Titel: | Ueber ein neues Communicationssystem mittelst Schienen oder Hängeketten. Von Hrn. Louis Schertz in Straßburg. |
Autor: | Louis Schertz |
Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. LXVIII., S. 444 |
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LXVIII.
Ueber ein neues Communicationssystem mittelst
Schienen oder Haͤngeketten. Von Hrn. Louis Schertz in Straßburg.
Schertz, uͤber ein neues Communicationssystem mittelst
Schienen oder Haͤngeketten.
Die meisten Tagblaͤtter und Zeitschriften enthielten im Laufe des vorigen
Decembers die Nachricht, daß man sich gegenwaͤrtig in Wien mit einem neuen
Communicationsmittel beschaͤftige, womit man im Stande waͤre eine
Depesche innerhalb 36 Stunden von Wien nach Paris zu schaffen. Man fuͤgte
dieser Anzeige die Bemerkung bei, daß man zwar noch nicht wisse, auf welche Weise
dieß bewerkstelligt werden soll; daß man aber vermuthe, daß es durch Anwendung
unterirdischer Roͤhren oder Canaͤle geschehen muͤsse.
Ohne dieser Erfindung zu nahe treten zu wollen, und nur bemerkend, daß sie nichts
weniger als neu waͤre, wenn man zu Roͤhren oder Canaͤlen seine
Zuflucht nehmen wollte, in welchen Lasten durch den luftleeren Raum fortgeschafft
werden sollten; oder wenn man solche Roͤhren zur Fortpflanzung des Schalles
benuzen wollte, fuͤhle ich mich doch zu gegenwaͤrtiger Mittheilung
veranlaßt, waͤre es auch nur um mir die Prioritaͤt einer Erfindung zu
sichern, welche gewiß in keiner Beziehung derjenigen nachstehen duͤrfte,
fuͤr welche man gegenwaͤrtig in Wien ein Patent zu erhalten suchtNach den Nachrichten, welche uns bisher uͤber die in Wien gemachte und
patentirte Erfindung zugekommen, darf Hr. Schertz
keine Collision hiemit fuͤrchten; dagegen wird es unseren Lesern
nicht entgehen, daß der Vorschlag des Hrn. Schertz dem Principe nach ganz
mit jenem zusammenfaͤllt, den der verdiente Hofrath Schultes in unserem Journale schon im Jahre 1829
Bd. XXXIV. S. 113 und S. 214 niederlegte und mit dem Namen
der Drahtpost bezeichnete. Nur in der Ausfuͤhrung weicht die neu
vorgeschlagene Methode von der Schultes'schen ab,
und hierauf allein duͤrfte sich demnach die Schertz'sche Erfindung beschraͤnken.A. d. R..
Mein System ist keine eitle Hypothese mehr; denn ich habe gegenwaͤrtig in
Paris einen Apparat zur Verfuͤgung, der mit einer Last von 10 bis 15 Kilogr.
auf einer Streke von 200 Metern arbeiten kann, und welcher sich in wenigen Stunden
zum Gebrauch aufstellen laͤßt. Dieser Apparat wuͤrde bereits im
Fruͤhjahre 1835 in dem Etablissement der HH. Hunter und Comp. in Paris dem Publikum ausgestellt worden seyn, wenn dieß
nicht durch die Liquidation des Hauses Pérégaux verhindert worden waͤre, indem ich nirgend
anderswo ein eben so passendes Local und eben so wohlwollende Bedingungen finden
konnte.
Meine Absicht war, dieses Communicationssystem durch Thatsachen in die Welt einzufuͤhren,
um Jedermann in Stand zu sezen daruͤber abzuurtheilen, und um vielleicht
damit zugleich eine nuͤzliche Anwendung zu verbinden. Da mir jedoch dieß in
jezigem Augenblike nicht gestattet ist, so will ich wenigstens eine kurze
Beschreibung meiner Erfindung geben, um mir deren Prioritaͤt und ein Patent
zur Einfuͤhrung derselben in Frankreich zu sichern, im Falle mein System mit
dem Wiener gleich befunden werden sollte.
Die vielen Schwierigkeiten, welche sich der Einfuͤhrung der Eisenbahnen
entgegenstemmen, veranlaßten mich schon vor drei Jahren zur Erforschung eines
Communicationsmittels, welches bei gleicher Geschwindigkeit viel wohlfeiler
kaͤme, welches sich allen Zufaͤlligkeiten des Terrains anpassen ließe,
und welches selbst an solchen Orten in Anwendung gebracht werden koͤnnte, wo
man wegen Mangel einer gehoͤrigen Menge von Transportguͤtern an
Errichtung einer Eisenbahn gar nicht denken kann.
Die Palmer'schen Eisenbahnen und WagenIch muß hier bemerken, daß der bayerische Ingenieur, Hr. v. Baader, bereits im November 1815 in England ein
Patent auf ein System nahm, welches dem Palmer'schen vollkommen aͤhnlich ist; und daß Palmer's Patent erst vom Jahre 1821 datirt ist,
waͤhrend seine Schrift erst im Jahre 1824 erschien.A. d. O. so wie die Ketten der Haͤngebruͤken veranlaßten mich bei der
Idee einer einzigen und biegsamen Schiene oder einer Haͤngekette stehen zu
bleiben, welche aus Eisenstaͤben oder aus Eisendraht oder aus
ungehaͤrtetem Stahldrahte bestuͤnde und in Entfernungen von 500, 800
und 1000 MeternDer bekannte Telford hatte fuͤr die
Kettenbruͤke in Runcorn bei Liverpool eine Haͤngekette von
einer halben Meile oder 800 Meter Laͤnge vorgeschlagen, und danach
duͤrften also Curven von 1000 Metern nichts weniger als
unausfuͤhrbar erscheinen. Borquis
fuͤhrt in seinem Werke uͤber die Bewegung von Lasten an, daß
man in den Gebirgen von Calabrien gespannte Taue anwendete, um Holzlasten
mit Huͤlfe von Rollen von einem Berge zum anderen zu schaffen; die
Bewegung fand hier bloß nach Abwaͤrts Statt, und war zwischen den
beiden Aufhaͤngepunkten beschraͤnkt; die Last wurde unten
getragen, wie die Rollen die Reverberelampen zu tragen pflegen. Derselben
Methode bedient man sich, wie man mir sagte, in einigen Gegenden der
Vogesen. In dem Etablissement der HH. Hausmann in
Logelbach bei Colmar ist von einem Hause auf einer Seite der Straße an ein
Haus auf der entgegengesezten Seite ein Eisendraht schief gespannt, an
welchem man die Lasten hinabgleiten laͤßt. Das Hinaufziehen geschieht
mittelst einer Schnur und eines kleinen Haspels.A. d. O. von einer Reihe von Pfeilern getragen wuͤrde, welche bei einer
Hoͤhe von 10 bis 15 Metern aus Gußeisen, Mauerwerk oder auch aus einfachen
hoͤlzernen, mit Huͤten oder Boͤken ausgestatteten
Saͤulen bestehen koͤnnten, so daß auf diese Weise eine Reihe von
Curven mit sehr schwachen Pfeilen entstuͤndeDie Curven der Taue der Kettenbruͤken haben einen Pfeil von 5 bis 10
Proc.; hier in dem fraglichen Falle haben die Haͤngeschienen oder
Ketten nur 1/2 Proc. Pfeil, und dieser Pfeil wird durch die Normallast auf 1
1/4 bis 1 1/2 Proc. verlaͤngert.A. d. O..
Die Koͤpfe dieser Huͤte oder Boͤke muͤssen so
eingerichtet seyn, daß uͤber deren scharfkantige Scheitel große Rollen oder
Kehlraͤder, deren Seiten schraͤg zugeschnitten sind, und deren Umfang
in der Tiefe oder Kehle dem Umfange der Schiene oder der Haͤngekette
entspricht, laufen koͤnnen. Wenn man daher an den Verlaͤngerungen der
Achsen der Rollen oder der Raͤder Haken anbringt, welche in der Richtung
dieser Verlaͤngerungen nach Auswaͤrts gebogen und so lang sind, daß
sich der Schwerpunkt der Rahmen und der zur Aufnahme der Lasten dienenden Kisten,
welche zu beiden Seiten an diesen Haken aufgehaͤngt sind, und auf beiden
Seiten ein gleiches Gewicht tragen, unter der Schiene befindet, so werden diese
Rollen oder Raͤder mit ihrer Last auf der Schiene oder der Haͤngekette
fortrollen koͤnnen, ohne umzuschlagen; und zugleich wird es auch
moͤglich seyn, daß sie uͤber die Koͤpfe der Boͤke mit
Leichtigkeit und Genauigkeit hinweg gelangen.
Aus der Anordnung dieses Apparates ergibt sich, daß ein derlei Wagen, welcher, je
nachdem es der fortzuschaffende Gegenstand erfordert, ein, zwei, drei oder auch
mehrere, saͤmmtlich in einer und derselben Flaͤche gelegene
Raͤder haben kann, wenn er auf den Kopf eines der Tragpfeiler gesezt worden
ist, bei dem geringsten ihm mitgetheilten Impulse abfahren und auf der zwischen den
beiden ersten Pfeilern gespannten Haͤngekette fortlaufen wird, um dann durch
seine Schwere und durch das Bewegungsmoment, welches er beim Durchlaufen der ersten
Haͤlfte der Curve der Kette oder der Schiene erlangt, den groͤßten
Theil der zweiten Haͤlfte dieser Curve emporzusteigenAngestellte Versuche haben mir bewiesen, daß man mit einem Pfeile von 1/2
Proc., welcher durch die Normallast auf 1 1/4 bis 1 1/2 Proc.
verlaͤngert wird, bewirken kann, daß die Last 4/5 der ganzen Curve
durchlaͤuft.A. d. O.. Es ist aus der Physik bekannt, daß dieses Bewegungsmoment nicht hinreichen
kann, um die erste Curve vollends zuruͤkzulegen, oder um den Wagen
uͤber den zweiten Tragpfosten hinweg auf die zweite Curve zu bringen, sondern
daß hiezu ein neuer Impuls erforderlich ist; allein ein solcher laͤßt sich
leicht durch einen beweglichen Zwischentragpfeiler, welcher zwischen je zwei
fixirten Tragpfeilern angebracht ist, und der sich heben oder senken laͤßt,
geben. Die Schiene oder die Tragkette muß auch uͤber die Koͤpfe dieser
beweglichen Tragpfeiler laufen, und auf denselben befestigt seyn, wenn sie auch frei
in der Flaͤche ihrer Aufhaͤngung spielen kann.Diese Bedingung ist durchaus erforderlich, damit keine seitliche Reibung,
wodurch das ganze Spiel verloren gehen wuͤrde, entstehen kann.A. d. O.
Zur Erzielung der Functionen dieser beweglichen Tragpfeiler koͤnnen
verschiedene Mechanismen dienen; ich selbst habe mit mehreren derselben Versuche angestellt.
Diesem Zweke am besten entsprechend fand ich einen Rahmen, der senkrecht zwischen
den eisernen Falzen zweier rechts und links von der Schiene befindlichen Leitpfosten
laͤuft, und der an seinen Seiten mit 8 Reibungsrollen versehen ist, von denen
vier an den Seitenwaͤnden und vier auf dem Grunde der Falzen rollen. Mitten
durch diesen Rahmen muß von seiner Basis an eine senkrechte Spindel laufen, deren
Hoͤhe uͤber dem Rahmen nach der Laͤnge der Haken der Lastwagen
so berechnet seyn muß, daß diese, wenn sie uͤber den Scheitel dieser Spindel
gehen, den Rahmen nicht beruͤhren koͤnnen. Der Rahmen steht durch
Ketten und Kloben mit einem Kurbelhaspel oder mit einem Trommel- oder
Zapfenrade in Verbindung, dessen Welle zu beiden Seiten außen an den Leitpfosten des
beweglichen Tragpfeilers befestigt ist, und mit dessen Huͤlfe ihm die
Bewegung nach Aufwaͤrts oder nach Abwaͤrts mitgetheilt wird.
Der bewegliche Tragpfeiler ist mit Gegengewichten versehen, welche nach dem Gewichte
der zwischen den beiden Tragpfeilern befindlichen Schiene, nach dem Gewichte des
Wagens und nach dem Gewichte des beweglichen Tragpfeilers selbst berechnet sind. Das
Gegengewicht wechselt im Verhaͤltnisse der Entfernung, in welcher sich der
Wagen in jedem Augenblike seines Laufes befindet, und nach dem Gewichte der Schiene,
welches in demselben Augenblik darauf druͤkt: d.h. das Gegengewicht
waͤchst oder vermindert sich dem Gewichte nach in einem Verhaͤltnisse,
welches aus dem Gewichte der Schiene zum Wagen und zu dessen Beladung und aus der
Entfernung, in der sich der Wagen in jedem Augenblike von den Tragpfeilern befindet,
zusammengesezt ist. Oder mit anderen Worten: wenn der Wagen von dem fixirten
Tragpfeiler abrollt, so ist dessen Druk auf den sich senkenden beweglichen
Tragpfeiler anfangs sehr gering; allmaͤhlich wird dieser Druk hingegen
staͤrker, bis der Wagen endlich in dem Augenblike, in welchem er uͤber
den Kopf des beweglichen Tragpfeilers laͤuft, mit seiner ganzen Schwere auf
lezteren druͤkt; hierauf wird der Druk in dem Maaße als der Wagen sich
entfernt, und als der bewegliche Tragpfeiler sich erhebt, wieder geringer. Dagegen
uͤbt die Haͤngeschiene im Augenblike der Abfahrt des Wagens das
Maximum des Drukes auf den beweglichen Tragpfeiler, der dann emporgestiegen ist,
aus; waͤhrend dieser Druk null wird, wenn der bewegliche Tragpfeiler im
Augenblike des Daruͤbergleitens des Wagens herabgesenkt ist.Dieser Gegensaz, der in demselben Zeitmomente zwischen dem Gewichte der
Schiene, welche auf den beweglichen Tragpfeiler druͤkt, und dem Wagen
besteht,
gestattet die Anwendung von Gegengewichten, welche im Vergleiche mit der
Last, die wirklich auf den beweglichen Tragpfeiler zu druͤken
scheint, sehr klein sind.A. d. O.
Das Gegengewicht, bei welchem ich als dem besten definitiv stehen blieb, ist jenes
des Hrn. Poncelet, welches man gegenwaͤrtig an den
Zugbruͤken der meisten franzoͤsischen Festungen angewendet findet. Es
steht mit dem Rahmen in Verbindung und theilt sich in zwei Hauptbuͤndel, von
denen jeder vier Arme hat, und welche zur Rechten und zur Linken an den Pfosten
befestigt sind, in denen der Rahmen laͤuft. Dieses Gegengewicht gleicht
seiner Biegsamkeit wegen so ziemlich einer Schlange, und sein Gewicht laͤßt
sich fuͤr jeden Punkt seines Laufes oder seiner Biegungen nach Belieben
abaͤndern.
Der bewegliche Tragpfeiler wird durch einen Menschen in Bewegung gesezt, und zwar
entweder indem dieser auf die Kurbel des Haspels wirkt, oder indem er in dem
Trommelrade oder in dem mit Zapfen versehenen Rade herumtritt. Die Kraft eines
einzigen Mannes reicht hin, indem sich Alles im Gleichgewichte befindet, und weil
nur ein sehr geringer Kraftaufwand erforderlich ist, um dieses Gleichgewicht zu
unterbrechen und um die Bewegung zu unterhalten; und zwar um so mehr, als die
Bewegung des beweglichen Tragpfeilers im Vergleiche mit jener, die der Wagen
innerhalb derselben Zeit vollbringt, nur eine langsame und wenig ausgedehnte ist,
und als der Mann nur in Zwischenzeiten und nach einiger Zeit Ruhe, zu arbeiten hat.
Ich glaube nicht, daß sich fuͤr eine Locomotion nach der hier angedeuteten
Methode fuͤglich eine andere, als die durch Menschen hervorgebrachte
Triebkraft benuzen laͤßt; bei ihr werden auch die Kosten uͤberall so
ziemlich gleich seyn, waͤhrend sie bei der Anwendung der Dampfkraft je nach
der groͤßeren oder geringeren Entfernung von Steinkohlengruben um das
Doppelte und Dreifache groͤßer seyn wuͤrden.
Ich kann ohne Huͤlfe einer Zeichnung nicht wohl eine genauere Beschreibung
meiner ganzen Vorrichtung geben; damit man sich jedoch einen Begriff von der
Geschwindigkeit der Communication machen kann, will ich hier jene Geschwindigkeiten
angeben, welche ich auf drei Haͤngeschienen von verschiedener Laͤnge
erzielte. Ich bemerke vorlaͤufig nur, daß sich diese Geschwindigkeiten
erhoͤhen oder mindern lassen, je nachdem der bewegliche Tragpfeiler mehr oder
minder schnell gehandhabt wird, und daß sie haͤuptsaͤchlich von der
Laͤnge der Haͤngecurven bedingt sind. Saͤmmtliche meiner drei
Schienen trugen ein gleiches Gewicht, und alle hatten sie auch einen und denselben
Pfeil von 1/2 Proc., der auf 1 1/2 Proc. verlaͤngert wurde.
Meine erste Schiene von 16 1/2 Meter Laͤnge wurde in 8 Secunden durchlaufen,
was einer Geschwindigkeit von 1 3/4 Meilen in der Zeitstunde entspricht; die zweite
wurde bei 33 1/2 Meter Laͤnge in 10 Secunden durchlaufen, und gab folglich
eine Geschwindigkeit von 3 Meilen in der Zeitstunde; die dritte endlich wurde bei
einer Laͤnge von 200 Metern in 24 Secunden durchlaufen, was einer
Geschwindigkeit von 7 1/2 Meile per Stunde entspricht.
Wollte man hienach Curven von 1000 Meter anwenden, so gaͤbe dieß eine
Geschwindigkeit von 19 bis 20 Meilen per Stunde: eine
Geschwindigkeit, die wirklich fuͤrchterlich waͤre, wenn sie nicht
mittelst des beweglichen Tragpfeilers gemaͤßigt werden koͤnnte.
Mein Apparat laͤßt sich nur dann gehoͤrig wuͤrdigen, wenn man
denselben arbeiten sieht, wo er dann durch seine Leichtigkeit, seine Festigkeit und
durch die Genauigkeit uͤberrascht, womit sich die Lasten bewegen, und selbst
dann uͤber die Koͤpfe der Tragpfeiler hinweg gleiten, wenn deren
Bewegung durch einen starken Wind von der Seite, der wegen des daraus folgenden
seitlichen Drukes auf die Schiene ein großes Hinderniß erzeugt,
beeintraͤchtigt wird. Ich kann hier auf keine Eroͤrterung der Details
und der Kosten meines Apparates eingehen, und eben so wenig kann ich mich auf eine
Beleuchtung der Vortheile und Nachtheile, welche natuͤrlich auch dieses
Communicationsmittel, wie jedes andere gewaͤhrt, einlassen; nur einige
Bemerkungen erlaube ich mir in dieser Hinsicht. Ein in die Augen springender
Vortheil ist der, daß hier nur so viel Grund und Boden angekauft zu werden braucht,
als zum Baue der Tragpfeiler erforderlich ist, und daß an die Stelle der
Expropriation nur eine einfache Entschaͤdigung fuͤr die Erlaubniß
laͤngs der Bahn uͤber den Grund und Boden gehen zu duͤrfen,
tritt. Alle Erdarbeiten fallen hier weg und eben so auch die Bruͤken, so daß
die Kunst nichts zu thun hat, als die zur Aufhaͤngung noͤthigen
unbedeutenden Bauten herzustellen. Den Haͤngeschienen so wie den Tragpfeilern
kann man alle Dimensionen von dem einfachen Eisendrahte an bis zur Eisenstange von
mehreren Centimetern im Gevierte geben, je nachdem es sich um Fortschaffung von
Lasten handelt, die nur einige Kilogramme betragen, oder deren Gewicht auf 50, 100,
200, 500, 1000, 2000 und mehr Kilogramme ansteigt. Die Haͤngeschienen lassen
sich demnach allen speciellen Zweken anpassen und so einrichten, daß deren Kosten
lediglich den auf ein Mal fortzuschaffenden Lasten entsprechen, waͤhrend die
Eisenbahnen in Hinsicht auf Material und Einrichtung keine Veraͤnderungen im
Baue gestatten.
Ich muß noch erinnern, daß alle Vorkehrungen getroffen sind, um von der geraden Bahn
abweichen und noͤthigen Falles ganz kurz unter einem rechten Winkel
abbeugen zu koͤnnen; auch ist fuͤr Platformen zum Aufladen, so wie
auch dafuͤr gesorgt, daß die Wagen leicht und schnell auf die Schienen
gebracht und darauf hinabrollen koͤnnen. Eben so koͤnnen
Abhaͤnge von 4 bis 5 Proc. zuruͤkgelegt werden, wenn man die
Aufhaͤngepunkte einander naͤhert, und wenn man jedem der auf einander
folgenden beweglichen Tragpfosten eine hoͤhere Bewegung nach Aufwaͤrts
gibt, als sie dem vorausgehenden Pfosten zukam.Es ist dieß eine Steigung, wie sie z.B. an einer Reihe auf einander folgender
Schleusen Statt findet.A. d. O.
Was die Kosten betrifft, so laͤßt sich ein Kilometer von staͤrkster
Dimension leicht fuͤr 30 bis 40,000 Fr. herstellen, also fuͤr weniger
als die wohlfeilsten aller Eisenbahnen kosten, die auf das Drei- und
Vierfache zu stehen kommen. Eben so berechnen sich die Kosten der Locomotion
niedriger als bei irgend einer anderen Methode. Wenn z.B. zwischen zwei großen
Staͤdten taͤglich 5 bis 6 Briefpostfelleisen hin und her gehen
solltenBabbage hat in seinem neuesten Werke, welches ich
erst nach Errichtung meines Apparates durch die von Biot dem Sohne veranstaltete Uebersezung kennen lernte, ein
aͤhnliches Communicationsmittel fuͤr Depeschen in Vorschlag
gebracht, doch scheint mir dieses weit weniger vorteilhaft und mehr
complicirt. Er schlaͤgt naͤmlich vor einen Eisendraht
uͤber Pfosten zu spannen, welche nur 100 bis 150 Fuß weit von
einander entfernt sind, und die zu beiden Seiten herabhaͤngenden
Depeschenbehaͤlter mittelst eines endlosen Taues und mittelst
Trommeln, die in Entfernungen von 3 bis 4 Meilen von einander angebracht
sind und von einem Menschen rasch in Bewegung gesezt werden, fort zu
bewegen. Die Nachtheile dieser Methode, bei welcher die Depeschen an jeder
Station losgemacht und neu eingehaͤngt werden muͤssen, sind so
auffallend, daß Hr. Biot mit Recht glaubt, daß
dieselbe langsamer, und ich moͤchte sagen auch noch kostspieliger
ist, als die englischen Malleposten, bei denen ein großer Theil der Kosten
durch die Reisenden gedekt wird.A. d. O., so koͤnnten die gegenwaͤrtigen Kosten dieser Postverbindung
die Kosten der Errichtung und des Betriebes einer Haͤngeschiene, welche eine
Last von 2 bis 2 1/2 Tonnen zu tragen vermag, deken; und dabei wuͤrden die
Briefe nicht nur wenigstens um das Fuͤnffache schneller an Ort und Stelle
gelangen, sondern die Communication bliebe nebenbei auch noch zu anderen Zweken
frei.
Wenn es dagegen allerdings richtig ist, daß eine derlei Schienenbahn zwischen je zwei
fixirten Tragpfeilern nur einen einzigen Wagen zu tragen vermag, und daß folglich
die Tonnenzahl weit beschraͤnkter ist, als auf einer gewoͤhnlichen
Eisenbahn, auf der man eine Last von 100 Tonnen und daruͤber mit einem Male
in Bewegung zu sezen im Stande ist; so darf man andererseits nicht vergessen, daß
auf den Haͤngeschienen die Transporte weit schneller auf einander folgen, und
daß folglich weit weniger Ueberladung und weit mehr Bequemlichkeit Statt finden
wird, als auf den gegenwaͤrtigen Eisenbahnen. Da es uͤberdieß bekannt ist, daß eines
der Haupthindernisse gegen die Errichtung von Eisenbahnen darin besteht, daß nur an
wenigen Orten ein solcher Verkehr besteht, als zur Dekung der Unkosten erforderlich
ist, so koͤnnen die Haͤngeschienen, deren Errichtungskosten sich weit
geringer berechnen, selbst an solchen Orten benuzt werden, an welchen man den
Eisenbahnen entsagen muß. Es duͤrfte zwar wahrscheinlich geraume Zeit
vergehen, bevor man sich zur Benuzung meines Systemes entschließen wird; ja man wird
dasselbe vielleicht anfaͤnglich auf dieselbe Weise behandeln, wie den
Vorschlag zur Anwendung der Dampfmaschine auf die Schifffahrt; allein welches
Urtheil man auch daruͤber faͤllen mag, so hoffe ich doch den Keim zu
einer neuen kuͤnftigen Locomotion, uͤber die ich demnaͤchst
eine ausfuͤhrlichere Abhandlung bekannt zu machen gedenke, gelegt zu haben.
Es wird mir immer zum großen Vergnuͤgen gereichen allen denen, welche mein
System zur einfachen Mittheilung von Depeschen, oder als Transportmittel, oder zum
Uebersezen uͤber Fluͤsse oder Thaͤler benuzen moͤchten,
alle Details der von mir angestellten Versuche und der dabei gemachten Erfahrungen
mitzuteilen.