Titel: | Chemische Untersuchung der Seide; von G. I. Mulder in Rotterdam. |
Fundstelle: | Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXI., S. 118 |
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XXI.
Chemische Untersuchung der Seide; von G. I. Mulder in
Rotterdam.Von dieser Abhandlung, welche der Verfasser in seinem Natuur en Scheikundig Archief
(Jahrgang 1835) bekannt machte, wurde eine deutsche Uebersezung in
Poggendorff's
Annalen der Physik (1836 Nr. 4) mitgetheilt; wir geben den
wissenschaftlichen Theil derselben hier im Auszuge (nach dem polytechnischen
Centralblatt Nr. 45), den technischen aber
vollstaͤndig. A. d. R.
Mulder's chemische Untersuchung der Seide.
Die einzige Analyse, welche wir von roher Seide haben, ist die von Roard; sie genuͤgt aber den gegenwaͤrtigen
Anforderungen der Wissenschaft nicht mehr. Roard fand
einen Stoff in der Seide, den er Gummi nannte, einen
Faͤrbestoff in der gelben, und einen von ihm Wachs
genannten Stoff in beiden bekannten Sorten, der gelben und weißen. Besonders stellte
er die Wirkung der Alkalien und Seifen auf die Seide hinsichtlich der Zubereitung
des Stoffes zur Faͤrbung fest.
Analyse der Seide.
Es wurde gleichzeitig eine gelbe neapolitanische Rohseide und eine weiße levantische
rohe Amasinseide der Analyse unterworfen. Diese Sorten bestanden in 100 Theilen
aus:
Gelbe.
Weiße.
Seidenfaserstoff
53,37
54,04
Gallerte
20,66
19,08
Eiweißstoff
24,43
25,47
Wachsstoff
1,39
1,11
Farbstoff
0,05
0,00
Fettstoff und Harz
0,10
0,30
––––––––––––
100,00
100,00
Außerdem fanden sich noch Spuren einer eigenthuͤmlichen Saͤure, Seidensaͤure, welche nicht dem Gewichte nach
bestimmt wurde, und von Salzen.
Gang der Analyse: dieser war fuͤr beide
Seidensorten derselbe. Nachdem man die Seide mit kaltem Wasser geknetet hatte, wobei
die gelbe Seide schon einen großen Theil ihres faͤrbenden Stoffs an das
Wasser abgab, kochte man dieselbe mit destillirtem Wasser so lange, bis die
Abkochung nicht mehr von Gallustinctur gefaͤllt wurde; hiezu war ein
tagelanges Kochen noͤthig, die gelbe Seide war dabei etwas heller, beide
Seiden zarter geworden. Man troknete die Seide und fand, daß beide Sorten
uͤber 25 Proc. an das Wasser abgegeben hatten. Die waͤsserigen
Auszuͤge dampfte man zur voͤlligen Trokniß ab, und zog die
zuruͤkbleibende, broͤkliche, luftbestaͤndige, bei beiden Sorten
gruͤne Masse mit Alkohol aus. Beim Erkalten der alkoholischen Tincturen
schieden sich durchscheinende und farblose Floken aus, welche beim Abrauchen sehr an
Umfang verloren und eine teigige Masse bildeten, welche sich als Wachsstoff verhielt. Das waͤsserige Seidenextract
konnte, nach Ausziehung des Wachsstoffs, mittelst heißen Wassers in zwei Theile
geschieden werden, einen in kochendem Wasser loͤslichen, Gallerte, und einen in kochendem Wasser unloͤslich
gewordenen Eiweißstoff. – Die durch Wasser
erschoͤpfte Seide wurde nun mit absolutem Alkohol ausgekocht, wobei sich die
gelbe Sorte fast ganz entfaͤrbte; bei Abrauchung der Tincturen schieden sich
in verschiedenen Zeitraͤumen Floken von Wachsstoff
aus, gleichzeitig aber in der Tinctur von der gelben Seide gelbe Haͤutchen.
Durch Abrauchen der vom ausgeschiedenen Wachsstoff getrennten Fluͤssigkeit
erhaͤlt man einen klebrigen, in Streifen am Boden des Gefaͤßes
klebenden, bei der gelben Seide schoͤn gelb gefaͤrbten
Ruͤkstand, welcher bei der weißen Seide nur aus Fettstoff und Harz, bei der gelben außerdem aus
einem rothen Farbstoffe bestand. Man trennte diese
Bestandtheile durch Kalilauge, welche in der Kaͤlte den Fettstoff aufnahm,
darauf im Kochen das Harz loͤste und den Farbstoff zuruͤkließ. Aus der
durch Alkohol ebenfalls erschoͤpften Seide zog nun Aether noch etwas Fettstoff und Harz aus. Die
gelbe und weiße Seide waren sich nun voͤllig gleich geworden. Man kochte sie
nun wiederholt mit concentrirter Essigsaͤure, welche noch viel Eiweißstoff auszog, aber den Seidenfaserstoff ungeloͤst zuruͤkließ. – Durch
Destillation der weißen und der gelben Seide mit vierfach verduͤnnter
Schwefelsaͤure wurde ein saures Destillat erhalten, in welchem die dem Gewichte nach nicht
naͤher bestimmte Seidensaͤure enthalten war. – Der Faserstoff
laͤßt beim Verbrennen 0,6 Proc. einer aus Bittererde, Natron, Kalk,
Eisenoxyd, Kohlensaͤure, Schwefelsaͤure, Salzsaͤure und
Phosphorsaͤure bestehenden roͤthlichen Asche zuruͤk; der
Eiweißstoff enthaͤlt 3 Proc., die Gallerte 3,6 Proc. fixe Bestandtheile.
Eigenschaften der einzelnen Stoffe. Die Kenntniß der
hauptsaͤchlichsten Eigenschaften der oben gefundenen Bestandtheile der Seide
ist fuͤr ihre technische Behandlung wichtig, daher wir sie nicht
uͤbergehen koͤnnen.
Der Seidenfaserstoff, welcher die Hauptgrundlage der Seide
bildet, sieht ganz wie die Seide selbst aus, ist aber zarter, biegsamer, dagegen
auch minder haltbar, seine Faͤdchen splittern beim Durchbrechen in viele
einzelne Theile; er ist schwerer als Wasser; beim Verbrennen verhaͤlt er sich
als stikstoffhaltige Substanz; auf einem gluͤhenden Eisen erweicht er sich,
blaͤht sich auf, brennt mit hellblauer Flamme unter Geruch nach verbranntem
Horn und hinterlaͤßt viel Kohle. In Wasser, Alkohol, Aether, fetten und
aͤtherischen Oehlen und in Essigsaͤure ist er unloͤslich. In
concentrirter Schwefelsaͤure loͤst er sich bei gewoͤhnlicher
Temperatur zu einer hellbraunen diklichen, beim Erhizen roth, spaͤter unter
Entwiklung schwefliger Saͤure braun und schwarz werdenden
Fluͤssigkeit, welche durch Wasser nicht, aber durch Gallaͤpfelaufguß
reichlich gefaͤllt wird. Auch in concentrirter Salzsaͤure und in
concentrirter Salpetersaͤure loͤst er sich; durch Kochen mit lezterer
wird er zu Oxalsaͤure. Schwache Kalilauge veraͤndert ihn nicht, starke
loͤst ihn auf, doch wird er durch Wasser und verduͤnnte
Schwefelsaͤure wieder gefaͤllt. Mit trokenem Aezkali erhizt, gibt er
ebenfalls Oxalsaͤure. In kohlensaurem Kali und in Aezammoniak ist er
unloͤslich. Von dem Faserstoff des Bluts (dem eigentlich sogenannten
thierischen Faserstoff) ist er schon dadurch verschieden, daß er ganz troken seyn
kann, ohne zusammenzuschrumpfen und sproͤde zu werden, daß er sich in Wasser
nicht aufweichen laͤßt und durch langes Kochen in Wasser durchaus nicht hart
und sproͤde wird. Gegen concentrirte Saͤuren und Alkalien
verhaͤlt er sich ebenfalls anders. Sein Gehalt an Salzen betraͤgt etwa
das Doppelte wie im Faserstoff des Bluts.
Die Gallerte ist sproͤde, geruch- und geschmaklos,
gelblich, durchscheinend, luftbestaͤndig, schwerer als Wasser, schwillt beim
Erhizen auf, verbrennt mit Flamme und hinterlaͤßt eine voluminoͤse
Kohle, welche bis auf etwas weiße, vorzuͤglich kohlensaures Natron
enthaltende Asche verbrennt. In Wasser ist die Seidengallerte zu einer klebrigen, an
der Luft sich schnell unter ammoniakalischem Geruche zersezenden Fluͤssigkeit
loͤslich, in Alkohol, Aether und Oehlen unloͤslich. Von concentrirter
Salpetersaͤure, Salzsaͤure und Schwefelsaͤure wird sie bei
gewoͤhnlicher Temperatur ohne Farbenveraͤnderung geloͤst;
verduͤnnte Schwefelsaͤure erzeugt im Kochen Zuker, welcher sich durch
Saͤttigen der Fluͤssigkeit mit Kreide, Filtriren, Abrauchen und
Ausziehen des Ruͤkstands mit Alkohol leicht erhalten laͤßt;
concentrirte Salpetersaͤure liefert beim Erwaͤrmen damit
Stikstoffoxydgas und Oxalsaͤure. In concentrirter Essigsaͤure bildet
die Gallerte eine Loͤsung, welche beim Abrauchen diklich, dann durch Wasser
nicht, aber durch Blutlaugensalz schoͤn gruͤn, in Wasser
loͤslich, gefaͤllt wird. So wie die Gallerte sich in Saͤuren
loͤst und aus diesen Loͤsungen durch Alkalien gefaͤllt wird, so
loͤst sie sich auch in aͤzenden und basisch kohlensauren Alkalien und
wird durch Saͤuren aus diesen Aufloͤsungen niedergeschlagen. –
Dieser Stoff, welcher in Verbindung mit dem Eiweißstoff
dasjenige ausmacht, was man sonst das Gummi der Seide nannte, ist theils
durch den wahrscheinlichen Stikstoffgehalt, theils dadurch, daß er mit
Salpetersaͤure keine Schleimsaͤure, sondern Oxalsaͤure liefert,
daß seine Loͤsung von Borax, salzsaurem und schwefelsaurem Eisenoxyd nicht
gefaͤllt wird, hinreichend vom Gummi verschieden, dagegen ist er in fast
allen Stuͤken dem thierischen Leim oder der thierischen Gallerte
aͤhnlich und nur in folgenden davon verschieden: er ist schon gebildet
vorhanden und wird nicht erst durch die Siedhize gebildet; seine Loͤsung wird
von Sublimatloͤsung nicht getruͤbt, aber von Chlorgold und essigsaurem
Blei gefaͤllt.
Der Eiweißstoff, fruͤher mit dem vorigen Stoffe
zusammen, da er mit ihm zugleich durch Wasser ausgezogen wird, als Gummi angesehen, ist im voͤllig trokenen Zustande
broͤklich, schwerer als Wasser, verbrennt unter gleichen Erscheinungen mit
Hinterlassung gleicher Asche wie der Faserstoff, gibt bei trokener Destillation viel
kohlensaures Ammoniak und brenzliches Oehl. Im trokenen Zustande wird er selbst von
concentrirter Schwefelsaͤure nur bei Erhizung geschwaͤrzt, im feuchten
schon bei gewoͤhnlicher Temperatur geloͤst; verduͤnnte
Schwefelsaͤure loͤst ihn gar nicht, concentrirte Salpetersaͤure
beim Erwaͤrmen, in feuchtem Zustande auch bei gewoͤhnlicher
Temperatur, und verwandelt ihn in Oxalsaͤure; Salzsaͤure loͤst
ihn nur in der Waͤrme, oder wenn er feucht ist. In concentrirter
Essigsaͤure loͤst er sich zu einer fettig anzufuͤhlenden
Fluͤssigkeit, welche mit Blutlaugensalz einen schoͤn gruͤnen,
in Wasser loͤslichen Niederschlag gibt. In aͤzenden Alkalien
loͤst er sich und wird durch Saͤuren gefaͤllt. Das Verhalten
der essigsauren Loͤsung gegen Blutlaugensalz ist so ausgezeichnet, daß man es
zur Entdekung des Eiweißstoffes in sehr kleinen Mengen brauchen kann. Das oben angegebene
Verhalten der Gallerte beweist z.B., daß dieselbe noch nicht ganz frei von
Eiweißstoff ist. – So wie der geronnene Eiweißstoff des Blutes in allen
Eigenschaften dem Faserstoff des Blutes gleichkommt, so ist auch dieser Eiweißstoff
der Seide dem Seidenfaserstoff ganz aͤhnlich, nur durch die
Loͤslichkeit in Essigsaͤure verschieden; in so fern also der
Seidenfaserstoff vom Faserstoff des Bluts verschieden ist, ist es auch der
Seideneiweißstoff vom geronnenen Eiweißstoff der Eier und des Bluts. Das Verhalten
der essigsauren Loͤsung gegen Blutlaugensalz zeigt auch der Faserstoff und
Eiweißstoff des Bluts. Der Verfasser schreibt die Unloͤslichkeit des
Seidenfaserstoffs in Essigsaͤure dem Gehalt an Salzen zu und glaubt, daß
sich, wenn diese nicht vorhanden waͤren, die ganze Seide in
Essigsaͤure aufloͤsen wuͤrde. Von dem gewoͤhnlichen
Eiweiß ist das Seideneiweiß noch durch die Abwesenheit freien Schwefels
verschieden.
Der Wachsstoff der Seide kommt vollkommen mit dem Cerin
des Bienenwachses uͤberein.
Der Farbstoff der gelben Seide ist im reinen Zustande roth; durch concentrirtes
Aezkali wird er dunkler; in Wasser ist er nicht, aber in Alkohol, Aether, fetten und
aͤtherischen Oehlen loͤslich. Durch Chlor und schweflige Saͤure
wird er hellgelb, fast farblos.
Fettstoff und Harz bieten
nichts Besonderes dar.
Die Seidensaͤure, welche sich in dem mit
Schwefelsaͤure erhaltenen Destillate der Seide vorfindet, ist eine
eigenthuͤmliche fluͤchtige Saͤure, welche fuͤr den
Techniker durchaus nicht in Betracht kommt und welche wir daher hier
uͤbergehen koͤnnen, um so mehr, da sie noch lange nicht genug
untersucht ist.
In Bezug auf die Bildung der Seide scheint sich aus dieser
Untersuchung das interessante Resultat zu ergeben, daß der ganze Proceß nicht
sowohl, wie man sonst glaubte, mit dem Faͤdenziehen aus einem
gummoͤsen, klebrigen Safte, sondern vielmehr mit der Bildung des Blutkuchens
beim Gerinnen des Blutes die groͤßte Aehnlichkeit hat. So wie naͤmlich
das Blut, welches innerhalb des Koͤrpers aus einer Fluͤssigkeit
besteht, die man als Eiweiß- und Fettloͤsung ansehen kann, in welcher der
Faserstoff in Form von Kuͤgelchen herumschwimmt, den Koͤrper
verlaͤßt, so zieht sich der Faserstoff zu einer Masse zusammen; aus den
Kuͤgelchen werden Fasern, die aber nothwendig, als aus Kuͤgelchen
zusammengesezt, die cylindrische Gestalt annehmen; der Eiweißstoff gerinnt, und Fett
und Farbstoff huͤllen die so gebildete feste Masse ein, welche durch ihre
Zusammenziehung die waͤsserigen Theile von selbst auspreßt. Aehnlich scheint
es sich mit dem Seidenstoff zu verhalten, welcher, ehe er aus der Oeffnung im Koͤrper der
Raupe, wo die beiden Seidenstoffbehaͤlter zusammenstoßen, als doppelter Faden
hervortritt, ebenfalls mehr fluͤssig, aber der Gallerte wegen zaͤher
als das Blut ist, wodurch erst das Faͤdenspinnen moͤglich wird. Hat
der Faden einmal den Koͤrper verlassen, so findet schnell jene Gerinnung
Statt, es entsteht statt der fruͤheren zaͤhen und bleibend dehnbaren
Masse ein fester, elastischer, nicht mehr bleibend ausdehnbarer Faden von
Fasterstoff und geronnenem Eiweiß, eingehuͤllt von Gallerte, den fettigen und
harzigen Stoffen und dem Farbstoffe; das Wasser wird an die Oberflaͤche
gepreßt und dadurch die Verdunstung und voͤllige Austroknung des Fadens
beschleunigt. – Der Seidenfaden, wie er von der Raupe gesponnen wird, ist
nicht einfach, sondern doppelt; zwei cylindrische Faͤden sind an einander
geklebt, selten so lose, daß die cylindrische Form eines jeden deutlich erhalten
ist, meist mehr oder minder fest, so daß eine Abplattung und mehr elliptische Form
des Doppelfadens entsteht.
Beleuchtung der fabrikmaͤßigen Zubereitung der
Seide.
Wird rohe Seide verwebt, so entsteht ein weniger glaͤnzender harter Zeug.
Diese Harte ist bei manchen Seidenstoffen, z.B. den Gazen, erwuͤnscht. Will
man jedoch den Stoff geschmeidig haben oder faͤrben, so muß die Seide zuvor
ihres im Wasser loͤslichen Ueberzuges entledigt werden. Denn was die
Faͤrbung betrifft, so haften einerseits die Farbestoffe besser auf der ihres
Ueberzuges entbloͤßten Seide, andererseits aber wuͤrde beim Eintauchen
der Seide in heißes Wasser, und selbst bei langem Liegen derselben in lauem oder
kaltem Wasser der Ueberzug, und somit ein betraͤchtlicher Theil des
Farbestoffs verloren gehen.
Durch die Zubereitung der Seide, wobei man sie von ihrer aͤußeren
Huͤlle befreit, bezwekt man bei der einen Sorte noch außerdem die
Entfaͤrbung des gelben Pigments. Dieses ist zwar zum Theil in Wasser oder
waͤsserigen Fluͤssigkeiten aufloͤslich, oder wenigstens
zertheilbar, zum groͤßeren Theil bleibt es aber in dem Seidenstoffe
zuruͤk, welcher an die waͤsserige Fluͤssigkeit nicht Alles
abgeben kann.
Es gibt zwei Zubereitungen, denen man rohe Seide unterwirft, naͤmlich die Auskochung und die Schwefelung.
Auskochung. Die Chinesen scheinen die Kunst die Seide
geschmeidig zu machen und von ihrer natuͤrlichen Huͤlle zu befreien,
sehr gut zu verstehen; wenigstens ist die chinesische Seide außerordentlich zart,
aber in demselben Grade duͤnn und fein, weil sie bei der Zubereitung viel an
Gewicht verliert. Baumé und Giobert haben sich viel Muͤhe gegeben, um europaͤischer Seide ein eben so gutes
Aussehen, wie das der chinesischen ist, zu verschaffen.
Baumé bleicht und verarbeitet die gehaspelte Seide
unmittelbar, weil sonst die aneinander klebenden Faͤden sich verwirren und
alsdann nicht gut gereinigt werden koͤnnen. Es ist ein Fehler der deutschen
Seide, daß sie vor der Verarbeitung zu wenig praͤparirt worden, und dieß ist
ein Grund, warum es unmoͤglich ist, diese Seidengewebe so zur Faͤrbung
vorzubereiten, daß sie den chinesischen gleich werden.
Baumé raͤth daher, die abgehaspelte Seide
zuvor in Wasser zu weichen, damit die durch die Gallerte (Seidenleim) verklebten
Faͤden sich von einander loͤsen, was ohne Behandlung mit Wasser
unmoͤglich ist. Ungehaspelte Seide klebt fest auf einander, und man muß beim
Haspeln einige Kraft anwenden, um von dem verklebten Knaͤuel die einzelnen
Faͤden zu trennen. Beim Spinnen ist eine befeuchtete Hand hinreichend, um
mehrere feine Faͤden zu einem diken so fest zu vereinigen, daß man mit
Muͤhe erkennen kann, wie vieldraͤhtig dieser ist. Wird naͤmlich
der Seidenleim, welcher den Faden umgibt, ein wenig angefeuchtet, so erweicht er,
und verbindet die feinen Faͤden so zu einem Ganzen, als waͤren sie mit
Leim bestrichen gewesen.
Die rohe Seide wird also in Wasser geweicht und die feinen Faͤden von einander
gesondert, d.h. es wird die duͤnne Gallertlage, welche die Faͤden
verklebt, im Wasser aufgeloͤst.
In diesem kalten Wasser ist, wie wir oben nachgewiesen haben, ein Theil der Gallerte
und des Farbstoffs aufgenommen. Hinsichtlich der Zeit, waͤhrend welcher man
die Seide maceriren laͤßt, bedarf es keiner großen Vorsicht, indem sie selbst
bei der Sommerhize keine schaͤdliche Veraͤnderung durch das Liegen im
Wasser erleidet und aͤußerst lange der Faͤulniß widersteht. Die
Ursache davon ist die große Haͤrte des feinen Gewebes, und besonders der
Ueberzug von Wachs, Fett und Harz, welcher die Seide vor aller Einwirkung von Außen
schuͤzt, und gegen Faͤulniß im Wasser, wie in der feuchten
Atmosphaͤre bestaͤndig macht. Rohe Seide widersteht also der
Faͤulniß wegen ihrer Huͤlle von Wachs, Harz und Fett, zubereitete
Seide wegen ihrer Zusammensezung aus bloßem Faserstoff und geronnenem
Eiweißstoff.
Nachdem Baumé die Seide aus diesem Wasser genommen,
brachte er z.B. 6 Pfund derselben in ein irdenes Gefaͤß, in welchem 48 Pfund
Alkohol von 0,840 spec. Gew., mit 12 Unzen reiner Salzsaͤure versezt, sich
befanden, und ließ sie hier 24 bis 36 Stunden, oder uͤberhaupt so lange
liegen, bis das schoͤne Gruͤn der Fluͤssigkeit sich in die
Farbe verwelkter Blaͤtter verwandelt hatte. Hierauf wurde sie sorgfaͤltig mit
Wasser ausgewaschen, bis alle Saͤure entfernt war, alsdann aus einander
gehaͤngt und getroknet. Durch dieses Verfahren entsteht ein Verlust von einem
Achtel der Seide. Die Fluͤssigkeit ist nicht unbrauchbar, sondern man kann,
nachdem man sie mit Kalk gesaͤttigt, von dem dadurch entstehenden
Chlorcalcium den Alkohol abdestilliren.
Die chemischen Vorgaͤnge bei dieser Bearbeitung ergeben sich aus obiger
Analyse. Die Seide wird naͤmlich von ihrer, in Salzsaͤure
aufloͤslichen Gallerte befreit, behaͤlt aber den Eiweißstoff
zuruͤk, und verliert den Wachsstoff, das Fett, Harz und den Farbstoff.
Waͤre nun diese Behandlung nicht zu theuer, so wuͤrde sie sich zur
Anwendung sehr eignen, indem auf diese Art die Seide vollkommen der chinesischen
gleich wird. Außerdem bleibt der Faserstoff mit allem Eiweißstoff verbunden
zuruͤk, daher der Gewichtsverlust viel geringer ist, als bei der unten
anzugebenden Zubereitung nach Roard's Methode.
Giobert's Zubereitungsart ist folgende: Er weicht die
Seide in lauem Wasser, druͤkt sie aus und bringt sie unmittelbar in eine
schwache waͤsserige Chloraufloͤsung. Nachdem sie hier zwei Stunden
gelegen ist, wird sie in eine waͤsserige Aufloͤsung von
schwefligsaurem Gas gebracht. Dieß Verfahren wiederholt er abwechselnd, bis die
gelbe Seide voͤllig weiß geworden ist. Der Gewichtsverlust dabei ist
unmerklich, weil nur der Farbstoff abgeht. Allein eben darum ist diese Methode nicht
zu empfehlen, weil die Seide gerade das verlieren muß, was sie im rohen Zustande zur
Faͤrbung untauglich macht. Daher auch die nach Giobert's Methode gereinigte Seide wegen ihres Gehaltes an Gallerte und
Wachsstoff viel weniger Glanz hat, als die nach Baumé bearbeitete, welche aus reinem mit Eiweißstoff
uͤberzogenem Faserstoff besteht.
Es gibt eine Art die Seide zu bearbeiten, welche man Degummation nennt.Man unterscheidet gewoͤhnlich die vorbereitende Bearbeitung, welcher
man die Seide unterwirft, in Degummiren,
Auskochen und Entfaͤrben. Das
erstere geschieht durch warme Digestion in Seife, das zweite durch Kochen
der in leinenen Saͤken eingeschlossenen Seide in Seife; das lezte
dagegen wird bewirkt, indem man die Seide in Seifenlauge, die entweder rein
oder mit verschiedenen Substanzen gemengt ist, verweilen laͤßt. Diese findet ihre Anwendung, wenn man die Seide von ihrer
Sproͤdigkeit und Steifheit befreit wuͤnscht, ohne die gelbe Farbe
zerstoͤren zu wollen. Zu diesem Zwek kocht man dieselbe einige (etwa 7 bis 8)
Stunden in Wasser, wodurch sie faͤhig wird Beizen und alsdann Farbstoffe
aufzunehmen und zu halten. Zugleich wird bei diesem Verfahren die Gallerte
aufgeloͤst und ein Theil des Eiweißstoffes im Wasser zertheilt, wie man aus
oben mitgetheilter Analyse ersieht. Es muß hiebei indessen die Quantitaͤt des Wassers bestimmt
werden, sonst weiß man nicht, wie viel Eiweißstoff sich im Wasser zertheilt, indem
von dem lezteren die Dike und Resistenz des Fadens abhaͤngt. Da wir oben in
der Analyse gesehen haben, daß selbst nach mehrtaͤgigem Kochen der Seide mit
Wasser sich noch Gallerte und Eiweißstoff abscheidet, so wird nach
achtstuͤndigem Kochen gewiß ein großer Theil derselben zuruͤkbleiben,
zumal Eiweißstoff, da die Gallerte sich fruͤher aufloͤst. Nur reines
(Regen- oder destillirtes) Wasser ist dazu brauchbar; denn Brunnenwasser macht durch
seine Kalksalze die Gallerte hart, und zieht sie daher nicht aus.
Mit dieser Degummation hat sich Roard vorzuͤglich
beschaͤftigt. Sie wird bewerkstelligt durch Kochen der Seide in Seifenlauge.
Obgleich man dabei in dem Verhaͤltniß der Seife zum Wasser sehr
willkuͤrlich verfaͤhrt, so ist es doch nach Roard's Versuchen von der groͤßten Wichtigkeit, das richtige Maaß
zu treffen.
Die Auskochung mit Seife entspricht einem mehrfachen Zweke. Man loͤst, wie man
aus obigen Versuchen schon entnehmen kann, den Farbstoff, das Fett, das Harz, den
Wachsstoff, die Gallerte und einen betraͤchtlichen Theil des Eiweißstoffes
auf. Eine gewisse Quantitaͤt Eiweißstoff muß jedoch in Verbindung mit dem
Faserstoff zuruͤkbleiben, weil davon der Glanz und die Steifigkeit des
Stoffes abhaͤngt. Sezt man aber das Kochen mit Seife zu lange fort, so wird
die Seide wieder rauh, und verliert zugleich an Staͤrke, indem man ihr
alsdann zu viel Eiweißstoff entzieht. Kocht man sie nicht lange genug, oder in zu
schwacher Seifenlauge, so bleibt noch Wachsstoff, besonders aber Farbstoff, Harz und
Fett, vielleicht auch Gallerte darin zuruͤk. Es ist daher sehr wichtig,
sowohl die Zeit des Kochens als die gehoͤrige Staͤrke der Seifenlauge
genau zu kennen, um die Seide nicht bloß, wie man sagt zu degummiren, sondern im
Sinne Baumés, fuͤr die Faͤrbung
vollkommen tauglich zu machen. Roard's Methode erfordert
indessen noch eine Schwefelung, die fuͤr die Baumé'sche uͤberfluͤssig ist, weil hier Farbstoff,
Wachsstoff, Fett und Harz durch den in seiner Wirkung von der Salzsaͤure
unterstuͤzten Alkohol bereits ausgezogen sind.
Roard's Methode besteht in Folgendem: Man kocht die
Seide, weiße wie gelbe, eine Stunde lang mit 15 Theilen
Wasser und so viel Seife, als man braucht, um jener die gewuͤnschte Farbe zu
geben; denn je mehr Seife man anwendet, desto weißer wird die Seide. Roard raͤth fuͤr rohe weiße Seide 1/12, bis
1/6 vom Gewicht der Seide, fuͤr rohe gelbe 50 bis 60 Proc. Seife auf 15
Theile Wasser zu nehmen. Die Auskochung geschieht in einem zinnernen Gefaͤß
unter stetem Umruͤhren und Ersezen des verdunsteten Wassers.
Einige halten die Seide in einem Seifenbade, und zwar 100 Pfund Seide auf 30 Pfund
Seife in einer Temperatur von 75° R. so lange, bis sie ihre Farbe beinahe
verloren hat; alsdann nehmen sie dieselbe heraus, binden sie je zu 25 Pfund in
leinene Saͤke, und lassen sie in einem neuen Seifenbade, welches aus 15 bis
20 Pfund Seife auf 100 Pfund Seide besteht, zwei Stunden kochen. Roard hat jedoch gezeigt, daß dieß zu lang und zu stark,
und daß selbst jenes Einweichen in einer Temperatur von 75° R.
uͤberfluͤssig ist.
Das Appretiren geschieht durch Seifenbaͤder, worin Farbstoffe
aufgeloͤst sind. Fuͤr den chinesischen Appret nimmt man eine starke,
schaͤumende Seifenlauge, in welcher ein wenig feines Orleans, und
laͤßt die bereits in Seife ausgekochte Seide hierin einige Zeit verweilen.
Azur und Silberweiß erhaͤlt man, wenn einem solchen Seifenbad etwas Indigo
zugesezt wird.
Das Schwefeln der rohen Seide dient dazu, den Farbstoff zu verdeken; bei schon (etwa
nach Roard) zubereiteter Seide, um den noch
uͤbrigen Farbstoff zu entfernen. Durch die Schwefelung verschwindet indeß der
Farbstoff nur momentan; denn sobald die schweflige Saͤure
verfluͤchtigt ist, kommt er wieder zum Vorschein.
Die Seide kann troken oder feucht geschwefelt werden. Im ersten Falle wird sie in
einem Zimmer aus einander gehaͤngt, in welches man schwefligsaures Gas
einstroͤmen laͤßt. Da die Seide, um sie fuͤr lezteres
empfaͤnglich zu machen, vorher mit 2 Proc. Potaschenlauge befeuchtet worden
ist, so bildet sich nun schwefligsaures Kali, welches, mit dem Farbstoff in
Beruͤhrung gekommen, das Pigment entfaͤrbt. Hat man die
Entfaͤrbung dadurch zu Stande gebracht, daß man bloß unter der
aufgehaͤngten Seide bei geschlossenem Zimmer Schwefel verbrannte, so muß die
Seide, zur Entfernung des schwefligsauren Kalis, In Wasser oder schwacher
Seifenlauge ausgewaschen werden. Der Farbstoff bleibt dann, wenn auch unbemerkt, mit
der Seide verbunden.
Besser ist es, die Seide, nachdem man sie vorher mit 1/200 Kalilauge befeuchtet, in
mit schwefligsaurem Gase gesaͤttigtes Wasser zu tauchen, und darin so lange
verweilen zu lassen, bis sie weiß geworden ist. Zu diesem Behufe leitet man die
Daͤmpfe von Schwefelsaͤure und Stroh, von Schwefelsaͤure und
Holzkohle, oder von mit Schwefelsaͤure erhiztem Schwefel in Wasser, welches
auf diese Weise mit schwefligsaurem Gase gesaͤttigt wird. Die nun weiß
gewordene Seide wird endlich, zur Entfernung des schwefligsauren Kalis mit Wasser
ausgespuͤlt, und die Schwefelung ist somit beendigt.
Warme Beize vertraͤgt die Seide nicht, weil, wenn man sie in heißes Wasser
oder heiße Alaunaufloͤsung bringt, der Eiweißstoff augenbliklich coagulirt und den
Faserstoff wie mit einem festen Ueberzug umkleidet, so daß der Alaun diesen nicht zu
erreichen vermag. Eben dadurch kann spaͤter der Farbstoff den Faden nicht
gehoͤrig durchdringen, und die sonst haltbarste Farbe muß also durch das
Licht oder durch Waschen bald verschießen, da sie nur lose an der Oberflaͤche
haftet. Drukt man aber die Seide mit einer kalten Alaun- oder essigsauren
Thonerdeaufloͤsung, oder taucht sie voͤllig hinein, so kann der Alaun
den Faden gehoͤrig durchdringen, und es wird bei dem Eintauchen der Seide in
Farbstoff, z.B. in Faͤrberroͤthe, das Alizarin sich mit der Alaunerde
verbinden, und dadurch also auch mit dem Faserstoff vereinigt werden, wie dieß bei
jeder anderen Faͤrbung der Fall ist. Dieselbe Ursache, welche gallerthaltige
oder rohe Seide fuͤr die Beize unzugaͤnglich macht, benimmt die
Moͤglichkeit der Faͤrbung, sobald sie mit einer Schicht geronnenen
Eiweißstoffes umkleidet ist.