Titel: | Ueber die Fabrikation eines Sicherheitspapieres zur Verhütung der Schriftverfälschungen. |
Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. LXII., S. 355 |
Download: | XML |
LXII.
Ueber die Fabrikation eines Sicherheitspapieres
zur Verhuͤtung der Schriftverfaͤlschungen.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. Oktober 1835,
S. 187.
Ueber die Fabrikation eines Sicherheitspapieres zur
Verhuͤtung der Schriftverfaͤlschungen.
Die Schriftverfaͤlschungen sind seit einigen Jahren bedeutend haͤufiger
geworden, und die Faͤlscher haben bei ihren Operationen nunmehr Kenntnisse
entwikelt, welche sie offenbar nur aus wissenschaftlichem Studium geschoͤpft
haben konnten, und welche diese Betruͤger nur um so gefaͤhrlicher
machen. Das Verbrechen der Faͤlschung hat so uͤberhand genommen, daß
amtlichen Documenten gemaͤß in Frankreich allein innerhalb 7 Jahren 1471
Individuen wegen desselben vor Gericht gestanden, wovon 1396 verurtheilt und 75
wegen Mangel an Beweis freigelassen wurden.
Bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes wurde schon im Jahre 1826 die Aufmerksamkeit
des Ministeriums auf denselben gelenkt, und in Folge davon wurde die Akademie der
Wissenschaften aufgefordert uͤber die Mittel, welche zur Verhuͤtung
der Faͤlschung der Schriften dienen koͤnnen, Bericht zu erstatten. Mit
Eifer unterwarfen daher viele Maͤnner, die sich nicht fuͤr Geld,
sondern im allgemeinen Interesse mit den Wissenschaften beschaͤftigen, die
gegebenen Fragen ihren Forschungen, und bald liefen mehrere Vorschlaͤge zu
einer unausloͤschbaren Tinte sowohl, als zur Verfertigung von Papier ein, an
welchem man die Versuche der Faͤlscher sogleich erkennen koͤnnte. Die
von der Akademie ernannte Commission gab nach reiflicher Erwaͤgung der von
dem Ministerium gestellten Anfragen, und der verschiedenen eingelaufenen
Vorschlaͤge, folgende Antwort:
1) Daß die meisten der eingesendeten Tinten die Schnaͤbel der Federn
erweichen; sich nicht sogleich auf dem Papiere fixiren; schnell einen Bodensaz geben
und daher aufgeruͤhrt werden muͤssen; und endlich dem Verderben bei
der Aufbewahrung unterworfen sind.
2) Daß sich die Schriftverfaͤlschungen verhuͤten ließen, wenn man chinesische Tusche,
welche mit Salzsaͤure von 10° oder mit essigsaurem Mangan von
10° angeruͤhrt worden, anwenden wollte.
3) Daß wenn auch die Sicherheitspapiere bei weitem nicht dieselben Garantien
gewaͤhren, wie die unausloͤschlichen Tinten, diese doch dazu beitragen
die Faͤlschungen seltener und schwerer ausfuͤhrbar zu machen, weßhalb
die Commission subsidiarisch deren Anwendung empfehlen muß.
In Hinsicht auf eine zweite Anfrage, welche die Verhuͤtung des Bleichens alten
Stempelpapieres betraf, war die Commission der Ansicht, daß sich dieser Zwek
erreichen ließe, wenn man 1) auf alle Stempelpapiere mit dem Cylinder eine auf der
Guillochirbank gravirte Vignette, die rechts vom Stempel in der Mitte und nach der
Laͤnge eines jeden Blattes angebracht wuͤrde, druken ließe.
2) Wenn man zu diesem Druke den schwarzen Niederschlag, der sich in den Farbkesseln
der Hutmacher bildet, oder auch Tinte selbst verwendete, welche nach dem in den
Kattundrukereien uͤblichen Verfahren verdikt worden.
3) Wenn man den Stempelpapieren ein legales Datum gaͤbe, welches man auf die
Vignetten oder die Stempel graviren koͤnnte; oder noch einfacher, indem man
die trokenen Stempel, deren Abdruk sich auf allen Blaͤttern befinden muß,
jaͤhrlich umdrehte.
Alle diese Vorschlaͤge wuͤrden gewiß von großem Nuzen gewesen seyn, und
wuͤrden gehoͤrig angewendet auch eine große Anzahl von
Schriftverfaͤlschungen verhuͤtet haben, wenn sich in der Praxis nicht
unendliche Schwierigkeiten in Weg gestellt haͤtten. Diese Schwierigkeiten
lagen 1) in der Unmoͤglichkeit in den 44,000 Gemeinden Frankreichs eine und
dieselbe, gehoͤrig zubereitete, unausloͤschliche Tinte zu bekommen; 2)
in der Schwierigkeit sich uͤberall mit chinesischer Tusche und
Salzsaͤure oder essigsaurem Mangan von 10° eine Tinte zu bereiten; 3)
in der nachgewiesenen Moͤglichkeit, daß alle diese Tinten mit der Zeit eine
Zersezung erleiden oder auch ihren Farbstoff absezen koͤnnen; und 4) endlich
in der Moͤglichkeit einen Schreibzeug mit unausloͤschlicher Tinte
gegen einen anderen mit ausloͤschlicher auszutauschen.
Die Anwendung eines Papieres, an welchem alle Versuche eines Faͤlschers
erkenntlich gewesen waͤren, bot demnach viel groͤßere Garantien, als
die Anwendung der Tinte, und aus diesem Grunde arbeiteten auch viele auf diesem
Felde fort. Einige hatten die Idee, das Papier zu faͤrben oder eine mit einer
ausloͤschlichen Farbe gemachte Zeichnung in demselben anzubringen; allein die
erwaͤhnte Commission, welche sich fuͤr die von den HH. Chevallier und Felix Peytal
vorgeschlagene Vignette
aussprach, empfahl die Anwendung dieses Verfahrens nur aushuͤlfsweise.
Kaum hatte die Akademie ihr Gutachten abgegeben, so wurden neue uͤber die
Papierfabrikation angestellte Versuche bekannt; Versuche, welche darauf abzielten in
der Papiermasse Stoffe anzubringen, welche durch die von den Faͤlschern
angewendeten Reagentien zersezt werden, und welche daher Fleken oder
Faͤrbungen erzeugen, die nothwendig die Versuche des Faͤlschers
andeuten.
Das erste auf ein Papier dieser Art genommene Patent war jenes der HH. Debraine und Kerslaers, die
jedoch in ihrer Patentbeschreibung folgende nicht anwendbare Vorschrift angaben. Man
sollte naͤmlich auf 10 Pfd. Papierzeug 6 Unzen weinsteinsaures Eisen, 6 Unzen
weinsteinsaures Mangan, 2 Unzen blausaures Zink, und 3 Unzen arseniksaures Kobalt
anwenden. Die Papiere, die wir nach dieser Formel bereiteten, entsprachen jedoch den
Erwartungen nicht.
Beinahe um dieselbe Zeit nahm jemand anderer, der einen Chemiker zu Rath gezogen
hatte, und denselben einige Monate lang arbeiten ließ, ein Patent auf ein
Sicherheitspapier, wovon er einige Proben dem Polizeipraͤfecten
uͤbersandte, der deren Pruͤfung einer eigenen Commission
uͤbertrug. Diese Commission erstattete am 3. Januar 1834 einen
guͤnstigen Bericht, aus welchem sich im Wesentlichen folgende
Schluͤsse ergaben: 1) daß dieses Papier allen den Reagentien, welche die
Tinte zerstoͤren, ausgesezt wurde, und daß diese Versuche vollkommen
darthaten, daß dieses Papier allen den Mitteln, deren sich die Faͤlscher
bisher bei ihren Betruͤgereien zu bedienen pflegten, ein
unuͤbersteigliches Hinderniß entgegensezt. Denn saͤmmtliche
Reagentien, welche die Tinte, womit das Papier beschrieben ist, zerstoͤren,
geben dem Papiere auch verschiedene Farben, woraus man den geschehenen
Faͤlschungsversuch erkennt. 2) ergab sich, daß der Erfinder dieses Papieres
wirklich die fragliche Aufgabe, naͤmlich Verhuͤtung der
Faͤlschung aller Dokumente, geloͤst habe, indem sein Papier die
groͤßte Garantie gegen die partielle oder totale Faͤlschung derselben
gewaͤhrt. Die Commission konnte demnach nicht umhin die Anwendung dieses
Papieres als sehr vorteilhaft zu empfehlen.
Man haͤtte glauben sollen, daß nach solchen Resultaten ein derlei Papier guten
Erfolg haben mußte, und daß den Faͤlschungen hiemit Einhalt gethan seyn
muͤßte; allein dem war nicht so. Denn kaum hatte Hr. Mozard die Patente von Debraine und Kerslaers, so wie auch das leztere, welches im Jahre 1834
von Herrn Vidoc genommen worden war, an sich gekauft, und
kaum hatte er von dem
hienach fabricirten Papiere in den Handel gebracht, so erhoben sich auch schon eine
Menge Kritiken gegen ihn. Die einen von diesen erklaͤrten in den
Zeitschriften, daß sein Papier nicht zur Verhuͤtung von
Schriftfaͤlschungen dienen koͤnne; andere schrieben der Akademie, daß
dieses Papier ein tungsteinsaures Salz enthalte (was falsch ist), und daß bereits
fruͤher schon dem Stempelamte ein aͤhnliches Papier vorgelegt worden
sey; andere behaupteten, daß das neue Papier weder eben so schoͤn, noch eben
so gut sey, wie das Stempelpapier, und wieder andere streuten aus, daß es zu theuer
sey und folglich nicht angewendet werden koͤnne.
All dieses Geredes ungeachtet fuhr Hr. Mozard in seinen
Forschungen und Bemuͤhungen fort, und es gelang ihm endlich mehr zu leisten,
als die Commission der Akademie gefordert hatte. Er erzeugt naͤmlich
gegenwaͤrtig ein Papier, in dessen Zeug chemische Substanzen enthalten sind,
welche die Faͤlschungsversuche anzeigen; er erfand aber auch zugleich eine
Maschine, mit deren Huͤlfe er waͤhrend der Fabrikation ein Filigran in
den Zeug bringen kann, welches so empfindlich ist, daß es bei den Versuchen die
Schrift durch jene Reagentien zu entfernen, deren sich die Faͤlscher
bedienen, gleichfalls verschwindet. Die Dessins dieses Filigrans koͤnnen so
gedraͤngt, so zart, und so wenig auffallend seyn, als man es nur
wuͤnscht, und man kann damit alle Figuren und Chiffern, die man sich denken
kann, liefern. Endlich gewaͤhrt dieses Papier alles das, was das Ministerium
forderte.
Zum Schlusse erlauben wir uns zum Beweise der Wichtigkeit dieses Gegenstandes nur
noch folgende neuere Faͤlschungsgeschichten beizufuͤgen. Im Jahre 1833
nahm Jemand in einem Wechselhause in Paris zwei Wechsel auf Nantes zu 100 und zu
3000 Fr. Lezterer wurde nach Nantes gesandt, ersterer hingegen in einen Wechsel von
3000 Fr. umgewandelt, und dieser verfaͤlschte Wechsel wurde dem Banquier mit
dem Bemerken zuruͤkgestellt, daß man seiner nicht mehr beduͤrfe,
worauf der Banquier die 3000 Fr. fuͤr den urspruͤnglichen Wechsel von
100 Fr. zuruͤkbezahlte.
Am 7. April wurden einem Sachverstaͤndigen von einem Instructionsrichter in
Paris englische Banktratten zu 200 Pfd. Sterl. mit der Anfrage vorgelegt, ob es
nicht moͤglich waͤre die fruͤheren Schriftzuͤge auf
diesen Tratten, welche man fuͤr ausgewaschen und durch andere ersezt hielt,
wieder herzustellen. Die angestellten Untersuchungen bewiesen zwar die geschehene
Faͤlschung; allein dieselbe war mit solcher Gewandtheit vorgenommen worden,
daß eine Wiederherstellung unmoͤglich war. Spaͤter ergab sich, daß der
Betruͤger zwoͤlf kleine englische Banktratten im Werthe von 3355 Fr.
auf diese Weise nach und
nach in Tratten im Werthe von 49,200 Fr. umgewandelt hatte.
Am 26. Februar 1835 hatten Sachverstaͤndige 6 Tratten im Werthe von 36,000
Fr., von denen drei bezahlt, und drei in den Haͤnden eines der
Faͤlschung verdaͤchtigen Individuums gefunden worden waren, zu
untersuchen. Leztere waren aͤcht, erstere hingegen waren gefaͤlscht;
und von einem urspruͤnglichen Werthe von 300 Fr. in Tratten zu 6700, 4500 und
6800 Fr. umgewandelt worden. Die dabei entwikelte Geschiklichkeit war
merkwuͤrdig.
Dergleichen Faͤlle ließen sich noch in Menge anfuͤhren; wir schließen
jedoch mit der Bemerkung, daß in lezter Zeit Faͤlscher die Striche, welche
man durch die bezahlten Billets zu machen pflegt, auszuwaschen und diese Billets
wieder in Circulation zu bringen suchten.