auf den fraglichen Gegenstand. Es sind naͤmlich durchaus nicht immer gesunde
Pferde, die zum Unterrichte der Zoͤglinge in diese Anstalt gebracht werden;
im Gegentheile sind es nur Pferde, die an organischen Schaͤden oder an
Krankheiten aller Art leiden. Und wenn man glauben wollte, daß man in der Wahl der
Cadaver, bevor man sie den Schweinen vorwirft, mit irgend einer Sorgfalt zu Werke
geht, so irrt man sehr; denn alle, ohne Ausnahme, verschwinden sie bis auf die
haͤrtesten Knochen unter den Zaͤhnen dieser gefraͤßigen Thiere. Gibt
es wohl einen sprechenderen Beweis fuͤr die Entbehrlichkeit aller in Hinsicht
auf den Gesundheitszustand der abzudekenden Thiere zu ergreifenden
Vorsichtsmaßregeln, als die Erfahrungen, die sich in einer Reihe von Jahren den
gelehrtesten Professoren der Thierarzeneikunde vor Hunderten von Zoͤglingen
und Tausenden von Neugierigen, die jaͤhrlich die Anstalt in Alfort besuchen,
ergaben? Ist es annehmbar, daß irgend ein Nachtheil, der aus der daselbst befolgten
Fuͤtterungsmethode der Schweine moͤglicher Weise haͤtte
erwachsen koͤnnen, der Aufmerksamkeit so vieler sachkundiger Beobachter
haͤtte entgehen koͤnnen?
Die Schweine in Alfort verzehren nicht nur alle thierischen Cadaver ohne Unterschied,
sondern sie genießen sie sogar, was wohl zu beruͤksichtigen ist, im Zustande
der vollkommenen Rohheit und ohne irgend eine vorausgegangene Zubereitung. In keiner
der Schweinemastungsanstalten, die wir besuchten oder von denen wir Kenntniß
erhielten, geschieht Aehnliches; uͤberall wird das Fleisch vielmehr gekocht
und sogar einer Temperatur ausgesezt, die jene des siedenden Wassers noch
uͤbersteigt. Wie laͤßt sich glauben, daß schaͤdliche,
nachtheilige, im Organismus erzeugte Stoffe, wenn sie nicht schon durch das
Aufhoͤren des Lebensprocesses selbst eine Zerstoͤrung erleiden,
laͤngere Zeit uͤber der zersezenden Kraft eines so hohen Grades von
Waͤrme zu widerstehen im Stande waͤren?Wir muͤssen namentlich in dieser Hinsicht auf die Versuche des Hrn.
Henri verweisen, gemaͤß denen selbst
die wirksamsten Anstekungsstoffe durch Anwendung der Waͤrme
vollkommen zersezt und gaͤnzlich unschaͤdlich gemacht werden
koͤnnen. Man findet von den interessanten Versuchen des Hrn. Henri im Polyt. Journale Bd. XLIII. S. 213, 401, und Bd. XLVI. S. 47 ausfuͤhrliche
Nachricht.A. d. R.
Aus allen den langen, in gegenwaͤrtigem Berichte gepflogenen
Eroͤrterungen ziehen wir den Schluß, daß die Verwaltung aus maͤchtigen
Gruͤnden der Staatswirthschaft und medicinischen Polizei die Richtung, welche
mehrere Unternehmer in Hinsicht auf die fragliche neue Mastungsmethode der Schweine
genommen, nach allen Kraͤften unterstuͤzen sollte. In Ruͤksicht
auf Staatswirthschaft waͤre zu erwaͤgen:
1) daß hiedurch der Werth der dienstlosen Pferde sehr erhoͤht wird; 2) daß in
der Nachbarschaft der Staͤdte ein neuer, großen Gewinn bringender
Industriezweig gegruͤndet werden koͤnnte; 3) daß auf diese Weise dem
Volke leicht eine groͤßere Menge der ihm so hoͤchst noͤthigen
thierischen Nahrung geliefert werden koͤnnte; 4) endlich, daß sich auf diesem
Wege sehr vortheilhaft Producte oder Stoffe, die bisher unbenuzt verloren gingen,
verwerthen lassen. Denn wenn auch die mit Dampf behandelten Pferde nicht zu jeder
Jahreszeit von den
Schweinen verzehrt werden sollten, so laͤßt sich doch das Fleisch, nachdem es
diese Zubereitung erlitten hat, sehr leicht troknen, und als solches auf dem Lande
zu denselben Zweken, zu denen es fruͤher diente, verwenden.
In medicinisch-polizeilicher Beziehung finden wir hingegen: 1) daß die mit
Pferdefleisch gefuͤtterten Schweine ihren Charakter durchaus nicht
veraͤndern, und weder wilder, noch den Kindern oder anderen
schwaͤchlichen Wesen gefaͤhrlicher werden duͤrften. 2) daß das
Fleisch dieser Schweine gut und gesund seyn wird; daß ihm weder ein unangenehmer
Geschmak, noch ein derlei Geruch eigen seyn duͤrfte; und daß das Sieden und
der Verdauungsproceß mehr als hinreichend genuͤgen, um alle Principe oder
Stoffe zu zerstoͤren, von denen man glauben koͤnnte, daß sie in Folge
einer unzwekmaͤßig gewaͤhlten Nahrung der Thiere in das zu unserer
eigenen Nahrung bestimmte Fleisch uͤbergehen duͤrften. 3) endlich, daß
es kein besseres Mittel gibt, um die Schindanger mit allen ihren Abscheu erregenden
Widerlichkeiten, in Folge deren die in ihrer Nachbarschaft gelegenen Oertlichkeiten
so sehr an Werth verlieren, und welche die Verwaltung ungeachtet aller darauf
verwendeten Sorgfalt noch immer nicht zu beseitigen so gluͤklich war,
allmaͤhlich verschwinden zu machen. In lezterer Beziehung darf jedoch
allerdings nicht vergessen werden, daß der Geruch des Kothes der mit Fleisch
gefuͤtterten Schweine noch weit unertraͤglicher ist, als ohnedieß; und
daß es demnach dringend nothwendig ist, daß die Verwaltung da, wo solche
Mastungsanstalten fuͤr Schweine in groͤßerer Ausdehnung erstehen,
besondere Vorsichtsmaßregeln treffe.