Titel: | Ueber die Brodbereitung und über ein Verfahren, wonach sich erkennen läßt, ob und wie viel Kartoffelsazmehl in einem Weizenmehle enthalten ist. Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Boland, Bäkermeister in Paris. |
Fundstelle: | Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LXXI., S. 386 |
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LXXI.
Ueber die Brodbereitung und uͤber ein
Verfahren, wonach sich erkennen laͤßt, ob und wie viel Kartoffelsazmehl in einem
Weizenmehle enthalten ist. Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Boland, Baͤkermeister
in Paris.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Januar 1836, S. 19.
Boland, uͤber die Brodbereitung.
Das Mehl ist aus zwei Hauptbestandtheilen, dem Kleber und dem Staͤrkmehle,
zusammengesezt, und deren innige Verbindung ist zur Brodbereitung
unumgaͤnglich nothwendig.
„Dem Kleber, sagt Thénard, verdankt das
Mehl die Eigenschaft mit Wasser einen Teig zu bilden, und der Teig ist
eigentlich nur ein klebriges elastisches Gewebe aus Kleber, dessen Zellen mit
Staͤrkmehl, Eiweiß und Zuker erfuͤllt sind. Dem Kleber verdankt
der Teig aber ferner auch die Eigenschaft durch Zusaz von Hefen oder Ferment
aufzugehen; denn durch die Einwirkung des Gaͤhrungsstoffes auf den Zuker
des Staͤrkmehles entsteht allmaͤhlich eine geistige und saure
Gaͤhrung, in Folge deren sich Weingeist, Essigsaͤure und
kohlensaures Gas entwikeln. Das Gas dehnt sich aus; der Kleber leistet jedoch
Widerstand und dehnt sich wie eine Haut aus, bis er endlich nachgibt und dabei
eine große Menge kleiner unregelmaͤßiger Hoͤhlen, welche die
Leichtigkeit und Lokerheit des Brodes bedingen, bildet. Es folgt hieraus, daß
der Teig um so geschmeidiger und um so mehr im Stande seyn wird zu gehen, und
daß das Brod um so weißer und leichter werden wird, je mehr Kleber in dem Mehle
enthalten ist.“
Das quantitative Verhaͤltnis, in welchem der Kleber in dem Mehle enthalten
ist, ist nach der Natur und Beschaffenheit der Getreidearten sehr verschieden; die
Eigenschaften oder Charaktere desselben sind gleichfalls nach der Art und Weise, auf
welche das Getreide gemahlen wurde, verschieden. Der Kleber muß, wenn die zur
Brodbereitung guͤnstigsten Verhaͤltnisse vorhanden seyn sollen, nicht
bloß in gehoͤriger Quantitaͤt in dem Mehle enthalten seyn, sondern er
muß auch klebrig und elastisch seyn: und dieß haͤngt von der Guͤte der
Mahlmethode ab. Ist das Mehl schlecht gemahlen, so wird der Kleber koͤrnig,
er verliert seine Elasticitaͤt und damit einen Theil der zur Brodbereitung
erforderlichen Eigenschaften; denn er bietet in diesem Falle dem bei der
Gaͤhrung entbundenen kohlensauren Gase nicht mehr hinreichenden Widerstand
dar, so daß das Brod fest und schwer bleibt, gleichsam als waͤre das Mehl nur
aus Staͤrkmehl bestanden.
Das Brod wird um so leichter, je mehr Kleber darin enthalten ist, und je mehr
Elasticitaͤt dieser besizt; d.h. je mehr Widerstand der Gasentwikelung
geleistet wird, um so zahlreicher und groͤßer werden die in dem Brode sich
bildenden Zellen. Ein Mehl, welches wenig Kleber und viel Staͤrkmehl
enthaͤlt, kann daher nur ein schweres, flaches, festes Brod geben, weil der
Widerstand, d.h. der Kleber, im Verhaͤltnisse der Zunahme der gaserzeugenden
Elemente, naͤmlich des Staͤrkmehles und des Zukers abnahm. Dieß
geschieht nun auch, wenn dem Weizenmehle Kartoffelsazmehl zugesezt wird.
Man hat in lezterer Zeit haͤufig einen solchen Zusaz versucht; d.h. man hat
das Weizenmehl mit dem siebenten Theil Kartoffel- oder Reißmehl zu versezen
gesucht. Die damit erzielten Resultate bestaͤtigten jedoch vollkommen das
oben Gesagte.
Der Unterschied in dem Klebergehalte des Mehles wechselt beinahe um 13 Proc.; der
Zusaz von Kartoffelsazmehl muͤßte demnach in diesem Verhaͤltnisse
geschehen, wenn man ein an Kleber reiches Mehl von erster Qualitaͤt in ein
kleberarmes Mehl von der schlechtesten Qualitaͤt verwandeln wollte. Da nun
aber schlechtes Mehl ohnedieß weit haͤufiger im Handel vorkommt als gutes, so
folgt hieraus, daß wenn solchem schlechten Mehle nur ein Zehntheil Kartoffel-
oder Reißmehl zugesezt wird, damit keine Brodbereitung mehr wohl moͤglich
ist, oder daß das damit erzeugte Brod schwer, flach und naß seyn wird.
Man hat behauptet, daß man auf diese Weise eine groͤßere Menge Brod erzeugen
koͤnne, indem das Kartoffel- und Reißmehl in einen Brei verwandelt
weit mehr Wasser aufnehmen. Es ist aber unmoͤglich das Weizenmehl in einen
Brei zu verwandeln ohne den Kleber zu zersezen; das kalte Wasser des Teiges ist
nicht im Stande die Staͤrkmehltheilchen zu durchdringen; es fixirt sich nur
an ihnen, um die Bestandtheile des Mehles mit einander zu verbinden. Wird der Teig
in den Ofen gebracht, so erleidet er eine Temperatur, welche mehr als hinreichend
ist, um die Staͤrkmehltheilchen bersten zu machen, und sie, nachdem sie sich
mit dem Wasser verbunden, in einen Brei zu verwandeln, bevor das Brod den festen
Zustand erlangt hat. Das Staͤrkmehl mag daher vor dem Kneten oder erst im
Ofen in Brei verwandelt werden, so wird der Erfolg immer derselbe seyn.
Der Kleber allein saugt Wasser ein und dient dem benezten Staͤrkmehle als
Huͤlle, denn ohne ihn bekaͤme das Sazmehl nicht die geringste
Consistenz, so daß es wie Koch aus einander rinnen wuͤrde. Je mehr Kleber in
dem Teige enthalten ist, um so mehr Festigkeit wird diese Huͤlle bekommen,
und um so mehr Wasser wird auch eingesogen werden. Dieser Teig wird aber dennoch im
Ofen weit schneller ausgebaken seyn, weil der Waͤrmestoff in die sich
bildenden Hoͤhlen
eindringt und sich darin fixirt; zugleich wird aber auch die Verduͤnstung
geringer seyn.
Ist hingegen wenig Kleber in dem Mehle enthalten, oder wurde demselben
Kartoffel- oder Reißmehl zugesezt, so kann die Kleberhuͤlle nur mehr
dann das befeuchtete Sazmehl in sich fassen, wenn man den Teig diker macht, und wenn
derselbe folglich weniger Wasser eingesogen hat. Bringt man solchen Teig in den
Ofen, so bilden sich kaum Hoͤhlen darin, sondern saͤmmtliche Theile
bleiben mehr oder weniger zusammenhaͤngend, die Masse wird nur nach einer
großen Verduͤnstung von Wasser fest oder ausgebaken, und man erhaͤlt
nur ein flaches, nasses, schlechtes Brod. Es ist demnach hergestellt, daß durch
Versezung des Mehles mit fremdartigen, keinen Kleber enthaltenden Substanzen nicht
nur dessen Ertrag an Brod, sondern auch seine zur Brodbereitung erforderlichen
Eigenschaften geschwaͤcht werden.
Der Kleber zerfaͤllt in zwei ungleiche Theile, von denen jeder eine
eigenthuͤmliche Beschaffenheit besizt: der eine ist elastisch, der andere
koͤrnig oder getheilt (divizé). Die
Eigenschaften des elastischen Klebers wurden bereits weiter oben angegeben; jene des
koͤrnigen hingegen sind noch nicht gehoͤrig untersucht, obwohl er eine
nicht minder wichtige Rolle bei der Brodbereitung spielt. Durch seine Verbindung mit
dem Staͤrkmehle und dem Zukerstoffe entsteht die Gaͤhrung, zu welcher
der elastische Kleber nichts beizutragen hat: denn eine zu weit fortgeschrittene
Gaͤhrung zersezt denselben und benimmt ihm seine Elasticitaͤt oder
Klebrigkeit, ohne die sich der Teig nicht entwikeln kann.
Das Mahlen des Getreides veraͤndert die quantitativen Verhaͤltnisse
dieser beiden Arten von Kleber: wird es zu rasch betrieben, so zersezt die
Waͤrme, die durch die Reibung oder durch die Geschwindigkeit der
Muͤhlsteine dem Mehle mitgetheilt wird, einen Theil des elastischen Klebers,
um ihn in koͤrnigen Kleber zu verwandeln. Wuͤrde das Mehl nicht
alsogleich durch eigene Verfahrungsweisen abgekuͤhlt, so wuͤrde sich's
in Folge der beinahe unmittelbar eintretenden Gaͤhrung ballen (peloter), was seiner Qualitaͤt großen Eintrag
thun wuͤrde. Dieser Unfall ereignet sich oͤfter an heißen Sommertagen,
an welchen die Abkuͤhlung nicht gehoͤrig von Statten geht.
Es ist hienach ein Leichtes die Grundsaͤze oder Principien der Brodbereitung
aufzustellen. – Das Mehl bildet durch seine Verbindung mit dem Wasser den
Teig. Aus der Zersezung des koͤrnigen Klebers, des Staͤrkmehles und
des Zukers beginnt eine langsame Gaͤhrung, welche im Verhaͤltnisse der
Quantitaͤt Gaͤhrungsstoff, die dem Teige zugesezt worden ist,
allmaͤhlich zunimmt. Das sich hiebei entwikelnde kohlensaure Gas macht den
Teig etwas emporgehen, und bereitet hiedurch den elastischen Kleber zur Ausdehnung
vor. Die hohe Temperatur des Ofens erzeugt dann ploͤzlich eine so heftige
Gasentwikelung, daß der elastische Kleber so weit ausgedehnt wird, daß er endlich
nachgeben muß; und hiedurch entstehen, wie Thénard
sagt, die vielen, mehr oder minder großen Zellen, welche man in dem Brode
bemerkt.
Da die Gaͤhrung demnach das Grundprincip der Brodbereitung bildet, so ist die
gehoͤrige Leitung derselben von hoͤchster Wichtigkeit; denn ist sie
nicht weit genug fortgeschritten, so erzeugt sie nicht so viel Gas, als
noͤthig ist um den elastischen Kleber gehoͤrig zu heben, und das Brod
bleibt flach und fest. Ist sie hingegen zu weit gediehen, so zerstoͤrt sie
den elastischen Kleber; sie benimmt ihm seine Klebrigkeit, und das Brod wird nicht
bloß noch fester, sondern es bekommt zugleich auch einen unertraͤglichen
sauren Geschmak.
Es waͤre nichts leichter als die Brodgaͤhrung zu reguliren, wenn hiezu
ein Abmessen der organischen Stoffe, des Mehles und der Temperatur des Wassers
genuͤgen wuͤrde. Man brauchte dann fuͤr ein kleberreiches Mehl
nur viel Hefen und warmes Wasser zu nehmen, weil der Widerstand des Klebers zur
Verhinderung des Entweichens der Kohlensaͤure hinreicht; waͤhrend
fuͤr ein kleberarmes Mehl wenig Hefen und beinahe kaltes Wasser zur
Beschleunigung der Gaͤhrung ausreichen wuͤrden, indem, wenn die
gasartigen Elemente in Folge des Ueberschusses an koͤrnigem Kleber und an
Staͤrkmehl ohnedieß schon zu haͤufig vorhanden sind, bei einer
weiteren Vermehrung derselben durch die geringe Menge des vorhandenen elastischen
Klebers nur ein schwacher Widerstand geleistet werden koͤnnte.
Allein auf welche Weise kann man sich von den gaͤhrungsfaͤhigen
Bestandtheilen der Hefen, welche in's Unendliche wechseln, und von dem Grade der
Gaͤhrung des dem Teige zugesezten Gaͤhrungsstoffes Kenntniß
verschaffen? Die Routine oder die Erfahrung allein leitete bisher den Baͤker
in dieser Beziehung; sie reicht jedoch nicht aus, besonders wenn eine
ploͤzliche Veraͤnderung der Temperatur eine unmittelbare
Veraͤnderung in dem Gaͤhrungsstoffe veranlaßt, und wenn erst nach
einigen Tagen Muͤhe und fortgesezter Beobachtung das Gleichgewicht wieder
hergestellt werden kann.
Es ist sowohl durch die Erfahrung, als durch die oben angedeuteten Theorien erwiesen:
1) daß jenes Mehl, welches am reichsten an elastischem Kleber ist, die besten
Elemente zu einer guten Brodbereitung enthaͤlt; und 2) daß jeder Zusaz von
fremdartigen Substanzen, welche die relative Quantitaͤt des Klebers
vermindern, einen sowohl dem Baͤker als dem Consumenten nachtheiligen Betrug
bedingt. Unter allen Arten von Saz- oder Staͤrkmehl hat das aus den Kartoffeln gewonnene
bisher allein die Habsucht der Muͤller angeregt, und zwar um so mehr, als es
nicht moͤglich ist die Gegenwart desselben im Weizenmehle zu ermitteln, und
als man es zu gewissen Zeiten leicht zu sehr niedrigen Preisen haben kann. Die
Gegenwart der uͤbrigen Sazmehlarten erkennt man leicht aus dem unangenehmen
Geschmake, den sie namentlich dem Brode mittheilen. Eine Aufgabe fuͤr den
Beobachter ist es noch ein Mittel ausfindig zu machen, womit man die
Verfaͤlschung des Weizenmehles mit Kartoffelstaͤrkmehl und die
Quantitaͤt des geschehenen Zusazes erkennen kann; und da uns hiebei die
Theorie verlaͤßt, so koͤnnen uns nur beharrlich fortgesezte Versuche
zu einem allenfallsigen Resultate fuͤhren. Ich habe folgendes Verfahren
befolgt.
Man muß zuerst die Qualitaͤt des Mehles erforschen, indem man den Kleber auf
die gewoͤhnliche Weise von dem Staͤrkmehle abscheidet. Ich nehme zu
diesem Zweke 20 Gramm Mehl, mache damit einen Teig an, der weder zu fest noch zu
weich ist, und knete diesen Teig in der hohlen Hand unter Zufluß eines feinen
Wasserstroͤmchens ab. Unter die Hand muß hiebei ein kegelfoͤrmiges
Gefaͤß oder eine Art von Kelchglas, uͤber dem sich ein kleines Sieb
befindet, gesezt werden: ersteres dient zur Aufnahme des Waschwassers, welches das
Staͤrkmehl mit sich fortfuͤhrt, lezteres hingegen zur Aufnahme des
koͤrnigen Klebers, der von der schlechten Mahlmethode herruͤhrt. Wenn
das Waschwasser klar abfließt, so bleibt in der Hand als Ruͤkstand der reine
elastische Kleber zuruͤk, welcher gewogen werden muß.
Das in dem kegelfoͤrmigen Gefaͤße enthaltene Waschwasser laͤßt
man beilaͤufig eine Stunde lang ruhig stehen, wo sich dann in dem unteren
Theile des Gefaͤßes ein Bodensaz bildet, der nicht getruͤbt werden
darf, weßwegen man die uͤber ihm stehende klare Fluͤssigkeit mit einem
Heber abnimmt. Zwei Stunden spaͤter saugt man dann mit einer
Saugroͤhre die Fluͤssigkeit auf, die sich neuerdings uͤber dem
Bodensaze angesammelt hat. Untersucht man hierauf diesen Bodensaz, so wird man
finden, daß er zwei Schichten bildet, von denen die obere grauliche aus
koͤrnigem, nicht elastischem Kleber, die untere von matter weißer Farbe
hingegen aus reinem Staͤrkmehle besteht. Wenn man den koͤrnigen Kleber
nach einiger Zeit mittelst eines Loͤffelchens ganz oder zum Theil abnimmt, so
deutet ein Widerstand, den man nicht zu uͤberwinden suchen soll, die
Staͤrkmehlschichte an, die man vollkommen troken und fest werden lassen soll.
In diesem Zustande, der gewoͤhnlich nach 12 Stunden eintritt, loͤst
man das Staͤrkmehl in Masse von dem Glase ab, indem man den Finger rings herum aufstemmt,
bis der Kegel, dessen Form man beizubehalten sucht, nachgibt.
Das Kartoffelstaͤrkmehl, welches seiner Schwere wegen zuerst zu Boden gefallen
ist, befindet sich an dem oberen Ende des Kegels, kann aber in der vollkommen
gleichfoͤrmigen Masse weder durch die Luppe noch durch das Mikroskop, sondern
nur durch ein Reagens erkannt werden, welches auf alle Sazmehlarten
gleichmaͤßig wirkt. Dieses Reagens ist das Jod, welches bekanntlich die
Eigenschaft hat, alle staͤrkmehlartigen Substanzen dunkelblau zu
faͤrben, mit Ausnahme jedoch des Umstandes, der diesem Verfahren zum Grunde
liegt.
Das Kartoffelsazmehl, welches in kaltem Wasser unaufloͤslich ist, nimmt, wenn
man es in einer achatenen Schaͤle abreibt, und wenn man dessen
Aufloͤsung filtrirt, durch Zusaz von concentrirter Jodtinctur eine
dunkelblaue Farbe an. Unterwirft man dagegen eine Aufloͤsung von
Weizenstarkmehl derselben Probe, so entsteht kaum eine sehr schwache gelbliche
Faͤrbung, welche sogleich wieder verschwindet, waͤhrend zur
Entfaͤrbung des Kartoffelsazmehles mehrere Tage noͤthig sind.
Wenn man daher von dem oberen Ende des Kegels mit einem Messer einen Gramm
Staͤrkmehl oder beilaͤufig den zwanzigsten Theil des Mehles, welches
man zu dem Versuche genommen, abhebt, um es dem angegebenen Versuche zu unterwerfen,
so wird die dunkelblaue Faͤrbung, welche sogleich entstehen wird,
zuverlaͤssig die Gegenwart von Kartoffelsazmehl andeuten. Einen Beweis
dafuͤr, daß kein solches Sazmehl mehr unter die kegelfoͤrmige Masse
gemengt ist, erhaͤlt man, wenn man von demselben abgestuzten Kegel eine
zweite Staͤrkmehlschichte abnimmt, und wenn man mit dieser keine blaue
Faͤrbung mehr erhaͤlt. Waͤre dieß der Fall, so waͤre
offenbar ein Ueberschuß von Kartoffelsazmehl vorhanden, und unter diesen
Umstaͤnden muͤßte man dann den Versuch so lange fortsezen, bis keine
solche Faͤrbung mehr Statt findet.
Die Zahl der Versuche, welche man anzustellen hat, um die dem Mehle zugesezte
Quantitaͤt Staͤrkmehl beilaͤufig schaͤzen zu
koͤnnen, ist nicht sehr bedeutend. Die Muͤller finden erst bei einem
Zusaz von 10 Proc. Staͤrkmehl ein Interesse zu verfaͤlschen, und
wollten sie die Faͤlschung bis auf 30 Proc. treiben, so waͤre gar
keine Brodbereitung mehr moͤglich. Man hat daher nur Zusaͤze von 10
bis 25 Proc. zu studiren, und diese zu Fuͤnftheilen anzugeben;
uͤbrigens laͤßt sich nach diesem Verfahren auch die Gegenwart der
geringsten Menge Staͤrkmehl, selbst unter 5 Proc. erkennen.
Wenn man von dem Starkmehlkegel nach einander 5 Schichten, jede zu einem Gramm
abnimmt, um sie der Reihe nach auf die oben angegebene Weise zu untersuchen, so wird die blaue
Faͤrbung, welche der Versuch zeigt, positiv den Zusaz von 5 Proc.
Kartoffelstaͤrkmehl per Schichte andeuten.
Man muß hiebei immer genau auf dieselbe Weise und mit den oben angegebenen
Instrumenten arbeiten, weil sonst die Resultate so wandelbar werden wuͤrden,
daß der Beobachter nothwendig in vollkommenen Irrthum gerathen muͤßte. Man
darf keine andere, als eine achatene Reibschale anwenden. Der in dem
kegelfoͤrmigen Glase entstandene Bodensaz darf zum Behufe eines schnelleren
Abtroknens durchaus keiner hoͤheren Temperatur ausgesezt werden; denn eine
hoͤhere Temperatur, bei der die Starkmehle aufgeloͤst werden, und eine
beginnende Gaͤhrung bewirken eine solche Identitaͤt der verschiedenen
Starkmehlarten, daß sie sich durchaus nicht mehr von einander unterscheiden lassen.
Ferner muß man immer unter denselben Umstaͤnden und mit denselben
Quantitaͤten arbeiten.
Um das ganze Verfahren kurz zu wiederholen, laͤßt sich dasselbe folgender
Maßen zusammenfassen. Man muß den Kleber von dem Staͤrkmehl trennen und ihn
waͤgen. Man muß den Bodensaz, der sich in dem kegelfoͤrmigen
Gefaͤße bildet, nach dem Abgießen des Wassers ruhen und troknen lassen, um
ihn dann in Masse abzunehmen, wobei seine kegelfoͤrmige Gestalt nicht
beeintraͤchtigt werden darf. Von diesem Kegel muß man von Oben angefangen 5
Schichten jede zu einem Gramm abnehmen, und jede derselben muß, nachdem sie
vollkommen troken geworden ist, einzeln gepuͤlvert werden. Man muß zuerst die
erste Schichte oder einen Theil derselben in einer achatenen Reibschale abreiben,
und zwar anfangs mit einem trokenen, dann aber mit einem etwas befeuchteten
Laͤufer und unter allmaͤhlichem Zusaze von Wasser bis zu vollkommen
erfolgter Aufloͤsung. Diese Aufloͤsung muß man durch Papier filtriren,
und in das Filtrat muß man dann einen in concentrirte Jodtinctur getauchten Glasstab
bringen. Die dunkelblaue Farbe, welche sich beim Umruͤhren mit dem Glasstabe
sogleich zeigen wird, wird die Gegenwart von Kartoffelstaͤrkmehl andeuten;
und jede Schichte, welche diesem Versuche unterworfen wird, und welche dasselbe
Resultat liefert, wird einen Zusaz von 5 Proc. Staͤrkmehl in den dem Versuche
unterworfenen 20 Gramm Mehl anzeigen. Ist das Mehl rein, so wird ihm durch das Jod
nur eine sehr schwache gelbliche Faͤrbung, die nach einigen Minuten wieder
verschwindet, mitgetheilt.
Anhang.
Wir fuͤgen der Abhandlung des Hrn. Boland auch noch
die Berichte bei, welche Hr. Gautier de Claubry am
Schluͤsse des vorigen Jahres der Société
d'encouragement uͤber die Resultate der Preisaufgaben erstattete,
die sie bekanntlich fuͤr Auffindung eines Verfahrens zur Entdekung der
Verfaͤlschung des Getreidemehles mit Kartoffelstaͤrkmehl und
fuͤr Erfindung einer Methode mit Kartoffelstaͤrkmehl ein gut
gegangenes Brod zu erzeugen, ausgeschrieben hatte. Wir beginnen mit dem ersteren
dieser beiden Concurse, bei welchem sich 6 Preisbewerber gemeldet hatten, unter
denen Hr. Boland der ausgezeichnetste war. Der Bericht
sagt in Hinsicht auf sein oben angegebenes Verfahren:
„Hr. Boland hat wichtige Beobachtungen
uͤber den Kleber angestellt, und nachgewiesen, daß diese Substanz nicht
immer in einem und demselben Zustande in dem Mehle enthalten ist, und daß von
diesem Zustande die Eigenschaft des Aufgehens des Teiges abhaͤngt. Um
sich von der Beschaffenheit des Klebers, der sehr elastisch und nicht klebrig
seyn muß, zu uͤberzeugen, bringt ihn der Concurrent, nachdem das Brod aus
dem Ofen genommen worden ist, in diesen; der Kleber blaͤht sich unter
diesen Umstaͤnden auf und bildet eine poroͤse, aͤußerst
leichte Masse, aus deren Umfang und Dichtheit man schließen kann, welche
Eigenschaften er dem Mehle, in welchem er enthalten war, mittheilt.“
„Der Concurrent bedient sich seit mehreren Jahren der von ihm angegebenen
Mittel zur Pruͤfung der Qualitaͤt saͤmmtlicher Mehle,
welche er kauft. Er ist unter allen Pariser Baͤkern der erste, der einen
solchen Gang eingeschlagen hat: einen Gang, den die Commission nach den von ihr
angestellten Beobachtungen allgemeiner befolgt zu sehen wuͤnscht, um in
einer fuͤr die ganze Bevoͤlkerung so wichtigen Angelegenheit, bei
welcher so viele Betruͤgereien vorkommen, das bisher uͤbliche vom
Zufalle abhaͤngende Herumtappen der Baͤker zu verbannen. Hr. Boland war der Commission schon fruͤher bei
ihren Untersuchungen mit groͤßtem Eifer dienstbar, so wie er denn auch
bei allen von den Verwaltungsbehoͤrden angestellten Pruͤfungen
immer sich und seine Baͤkerei zur Disposition stellte; die Commission
hatte Gelegenheit sich hiebei von den Vortheilen des Verfahrens des Hrn. Boland zu uͤberzeugen, bevor sich derselbe
noch unter die Concurrenten gereiht hatte. Wenn sein Verfahren demnach auch
nicht die Vollkommenheit besizt, daß ihm der ausgeschriebene Preis zuerkannt
werden kann, so glaubt die Commission doch vorschlagen zu muͤssen, Hrn.
Boland durch Ertheilung der goldenen Medaille
zweiter Classe die Anerkennung seiner Verdienste von Seite der Gesellschaft zu
bezeugen.“
Ueber die fuͤnf uͤbrigen Concurrenten sagt der Berichterstatter im
Wesentlichen Folgendes: Der Concurrent Nr. 2 hat dieß Mal eigentlich nur einen leichten Irrthum, der sich
in seine ein Jahr fruͤher eingereichte Abhandlung eingeschlichen hat,
verbessert. Sein Verfahren besteht darin, daß er das Weizenmehl mit einer bestimmten
Quantitaͤt Wasser anruͤhrt und nach 6 Stunden Ruhestand die
Hoͤhe des Bodensazes bemerkt; daß er dann auf gleiche Weise mit
Staͤrkmehl verfaͤhrt, und endlich aus dem Unterschiede im Volumen die
Beschaffenheit eines jeden aus Mehl und Staͤrkmehl bestehenden Gemenges
bestimmt. Fuͤr Gemenge, welche ein Fuͤnftheil Staͤrkmehl
enthalten, reicht dieses Verfahren allerdings aus; keineswegs aber fuͤr
solche, in welchen das zugesezte Starkmehl nur 5 bis 6 Proc. betraͤgt. Da es
sich nun hauptsaͤchlich um ein Pruͤfungsmittel handelt, womit man
einen unter 10 Proc. betragenden Zusaz erkennen kann, da sich groͤßere
Zusaͤze bei der Brodbereitung selbst schon hinlaͤnglich kund geben, so
kann das von diesem Concurrenten angedeutete Verfahren nicht genuͤgen.
Der Concurrent Nr. 3 hat keine Abhandlung eingesandt, sondern nur mehrere Versuche
vor einigen Mitgliedern der Commission angestellt. Es ging daraus hervor, daß seine
Methode besser als die bisher bekannten ist, indem man mit ihr erkennen kann, ob ein
Mehl einen Staͤrkmehlzusaz enthaͤlt oder nicht; leider laͤßt
sie jedoch bisher noch keine genaue quantitative Bestimmung des Zusazes zu.
Der Concurrent Nr. 4 schlug vor das der Faͤlschung verdaͤchtige Mehl
mit Jodtinctur zu behandeln, und den Ruͤkstand dann mit Ammonium in
Beruͤhrung zu bringen. Ist das Mehl rein, so entfaͤrbt sich der
Niederschlag gaͤnzlich; ist es hingegen verfaͤlscht, so bildet es zwei
Schichten, von denen die untere koͤrnig und schwach blau gefaͤrbt
erscheint, waͤhrend sich die obere flokige spaͤter abscheidet und weiß
bleibt. Auf welche Weise die relativen Verhaͤltnisse des
Staͤrkmehlzusazes bestimmt werden sollen, gibt der Concurrent nicht an, so
daß auch dieses Verfahren den Anforderungen nicht entspricht, obschon es vielleicht
dennoch zu einigen wesentlichen Resultaten fuͤhren duͤrfte.
Der Concurrent Nr. 5 glaubt, daß einige physische Merkmale, wie z.B. das
Gefuͤhl und das Auge, in den meisten Faͤllen zur bestimmten Erkennung
der Gemenge hinreichen duͤrften. Das eigenthuͤmliche Geraͤusch,
welches man bemerken kann, wenn man Staͤrkmehl mit Gewalt auf
gluͤhende Kohlen wirft, genuͤgt nach seiner Ansicht um dessen
Gegenwart in dem Weizenmehle zu erkennen. Ohne diese Unterschiede laͤugnen zu
wollen, glaubt die Commission dennoch, daß dieselben keineswegs genuͤgen, um
uͤber das Vorhandenseyn fremdartiger Zusaͤze mit Bestimmtheit
absprechen zu koͤnnen; und was vollends die Erkenntnis durch das Gesicht
betrifft, so wurde bereits fruͤher nachgewiesen, daß diese beinahe
unmoͤglich wird, wenn man das Gemenge noch ein Mal durch die Muͤhle
laufen ließ. In dem zweiten Theile seiner Abhandlung schlaͤgt dieser
Concurrent vor die Quantitaͤt des Zusazes durch das Gewicht eines bestimmten
Volumens Mehl zu ermitteln. Dieses Verfahren ist jedoch, wie schon oͤfter
dargestellt worden, zu vielen Irrthuͤmern ausgesezt, als daß es sich in
Anwendung bringen ließe.
Der Concurrent Nr. 6 endlich will gleichfalls, daß man sich des vergleichsweisen
Gewichtes der Gemenge bediene, und daß die Gesellschaft ein Eichmaaß herstelle,
welches bei Handelsabschluͤssen als Basis zu dienen hat.
Was die Auffindung eines Verfahrens betrifft, wonach man mit Kartoffelstarkmehl ein
Brod bereiten kann, welches eben so gut aufgeht, wie das aus Weizenmehl bereitete,
so haben sich 4 Bewerber um den darauf gesezten Preis gemeldet. Der erste derselben
hat sich auf Angabe einer Methode Brod aus gekochten und in Brei verwandelten
Kartoffeln zu bereiten beschrankt, und zwar ohne alle Angabe der
Mischungsverhaͤltnisse.
Der zweite beschrieb mit Sorgfalt das Verfahren, nach welchem er aus einem Mehle, dem
1/7 Reiß zugesezt worden ist, ein Brod bereitet, welches eben so gut aufgeht, wie
das aus reinem Weizenmehle bereitete. Zahlreiche vor der Commission und dem Conseil de Salubrité angestellte Versuche
bewiesen allerdings, daß dieses Brod leicht ist, und alle physischen Kennzeichen
eines guten Brodes darbiete; allein es zeigte sich zugleich auch, daß es viel mehr
Wasser enthaͤlt als das Weizenbrod. Es waͤre daher zu ermitteln, ob es
dieselbe Naͤhrkraft besizt, wie das Weizenbrod; die Commission kann sich
hievon nicht uͤberzeugen, obschon der Preisbewerber das Gegentheil behauptet.
Lezterer schließt daraus, daß das Wasser von dem Reißbrode viel staͤrker
zuruͤkgehalten wird, daß diese Fluͤssigkeit in einem anderen Zustande
darin enthalten ist; der Commission hingegen erscheint dieß leicht
erklaͤrlich. Das Sazmehl, dessen Koͤrner ganz sind, kann nur durch
Einsaugung und in einem geringen Verhaͤltnisse Wasser absorbiren; bringt man
die Koͤrner hingegen durch die Einwirkung der Waͤrme zum Bersten, so
verbinden sie sich auf eine ganz andere Weise mit dem Wasser, und wird das Sazmehl
dann in diesem Zustande mit dem Mehle vermengt, so muß es nothwendig eine weit
groͤßere Menge Wasser zuruͤkhalten.
Uebrigens ist das von diesem Concurrenten empfohlene Verfahren nicht neu, sondern
dasselbe, welches Lefebvre und Gannal vor einigen Jahren schon bei der Bereitung des Kartoffelbrodes, welches sie der Akademie
und mehreren Gesellschaften vorlegten, befolgten, und nach welchem ein Theil des
Sazmehles, welches zur Brodbereitung verwendet werden soll, gekocht und dann als
Kleister mit der uͤbrigen Masse vermengt wird. Colquhoun und Pleischl erhielten nach demselben
Verfahren gleichfalls ein gut aufgegangenes Brod.
Der Concurrent uͤberlaͤßt sich uͤbrigens, uͤberzeugt von
der Wichtigkeit seines Verfahrens, mehreren Spekulationen, die uns sehr gewagt
scheinen, und von denen wir nur ein Beispiel anfuͤhren wollen. Er nimmt an,
daß das Staͤrkmehl der hauptsaͤchlich naͤhrende Bestandtheil in
den Getreidesamen ist (was mit den Resultaten der von Magendie und anderen Physiologen angestellten Versuchen im direkten
Widerspruche steht), und vergleicht hienach den Nahrungsstoff des Reißes mit jenem
des Weizens nach dem Staͤrkmehlgehalte dieser beiden Getreidearten. Da nun
der Weizen hoͤchstens 71, der Reiß hingegen 97 Proc. Staͤrkmehl
enthaͤlt, so zieht er hieraus den Schluß, daß das Reißbrod um ein Viertheil
mehr Naͤhrkraft besizt, als das Weizenbrot). Ohne hier in die Frage der
Naͤhrkraft der stikstoffhaltigen Substanzen eingehen zu wollen, bemerken wir
bloß, daß der Concurrent des Klebers, der doch eine unbestreitbare Naͤhrkraft
besizt, gar nicht erwaͤhnt, und daß diese Substanz in trokenem Zustande
genommen im Durchschnitte zu einem Zehntheile, in feuchtem Zustande genommen
hingegen zu einem Fuͤnftheile in dem Weizenmehle enthalten ist. Man wird sich
hienach nicht wundern, wenn der Concurrent glaubt, daß die Stadt Paris allein durch
die Annahme des Reißmehles eine Ersparniß von jaͤhrlich 19,519,375 Fr. machen
koͤnnte; daß sich diese Ersparniß fuͤr die Haͤlfte von
Frankreich auf 390,387,500 Fr. belaufen wuͤrde; und daß 1,160,700 Hect.
Akerland dem Getreidebau entzogen und in kuͤnstliche Wiesen verwandelt werden
koͤnnten. Alle diese Berechnungen waͤren nur dann von Werth, wenn sich
auf zuverlaͤssige Weise herstellen ließe, daß das Reißbrod eben so nahrhaft
ist als das Weizenbrod, was uns als eine Unmoͤglichkeit erscheint.
Der dritte Concurrent arbeitete mit zu kleinen Quantitaͤten, als daß sich
daraus ein Schluß ziehen ließe. Eine der von ihm angegebenen Formeln ist z.B.
Mehl
2 Unzen
Zuker
30 Gran.
Hausenblase in Gallertform
40 Gran.
Salz
20 Gran.
Weizenhefen und laues Wasser so
viel als noͤthig.
Der vierte Concurrent wollte beweisen, daß man mit Vortheil Brod bereiten kann, wenn man dem
Mehle den siebenten Theil Kartoffelstaͤrkmehl zusezt. Das von ihm hiebei
eingeschlagene Verfahren ist dasselbe, welches bereits von den HH. Gannal und Lefebvre befolgt
worden, und von welchem schon oben die Sprache war. Die von dem Conseil de Salubrité hieruͤber
angestellten Versuche bewiesen jedoch, daß man von dem, was der Concurrent erreicht
zu haben glaubt, noch gar weit entfernt ist.
Die Gesellschaft beschloß hienach die Ertheilung beider Preise auf das Jahr 1836 zu
verschieben.