Titel: | Notizen über die Runkelrübenzuker-Fabrication im nördlichen Frankreich; vom Professor Dr. Schubarth. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. XIV., S. 63 |
Download: | XML |
XIV.
Notizen uͤber die
Runkelruͤbenzuker-Fabrication im noͤrdlichen Frankreich; vom
Professor Dr. Schubarth.
Aus der preußischen Staatszeitung vom 10. December
1836.
Schubarth, uͤber die
Runkelruͤbenzuker-Fabrication.
Seit dem Druk meiner „Beitraͤge zur
naͤheren Kenntniß der Runkelruͤbenzuker-Fabrication in
Frankreich“ sind mir von Arras viele schaͤzbare
Mittheilungen geworden, welche ich theils der Guͤte des Hrn. Crespel-Dellisse, Ritter der Franzoͤsischen Ehrenlegion und
des Großherzoglich Hessischen Verdienstordens, als auch einem Zoͤgling
unseres Gewerbe-Instituts Hrn. Reich, verdanke,
welcher mich auf meiner lezten Reise nach Frankreich begleitete, seit einigen
Monaten bei Hrn. Crespel, der ihn sehr freundlich
aufnahm, arbeitet und die Anstalten desselben, so wie anderer Fabrikenbesizer, genau
studirt hat.
Hr. Crespel hat jezt 10 Fabriken im Gang, als im Dept. du Pas-de-Calais 4: in Arras
(arbeitet mit einer Dampfmaschine), Saulty (Roßwerk), Beifvillers (desgl.), Eaucourt
(desgl.); im Dept. de la Somme 3: in Frankvillers
(Roßwerk), Roye (Dampfmaschine), Sailly (desgl.); im Dept. de
l'Aisne 2: in Villeselve (desgl.), Frières (desgl.); im Dept. de l'Oise 1: in Francières (Dampfmaschine). Er
rechnet in der Arbeitsperiode 1836/37 auf eine Gesammtausbeute von drei und einer halben Million Pfund Rohzuker!
Wie viel ich der Guͤte dieses Mannes verdanke, habe ich in den oben
erwaͤhnten Beitraͤgen geschildert. Mit welcher
Uneigennuͤzigkeit und Offenheit mir Alles mitgetheilt wurde, was ich nur zu
wissen wuͤnschte, selbst genaue Nachweise in Betreff der Fabricationskosten,
des Reinertrags, aus den Buͤchern des Centralcomptoirs, kann ich nicht genug
oͤffentlich ruͤhmen. Ich erlaube mir, eine Stelle aus einem Briefe vom
22. Junius hieher zu sezen, aus welcher die hoͤchst liberalen Gesinnungen des
Hrn. Crespel gegen unsere vaterlaͤndische
Industrie deutlich hervorgehen:
„Si j'ai pu, par mon exemple, ma persévérance, et
par la communication de mes procédés de fabrication contribuer à la
prospérité nationale de votre pays, ce sera pour moi un grand plaisir et une
grande satisfaction; la distance, qui nous sépare, ne m'ayant pas permis
d'être plus efficacement utile à la patrie de Marggraff!
So denkt und handelt ein Franzose gegen uns Deutsche, waͤhrend Deutsche
Deutschen aus reinem Patriotismus und „als Wohlthaͤter des
Vaterlandes“ (!) wie es in den Gothaer Bulletins heißt, fuͤr
schweres Geld das Geheimniß (!) der Runkelruͤbenzuker-Fabrication
feilboten und große Summen dafuͤr einnahmen. Doch zur Sache.
Die Zukerfabrication hat Anfang Septembers im noͤrdlichen Frankreich begonnen;
man war mit der Ernte zufrieden, der Saft wog 7¾ bis 8° am Pèse-sirop,
Die Grade des in Frankreich gebraͤuchlichen Pèse-sirop von Bunten zeigen
nach Schubarth's Bemerkungen immer eine
1–2° geringere Dichtigkeit an, als die nach Baumé graduirten
Spindeln von Greiner jun. in Berlin. Lezterer
verfertigt aber jezt auch den Bunten'schen
gleiche Spindeln von 0°–21° fuͤr den rohen und
abgedampften Syrup, und andere bis 42° gehende, fuͤr
Klaͤrsel und gekochten Syrup bestimmt.
A. d. Red.
war sehr zukerreich und klaͤrte sich sehr leicht und schoͤn,
so daß wenig Kohle erforderlich war. Seit langer Zeit hatte man nicht so
schoͤnen Saft.
Waschen. So lange es irgend ausfuͤhrbar ist, sucht
man das Waschen zu vermeiden, weil die Waschmaschinen einen großen Antheil an der
Unreinlichkeit in den Fabriken haben und dabei durch eine angehende Maceration ein
kleiner Antheil Zuker verloren geht. Allein von Weibern und Kindern laͤßt man
die Ruͤben nicht abpuzen, wie es wohl bei uns anempfohlen worden ist und auch
geschieht, sondern die Ruͤben werden auf dem Felde gut abgeklopft und nun
ohne Weiteres der Reibe vorgelegt, was freilich fuͤr die
Saͤgeblaͤtter lein Vortheil ist.
Reiben. Haben die Zaͤhne der
Saͤgeblaͤtter einen starken Grad nach einer Seite bekommen, so werden
die Keile der Trommel geloͤst und die Trommel auf die Welle umgekehrt
aufgekeilt; hat sich dann nach einiger Zeit der Grad auf die entgegengesezte Seite
gedruͤkt, so wiederholt man dasselbe Verfahren. Man wiederholt diese Procedur
in immer kleineren Zeitraͤumen (z. B. das erste Mal nach 4 Wochen, das zweite
Mal nach 2, das dritte Mal nach 1 Woche etc.). Sind die Zaͤhne ganz
abgenuͤzt, so troknet man die Trommel auf dem Dampfkessel, schraubt die Ringe
an beiden Seiten ab, nimmt mit einer Drahtzange die Blaͤtter heraus, sezt
neue ein, und begießt dann die Trommel, wodurch das Holz quillt, und die
Blaͤtter festklemmt. Ein sehr einfaches Verfahren.Die Reiben haben nach Schubarth im Allgemeinen
folgende Einrichtung: auf einem gußeisernen Gestelle ruht in Lagern die
Achse einer Trommel von folgender Construction: zwei gußeiserne Scheiben,
nach Innen mit einem angegossenen vorspringenden Rand und sechs
verstaͤrkenden Rippen, rund auf der Drehbank abgedreht, und mit einer
cylindrisch ausgebohrten Nabe versehen, werden auf die ebenfalls eiserne
Achse gebracht, mit Splinten befestigt und durch 6 Schraubenbolzen in der
gehoͤrigen Entfernung fest verbunden. In jeder Scheibe befindet sich
ein Loch, um durch dasselbe beim Auseinandernehmen den gegenseitigen Splint
herausschlagen zu koͤnnen. Zwischen beide Scheiben werden nun in der
Peripherie Dauben eingelegt, durch die Raͤnder der Scheiben und die
erwaͤhnten Bolzen zusammengehalten, und dann das Ganze auf der
Drehbank zwischen Spizen genau abgedreht. Auf diese Trommel werden nun
13″ lange, 1″ hohe, 1/16″ bike, auf beiden Seiten mit
⅛″ langen Zaͤhnen und an beiden Seiten mit
¼″ hohen und langen Angeln versehene
Saͤgeblaͤtter der Laͤnge nach so befestigt, daß man
eine Latte auf die Trommel nagelt, das Saͤgeblatt gegen dieselbe
legt, wieder eine Latte aufnagelt u. s. f., daß der Umkreis 150
Blaͤtter zwischen eben so viel Latten eingeklemmt enthaͤlt. An
beiden Enden werden hierauf zwei abgedrehte eiserne Ringe, welche mit einem
umgebogenen Rande uͤber Lattenenden und Angeln der
Saͤgeblaͤtter greifen, mit Schrauben an die Scheiben der
Trommel befestigt. Alles Holz ist trokenes Eichenholz. Die
Saͤgeblaͤtter koͤnnen vier Mal gewendet werden, indem
sie auf beiden Seiten gezahnt sind, jede Seite aber dazwischen auch ein Mal
bloß umgedreht wird, um die nach einer Seite hin gebogenen Zaͤhne in
entgegengesezter Richtung wirken zu lassen. Wenn die Ruͤben nicht
gefroren sind, kann ein Saͤgeblatt im Ganzen 6 Wochen und mehr
dienen.A. d. R.
Man hat im Herbst, um Arbeiter an den Reiben zu ersparen, mechanische Vorrichtungen
construirt, welche die vorgeworfenen Ruͤben tactmaͤßig gegen die
Trommel der Reiben vorschieben und andruͤken sollen (poussoirs mécaniques) (vergl. S. 59 der Beitraͤge) Es wird
naͤmlich vor dem Rumpf der Reibe ein starker hoͤlzerner Bok befestigt,
welcher die Zapfenlager fuͤr einen doppelten Krummzapfen traͤgt, an
welchem Stangen drehbar befestigt sind, welche die holzernen Kloͤze (rabots) in dem Rumpf auf und ab bewegen, durch welche
die Ruͤben vorgeschoben werden. An dem Ende der Krummzapfenwelle auf der
einen Seite ist eine Riemscheibe befestigt, welche durch einen Riemen die Bewegung
von einer Betriebswelle empfaͤngt. Durch diese Einrichtung hoffte man an
jeder Reibe 2 Personen zu ersparen. Zeichnung und Beschreibung hat mir Hr. Crespel mitgetheilt.
Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß diese Einrichtung den Zwek nicht in dem Maaße
erfuͤllt, als man sich versprochen hatte. Erstlich geht auf die
Heraufbewegung eben so viel Zeit hin, als auf die Herabbewegung, da sie doch
fuͤglich schneller vollbracht werden kann, was auch bei der Handarbeit
geschieht. Es findet also Verlust an Zeit Statt. Zweitens wird nur ein Arbeiter an der Reibe gespart, nicht zwei, indem man
hoffte, daß ein Maͤdchen den zweitheiligen Rumpf wuͤrde bedienen
koͤnnen, was sich aber nicht ausfuͤhrbar bewiesen hat. Drittens ist
die zum Betrieb der poussoirs noͤthige Kraft auch
nicht zu uͤbersehen; sie mag wohl einer Pferdekraft gleichkommen. Dergestalt
hat sich bisher kein Vortheil bei der Anwendung dieser mechanischen Einrichtung zum
Vorschieben der Ruͤben herausgestellt.
Pressen. Die drehbaren Platten zum Anfuͤllen und
Aufstapeln der Saͤke macht man jezt dreitheilig, d. h. statt in Form eines
Rechteks, aus drei mit einander verbundenen Rechteken bestehend mit einspringenden
Winkeln. Ferner construirt man sie der Wohlfeilheit wegen auch aus Holz mit
Kupferblech uͤberzogen, auf einem Unterbau fest aufgelegt.
In den „Beitraͤgen“ habe ich gezeigt, weßhalb in der
Fabrik des Hrn. Crespel den Preßtuͤchern der
Vorzug vor den Preßbeuteln gegeben wird. Dieß ist ein locales Verhaͤltniß. Im
Gegentheil sind die lezteren vorzuziehen, denn bei der Anwendung der Tuͤcher
wird mehr Brei verschuͤttet, und derselbe wird nicht vollstaͤndig
genug abgepreßt. Man legt naͤmlich die Tuͤcher in der Mitte zusammen
und schlaͤgt die
uͤberstehenden Enden nach Innen hinein, wodurch das Tuch an den Eken
vierfach, nach der Mitte zu nur zweifach zu liegen kommt. Dieß macht bei 17 bis 18 Lagen schon so
viel aus, daß der ganze Stoß in der Mitte hohl liegt und deßhalb nicht scharf genug
ausgepreßt werden kann. Auch geht das Einsaken in Tuͤcher nicht so rasch, als
in Beutel.
Man preßt jezt in den Anstalten des Hrn. Crespel
zwei Mal; zwei hydraulische Pressen auf je eine Reibe
dienen zum Vor- und eine dritte zum Nachpressen. Die Saͤke von den
ersteren koͤnnen, da sie nach dem Pressen einen viel kleineren Raum
einnehmen, in der lezteren auf ein Mal abgepreßt werden. Durch das Umlegen in die
dritte Presse kommen die Saͤke in eine andere Lage, treffen auf andere
Stellen der Horden, und so gewinnt man noch ein Mal Saft. Behufs des Nachpressens
werden je 2 bereits abgepreßte Saͤke zusammen genommen, durch ein Faß mit
kaltem Wasser ziemlich schnell durchgefuͤhrt und dann auf die Nachpresse
gelegt, auf dieselben eine Horde, wieder zwei Saͤke u. s. w. Das Nezen mit
Wasser ist nothwendig, um bei dem scharfen Vorpressen die lezten Antheile Saft zu
gewinnen. — Zu einer Reibe, wenn Tag und Nacht gearbeitet wird,
gehoͤren 240 Saͤke und Horden. — Man stellt die Reiben und
Pressen am zwekmaͤßigsten in der zweiten Etage auf, so daß der Saft ohne
Weiteres in die Laͤuterkessel durch weite, offene, mit Blei ausgeschlagene,
zugedekte Rinnen fließen kann. Dadurch werden die Saftbehaͤlter, bis auf
einen zur Reserve, und die Saftpumpe erspart, und viel Gelegenheit zur
Saͤuerung vermieden, indem leztere fast ohne Ausnahme in den
Saftroͤhren sich zeigt, die schwierig gereinigt werden koͤnnen. Durch
die so eben genannte Einrichtung, welche Hr. Crespel
eingefuͤhrt hat, ist diesem vorgebeugt. Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ist
das Geheimniß, durch welches man vielen und schoͤnen Zuker bei nur einmaliger
Filtration durch wenig Kohle gewinnt! Leicht zerreibliches mattes Korn im
Zuker ist die unausbleibliche Folge eingetretener Gaͤhrung.
Ob eine hydraulische Presse ihre Schuldigkeit thut, oder nicht, kann man auf
folgendem einfachem Wege pruͤfen. Wenn die Presse ihr Maximum des Drukes fast
erreicht hat, so markirt man sich an einer der vier eisernen Saͤulen,
zwischen welchen die Preßplatte steigt, mit dem Nagel eines Fingers die Lage der
horizontalen eisernen Preßplatte, und beobachtet, ob nach jedem Hub eine
vorwaͤrts gehende Hebung, oder ruͤkgaͤngige Schwankung
eintritt. Ist Lezteres der Fall, so schließt das Drukventil der Pumpe nicht
genuͤgend, es geht nach jedem Kolbenstoß Wasser aus der Presse zuruͤk.
Steigt die Preßplatte von Anfang des Pressens zu wenig, so koͤnnen die
Saugventile schlecht
seyn, es fließt Wasser zuruͤk, statt in die Presse zu gehen. Man
fuͤhlt dieß, wenn man die Hand unter die unteren Muͤndungen der
Saugroͤhren haͤlt, durch welche dann das Wasser in den
Behaͤlter zuruͤkgetrieben wird. Oefteres Nachsehen ist daher
unerlaͤßlich.
Hr.Crespel hat zu einer seiner neuen Fabriken Pumpen
hydraulischer Pressen construiren lassen, bei welchen alle Ventile so angeordnet
sind, daß man leicht hinzu kann, ja sogar von Oben, ohne unter Wasser Schrauben zu
luͤften. Die Gewichte fuͤr die Hebel liegen nicht im Wasser, sondern
außerhalb desselben, um sie unter steter Aufsicht zu haben.
Hr. Crespel hat in Roye einen Versuch mit der Pecqueurschen Presse angestellt; das Resultat war aber
nicht genuͤgend. Dieselbe verursachte so vielen Schaum, daß man selbst in 24
Stunden desselben nicht Meister werden konnte, was die Arbeit beim Laͤutern
sehr erschwerte. Auch mußte der Brei ganz besonders gleichfoͤrmig seyn, wenn
anders nicht die Speisungspumpe Aufenthalt verursachen sollte; er darf nicht zu fein
seyn, sonst geht er durch die Loͤcher in die Preßcylinder. Folglich ist
dieser interessante Gegenstand noch nicht auf den Punkt der Vollendung gebracht, der
zu wuͤnschen ist, wenn diese Pressen Anwendung finden sollen.
Bis jezt ist es noch Niemand in Frankreich eingefallen, zu den Schraubenpressen
zuruͤkzukehren, welche, damit sie noch mehr Raum einnehmen, mit gewaltigen
Raͤdern versehen, als ein Theil des geheimen
Verfahrens, Runkelruͤbenzuker zu produciren, anempfohlen und auch debitirt
worden sind. Ich will wuͤnschen, daß kein Fabrikant die Anschaffung dieser
kolossalen, langsam wirkenden, zerbrechlichen Mechanismen zu bereuen haben
moͤge.
Laͤuterung. Je schwaͤrzer der Saft von den weißen Ruͤben, desto
bessers; haben die Ruͤben eine Alteration erlitten, oder hat der Saft
gegohren, so sieht derselbe roͤthlichbraun aus, und zulezt milchig. Der Saft
im September, Oktober war vorzuͤglich, der daraus gewonnene Zuker
schoͤn, und in reichlicherer Menge, als im vorigen Jahre.
Ruͤksichtlich der Laͤuterung keine Veraͤnderung. Sie geschieht
Mit geloͤschtem Kalk und geht so sicher von Statten, wie nur zu
muͤnfchen. Das Verfahren, wie es in den
„Beitraͤgen“ beschrieben ist, ist hoͤchst,
einfach, ohne alle Kuͤnstelei.Es ist folgendes: Man laͤßt den Saft langsam in den
Laͤuterkessel (der aus einem oberen cylindrischen Theile und aus
einem sphaͤrischen Bodenstuͤk besteht, uͤbrigens zum
Heizen mit Dampf oder Feuer eingerichtet ist) laufen und streicht den sich
babei bildenben Schaum mit einem streichholze glatt; sobald der Saft bis an
den cylindrischen Obertheil des Keffles gestiegen ist, oͤffnet man
den Dampfhahn oder schuͤrt das Feuer an. Waͤhrend nun der
Kessel sich allmaͤhlich fuͤllt und der Saft sich
erwaͤrmt, loͤscht man eine abgewogene Kalkmenge in einem
niedrigen und weiten Fasse mit einem Eimer Wasser, zerruͤhrt den Kalk
mit einem stumpfen Besen, gießt die Kalkmilch in einen Eimer ab, und
spuͤlt den Ruͤkstand mit ½ Eimer Wasser nach. Ist der
Saft auf 55 bis 58° R. erwaͤrmt, so wird ein Theil der
Oberflaͤche von Schaum entbloͤßt, alle Kalkmilch auf ein Mal
zugesezt und mit einem Ruͤhrer tuͤchtig von Unten nach Oben
durchgearbeitet, hierauf aber, der Beobachtung wegen, der Schaum vom
Vordertheile mit dem Streichholze rein abgezogen.A. d. R. Die Erscheinungen an der Schaumdeke und an der Oberflaͤche der klaren Fluͤssigkeit
sind so constant und deutlich, daß selbst jeder Ungebildete sie sogleich bemerkt;
Vortheile gegen umstaͤndlichere und zeitraubende Proben, um zu erforschen, ob
hinlaͤnglich Kalkhydrat zugesezt worden ist.
Man hat die von mir beschriebenen Erscheinungen an der Schaumdeke als nichts
beweisend geschildert und die ganze Sache laͤcherlich gemacht. Dagegen kann
ich nur erwaͤhnen, daß, so viele Praktiker ich auch in Frankreich
daruͤber gesprochen, alle in der Angabe jener Erscheinungen
uͤbereinstimmen, und sie dort als eine ausgemachte Thatsache gelten, Ich
selbst, mein Begleiter, haben das Phaͤnomen so oft beobachtet, daß von einer
Taͤuschung die Rede nicht ist. Sollten jene Erscheinungen erwa nur in
Frankreich sich zeigen, und unter gleichen Verhaͤltnissen nicht auch bei uns?
Den Beweis vom Gegentheil liefert eine Anstalt, die nach franzoͤsischem
Muster eingerichtet ist.Die Erscheinungen, welche bei einer guten Laͤuterung an der
Fluͤssigkeit beobachtet werden, sind naͤmlich folgende:
Bildung kleiner Eiweißfloͤkchen, die sich zu einem gruͤnlich
grauen Schaum auf der Oberflaͤche ansammeln und eine Deke bilden,
welche bald in sanfte Bewegung geraͤth und sich von Innen nach Außen
runzelt, endlich eine lebhaftere Bewegung von Außen nach Innen, welche mit
Aufkochen am Kesselrande schließt und oft sogleich, ohne Vorgang jener
sanften Bewegung von Innen nach Außen, eintritt. Sobald sich das Aufkochen
an allen Stellen des Kesselrandes gezeigt hat, wird der Dampf abgeschlossen
oder das Feuer beseitigt. Zeigt sich die zulezt erwaͤhnte lebhaftere
Bewegung nicht, so ist die Laͤuterung mißlungen und man muß den
Schaum abschoͤpfen und neuen Kalk zusezen. Nach Absperrung des
Dampfes oder Entfernung des Feuers laͤßt man den Saft noch 10 Minuten
in Ruhe und zieht ihn dann ab. Waͤhrend der Arbeit nimmt man von Zeit
zu Zeit mit einem blanken Loͤffel Proben; die im Safte
umherschwimmenden Floken muͤssen sich rein absezen; bleibt die Probe
truͤbe, so ist es nicht recht; Bildung eines Kalkhaͤutchens
auf der klaren Fluͤssigkeit ist gut. Der stark alkalische Saft muß
voͤllig klar seyn; bei friscken Ruͤben ist er nur blaßgelb,
bei gekeimten oder angefaulten dunkler. Die zur Laͤuterung
erforderliche Menge von Kalk laͤßt sich aber absolut nicht bestimmen,
weil sie sich theils nach der Beschaffenheit des Kalks, theils nach der des
Saftes richtet; angefaulte und keimende Ruͤben erfordern mehr Kalk
als frische, daher auch die Kalkmenge in der Zeit vom Herbst zum
Fruͤhjahr allmaͤhlich, fast bis auf das Doppelre, vermehrt
werden muß.A. d. R.
Abdampfen. Bei der Anlage von Qualmfaͤngen
fuͤr die Pfannen ist zu beachten, daß das in den Abzugsschloten aus dem Dampf
condensirte Wasser nicht in die Pfanne zuruͤkfließen koͤnne. Dieß wird dadurch, zugleich
mit Befoͤrderung des Abzugs der Daͤmpfe, bewirkt, daß man einen
senkrechten, unten offenen Schlot zum Dach hinausfuͤhrt, und in diesen, durch
schraͤg ansteigende Abfuͤhrungsroͤhren, die Daͤmpfe
dergestalt einleitet, daß uͤber der Einmuͤndung dieser in dem Schlot
eine schraͤge Blechrinne an 3 Seiten angenagelt ist, welche das
herabtraͤufelnde Wasser auffaͤngt, nicht in das schraͤge Rohr
herablaufen laͤßt, sondern nach der Ruͤkwand des Schlors leitet, wo es
dann senkrecht herabfaͤllt und in Gefaͤßen aufgefangen wird. Durch
diese Anordnung stroͤmt ein Luftstrom stetig von Unten durch den Schlot, und
hift die in denselben eingeleiteten Daͤmpfe herausfuͤhren. Das
gesammelte Wasser ist destillirtem gleich zu achten, enthaͤlt also keine
Erdensalze, und wird zur Speisung der Dampfkessel mit Vortheil benuzt.Eine zwekmaͤßigere Methode den aus den Pfannen aufsteigenden Dampf zu
verdichten und zu verwenden, gab kuͤrzlich Hr. Gosselin an; man vergl. polytechn. Journal Bd. LXII. S.
483.A. d. R.
Zum Abdampfen mit Dampf bedient man sich, wie ich schon fruͤher
erzaͤhlt habe, meistens der von Hallette
construirten runden Pfannen, aber auch der laͤnglichrunden, wie sie Pecqueur in Paris construirt. Leztere findet man in
meinen „Elementen der technischen Chemie, zweite Ausgabe, Band II. Seite 204“ beschrieben und auf Tafel
XVI. abgebildet. Sie werden ziemlich haͤufig,
besonders in den Departements naͤher bei Paris angewendet. Um aber die
Uebelstaͤnde zu beseitigen, welche von dem Festanliegen des
Dampfroͤhrensystems am Boden der Pfanne herruͤhren, ist es gut, das
Dampfroͤhrensystem so in die Pfanne zu lagern, daß man dasselbe um die
Ein- und Austrittsroͤhren, als Axen, bequem drehen kann; auch muß der
abziehende Dampf nebst Condensationswasser in ein retour
d'eau geleitet werden, und nicht direct in den
Dampfkessel, weil sich sonst die Dampfroͤhren sehr bald mit Wasser
fuͤllen. Endlich muͤssen die Roͤhren statt 1 Zoll 1½
Zoll weit gefertigt werden, und besonders die Dampfzuleitungsroͤhre weiter,
als die Ableitungsroͤhre; beide muͤssen mit Haͤhnen an der
Pfanne versehen seyn.
Wie ich bereits in meinen Beitraͤgen erzaͤhlt habe, hat Herr Crespel in den 4 neuen Fabriken das Abdampfen
uͤber freiem Feuer eingerichtet, theils in laͤnglich vierekigen,
theils in schon vorhandenen kaͤuflich uͤbernommenen Schaukelpfannen,
welche zwekmaͤßig nur 3 Zoll hoch gefuͤllt werden.
Filtriren. In den Anstalten des Hrn. Crespel hat man in diesem Jahr angefangen, die Taylor'schen Beutelfilter außer Gebrauch zu sezen. Man laͤße den
eingedampften Saft in Behaͤltern sich von dem feinen Beinschwarz, welches zugesezt wurde,
klar absezen, was sehr gut geht, schoͤpft ihn dann ab und bringt ihn auf die
Kohlenfilter. Der Saft bis 21° eingedampft, klaͤrt sich recht gut von
dem Kohlenstaub. Allein es ist zu befuͤrchten, daß, in der
vorgeruͤkten Jahreszeit, wenn die Ruͤben angefangen haben, sich zu
veraͤndern, und die Zuker fett werden, die Beutelfilter wieder nothwendig
werden duͤrften. Jedenfalls ist aber dadurch eine Ersparniß erzielt.
Ganz natuͤrlich kann aber ein solches Resultat nur bei der Einrichtung
erreicht werden, wie sie in Frankreich, bei der dortigen Laͤuterungsweise,
uͤblich ist, naͤmlich daß man nach vollbrachter Laͤuterung den
klar gewordenen Saft unter der diken Schaumdeke durch einen eigens dazu construirten
Hahn ab- und durch bereits gebrauchte Dumont'sche
Filter laufen laͤßt, um ihn sogleich abzudampfen. Wo man aber den ganzen
Inhalt des Laͤuterkessels, Saft und Schaum zusammen ausschoͤpft, kann
man der Seihetuͤcher, oder Colatorien, wie sie in Apotheken heißen, nicht
entbehren. — Die Taylor'schen Beutelfilter nehmen
in der Fabrik des Hrn. Crespel, wo taͤglich 65,000
Pfd. Ruͤben verarbeitet werden, nur einen Raum von 10 Quadratfuß und
6½ Fuß Hoͤhe ein, waͤhrend die noͤthige Anzahl, nach Art
der Apotheken-Colatorien eingerichteter Seihegeraͤthe einen weit
betraͤchtlicheren Raum erfordert und viel mehr Arbeit und Verlust an Saft
veranlaßt.
Man sucht immer mehr die Menge der Thierkohle, als ein theures Material, zu
vermindern. Dieses gelingt ganz besonders in den ersten Monaten der Fabrication,
denn da ist es eine leichte Sache, schoͤnen, kraͤftigen, und vielen Zuker, mit weniger Kohle darzustellen; aber im
Januar, besonders im Maͤrz geht es ganz anders! Da kostet es mehr Kohle.
Niemand gebraucht aber in Frankreich so viel Kohle, als Zuker aus dem Saft gewonnen
werden soll, also wohl gar 9 bis 10 Proc. Je mehr Kalk man zum Laͤutern
braucht, desto mehr Kohle ist zum Filtriren (Klaͤren) noͤthig; die
leztere absorbirt bekanntlich den Kalk. Daher kocht auch ein Klaͤrsel, gut
durch Kohle gelaͤutert, leicht, und liegt nicht wie Blei todt am Boden.
Kochen. Es ist eine praktische Regel, das Klaͤrsel
nicht zu schwach in die Kochpfanne zu bringen, denn sonst muß das Eindiken zu lange
dauern, wodurch mehr Schleimzuker gebildet wird. Ist dagegen das Klaͤrsel von
gehoͤriger Dichtigkeit, so dauert das Kochen bei gesteigerter Waͤrme
kuͤrzere Zeit, und die Umwandlung in nicht krystallisirbaren Zuker ist nicht
so betraͤchtlich.
Fuͤllen. Hat man den Syrup bis zu 40½° eingekocht, so wird bei
67° R. gefuͤllt; hatte man aber bis zu 41½° eingekocht,
so wird bei 72°
zum Fuͤllen geschritten. Das zweite Product wird bis zu 42°
eingekocht, und dann bei 64° gefuͤllt. Auf eine Reibe rechnet man,
wenn Tag und Nacht gearbeitet wird, zum ersten und zweiten Product 1200 Formen
(Basterformen, nicht Raffinadeformen, da nur Rohzuker gemacht wird). Die
Hoͤhe der Trokenstuben ist am zwek waͤßigsten 7 Fuß; sie werden
mittelst eiserner Oefen geheizt.
Um uͤber das Verhaͤltniß der Verdampfung von Wasser in den Taylor'schen Pfannen, beim Verdampfen des Safts und
Kochen des Klaͤrsels, so wie uͤber die Zukerausbeute aus dem Saft ein
positives Resultat zu erhalten, wurde im Monat Oktober in Arras ein Probekochen mit
8½ Hektolitres (742⅓ preuß. Quart) Saft von 7½ angestellt. Der
gelaͤuterte Saft nebst dem vom Schaum abgepreßten, wurde auf 20½
abgedampft und gemessen; es betrug die Fluͤssigkeit nur noch 180 Litres
(157,1 Quart), also waren durch das Abdampfen 670 Litres (595,23 Quart) Wasser in
Dampf verwandelt worden. Diese 180 Litres wurden nun durch Kohle filtrirt, bis das
Lezte nur noch 2½ zeigte, und auf 3 Mal gekocht. Die Kochung ergab im Ganzen
ein Resultat von 88 Litres (76,8 Quart) oder 230 Pfund. Nun gaben, nach
fruͤher angestellten Versuchen, 36 Litres, die 99 Pfund wogen, 54 Pfund
Zuker, daher werden 88 Litres 124 Pfund Zuker, erstes Product, liefern.
Natuͤrlich gibt der Syrup davon noch zweites und drittes Product.
Berechnet man dieses Ergebniß auf die Zukerprocente, so ergibt sich, da die zur
Beschaffung der 8½ Hektolitres Saft erforderlichen Ruͤben nicht
gewogen worden sind, annaͤherungsweise folgendes Resultat. Nimmt man 85 Proc.
Saft vom Gewichr der Ruͤben an, so waren zu 8 ½ Hekt. von 7°
etwa 2230 Pfund (preuß.) Ruͤben erforderlich. Diese haben 124 Pfund
(franzoͤsisch) = 132,65 Pfund preuß. Zuker geliefert, also 5,94 Proc. erstes
Product. Rechnet man nun den Verlust beim Filtriren dazu, so kann man 6 Proc.
an-nehmen. Vom zweiten wird es dann noch 1½ bis 2 Proc. geben, ohne
das dritte Product mit in Anschlag zu bringen.
Die Bildung der Melasse zu verhindern, ist noch Keinem gelungen; auch selbst so weit
ist man noch nicht gekommen, „fast keine Melasse zu
produciren“, wenn man nicht etwa das bekannte Verfahren darunter
versteht, den Zuker so dik einzukochen, daß er den Syrup nicht laͤßt, wie der
Zukerbaͤker sich ausdruͤkt, d. h. den Syrup (die Mutterlauge) nicht
abstießen laͤßt. Dieß ist kein Geheimniß. Dadurch wird allerdings das Brod
schwer und die Zukeraus-beute fuͤr den Laien betraͤchtlich
vergroͤßert; der Zuker ist aber auch unrein, das Korn matt, leicht
zerreiblich etc., wie Jeder weiß, der etwas vom praktischen Betrieb der
Zukerfabrication kennt.
In meinen Beitraͤgen habe ich von einem Verfahren, den Syrup vom ersten
Product dem frischen gelaͤuterten Saft zuzusezen, gesprochen, welches bald
bei Seite gelegt wurde, weil die Klaͤrsel so salzhaltig und fett wurden, daß
sie keine Krystalle mehr geben wollten. Dieses Verfahren wird jezt modificirt also
angewendet. Gibt man z. B. am ersten Tag zum Saft keinen Syrup, so hat man erstes
Product als Resultat. Gibt man nun am zweiten Tag den vom ersten Product
abgelaufenen Syrup zum Saft in die Laͤuterung, soͤ hat man im zweiten
Tagewerk ein Gemisch von erstem und zweitem Product. Der hievon ablaufende Syrup
enthaͤlt sowohl zweites als drittes Produkt, und wuͤrde, am dritten
Tag zum Saft hinzugefuͤgt, ein Gemisch vom ersten, zweiten und dritten
Product liefern und nothwendiger Weise das reine Product des unvermischten Saftes
durch den Zusaz vom dritten Product sehr verschlechtern. Man schlaͤgt, um
dieses zu vermeiden, den Syrup vom zweiten Tagwerk in einen besonderen
Behaͤlter, und verarbeitet denselben fuͤr sich auf zweites Product. Am
dritten Tage arbeitet man bloß mit Saft, wie am ersten, und erhaͤlt erstes
Product, sezt aber den Syrup hievon dem vierten Tagwerk zu etc.
Auf diese Weise wird der Syrup nicht fett, und das Product des Saftes wird nicht
durch den Zusaz von viel Schleimzuker verdorben, was unaufhaltsam nach dem ersten
Verfahren eintreten mußte. Zweitens verkauft man einen großen Theil des zweiten
Products mit dem ersten gemischt, ohne genoͤthigt zu seyn, ersteres so lange
auf den Boͤden zu haben, als es sonst erforderlich ist. Wer sich von dem
Erfolg einen klaren Begriff machen will, mische nur 5 Theile erstes mir 2 Theilen
zweites Product; denn nach diesem Verhaͤltniß wird ungefaͤhr das
Product des zweiten und vierten Tages gemischt seyn.
Ueber die Wiederbelebung der Knochenkohle behalte ich mir vor, etwas mitzutheilen,
sobald naͤhere Thatsachen zu meiner Kenntniß gekommen sind.
Schließlich erwaͤhne ich noch, daß die große Anstalt in Montesson bei St.
Germain, die Hr. Brâme-Chevalier dirigirte, mit
3½ Millionen Francs fallirt hat; sein Aktiv ist 800,000 Francs nach
zweijaͤhriger Arbeit!