Titel: | Ueber die im Jahre 1836 auf der Domäne Bergeries de Senart von Hrn. Camille Beauvais veranstaltete Seidenraupenzucht. Auszug aus einem Berichte des Hrn. Soulange-Bodin. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. XXX., S. 150 |
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XXX.
Ueber die im Jahre 1836 auf der Domaͤne
Bergeries de Senart von Hrn. Camille Beauvais veranstaltete Seidenraupenzucht. Auszug aus einem
Berichte des Hrn. Soulange-Bodin.
Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. August
1836, S. 323.
Beauvais, uͤber Seidenraupenzucht.
Hr. Camille Beauvais, dieser unermuͤdliche
Beobachter, hat auch in diesem Jahre wieder zahlreiche und mannigfache, auf das
Gedeihen und Aufbluͤhen der Seidenraupenzucht im mittleren und
noͤrdlichen Frankreich bezuͤgliche Versuche angestellt und dabei ganz
außerordentliche Resultate erlangt.
Der Seidenzuͤchter hat dahin zu sireben die Race seiner Seidenraupen gleich
vom Anfange an unter jene Gleichheit der Lebensbedingungen zu versezen, welche auf
deren weitere Entwikelung einen so hohen Einfluß uͤbt. Um diese Beziehungen
besser reguliren zu koͤnnen, um sie von dem Einflusse der Naturerscheinungen
unabhaͤngig zu machen, und sie gleichsam nur seinem Willen unterzuordnen, muß
die Kunst geschaffen werden, die Arbeit der Natur von dem Legen der Eier an durch
alle Phasen der Entwikelung hindurch verzoͤgern und beschleunigen,
hauptsaͤchlich aber sie gleichfoͤrmig machen zu koͤnnen. Die
hieraus abstrahirte Vollkommenheit waͤre, daß kein Ei, kein Blatt sich
entwikeln kann, ohne die gegenseitige Gegenwart beider, und daß die den Raupen
inwohnende Lebenskraft so angeregt werde, daß diese Thiere fortwaͤhrend im
Stande sind, die neuen Nahrungsstoffe, die ihnen die Kunst waͤhrend der
schoͤnen Jahreszeit reicht, und welche gegenwaͤrtig in dem
vielstaͤngeligen Maulbeerbaume gelegen sind, zu Nuzen zu bringen.
Was nun diese zur Erhaltung der Racen so nothwendige Gleichheit der Bedingungen
betrifft, so hat Hr. Beauvais ein sehr einfaches Mittel
ausgedacht, um sich in jedem Jahre einen an Alter, Befruchtung, Lebenskraft und Zeit
der Entwikelung moͤglichst gleichartigen Samen zu verschaffen. Anstatt
naͤmlich zur Aufnahme der Eier, wie es bisher geschah, ein einziges Tuch,
welches zum großen Nachtheile der zuerst gelegten Eier von Anfang bis zu Ende einer
Temperatur von 20 bis 22° R. ausgesezt blieb, anzuwenden, nimmt er mehrere
solche
Tuͤcher, um auf diese Weise die allmaͤhlich gelegten Eier
taͤglich durch gleiche Temperaturabstufungen treten lassen zu koͤnnen;
oder er trachtet, sich an einem einzigen Tage saͤmmtlichen zur Nachzucht
bestimmten Samen zu verschaffen, indem er anfangs eine groͤßere Anzahl von
Cocons, als eigentlich noͤthig ist, zum Ausfallen bestimmt, und dann alle
jene, die nicht gleichzeitig ausfallen, toͤdtet. Er verspricht durch eine
Reihe von Versuchen nachzuweisen, welchen Einfluß dieses Verfahren uͤben
kann; einstweilen darf man jedoch vermuthen, daß man in der Regelmaͤßigkeit
und Gleichzeitigkeit des legens der Eier allerdings ein Element der Gleichheit der
Producte, welche man bei dem gewoͤhnlichen Verfahren so sehr vermißt, und
welche doch die einzige solide Basis saͤmmtlicher erzielbarer Verbesserungen
ist, suchen darf.
Hr. Beauvais ließ lange vor der Hauptausbruͤtung
einen Theil der Eier ausfallen, und diese haben bei einer mittleren Temperatur von
16° innerhalb 37 Tagen alle Phasen ihrer Entwikelung durchlaufen. Dieser
kleine Versuch sollte zeigen, welche Macht der Seidenzuͤchter in der Leitung
seiner Operationen hat; denn aus ihm und einigen anderen Versuchen ergab sich, daß
man die Seidenraupenzucht bei uͤbrigens gehoͤriger Erfuͤllung
der in Hinsicht auf Hygrometrie, Erneuerung der Luft und Fuͤtterung
noͤthigen Bedingungen bei niedriger Temperatur in 37, bei mittlerer
Temperatur in 28, und bei hoher Temperatur in 21 Tagen zu Ende bringen kann. Die
Moͤglichkeit der Beschleunigung der Seidenzucht ist von hoͤhster
Wichtigkeit; denn es wird dadurch die Erzielung mehrerer Jahresernten bedeutend
erleichtert, waͤhrend andererseits die Abkuͤrzung der Zeit auf die
Wiedererzeugung der Blaͤtter sehr vortheilhaft einwirkt.
Hr. Beauvais hat eine Partie Eier bei einer mittleren
Temperatur von 21 bis 22° zu Cocons gezogen. Die ganze Zucht lief in 21 Tagen
zu Ende und gab auf 200 Pfd. verfuͤtterter Blaͤtter 185 Pfd. Cocons,
waͤhrend bei der großen, im Jahre 1835 angestellten Zucht nur 135 Pfd.
Cocons, und bei der kleineren von Henri Bourdon (Hrn. Beauvais talentvollem Schuͤler), 170 Pfd. Cocons
auf dieselbe Quantitaͤt Blaͤtter kamen. Man hatte bisher noch kein
Beispiel einer innerhalb so kurzer Zeit beendigten und dabei doch so ergiebigen
Seidenzucht; und doch glaubt Hr. Beauvais selbst diese
kurze Zeit noch weiter, naͤmlich auf 18 Tage verkuͤrzen zu
koͤnnen. Das Mittel, welches er außer den Bedingungen der Temperatur und der
Hygrometrie in Anwendung bringt, liegt in der groͤßeren Anzahl und in der
Regelmaͤßigkeit der Mahlzeiten. Er verbindet eine Temperatur von 22 bis
25° R. mit einer Feuchtigkeit von 85 bis 90°, oder selbst mit der
vollkommenen Saͤttigung des
Saussure'schen Hygrometers. Unter diesen
Umstaͤnden wird der Darmcanal des Insectes so lebhaft angeregt, daß die
Raupen am Tage ihres Ausfallens 48, am zweiten Tage 36, am dritten 24 und die
uͤbrigen Tage ihrer Lebenszeit taͤglich 12 Mahlzeiten bekamen.
Bei der Darreichung dieser kleinen, aber oft wiederholten Mahlzeiten, welche selbst
von den ungeuͤbtesten Haͤnden gleichmaͤßig vertheilt werden
koͤnnen, fressen die Raupen nicht mehr, wohl aber gleicher; der Koth bleibt
fest und gleichmaͤßig und bildet durchaus nicht jene Hoͤhlen, in denen
sonst manche Larven erstiken. Es ergibt sich selbst eine Ersparniß an
Blaͤttern; denn es wird Alles aufgezehrt, waͤhrend bei den sonstigen
viermaligen Mahlzeiten immer eine große Menge verloren ging. Die unter diesen
Umstaͤnden gezogenen Raupen zeigten bei jedem Alter eine sehr große
Lebendigkeit; ein etwas rasches Zuschlagen der Thuͤre des Saales, ein etwas
lebhaftes Sprechen und jedes andere Geraͤusch wirkte so sehr auf diese
Thiere, daß sie ihre Koͤpfe aufrichteten; waͤhrend sie bei niedrigerer
Temperatur gleichsam wie in einer Betaͤubung zu leben pflegten. Wir brauchen
hier wohl nicht zu zeigen, von welchem vortheilhaften Einflusse die Beschleunigung
der Seidenzuchten im Großen seyn muß; die daraus erwachsenden Vortheile umfassen
alle oͤkonomischen Verhaͤltnisse dieses Industriezweiges.
Jedermann wird gestehen, daß es unter vielen Umstaͤnden von großem Nuzen seyn
kann, wenn man die Seidenraupeneier uͤber die natuͤrlichen
Graͤnzen ihres Ausfallens hinaus aufbewahren, und sie dann nach Belieben aus
dem Zustande der Erstarrung, in den man sie kuͤnstlich versezte, reißen kann.
Hr. Camille Beauvais gesteht, daß die seit 8 Jahren von
ihm in dieser Hinsicht angestellten Versuche zu keinem guͤnstigen Resultate
fuͤhrten. Die aufbewahrten Eier erhielten sich, wenn man sie einer
allmaͤhlich bis auf 45° gesteigerten Temperatur aussezte, bis auf
28–30° frisch; uͤber dieser Temperatur wurden sie jedoch weiß;
sie Vertrokneten, ohne daß die Larven im Stande waren, die Schale zu durchbrechen.
In diesem Jahre endlich ist es ihm gelungen, Eier von der Varietaͤt Novi,
welche er von Hrn. Bonafous erhalten hatte, und welche 22
Monate in einem Eiskeller aufbewahrt gewesen sind, ausfallen zu machen, indem er sie
einer allmaͤhlich bis auf 16 und 24° gesteigerten Temperatur aussezte,
und indem er gleichzeitig und bei gehoͤriger Erneuerung der Luft eine
Feuchtigkeit von 100 Hygrometer-Graden unterhielt. Das Ausfallen erfolgte
unter diesen Umstaͤnden eben so schnell und eben so reichlich, wie nach
Ablauf der gewoͤhnlichen Aufkewahrungszeit. Auch die Anwendung dieses
Verfahrens kann in vielen Faͤllen von Nuzen werden.Hr. Beauvais hielt hieruͤber vor der
Akademie der Wissenschaften in Paris einen Vortrag, in welchem er zeigte,
daß das Ausbruͤten der langer aufbewahrten Eier bisher nur deßwegen
mißlang, weil die Schalen derselben mit der Zeit jenen Grad von
Feuchtigkeit, der noͤthig ist, damit sie von den Larven durchbrochen
werden koͤnnen, verlieren. Reicht die auf gewoͤhnliche Weise
erzeugte Feuchtigkeit nicht hin, so soll man das Gefaͤß, worin sich
die auszubruͤtenden Eier befinden, mit einem mehrfach
zusammengelegten Tuche bedeken, und dieses von Stunde zu Stunde
befeuchten.A. d. R.
Hr. Camille Beauvais zaͤhlte in diesem Jahre 28
Zoͤglinge von jedem Alter, jedem Stande und aus allen Provinzen; sie
erhielten stuͤndlich durch Vorschriften, durch Beispiele und durch eigenes
Handanlegen einen Unterricht, der noch nie in dieser Art ertheilt wurde, den sie
aber auch mit einer Gierde einsogen, die nur in ihren Dankgefuͤhlen gegen
ihren Lehrer ein Gegenstuͤk fand. Ihnen ward die Beaufsichtigung bei den
verschiedenen Phasen der Raupenzucht uͤbertragen; sie fuͤhrten die
Journale der Operationen; sie leiteten die Arbeiten in den verschiedenen
Saͤlen; sie erdachten selbst Verbesserungen, wie z. B. die Anwendung von
Nezen zum Abdoppeln der Huͤrden, wodurch sehr an Arbeit erspart wird; ein
Verfahren, wodurch das Aufsteigen der Raupen erleichtert wird etc.
Die Gesellschaft uͤberreichte Hrn. Beauvais in
Anerkennung seiner ausgezeichneten Verdienste in ihrer Generalversammlung vom 6.
Julius l. J. ihre goldene Medaille.