Titel: | Ueber die Verfälschungen des Orleans und die Prüfung der Güte desselben, von Girardin. |
Fundstelle: | Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LXXXIX., S. 457 |
Download: | XML |
LXXXIX.
Ueber die Verfaͤlschungen des Orleans und
die Pruͤfung der Guͤte desselben, von Girardin.
Im Auszuge aus dem Journal de Pharmacie. Maͤrz 1856,
S. 101.
Girardin, uͤber die Verfaͤlschung des Orleans
etc.
Der Orleans wird bekanntlich aus dem die Samen der Bixa
Orellana umhuͤllenden zinnoberrothen Fleische bereitet. Wir erhalten
ihn aus Mexico,
Brasilien, den Antillen, vorzuͤglich aber aus Cayenne als einen in Brode von
5–8 Kilogramm geformten Teig. Diese Brode sind in Bananen- und
Rohrblaͤtter eingewikelt und in Originalfaͤsser oder auch in
Weinfaͤsser von Bordeaux und la Rochelle fest eingestampft; ein solches Faß
wiegt 200–250 Kilogr.; zuweilen kommen aber auch groͤßere, nicht von
Blaͤttern umwikelte Massen vor.
Der Verbrauch dieses Farbstoffs ist nicht bedeutend, weil die damit erzielten Farben
ziemlich unsolid sind. Man faͤrbt mit ihm Seide, seltener Leinewand und
Baumwolle, morgenroth und orange, und besonders auch Baumwolle falsch rostgelb. Da
aber die Farben, welche der Orleans liefert, sehr lebhaft sind, so gebraucht man ihn
haͤufig zum Nuͤanciren oder Beleben mehrerer sowohl achter als
falscher Farben, z.B. um das Waugelb zu erhoͤhen, ferner um Seide, Baumwolle
und Leinewand, die mit Cochenille ponceau, kirschroth, fleischfarben etc.
gefaͤrbt werden sollen, einen Grund zu geben. In den Kattundrukereien wird er
gegenwaͤrtig zu Dampforange auf Baumwolle und Seide, so wie auf Chalys (aus
Wolle und Seide verfertigten Zeugen) haͤufig benuzt.
Der Mittelpreis des Orleans ist 60–75 Centimen fuͤr 1/2 Kilogr.; zieht
man aber davon den Zoll, die Fracht, die Verpakungskosten und die Provision des
Kaufmanns, ab, so bleiben nur 15 bis 20 Centimen als Preis am Orte des Ursprungs. In
Folge der groͤßeren Aufnahme der Kultur des Kaffeebaums, welche mehr Gewinn
abwirft, als der Orleansbau, wird jezt in Cayenne weit weniger Orleans producirt als
sonst, und dadurch ist der Preis seit einiger Zeit auf 2 Fr. 80–90 Cent, pro 1/2 Kilogr. hinaufgegangen; vor 10 Jahren war er ein
Mal aus aͤhnlichen Ursachen bis 4 Fr. gekommen. Solche Umstaͤnde
erzeugen nothwendig Verfaͤlschungen, und es kommt daher jezt haͤufig
ein verfaͤlschter Orleans im Handel vor. Diese Verfaͤlschungen werden
jedoch fast nie mit der Waare an ihrem Urspruͤnge vorgenommen, sondern erst
in Paris und an anderen großen Handelsplaͤzen Europa's gibt man sich damit
ab. Ein sehr haͤufig vorkommender Betrug ist der, mehr Rohrblaͤtter in
die Faͤsser zu thun, als eigentlich hinein gehoͤren. Man rechnet
durchschnittlich bei den Orleansfaͤssern 16 Proc. auf das Faß und 4 Proc. auf
die Blaͤtter; mehr wie 6 Proc. Blaͤtter enthaͤlt ein guter
Orleans von Cayenne nie, und die Originalfaͤsser sind leichter als die
bordelesischen.
Die eigentlichen Verfaͤlschungen bestehen aber namentlich darin, daß man dem
Orleansteige mineralische Pulver von schmuzigrother Farbe: Ziegelmehl, Bolus,
Colcothar etc. einverleibt. Die Teigconsistenz des Orleans beguͤnstigt solche
Verfaͤlschungen sehr und macht es unmoͤglich, sie ohne eine chemische
Untersuchung zu erkennen. Wir werden uͤbrigens hier auch von dem durch eine
schlechte Bereitung an seinem Urspruͤnge eines Theils seiner
Faͤrbekraft beraubten Orleans sprechen; denn auf Verminderung der Menge des
wahren Farbstoffes kommt am Ende Alles hinaus.
Ein guter und preiswuͤrdiger Orleans von Cayenne besizt folgende
Eigenschaften: er bildet einen gleichfoͤrmigen Teig von butterartiger
Consistenz, fettig, sanft, nicht erdig anzufuͤhlen; seine Farbe ist ein
schmuziges Roth, dem Ziegelmehl aͤhnlich, außen stets matter als im Innern
der Brode. Zuweilen kommen auch braune und braunrothe Brode vor, und leztere werden,
wenn sie rein sind, vorgezogen. Der Geschmak ist kaum bemerklich, der Geruch sehr
unangenehm und dem des gefaulten Urins aͤhnlich. Dieß kommt daher, daß man in
den Magazinen den Orleans mit Urin zu befeuchten pflegt, damit er stets feucht
bleibe und sich die Farbe durch das aus dem faulenden Urin entwikelte Ammoniak
erhoͤhe. Der nicht so behandelte Orleans riecht auch nicht angenehm, aber
sehr schwach; der ganz frische riecht nach Moͤhren. Auf Papier macht der
Orleans einen dunkelrothen Flek; zwischen den Fingern gleitet er durch, indem sich
nur einige kleine haͤrtere Koͤrner bemerklich machen, welche zwischen
den Zaͤhnen sich leicht zerdruͤken lassen. Glaͤnzende und hatte
Punkte darf der reine Orleans nicht zeigen, zuweilen aber kommen, wie in der
Orseille, weiße glaͤnzende Punkte vor, die offenbar einem von dem Urin
herruͤhrenden Ammoniaksalze zuzuschreiben sind. Der Orleans darf im Innern
weder schimmlich, noch ungleichfoͤrmig gefaͤrbt seyn; bei einer
anfangenden Faͤulniß wird seine Farbe immer blaͤsser. – In
Wasser zertheilt, bleibt der reine Orleans lange suspendirt, ohne ein sandiges
Pulver fallen zu lassen. Kaltem Wasser theilt er nach mehrstuͤndiger
Maceration eine helle Isabellfarbe mit.Nach Vitalis soll sich reiner Orleans in kochendem
Wasser vollstaͤndig aufloͤsen; dieß ist aber falsch, denn der
beste Orleans gibt nur wenig an Wasser ah und der Absud ist nach dem
Filtriren nur blaßgelb. Rectificirten Alkohol faͤrbt er dagegen dunkelorange. Wie eine
harzige Substanz gibt er also wenig an Wasser ab, loͤst sich aber gut in
Weingeist. Auch in alkalischen Fluͤssigkeiten loͤst er sich leicht und
naͤhert sich also durch leztere Eigenschaften sehr dem Safflor. – Bei
100° C. getroknet und fein gepulvert, erscheint er etwas dunkler, ohne jedoch
ins Schwarze zu ziehen. Sein Gewichtsverlust beim Troknen ist je nach der Sorgfalt,
die ihm in den Magazinen gewidmet wurde, verschieden, 52 bis 70 Proc. – An
der Flamme faͤngt der Orleans schwer Feuer, brennt dann aber mit Heller,
wenig rauchender Flamme,
und hinterlaͤßt eine leichte, glaͤnzende Kohle. – Im
Platintiegel eingeaͤschert, hinterlaͤßt er 8 bis 13 Proc. einer
graulichen, gelblichen, zuweilen hellrosenrothen, schwach alkalischen, mit
Saͤuren nicht aufbrausenden Asche, welche aus Kieselerde, Alaunerde, Kalk,
Bittererde, Kali, einer Spur Eisenoxyd und mehreren, offenbar aus dem Urin
herruͤhrenden Salzen besteht. – Uebergießt man den Orleans mit
concentrirter Schwefelsaͤure, so nimmt die Saͤure eine schoͤn
indigblaue Farbe an, welche durch Wasserzusaz sogleich in Gruͤn und
spaͤter in Hellgelb uͤbergeht; in der hellgelben Fluͤssigkeit
schwimmt aber der ausgeschiedene Orleans in spaniolfarbigen Floken. Ist der Orleans
getroknet und gepulvert, so entwikelt sich die blaue Faͤrbung
schoͤner.
Behufs einer zuverlaͤssigen Untersuchung des Orleans muß die
Einaͤscherung, das Probefaͤrben und die Pruͤfung mit dem
Colorimeter von Houtou-Labillardière
vorgenommen werden.
1) Einaͤscherung. Sie ist das einzige Mittel, sich
von der Gegenwart eines mineralischen Pulvers, wie Ziegelmehl, Colcothar, Bolus zu
uͤberzeugen. Man troknet vorher eine gewogene Menge Orleans in einer
Porzellanschale uͤber dem Wasserbade vollkommen aus, wiegt die trokene Masse
wieder und bringt sie gepulvert in einen tarirten Platin- oder
Porzellantiegel, sezt den Dekel auf und stellt den Tiegel zwischen gluͤhende
Kohlen; die Masse zersezt sich bald, empyreumatische Daͤmpfe ausstoßend, wird
schwarz und entzuͤndet sich, so wie man den Dekel abnimmt; von Zeit zu Zeit
muß man die kohlige Masse mit einem Drahte umruͤhren; je naͤher man
der Einaͤscherung kommt, desto mehr verstaͤrkt man das Feuer und
unterhaͤlt endlich ein lebhaftes Rothgluͤhen, bis nur noch Asche ohne
eine Spur Kohle uͤbrig ist; nun nimmt man den Tiegel aus den Kohlen, reinigt
ihn aͤußerlich von Asche, laͤßt ihn erkalten und wiegt ihn wieder. Der
auf die angegebene Weise bei 100° C. ausgetroknete
Orleans darf nicht mehr als 13 Proc. Asche hinterlassen; wenn man 15 bis 16
Proc. erhaͤlt, so laͤßt sich dieß noch auf einen Fehler der Bereitung
schieben, eine groͤßere Menge ruͤhrt aber offenbar von
Verfaͤlschung her. Die Asche eines Orleans, dem rother Oker, Bolus,
Ziegelmehl, Colcothar oder englisch Roth beigemengt war, erscheint ziegelroth,
waͤhrend die des reinen nur graulich, gelblich oder leicht rosenroth seyn
darf. Die Asche eines verfaͤlschten Orleans faͤrbt Salzsaͤure
stark rothgelb, die des reinen nur schwach gelblich. Wenn Colcothar zur
Verfaͤlschung angewandt wurde, so loͤst sich die Asche mit einem
unbedeutenden Ruͤkstande in Salzsaͤure auf, waͤhrend bei den
uͤbrigen Verfaͤlschungsmitteln ein bedeutender, aus Kieselerde und
Thonerde bestehender Ruͤkstand bleibt. Der Techniker braucht uͤbrigens keine
genauere Untersuchung der Asche anzustellen, sondern ihre Gewichtsbestimmung reicht
ihm vollkommen hin, indem er daraus die Anwesenheit der Verfaͤlschung und
nach Abzug von 13 Proc. (fuͤr die dem Orleans selbst angehoͤrige
Asche) auch das Gewicht des Zusazes erfaͤhrt.Hr. Girardin erhielt aus Proben von Cayenner
Orleans, die von Paris oder Nantes bezogen waren, 22, 27, 31, 38, 50, 39, 75
Proc. Asche; sie waren also mit 9, 14, 18, 25, 50, 26, 62 Proc.
mineralischer Substanzen versezt.
2) Das Probefaͤrben. Um das Farbevermoͤgen
eines Orleans zu erfahren, bereitet man sich zwei Baͤder, eines von einem
anerkannt guten Orleans, welcher zur Vergleichung genommen wird, und das andere von
dem zu pruͤfenden Orleans, jedes aus 5 Gramm bei 100° C. getrokneten
und dann gepulverten Orleans, 10 Gramm kohlensaurem Kali (sal
tartari) und 400 Gr. Wasser. Man erhizt nach und nach zum Kochen, nachdem
man in jedes Bad 12 Gr. gut gebleichtes Baumwollengarn gelegt hat, erhaͤlt 15
Minuten lang im Kochen, nimmt dann vom Feuer, laͤßt das Baumwollengarn noch
eine Stunde lang darin, windet es nach dieser Zeit aus, waͤscht es mehrmals
mit vielem Wasser und troknet es im Schatten. Will man die Probe mit Seide
anstellen, so nimmt man auf 2 Gramm Seide 1/2 Gr. Orleans, 1 Gr. kohlensaures Kali
und 200 Gr. Wasser, verfahrt aber uͤbrigens wie vorher. Nach dem Troknen
vergleicht man die Nuͤancen. Geringe Unterschiede werden zuweilen erst dann
bemerkbar, wenn man die Farbe durch verduͤnnten Essig, Citronensaft oder
Alaun avivirt, wodurch ein Orangeroth entsteht.
3) Probe mit Houtou-Labillardières
Colorimeter. Derselbe beruht darauf, daß Loͤsungen von gleichen
Mengen desselben Farbstoffs in gleichen Mengen Wasser oder Alkohol in gleich diken
Schichten auch dieselbe Nuͤance zeigen muͤssen, daß daher, wenn man
gleiche Mengen irgend eines Farbekoͤrpers in gleichen Mengen
Fluͤssigkeit loͤst, die Nuͤancen, welche gleich dike Schichten
der Loͤsungen beim Durchsehen darbieten, im Verhaͤltnisse der Mengen
von wirklichem Farbstoff stehen muͤssen, welche in dem Farbekoͤrper
enthalten waren; oder daß diejenige Loͤsung, deren Volum man durch Zusaz von
Fluͤssigkeit vermehren muß, damit sie dieselbe Nuͤance wie die andere
darbiete, um so viel mehr wirklichen Farbstoff enthaͤlt, als die Dike ihrer
Schichte nach der Verduͤnnung betraͤchtlicher ist, als die der
anderen. Das Instrument hat folgende Einrichtung: es besteht aus zwei genau
cylindrischen Glasroͤhren von 14 bis 15 Millimeter Durchmesser und
beilaͤufig 33 Centimeter Laͤnge, welche an einem Ende verschlossen und
sowohl im Durchmesser als in der Glasdike einander ganz gleich sind; von dem
verschlossenen Ende aus sind 5/6 ihrer Laͤnge zuerst in zwei gleiche
Haͤlften und die zweite dieser Haͤlften in Hunderttheile getheilt.
Beide Cylinder werden in eine kleine hoͤlzerne Buͤchse gestellt, und
zwar durch zwei Oeffnungen, die neben einander auf deren oberem Theile und in der
Naͤhe eines ihrer Enden angebracht sind; an diesem Ende der Buͤchse
sind seitlich vierekige Loͤcher vom Durchmesser der Roͤhren, dem
unteren Theile dieser lezteren gegenuͤber angebracht und am anderen Ende der
Buͤchse ist ein Loch, durch welches man den eingeschlossenen Theil der
Roͤhren sehen kann, indem man die Buͤchse zwischen das Auge und das
Licht haͤlt; auf diese Art kann man sehr leicht beurtheilen, ob die in den
Roͤhren enthaltenen gefaͤrbten Fluͤssigkeiten von gleicher oder
verschiedener Nuͤance sind.
Um nun den Orleans mittelst des Colorimeters zu pruͤfen, verfaͤhrt man
folgender Maßen: Man nimmt von einem anerkannt guten und von dem zu
pruͤfenden Orleans, von jedem im getrokneten und gepulverten Zustande, je 1/2
Gramm und digerirt mit 50 Gr. Alkohol von 32° Baumé (0,856 spec. Gew.)
12 Stunden lang, decantirt dann die gefaͤrbte Loͤsung und behandelt
den Ruͤkstand nochmals mit einer gleichen Menge Alkohol; so erschoͤpft
man nach und nach die Orleansproben, wobei man jedes Mal auf jede Probe genau
dieselbe Menge Alkohol gießt und dieselbe Zeit uͤber einwirken laͤßt.
Im Durchschnitt sind 350 Gr. Alkohol von 32° B., in sieben Portionen
abgetheilt, noͤthig, um 1/2 Gr. guten Orleans zu erschoͤpfen; die
lezte Portion faͤrbt sich kaum gelb. Die mit jeder Probe erhaltenen einzelnen
Tincturen vereinigt man und erhaͤlt so zwei Loͤsungen, welche genau
den Farbstoffgehalt der Proben repraͤsentiren. Man fuͤllt nun mit
diesen beiden Loͤsungen die beiden Roͤhren des Colorimeters bis zum
Nullpunkt (dadurch kommt ein Volum hinein, welches 100 Theilen der uͤber dem
Nullpunkt befindlichen Scale entspricht); hierauf stellt man sie in die
Buͤchse und vergleicht die Nuancen der Loͤsungen, indem man die
Buͤchse so haͤlt, daß das Licht durch das Ende, wo sich die
Roͤhren befinden, regelmaͤßig hineinfaͤllt und die beiden
Roͤhren durch das als Ocular dienende Loch besieht. Derjenigen
Loͤsung, welche dunkler erscheint (allemal die des angewandten
Normal-Orleans), sezt man nun Alkohol zu, bis beide Loͤsungen genau
dieselbe Nuͤance zeigen; darauf sieht man an der Scale nach, um wie viel
Hunderttheile das Volum der einen Loͤsung vergroͤßert worden ist, und
hat so den Ausdruk des Verhaͤltnisses, in dem der Farbstoffgehalt beider
Proben steht. Wenn man z.B. der Loͤsung des Normal-Orleans 85
Hunderttheile Alkohol zusezen mußte, um ihre Nuͤance der des zu
pruͤfenden Orleans gleich zu stellen, so verhaͤlt sich der
Farbstoffgehalt des Normal-Orleans zu dem des lezteren wie 185 zu 100.