Titel: | Ueber das Gerben der Hasen-, Kaninchen- und anderer Felle. Auszug aus einem Berichte des Hrn. Bouriat über die Fabrik des Hrn. Renou in Paris, rue Mouffetard, No. 29. |
Fundstelle: | Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXIII., S. 130 |
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XXIII.
Ueber das Gerben der Hasen-, Kaninchen- und
anderer Felle. Auszug aus einem Berichte des Hrn. Bouriat uͤber die Fabrik des Hrn. Renou in
Paris, rue Mouffetard, No.
29.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. August 1836, S. 316.
Bouriat's Bericht uͤber das Gerben der Hasen-, Kaninchen-
und anderer Felle.
Frankreich ist noch immer gezwungen einen Theil seines Bedarfes an Leder aus dem
Auslande zu beziehen; es liegt daher sehr in seinem Interesse seine
Huͤlfsquellen in dieser Hinsicht so viel als moͤglich zu benuzen, und
die Haͤute von Thieren, die bisher gar nicht oder nur zu untergeordneten
Zweken verwendet wurden, zu Leder zu verarbeiten. Hr. Renou hat in dieser Hinsicht einen großen Schritt vorwaͤrts
gemacht; denn es ist ihm, wie die der Gesellschaft vorgelegten Muster beweisen,
gelungen die Hasen- und Kaninchenfelle so zu bearbeiten, daß sie die Dike von
Kuhhaͤuten bekommen. Er verfertigt aus den Kaninchenbaͤlgen
Stiefelschafte ohne Nath, an denen sogar, wenn man will, zur Fuͤtterung das
Haar beibehalten ist; er verfertigt eben so Ueberleder fuͤr Schuhe, welches
nach seiner Versicherung dem Kalbleder vorzuziehen ist. Doch erzeugt er diese
Gegenstaͤnde noch lieber aus Kazenbaͤlgen, indem die Haͤute der
fleischfressenden Thiere eine gedraͤngtere und staͤrkere Faser haben
sollen, als jene der pflanzenfressenden. Derselbe Unterschied soll sich auch
zwischen den Haͤuten junger und alter Thiere bemerken lassen.
Die Gerberei hat, obwohl sie eines der aͤltesten Gewerbe ist,
verhaͤltnißmaͤßig nur langsame Fortschritte gemacht, bis die Chemie
endlich den Schlendrian durchbrach und die Gerber uͤber die Vorgaͤnge,
welche bei den vorbereitenden Operationen sowohl, als bei der Anwendung des Kalkes
und des Gerbestoffes Statt finden, aufklaͤrte. Dessen ungeachtet bleibt noch
Vieles zu thun uͤbrig; die Erfindungen des Hrn. Renou sind ein Beweis dafuͤr. Die Methoden, nach denen er seine
Fabrication betreibt, sind, was die vorbereitende Behandlung der Felle betrifft,
beinahe die in den gewoͤhnlichen Gerbereien uͤblichen. Er
waͤscht die Felle naͤmlich in fließendem Wasser aus, entfernt mit dem
Abstoßmesser die blutigen Theile, bringt die Felle dann in todtes Kalkwasser (mort-plain) und hierauf in ein weniger
abgenuͤztes Kalkwasser, worin sie so lange belassen werden, bis sich die
Haare leicht mit dem Abstoßmesser abnehmen lassen. Statt der Saͤuren, deren
man sich in mehreren Gerbereien zum Entfetten bedient, bringt Hr. Renou jedoch gewoͤhnliche Potasche oder basisch
kohlensaures Kali in Anwendung. Die Saͤuren sollen naͤmlich die Faser
hart und zaͤhe, und mithin nicht wohl zur Aufnahme und Einwirkung des
Gerbstoffes geeignet machen; waͤhrend das Alkali die fetten Substanzen
verseift und mit Wasser vermengbar macht.
Hr. Renou hat das Verdienst die Hasen- und
Kaninchenbaͤlge, die, nachdem sie enthaart waren, nur mehr zur Bereitung
eines Leimes fuͤr die Papiermuͤhlen dienten, zu mannigfachen Zweken
tauglich gemacht zu haben. Das Haar des Baͤlge wird zuweilen, namentlich
fuͤr Pelzstiefel, erhalten; soll es hingegen vollkommen abgenommen werden, so
muͤssen die Haͤute gehoͤrig gekalkt werden, wodurch die Haare
an Werth verlieren. Koͤnnte man dem Haare nicht wieder seine
fruͤheren, zum Filzen noͤthigen Eigenschaften geben? Ein Auswaschen
mit gesaͤuertem Wasser wuͤrde den Kalk entfernen, und weitere
Zubereitungen koͤnnten vielleicht das Uebrige thun. Das Abschneiden der Haare
mit Scheeren bedingt einen zu großen Aufwand an Zeit und uͤberdieß auch noch
einen Verlust an Haaren.
Hr. Renou erzeugt aus den Hasen-, Kaninchen-, Kazen- und
Hundsfellen Stiefelschafte ohne Nath, mit und ohne Haar, Ueberleder fuͤr
Schuhe, Pelzstruͤmpfe, Damenstiefel, Tschakos, Casquetten etc. Die von ihm
zubereiteten Baͤlge dienen aber auch noch zu anderen Zweken, zu denen das
Stuͤk selbst bis zu 4 Fr. verkauft wird. So verwendet sie namentlich der
beruͤhmte Claviermacher Pleyel, indem er gefunden
hat, daß Kaninchenfell mit einer duͤnnen Schichte Gemsfell uͤberzogen
die Saiten weit besser und angenehmer vibriren macht, als irgend ein anderer
Ueberzug der Haͤmmer. Um wie viel der Werth der Kaninchenbaͤlge durch
die Fabrication steigt, ergibt sich daraus, daß das Stuͤk zu 1 1/2 bis 4 Fr. verkauft
wird, waͤhrend es roh nur 10 Centimen gilt.
Endlich hat Hr. Renou auch noch gefunden, daß sich an dem
Kaninchenbalge 2 bis 3 Hautschichten befinden, die sich sehr gut abnehmen lassen,
ohne daß die Haarseite des Balges dabei Schaden leidet, indem diese Haͤutchen
bei der gewoͤhnlichen Bearbeitung der Baͤlge mit dem Schabmesser
gleichfalls beseitigt und weggeworfen werden. Diese Haͤutchen will Hr. Renou zur Erzeugung von Pergament und
Goldschlaͤgerhaͤutchen benuzen; die ersten in dieser Hinsicht
angestellten Versuche lassen auch wirklich ein vollkommenes Gelingen hoffen. Die
Abfaͤlle der Fabrik endlich kommen den Leimsiedern zu gut. Die Gesellschaft
ertheilte Hrn. Renou ihre Medaille aus Platin.