Titel: | Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich. |
Fundstelle: | Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXIX., S. 149 |
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XXIX.
Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in
Frankreich.
(Fortsezung und Beschluß von Heft 1, S. 73 dieses
Bandes.)
Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich.
2. Aussagen des Hrn. Horace Say, als
Abgeordneten der Handelskammer von Paris.
Da ich mich selbst mit keinem Fabricationszweige beschaͤftige, so erlaube
ich mir mich uͤber die aufgeworfenen Fragen im Allgemeinen zu
erklaͤren, und zwar namentlich in Hinsicht auf die Baumwollwaaren- und
Glas-Fabrication.
a) Von der
Baumwollwaaren-Fabrication.
Unsere Baumwollwaaren-Fabrication, welche weniger Ausfuhrartikel liefert, als
dieß in anderen Zweigen der Industrie der Fall ist, hat unter den
gegenwaͤrtigen Umstaͤnden und bei der Wichtigkeit, die sie
erlangt hat, von einem ploͤzlichen Uebergange des Prohibitivsystemes
zur gaͤnzlichen Handelsfreiheit am meisten zu fuͤrchten. Sie
bedarf noch durchaus eines Schuzes; und es fragt sich daher nur, ob dieser
Schuz eine Annaͤherung zur Handelsfreiheit seyn oder ein Verbot
saͤmmtlicher analoger Producte des Auslandes umfassen soll. Das
Verbot ist ein uͤbermaͤßiges, den Fabrikanten auf Kosten der
Consumenten gemachtes Zugestaͤndniß; daher wird es von der Masse der
Bevoͤlkerung auch als ungerecht betrachtet. Man sucht einem solchen
Geseze zu widerstehen, und ist stets geneigt die verbotenen Producte zu
brauchen und zu bezahlen, wenn sie dargeboten werden. Daraus
erwaͤchst Aufmunterung zur Schmuggelei, die unsere Graͤnzen in
einen verderblichen Zustand versezt, und welche selbst von Reisenden, die
sonst sehr redliche Leute sind, fuͤr nicht straͤflich gehalten
wird. Die Anforderungen der Consumenten bringen die Kaufleute zum Verkaufe
verbotener Waaren. Noch vor wenigen Jahren wurde einer unserer angesehensten
Geschaͤftsmaͤnner vor die Mauthdirection gerufen, um daselbst
Vorwuͤrfe daruͤber zu hoͤren, daß er in seinen
Magazinen verbotene Waaren fuͤhre; seine Antwort war einfach
folgende: „Ich verkaufe nur mit Widerwillen verbotene Waaren, und
gewinne an diesen auch weit weniger, als an den meisten uͤbrigen
Artikeln; allein ich bin dazu gezwungen, da das Publicum sie verlangt,
und da meine Collegen sie ebenfalls fuͤhren. Mein Lager
wuͤrde als schlecht assortirt verrufen, wenn ich nicht auch diese
Artikel boͤte. Der Hr. Mauthdirector selbst kaufte fuͤr
die Moͤblirung seines Hotels bei mir, und fand fuͤr die
Vorhaͤnge unter allen Waaren nur die Schweizer-Musseline passend,
die doch eingeschmuggelt waren!“ Ein Theil der Fabrikanten
selbst verband sich mit den Schmugglern, und wenn in den lezten Jahren bei
den Hausdurchsuchungen, die die Mauth vornahm, nur wenig aufgefunden wurde,
so liegt der Grund hievon hauptsaͤchlich darin, daß die fremden
Musseline, wenn sie auf franzoͤsischem Grund und Boden angelangt
sind, zu den Fabrikanten geschafft werden, welche gegen eine Praͤmie
von 2 bis 5 Proc. einwilligen ihre Marke darauf zu druͤken, und damit
ein falsches Ursprungszeugniß abzugeben. Die franzoͤsischen Fabrikanten
waͤren daher gewiß auf eine weit wirksamere Weise geschuͤzt,
wenn das Verbot durch einen Schuzzoll ersezt wuͤrde, dessen
Entrichtung durch einen von der Mauth aufgedruͤkten Staͤmpel
beurkundet werden muͤßte; und wenn nebenbei die Wegnahme jener
Waaren, die keine Marke tragen, beibehalten wuͤrde. Was den Betrag
dieses Schuzzolles selbst betrifft, so ist es schwer Fabrikanten
gegenuͤber uͤber den Gestehungspreis zu discutiren. Das
Einfachste duͤrste wohl seyn, wenn man damit anfinge, auf den fremden
Maͤrkten unsere Producte mit jenen des Auslandes zu vergleichen. In
vielen Artikeln halten wir schon jezt Concurrenz; in vielen anderen sind wir
nicht so weit zuruͤk, wie man es glauben machen will. In England hat
man es aufgegeben von irgend einem Gewebe einen Zoll, der uͤber 30
Proc. seines Werthes betruͤge, zu erheben; ich meines Theils glaube,
daß eine auf die fremden Baumwollwaaren gelegte Auslage von 25 Proc.
vollkommen genuͤgen duͤrfte, und daß eine Industrie, welche
sich hiebei nicht zu halten vermag, die Opfer, die den Consumenten zu deren
Schuz aufgelegt werden sollen, gar nicht verdient.
b) Von der
Glas-Fabrication.
Die beiden großen Spiegelfabriken in Saint-Gobin und Saint-Quirin, welche
eine gemeinschaftliche Niederlage halten, besizen de
facto eines der vollkommensten Monopole; eine dritte Fabrik, die
sich erheben wollte, konnte sich gegen sie nicht erhalten. Wenn ich auch mit
Vergnuͤgen zugestehe, daß die Monopolbesizer in ihrer Herrschaft eine
gewisse Maͤßigung beobachteten, so laͤßt sich doch nicht
laͤugnen, daß die Spiegel von kleinem Umfange in lezter Zeit in die
Hoͤhe gingen, waͤhrend die groͤßeren Spiegel, die in
bedeutender Menge ausgefuͤhrt werden, keine merkliche
Preiserhoͤhung erfuhren. Bei den Fortschritten, die man in lezteren
Jahren, seit sich Clément Desormes damit
beschaͤftigt, in der Spiegelglas-Fabrication machte, gelingen große
Spiegel viel leichter; und da es unvortheilhaft waͤre große
Glaͤser zu zerschneiden, so gestattet man beim Verkaufe lieber einen
Rabbat. Ich muß bei dieser Gelegenheit bemerken, daß der Tarif, welcher beim
Verkaufe der Spiegelglaͤser als Basis dient, so ziemlich
gleichguͤltig ist, wenn die Fabrikanten die Preise ermaͤßigen
wollen. Sie brauchen naͤmlich auf der
Etiquette nur einen Nachlaß von 50 bis 60 Proc. fuͤr einen Fehler im
Glase, der in Wirklichkeit gar nicht besteht, zu bemerken; so wie sie
uͤber eine gewisse Groͤße hinaus auch einen beliebigen
Nachlaß, und bei baarer Bezahlung einen nicht unbedeutenden Scontro
bewilligen. Auf diese Weise geschieht es auch wirklich, daß ein großer
Spiegel, der dem Tarif nach sehr hoch zu stehen kaͤme, endlich denn
doch fuͤr eine sehr maͤßige Summe zu haben ist. Dessen
ungeachtet waͤre es gewiß besser, wenn das Monopol sowohl durch die
inlaͤndische als die auslaͤndische Concurrenz in Schranken
gehalten wuͤrde. In Hinsicht auf die Krystallglas-Fabrication besteht
durch die Verbindung der vier Hauptfabriken und der Vereinigung ihrer
Niederlagen in eine einzige gleichfalls eine Art von Monopol. Wie man auch
immer behaupten mag, daß diese Verbindung bloß entstand, weil sich die
beiden großen Fabriken von Saint-Louis und Baccarat durch die Concurrenz
gegenseitig zu Grunde gerichtet haͤtten, so ist dem doch nicht so.
Die Krystallglaͤser der verschiedenen Fabriken werden in Paris von
mehreren Großhaͤndlern, denen die Fabrikanten mehr oder minder lange
Zahlungsfristen zugestanden, verschlissen. Nach und nach entstand jedoch in
diesen Niederlagen theils durch den Wunsch eines groͤßeren Absazes von
Seite der Fabrikanten, theils durch das Verlangen der Kaufleute nach großen
Sortimenten eine Ueberfuͤllung, zu der noch die Handelskrise vom I.
1831 kam. Der Credit einiger Kaufleute ward dadurch erschuͤttert; die
Fabrikanten zogen ihre Credite ein und verlangten groͤßere Zahlungen
zu einer Zeit, wo der Verkauf ohnedieß schlecht ging. Die hiedurch
gedraͤngten Kaufleute schlugen den Fabrikanten vor sich durch die
Maaren, womit ihre Laͤden uͤberfuͤllt waren, bezahlt zu
machen; man ging darauf ein, und da man die Waaren unterbringen mußte, so
verstand man sich eine gemeinschaftliche Niederlage zu bilden, in der man
sich keine Concurrenz machen wuͤrde. Auf diese Weise machte man sich
zum Meister des Handels in diesem Fache, denn man entschied sich, nachdem
man so weit gegangen war, schnell dahin, an jene Kaufleute, die
waͤhrend der Krisis Meister ihrer Geschaͤfte blieben, nichts
mehr direct abzugeben. Das hiedurch erstandene Monopol hatte seine
hoͤchst nachtheiligen Folgen; es ruinirte z.B. großen Theils die
Glasschleifern in Paris. Die Kaufleute nahmen bisher von den Fabriken die
rohen, sogenannten verstaͤrkten und doppelt verstaͤrkten
Krystallglaͤser ab, um sie verschieden schleifen zu lassen; die
Monopolisten, die dieß nicht mehr dulden und sich auch dieses
Industriezweiges bemaͤchtigen wollten, ließen die Glaͤser auf
den Fabriken schleifen, und sezten die Preise der geschliffenen
Glaͤser in den Niederlagen herab, waͤhrend sie die rohen
Glaͤser nur mehr zu erhoͤhten Preisen abgaben. Die Schleifer
wurden dadurch gezwungen den Monopolisten nachzugeben oder auszuwandern. Auf
welche Weise man es auch zu verbergen sucht, so hat seit der
Gruͤndung der gemeinschaftlichen Niederlage doch eine
Erhoͤhung der Preise Statt gefunden. So vertheuerten sich die
Weinglaͤser Nr. 4, die zu einem der gangbarsten Artikel
gehoͤren, ungeachtet der scheinbaren Herabsezung des Tarifes von 35
auf 32 Fr. fuͤr das Hundert wegen der Erhoͤhung des Scontro's
doch um 15 Proc.; eben so vertheuerten sich die Lampenglaͤser, von
denen in Paris jaͤhrlich 2 Millionen oder fuͤr 500,000 Fr.
verkauft werden, um 25 Proc., so daß die Monopolisten aus diesem Artikel
allein um 100,000 Fr. jaͤhrlich mehr ziehen. Es steht zu
befuͤrchten, daß dieses Steigen noch weiter gehe, und daß hiedurch
endlich nicht nur der Absaz im Inneren, sondern endlich auch jener nach
Außen empfindlichen Nachtheil erfahre; wenigstens weiß ich, daß bereits
gegenwaͤrtig einige der besten Arbeiter in Paris fuͤr
belgische Glasfabriken modelliren. Dermalen ist unsere Ausfuhr an
Krystallglaͤsern noch bedeutend; besonders haben sich die gegossenen
Artikel sehr vervollkommnet, und wir erhalten in solchen bedeutende
Auftraͤge, besonders aus Brasilien. Leider kommt uns aber der
Transport von Paris bis Rio Janeiro auf 10 Proc. des Werthes,
waͤhrend er den Englaͤndern von Liverpool aus um volle 7 Proc.
wohlfeiler kommt. Es waͤre vom groͤßten Interesse fuͤr
unsere Industrie dieses Monopol zu vertilgen, und ich sehe hiezu wirklich
kein anderes Mittel, als die Aufhebung des Einfuhrverbotes.
Das Monopol der Fabrication der façonnirten und gegossenen
gewoͤhnlichen Glaͤser ist noch nicht in so hohem Grade
centralisirt; aber doch haben sich die Fabriken des noͤrdlichen
Frankreichs ebenfalls schon so weit vereint, daß sie in Paris einen
gemeinschaftlichen Agenten halten, der die Verkaufspreise controlirt, und
daruͤber wacht, daß keine Concurrenz entsteht, in Folge deren die
Preise herabgedruͤkt werden koͤnnten. Ja die
Parfuͤmerie-Flaͤschchen sind bereits so sehr im Preise
gestiegen, daß die Parfumeurs, welche bekanntlich einen nicht unbedeutenden
Ausfuhrartikel liefern, ernstlich daruͤber zu klagen beginnen. Eben
solche Vertheuerungen bewirkten auch die Glasfabriken von Sevres, de la Gare
etc. in Hinsicht auf die Glasflaschen.
Unsere Ausfuhr an Fensterglas ist sehr unbedeutend; nach den Vereinigten
Staaten wurden Versuche gemacht; allein sie mißlangen, weil daselbst alle
Fensterscheiben beinahe gleiche Groͤße haben, weil man daher
Fensterglaͤser verlangt, die diesen Dimensionen genau entsprechen, so
daß man sie nur einzusezen braucht, und weil die in unseren
Glashuͤtten nach dem gesendeten Muster erzeugten Glaͤser
großen Theils nicht genau im rechten Winkel geschnitten waren, so daß sie
also nicht in die genauen amerikanischen Fensterrahmen paßten.
Im Allgemeinen und nach Vergleichung der Fabricate, welche andere
europaͤische Staaten auf die auslaͤndischen Maͤrkte
schiken, glaube ich, daß unsere Glasfabriken die fremde Concurrenz wenig zu
fuͤrchten haben, und daß dieß noch mehr auf den franzoͤsischen
Maͤrkten selbst gilt, indem die auslaͤndischen Fabricate nur
mit großen Kosten auf diese gelangen koͤnnen. Da aber unter allen
unseren Glasfabriken eine Neigung zu Verbindungen und zur Monopolisirung
notorisch ist, so ist es sehr nothwendig, daß das Einfuhrverbot durch einen
Schuzzoll ersezt werde, und zwar durch einen, der nicht einmal sehr hoch zu
seyn braucht. Am besten duͤrfte es seyn, diesen Zoll auf eine
Verbindung des Gewichtes mit dem Werthe zu basiren.