Titel: | Einiges über die rotirende Dampfmaschine des Hrn. Avery in New-York. |
Fundstelle: | Band 62, Jahrgang 1836, Nr. LXXIII., S. 442 |
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LXXIII.
Einiges uͤber die rotirende Dampfmaschine
des Hrn. Avery in
New-York.Wir haben im Polytechn. Journal Bd. LIX. S.
81 eine Beschreibung dieser Maschine gegeben, auf die wir zur
Verstaͤndigung des hier Vorkommenden verweisen. A. d. R.
Im Auszuge aus dem Mechanics' Magazine, No. 684, S.
412.
Avery's rotirende Dampfmaschine.
Die Anwendung des alten Hero'schen Principes auf die
Dampfmaschine hat zu beiden Seiten des atlantischen Oceans einiges Aufsehen erregt;
und wenn auch die Angaben des Erfinders Hrn. Avery, anfangs uͤberall mit Mißtrauen
aufgenommen wurden, so scheint doch in neuerer Zeit die wieder erfundene Maschine in
Amerika bedeutend in Gunst zu kommen. Das American Railroad
Journal, aus welchem wir gegenwaͤrtige Notizen hauptsaͤchlich
entnehmen, sagt naͤmlich, daß die Nachfrage nach derlei Maschinen so groß
ist, daß eine mit 100 Arbeitern versehene Werkstaͤtte nicht allen
Bestellungen Genuͤge leisten kann. Eine derlei Maschine soll auch fuͤr
die preußische und eine andere fuͤr die russische Regierung versendet
werden.
In den westlichen und suͤdwestlichen Staaten von Nordamerika bestehen bereits
mehrere Mahl- und Saͤgemuͤhlen, Baumwollpressen (cotton-gins) und andere Werkstaͤtten, die mit
Avery's rotirenden
Dampfmaschinen arbeiten, und zwar angeblich mit dem besten Erfolge. Unter den
zahlreichen Zeugnissen, welche hiefuͤr vorgelegt werden, sind die vorzuͤglichsten
von Hrn. Kinney,
Maschinenbauer in Louisville im Kentucky, der diese Maschinen zuerst in den
suͤdwestlichen Staaten einfuͤhrte. Er errichtete in Shelbyville eine
Mahlmuͤhle, welche mit zwei Paar Muͤhlsteinen von 3 1/2, Fuß arbeitet,
und stuͤndlich 10 Bushels Weizen in Feinmehl verwandelt. Eine andere
Muͤhle, die er fuͤr Hrn. Henry aufstellte, besizt drei Kessel von 20 Fuß Laͤnge und 22
Zoll Durchmesser; sie treibt zwei Gange von 3 1/2, Fuß und selbst 4 Fuß Durchmesser.
Die Steine machen 135 Umgaͤnge in der Minute und mahlen stuͤndlich 7
Bushel. Eine andere Maschine mit einem Kessel von 23 Fuß Laͤnge auf 26 Fuß
Durchmesser treibt zwei Baumwollpressen und ein Paar Muͤhlsteine von 3 1/2
Fuß Durchmesser; ihre Kraft ist jedoch so groß, daß man auch noch eine
Sagmuͤhle damit in Verbindung bringen will.
Hr. Felt, fuͤr dessen
Saͤgmuͤhle die HH. Lynds und Sohn in Syracuse eine rotirende Dampfmaschine nach
Avery's System erbauten,
berichtet, daß er ganz uͤberzeugt sey, daß die rotirende Maschine nur 2/3 von
jenem Brennmateriale verbrauche, welches eine Kolbenmaschine erfordert; und daß sie
dabei innerhalb derselben Zeit das Doppelte leiste. Er haͤlt diese Maschine
außerdem fuͤr die einfachste und am leichtesten in Ordnung zu haltende, so
daß er ihr zu allen mechanischen Zweken unbedingt den Vorzug gibt.
Hr. Harris, Vorstand einer
Goldgrube in North Carolina, richtete an Hrn. Minor, der mit dem Railroad Journal in Verbindung steht, folgendes Schreiben: „Ich
habe die Ehre auf die in Betreff unserer rotirenden Dampfmaschine an uns
gerichteten Anfragen zu erwidern:
1) Der Durchmesser der Maschine oder die Laͤnge des Armes betraͤgt 5
Fuß.
2) Ihre Kraft wurde von dem Mechaniker, der sie erbaute, auf 20 Pferdekraͤfte
berechnet, und diese Kraft uͤbt sie auch seit ihrer Errichtung vollkommen
aus. Ich kann nicht angeben, welche Kraft die Maschine bei erhoͤhtem Druke
des Dampfes ausuͤben wuͤrde; wir wendeten jedoch nie einen
groͤßeren Druk als 100 Pfd. per Quadratzoll, und
gewoͤhnlich nur einen Druk von 80 Pfd. per Zoll
in den Kesseln an.
3) Unsere Maschine treibt 6 Chillianer Muͤhlen (Chillian mills), 2 Arrestren, eine ungarische Waschmaschine, 4
Schuͤttelsiebe (shakers, und eine Pumpe von 6
Zoll im Durchmesser und 110 Fuß Laͤnge. Die Chillianer Muͤhle ist dem
Principe nach der Barker'schen aͤhnlich; sie
besteht aus einem großen Steine von 6 Fuß im Durchmesser und 14 Zoll Dike, der in
senkrechter Stellung in einem aus Faßdauben geformten, und zur Aufnahme von Wasser
geeigneten Bottiche umlauͤft. Das Erz wird mit Schaufeln unter den Stein gebracht, der es zu
Pulver zermalmt; das Pulver wird von einem fortwaͤhrend durch den Bottich
ziehenden Wasserstrome fortgeschwemmt. Was die zum Betriebe dieser Art von
Muͤhlen erforderliche Kraft betrifft, so haͤngt sehr viel von der
darauf verwendeten Aufmerksamkeit, so wie auch von der Natur des Erzes, womit man es
zu thun hat, ab. Wir rechnen auf jede unserer derlei Muͤhlen 1 1/2,
Pferdekraͤfte. Die Arrestremuͤhlen unterscheiden sich sowohl in
Hinsicht auf ihren Bau, als auch in Bezug auf die zu ihrem Betriebe noͤthige
Kraft von der eben beschriebenen Art von Muͤhlen. Sie bestehen aus einem
massiven Granitbodensteine von 9 Fuß im Durchmesser auf 12 bis 13 Zoll Dike, welcher
mit einem aus Faßdauben gebildeten Bottiche umgeben ist. In der Mitte dieses
Bottiches ist eine senkrechte Welle angebracht, durch welche beilaͤufig zwei
Fuß hoch uͤber dem Boden des Bottiches zwei horizontale Arme laufen, die sich
durch den ganzen Durchmesser des Bottiches erstreken. An diesen Armen werden 4 bis 6
große Gewichte, jedes zu 200 bis 300 Pfunden aufgehaͤngt; und wenn das Ganze
durch ein oberhalb befindliches Raͤderwerk in Bewegung gesezt und mit einer
Geschwindigkeit von beilaͤufig 10 Umgaͤngen in der Minute umgetrieben
wird, so erfolgt unter Beisaz von Wasser die Verwandlung des Erzes in eine Art von
Teig. Dieser Proceß haͤngt gleich dem obigen in Hinsicht auf die dazu
erforderliche Kraft gar sehr von der darauf verwendeten Sorgfalt und von der
Beschaffenheit des Erzes ab. Bei uns rechnet man fuͤr jede solche
Muͤhle drei Pferdekraͤfte. Die uͤbrigen Apparate verbrauchen
verhaͤltnißmaͤßig nur eine geringe Kraft. Die Pumpe hebt
gegenwaͤrtig in jeder Minute beilaͤufig 67 Gallons Wasser, und
erfordert daher mit dem Waschapparate gegen 5 Pferdekraͤfte.
4) Die Maschine war seit ihrer Errichtung bestaͤndig in Thaͤtigkeit,
die Sonntage und eingetretene Hindernisse abgerechnet.
5) Wenn sie sich in vollkommener Thaͤtigkeit befindet, wie dieß in den lezten
vier Monaten der Fall war, so sind drei Klafter Holz hinreichend, um so viel Dampf
zu erzeugen, daß die Maschine 24 Stunden lang arbeitet.
6) Die Quantitaͤt des verdampften Wassers betraͤgt, wenn die Maschine
mit ganzer Kraft arbeitet, in so fern ich mich davon uͤberzeugen
koͤnnte, gegen 60 Gallons.
7) Die Maschine wurde Anfangs September 1335 in Thaͤtigkeit gesezt und diente
bis zum Maͤrz 1836 zum Betriebe der Pumpe und zu jenem von vier
Muͤhlen; seit dieser Zeit sind saͤmmtliche Apparate angebracht.
8) Die Ausbesserungskosten waren sehr unbedeutend, und moͤgen sich, in so fern sie die
Maschine selbst betreffen, die ganze Zeit uͤber kaum auf 10 Dollars belaufen
haben.
9) Bei gehoͤriger Achtsamkeit geraͤth die Maschine nicht leicht in
Unordnung.
10) Vergleicht man die Betriebskosten mit jenen einer gewoͤhnlichen
Kolbenmaschine, so duͤrften sie sich kaum hoͤher als auf die
Haͤlfte dieser lezteren belaufen.
11) Wenn ich einer weiteren Maschine von 20 Pferdekraͤften bedarf, so gebe ich
unstreitig einer rotirenden Dampfmaschine von fraglicher Art den Vorzug, weil diese
Maschinen meiner Ansicht nach Vieles vor den Kolbenmaschinen voraus haben, und da
ihre Bedienung namentlich von minder gewandten Individuen bewerkstelligt, und deren
Aufrichtung fuͤr geringere Kosten bestritten werden kann.
Das unter der Leitung des Hrn. Dr. Jones stehende Franklin-Journal enthaͤlt folgenden von einem
seiner Correspondenten eingesandten Bericht uͤber eine Avery'sche Dampfmaschine. „Ich kann nach persoͤnlich
genommener Einsicht und nach den Aufschluͤssen, die ich von
Sachverstaͤndigen und Betheiligten uͤber die Leistungen einer
derlei Maschine mit 30zoͤlligen Armen einzog, folgende Resultate, deren
Genauigkeit ich verbuͤrge, angeben. Die Maschine, um die es sich hier
handelt, befindet sich in New-York, Attourney-Street, seit mehreren Monaten in
Thaͤtigkeit; hunderte von Sachverstaͤndigen, die sie besahen,
waren uͤber ihre Verrichtungen, und namentlich uͤber die Ruhe und
Stille, womit sie dieselben vollbringt, erstaunt. Uneingeweihte fragen sogar,
nachdem sie sich bereits im Maschinenhause befanden, und den Kessel, die Pumpe
und die Maschinerie vor sich hatten, nach der Maschine! So gering in Hinsicht
auf aͤußeres Aussehen die Aehnlichkeit zwischen der neuen Maschine und
den bisherigen Dampfmaschinen ist, eben so sehr scheint sie von diesen auch in
Bezug auf die Ausbesserungs- und Beaufsichtigungskosten abzuweichen.
„Die Arme der Maschine messen vom Mittelpunkt der Welle bis zu den
Oeffnungen 30 Zoll in der Laͤnge, und jede der Oeffnungen hat 1/19 Zoll
im Gevierte. Die Arme befinden sich in einem kreisrunden gußeisernen
Gehaͤuse. Die Welle nimmt an dem einen Ende den Dampf auf,
waͤhrend an dem anderen Ende eine Rolle fuͤr das Laufband
angebracht ist. Die Maschine treibt folgende Apparate: eine aufrechte Sage mit
30zoͤlligem Zuge oder 15zoͤlliger Kurbelbewegung, welche im
Durchschnitte 110 Zuͤge in der Minute macht; eine 24zoͤllige
Rundsage (buz-saw), welche einen Schnitt von 3/16
Zoll gibt und 22 bis 2400 Umgaͤnge in der Minute macht; drei
24zoͤllige kreisrunde Fournirsaͤgen; eine derlei
26zoͤllige, eine eben solch 27zoͤllige, welche mit einer
Geschwindigkeit von 12 bis 1500 Umgaͤngen in der Minute umlaͤuft;
eine 15zoͤllige Rundsage mit 1200 Umgaͤngen in der Minute; eine
Sage zum Schneiden von Curven mit 250 Zuͤgen in der Minute und
9zoͤlliger Curve; einen Schleifstein; einen Blasbalg fuͤr den
Ofen, und eine Pumpe, welche das Wasser 30 Fuß hoch in einen zu ihrem eigenen
Bedarfe dienenden Behaͤlter emporschafft. Diese Maschinen sind zwar nicht
saͤmmtlich und immer zu gleicher Zeit in Bewegung, allein sie
koͤnnen wenigstens von der Dampfmaschine saͤmmtlich eine beliebige
Zeit hindurch in Thaͤtigkeit erhalten werden, und zwar mit einem
Verbrauche an Wasser, der nicht uͤber 40 Gallons per Stunde betraͤgt. Der Kessel der Maschine ward
urspruͤnglich fuͤr eine Kolbenmaschine von 15
Pferdekraͤften bestimmt.
„Man hat oͤfter gefragt, welche Kraft diese Maschine besizt: eine
Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist. Doch kann man fuͤr die
aufrechte Saͤge, welche stuͤndlich 110 Fuß sagt, 5; fuͤr
die große Rundsaͤge, welche stuͤndlich 120 Fuß saͤgt,
ebenfalls 5; fuͤr die kleine 1 1/2,; fuͤr die 5
Fournirsaͤgen 5; fuͤr die Curvensaͤge, den Schleifstein,
die Pumpe, den Blasbalg 1 1/2, in Summa also 18 Pferdekraͤfte rechnen.
Nimmt man jedoch nur 15 Pferdekraͤfte an, so werden diese fuͤr 10
Arbeitsstunden mit einem Verbrauche von 40 Gallons Wasser, von 1 Dollar
fuͤr Brennmaterial, und von 1 Dollar 25 Cent. fuͤr Beaufsichtigung
der Maschine und des Feuers erzeugt. Dabei darf nicht vergessen werden, daß
saͤmmtliche Sagen mit Ausnahme der lezteren, die fuͤr Holz von
jeder Art bestimmt ist, hartes Mahagonyholz schneiden; und daß die Kraft so
wenig verbraucht wird, daß man demnaͤchst auch noch eine Drehbank mit der
Maschinerie in Verbindung zu bringen gedenkt. Da man fuͤr die
Kolbenmaschinen, wenn ich nicht irre, stuͤndlich 7 bis 9 Gallons Wasser
per Pferdekraft rechnet, so erhellt hieraus, daß
die rotirende Maschine weit weniger Brennmaterial und Wasser verbraucht, als die
Kolbenmaschine; und sollte sich in Bezug auf die Anschaffungs-, Unterhaltungs-
und Beaufsichtigungskosten fuͤr erstere eine eben so große Ersparniß
ergeben, so duͤrfte es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die rotirende
Dampfmaschine in Kuͤrze in allgemeine Anwendung kommen muß.“
Hr. Jones selbst macht
uͤber die Maschine Avery's folgende Bemerkungen: „Wir sind uͤber die
Resultate dieser Maschine im Vergleiche mit jenen, welche die Dampfmaschinen mit
Wechselbewegung oder andere rotirende Dampfmaschinen geben, noch nicht so
aufgeklaͤrt, daß wir uͤber den Werth derselben eine bestimmte
Meinung fassen koͤnnten. Vier bis fuͤnf Jahre sind jedoch seit der
Patentirung
dieser Maschine verflossen, und sie arbeitete seither sowohl in Syracuse, als an
mehreren anderen Orten zur Zufriedenheit. Wir druͤkten Hrn. Avery, bevor er sein Patent
nahm, unsere Ansicht dahin aus, daß wir in diese Art von Maschinen im
Allgemeinen und in die von ihm gemachten Erfindungen insbesondere kein Vertrauen
sezen koͤnnten, und daß wir daher meinten, daß seine Maschine die
laͤngste Lebensdauer aller bisherigen rotirenden Maschinen,
naͤmlich 2 Jahre, nicht uͤberleben duͤrfte. Allein die
Maschine lebt noch immer und alle Berichte, die uns uͤber sie zukommen,
zeigen noch durchaus keine Symptome ihres Verfalles.“
Wir unsererseits, sagt das Mechanics' Magazine, finden
alle die Angaben, die uns bisher uͤber diesen Gegenstand zukamen, zu
oberflaͤchlich, zu wenig auf numerische Daten begruͤndet, als daß man
glauben kann, daß die neue Maschine in England, wo man gruͤndlicher zu Werke
geht, als in Amerika, hienach schon Eingang finden duͤrfte. Wir empfehlen
daher den amerikanischen Patenttraͤgern eine ihrer besten Maschinen nach
England zu schaffen, und sie bei uns solchen Proben zu unterwerfen, wie sie
kuͤrzlich mit der Maschine von St. Austen vorgenommen wurden.
Zum Schluͤsse geben wir noch aus der Patentbeschreibung jenen Theil, aus
welchem hervorgeht, was Hr. Avery eigentlich fuͤr seine Erfindung erklaͤrt.
„Es ist von groͤßter Wichtigkeit, heißt es naͤmlich
daselbst, daß den umlaufenden Armen eine solche Gestalt gegeben werde, daß sie
von Seite der Luft den moͤglich geringsten Widerstand erfahren. Wir
verfertigen sie daher nicht, wie es bisher geschah, aus runden Roͤhren,
sondern aus zwei Segmenten großer Kreise, welche an den Verbindungsstellen
scharfe Kanten bilden. Uebrigens kann man den Armen auch eine elliptische oder
ovale Form geben. Was die Zahl der Arme betrifft, die wir an einer Welle
anbringen, so behalten wir es uns vor, diese den vorkommenden Faͤllen und
Zweken anzupassen. Wir erklaͤren uns durchaus nicht fuͤr die
Erfinder der rotirenden Dampfmaschine oder des Gehaͤuses oder der
Trommel, worin die Arme umlaufen; sondern unsere Erfindung besteht lediglich
darin, daß wir den Armen im Verhaͤltnisse zu ihrem Rauminhalte eine
flache Gestalt geben, damit sie einen weit geringeren Widerstand gegen die Luft
darbieten, und mithin eine groͤßere Kraft erzeugen.