Titel: | Bemerkungen aus und über A. Ure's Werk: „die brittische Baumwollenmanufactur.“ |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. XXXIX., S. 181 |
Download: | XML |
XXXIX.
Bemerkungen aus und uͤber A. Ure's Werk: „die
brittische Baumwollenmanufactur.“
Ure, uͤber die brittische Baumwollenmanufactur.
Wir haben im vorhergehenden Hefte des polytechnischen Journals S. 123 in
gedraͤngtem Auszuge dasjenige mitzutheilen versucht, was uns bei Lesung des
ersten Bandes von Ure's
Werk als besonders bemerkenswerth vorkam. Wir glaubten naͤmlich, daß eine
Uebersezung dieses ersten Theiles fuͤr uns Deutsche ziemlich entbehrlich
heißen duͤrfte. Da derselbe, als fast ausschließlich historischen und statistischen Inhalts,
zumal unlaͤngst erst der gleiche Gegenstand von Baines behandelt worden ist, meist nur schon Bekanntes wiederholen mußte,
und gewisse geschichtliche Details fuͤr wenige Auslaͤnder Interesse
haben moͤgen. Wir zweifelten dagegen nicht, daß eine baldige gute Uebersezung
des zweiten Theiles, der das Technische der Baumwollenmanufactur nach ihrem gegenwaͤrtigen
Zustande umstaͤndlich darzustellen verhieß, in hohem Grade zu
wuͤnschen sey. Und in der That wer koͤnnte zu einem solchen
Unternehmen geeigneter scheinen, und zu groͤßeren Erwartungen berechtigen,
als Dr. Ure, der seinen Ruf
als gelehrter Technolog und seine besondere Vertrautheit mit der
Baumwollenfabrication vor Kurzem erst durch eine ausgezeichnete Schrift
bewaͤhrt hat, der seit vielen Jahren mit der Herausgabe einer umfassenden
Arbeit uͤber diesen Manufacturzweig beschaͤftigt war, der im
Mittelpunkte seiner bluͤhendsten Entwiklung lebt, ganz kuͤrzlich noch
die vorzuͤglichsten Anstalten des Auslaͤndes besucht hat, und dem
uͤber durch seine Stellung
das Merkwuͤrdigste zu erfahren so erleichtert ist?
Ref. verhehlt nicht, daß auch er mit nicht geringen Erwartungen diesen zweiten Band
von Ure's Werk zur Hand nahm und daher Gefahr lief, nicht
ganz befriedigt zu werden. Vergleicht man indessen diese Arbeit, mit dem, was schon
vor Jahren selbst in einigen deutschen OriginalabhandlungenMan vergleiche namentlich die beiden bekannten Schriften von C. Bernoulli (1825 und 29) und den Artikel
Baumwollenfabrication in Prechtl's
Encyklopaͤdie I. 1830.
uͤber diesen Gegenstand geleistet worden ist, so laͤßt sich wohl
behaupten, daß sie auch gerechte Anspruͤche nicht ganz erfuͤlle und
weder durch Gruͤndlichkeit und Vollstaͤndigkeit noch durch Mittheilung
des neuesten Verfahrens und Beurtheilung der mannigfach eingefuͤhrten oder
versuchten befriedige.
Wir sind weit entfernt eine Uebertragung dieses Bandes ins Deutsche fuͤr
unzwekmaͤßig zu halten. Jedenfalls erhalten wir dadurch eine neue gut
abgefaßte, klare und im Ganzen wohlgeordnete Uebersicht dieser merkwuͤrdigen
Fabrication; und der Eingeweihte wird immerhin mancher interessanten Notiz begegnen;
wir glauben indessen den Lesern des polytechnischen Journals einen Dienst zu thun,
wenn wir ihnen, durch eine etwaͤs ausfuͤhrliche Analyse des Buches,
anzeigen, was sie darin finden moͤgen, außerdem,
daß wir dadurch unser eben ausgesprochenes Urtheil zu rechtfertigen
wuͤnschen.
Die erste Abtheilung S. 1 bis 238 handelt von der Baumwollenspinnerei, und der erste Abschnitt S. 1 bis 25
von der Vorbereitung der Baumwolle, und der Maschine zum Auflokern, Reinigen, Floken
etc.; daß Baumwolle zuweilen mit Ruthen geschlagen wird, ist beilaͤufig nur
bemerkt, so wie daß die Ruthenmaschine von Bowden (Pat. 1801) keinen Beifall
gefunden hat. Allgemein bedient man sich des Willow's (Wolfs) und der Batteurs mit
Schlagfluͤgeln (blowing machines).
Von der ersten beschreibt der Verf. den gewoͤhnlichen, und dann noch Lillie's conischen Willow, der continuirlich arbeitet und
mit einem Ventilator versehen ist. Dieselbe Maschine wurde indessen aber so wie Lillie's Ventilator (mit excentrischem Gehaͤuse)
in seinem fruͤheren Werke (Uebers. S. 146 und 333) abgebildet und
erlaͤutert. Ein solcher Willow soll woͤchentlich 12 bis 15,000 Pfd.
und in einer Grobspinnerei an 7000 Pfd. taͤglich bearbeiten
koͤnnen!
Die durch 3 Holzstiche und 1 Kupferplatte erlaͤuterten Batteurs, ein einfacher
und ein doppelter, mit einem Lappingapparate, zur Bildung und Ausrollung der Watten,
haben durchaus nichts Eigenthuͤmliches, und die Zeichnungen kommen ganz mit
den von der Soc. d'encour. 1823, Leblanc u. a. gelieferten uͤberein. Bei den doppelten macht der
erste Haspel an 2000, der zweite an 2200 Umgaͤnge per Minute und eine Maschine flokt woͤchentlich an 5000 Pfd. Der
Windhaspel macht gewoͤhnlich 80 bis 100 Fuß per
Sec. und erfordert, wie der Batteur selbst, die Kraft eines Pferdes. Der Verf. fand,
daß ein 12″ breiter Windhaspel bei 120′ Geschwindigkeit eine
Wassersaͤule von 2″, und bei 180′ Geschwindigkeit eine von
3″ trage; waͤhrend der Zug eines sehr guten Windofens nur 1/7″
hebe.
Der zweite Abschnitt S. 26 bis 45 handelt vom Kardiren,
und enthaͤlt noch weniger Neues, als der vorige. Nach einigen elementarischen
und historischen Bemerkungen (mit Recht um Artwright die
Erfindung der Kardmaschine zu vindiciren) wird eine solche, nach bester
Construction, ausfuͤhrlich beschrieben. Diese Musterkarde (mit Huͤten,
mehreren Igeln und Bandzuge versehen) weicht jedoch in Nichts von laͤngst
beschriebenen ab. — Vergebens hofften wir eine naͤhere
Erklaͤrung der ungleichen Wirkung der krazenden Organe, je nach der Stellung
der Zaͤhne, der Richtung der Bewegung, und ihrer Geschwindigkeit u. s. w. zu
finden. Eben so ist nicht vom Bau der einzelnen Theile die Rede, was doch bis auf
einen gewissen Grad den Spinner interessiren muß. Der so merkwuͤrdigen
Maschine zur Bereitung des Kardleders, der Vor- und Nachtheile der Dyer'schen Garnituren etc. ist gar nicht gedacht; mit
wenigen Worten beruͤhrt er die Garnirung und das Schleifen, wozu sehr
sinnreiche Maschinen vorhanden sind; eben so kurz fertigt er die Karden, die
automatisch sich selbst reinigen, ab, obschon dergleichen dermalen in England mehr
und mehr in Gebrauch kommen, und zu den wichtigeren Verbesserungen der lezten Zeit
gehoͤren sollen. Am meisten wundert uns aber, daß, obgleich ruͤhmlich,
nur kurz der auf dem Continent so beliebten Bandleitungen
erwaͤhnt ist. Es ist allerdings seltsam, daß dieses von G. Bodmer erfundene und vor 20 Jahren schon in St. Blasien
eingefuͤhrte System vor wenigen Jahren erst in anderen Spinnereien angenommen
wurde, und noch jezt sogar in England fast unbekannt ist. Um so mehr aber war eine
genaue Beschreibung zu erwarten, denn in die Augen fallend sind die Vortheile, die
es durch Ersparung von Haͤnden und Raum, durch groͤßere
Egalitaͤt der Baͤnder u. a. m. gewaͤhrt.
Der dritte Abschnitt S. 45 bis 58 erlaͤutert auf gewoͤhnliche Weise die
Strekwerke oder das Laminiren (drawing). — Koͤpfe mit 4 Cylindern, wenn auch etwas mehr
leistend, sind, auch nur fuͤr Garn zu schoͤnem Calico, nicht zu
empfehlen; von den 3 Cylindern soll beinahe nur der vorderste die Strekung bewirken,
und der mittlere bloß zur Leitung dienen; auch der Support des hintersten sich
verschieben lassen. Der vorderste liefert per Minute
50–60′ Band (sliver). In Spinnereien
fuͤr das feinste Garn passiren die Baͤnder (zu 6–8) 7
Koͤpfe, so daß sich eine fast 50,000 fache Vereinigung ergibt etc. Auch Ure ist der Ansicht, daß diese Operation, die
unbestritten von Arkwright allein herruͤhrt,
vornehmlich sein Genie beweist; auch moͤchten wir sagen, daß er nicht nur
zuerst den ganzen Werth des Zugwalzenorgans erkannt, sondern bereits bis auf den
tiefsten Grund und in ihrer ganzen Ausdehnung die Principien durchschaut habe, aus
denen die automatische Spinnerei hervorgehen mußte. — Am schiklichsten
haͤtte, wie uns scheint, in diesem Abschnitt von der Verfertigung der
cannellirten Walzen, der Drukwalzen und ihrer Bekleidung, der Verbindung dieser
Theile und der zu ihrer Bewegung erforderlichen Raͤderwerke etc. das
Wesentlichste beigebracht werden koͤnnen, was Alles mit Stillschweigen
uͤbergangen ist.
Im vierten Abschnitt S. 58 bis 116 handelt der Verf. von den Maschinen zur Bildung
der Vorspunststuͤhle (roving frames). Lange blieb das Verfahren bekanntlich dasselbe; die
Baͤnder kamen zu diesem Ende zuerst auf die von Arkwright eingefuͤhrten sogenannten Laternenstuͤhle
(einfache Strekwerke mit sich drehenden Kannen) und dann auf eine, nur leichte
Zwirnung gebende Mulejenny. Die ersteren, obschon bei großer Sorgfalt sehr brauchbar
und durch Einfachheit sich empfehlend, ließen immerhin weit vollkommenere und
zuverlaͤssigere Vorrichtungen wuͤnschen. Lange aber scheiterten alle
Bestrebungen diesen Maͤngeln abzuhelfen. Aus der ungemeinen Lokerheit der
Baͤnder ergaben sich fast unuͤbersteigliche Schwierigkeiten. Erst
durch die Erfindung der Bobbin und fly frames (der Flyrovings
oder bancs à broches) durch Cocker und Higgins und die Verbesserungen derselben durch
Green und Houldsworth
erhielt man eine allen Anforderungen einer vollkommenen Spinnerei ganz entsprechende
Roving-Maschine, und in neuester Zeit wurde dieser noch eine zweite, durch
ausnehmende Productivitaͤt sich wenigstens auszeichnende, die Tube-frame, beigesellt. Der vorliegende Abschnitt
ist daher auch fast ausschließlich der Beschreibung dieser beiden Maschinen
gewidmet, und enthaͤlt nur Weniges uͤber die alten
Kannenstuͤhle, und die Jack frames mit Aufwinden
der Spulen in den Kannen.
Der Verf. beschreibt ziemlich ausfuͤhrlich (von S. 71 bis 100) die fly-frames und zwar nach Houldsworths System, welches er noch immer fuͤr
unuͤbertroffen zu halten scheint. Auch maßen wir uns nicht an, gewissen
spaͤteren Abaͤnderungen einen entschiedenen Vorzug zuzuerkennen. Wohl
glauben wir aber, daß mehrere derselben (deren Ure auch
im Elsaß kennen lernen mochte) eine Erwaͤhnung verdient haͤtten. Eben
so scheint uns, daß eine Erlaͤuterung des primitiven Organismus, mit der
sinnreichen Frictionsscheibe, der abnehmend eingetheilten Zahnstange u. a., als
belehrend und zwekmaͤßig in ein solches Werk gehoͤrt. So
ausfuͤhrlich uͤbrigens diese kunstvolle Maschine beschrieben ist, so
duͤrfte die Erklaͤrung doch weder dem Kenner noch dem Neuling
genuͤgen, denn der erstere vermißt Gruͤndlichkeit und gehoͤrige
Anleitung zur Berechnung, und fuͤr den lezteren sind sicherlich manche
Separaterlaͤuterungen einzelner Organe, und namentlich einiger
eigenthuͤmlichen (wie des Mangelrades) unentbehrlich. Jedenfalls endlich wird
man schwerlich irgend etwas Neues von Erheblichkeit hier angegeben finden, was auch
nicht zu befremden ist, da Houldsworths
fly-frame schon 1824 patentirt, und diese
Maschine nach Gebuͤhr seitdem so vielfaͤltig schon abgebildet und
beschrieben wurde.
Anders verhaͤlt es sich mit der amerikanischen Tube-frame dem double speeder, wie
Viele sie auch nennen), die von Danforth erfunden und von
Dyer in England eingefuͤhrt wurde, und die
nach eigenthuͤmlichen Principien mit ungemeiner Schnelligkeit die
Baͤnder in Vorspunst verwandelt. Zwar ist auch diese Maschine nicht ganz neu,
angedeutet ist ihr Daseyn schon in Bernoullis Handbuch,
und seit mehreren Jahren sind ihrer unzaͤhlige von Escher in Zuͤrich
verfertigt worden. Auch Ure raͤumt ihr eine große
Brauchbarkeit ein; denn obgleich sie lange nicht so vollkommen arbeitet, wie der
Flyroving, und diesen nie zu Erzeugung des feinen Garns ersezen wird, so ist sie
entschieden brauchbar fuͤr geringeres, leistet aber 4 oder 5 Mal mehr (ohne
merklich mehr Kraft zu erfordern) als jener. Um so befremdender ist, daß, so viel
uns bekannt, bis jezt noch nirgends eine Abbildung und Beschreibung von der Tube-frame erschienen ist, und mit besonderem
Vergnuͤgen fanden wir diese daher in dem vorliegenden Werke;
wuͤnschend, daß diese verdienstliche Mittheilung recht bald in das
polytechnische Journal uͤbergehe. Wir bemerken uͤbrigens, daß, wie wir
aus Prechtl's Encyklopaͤdie (Tab. 110 Fig. 1 und 2) ersehen,
eine analoge Maschine (ob seit laͤnger schon?) zum Vorspinnen des Flachses in
Anwendung gekommen ist.
Im folgenden Capitel werden die Maschinen zum Reinspinnen
betrachtet; erst die Drossel- dann die Mulestuͤhle.
Abschnitt 1. Von der Mule als Vorspinnmaschine (stretching-mule). Seit der Verbreitung der fly- und tube frames
werden die Mules immer weniger zu diesem Zwek angewendet; die Baͤnder, wie
sie vom Strekwerke kommen, werden durch jene neueren Maschinen in rovings verwandelt, und diese dann sofort auf
Droffelstuͤhlen oder Mulejennys ausgesponnen. Nur zur Erzeugung feinerer
Nummern bleiben die Stretchers unentbehrlich.
Abschnitt 2. S. 120 bis 148 von den Drosseln. Diese
unterscheiden sich von den urspruͤnglichen Water
frames dadurch, daß beide Reihen Spindeln (meist 200) durch Eine Blechwalze
in Gang gesezt werden, waͤhrend jene fuͤr je 4 bis 6 Spindeln ein
besonderes Triebwerk haben. Auch Water frames sollen
noch im Gebrauch seyn.
Die Beschreibung des Drosselstuhles bietet natuͤrlich nichts Erhebliches dar.
Eine kleine Vorrichtung ist erklaͤrt, um die Fadenleiter hin und her zu
bewegen, damit der Faden nicht einschneide, und eines einfachen Mittels
erwaͤhnt, durch Auflegen eines mit Flanell uͤberzogenen Kegels auf die
Lederwalzen, diese von den etwa losgehenden Fasern zu reinigen, indem der Kegel von
selbst ganz langsam von einem Ende des Stuhls zum anderen fortruͤkt. Diese
Stuͤhle liefern per Woche meist 24 bis 30 hanks Nr. 34. Arkwright spann
bis Nr. 80 treffliches Wassergarn. Jezt, seit die Mules vervollkommnet sind, spinnt
man selten uͤber 40. Von gleicher Nummer kostet Drosselgarn etwa 1/15 mehr
als Mulegarn. Meist machen die Spindeln 4 bis 4500 Umgaͤnge per Minute. Axton in Stokport
soll jedoch bis 7000 Umgaͤnge (bei Nr. 24) erhalten. Das producirte Quantum
ist sehr ungleich; manche Spinner sollen mit gleich vielen Spindeln fast doppelt so
viel erzeugen, als andere von gleichem Rang. Lange blieben diese Maschinen im
Wesentlichen unveraͤndert. Eine nahmhafte Verschiedenheit zeigt nun der 1829
patentirte amerikanische Stuhl von Danforth. Die Spule
stekt auf einer unbeweglichen Spindel, und diese hat keinen Fluͤgel (fly); 4 Spulen werden durch eine Schnur gedreht, und
machen bis 6000 Umgaͤnge per
Minute. Diese
Danforth-Drosselstuͤhle (mit 216 Spindeln) finden mehr und mehr
Eingang, da sie um ⅓ oder ½ productiver sind, und ein dekenderes, zu
gewissen Zweken geeigneteres Garn liefern.
Diese Stuͤhle sind ziemlich umstaͤndlich erklaͤrt, und darauf
noch 2 (von einigen geschaͤzte) neue Arten von Spindelfluͤgeln
beschrieben, auf die 1831 Gore, und 1832 Montgommery Patente erhielten.Siehe Polyt. Journal Bd. XLVI. und XLVII.
Abschn. 3, S. 148–174. Von den Handmulejennys.
Diese Abtheilung scheint uns zu den gelungensten und interessantesten zu
gehoͤren. Der Verfasser beschreibt, auf wenige, aber sehr schoͤne und
deutliche Figuren hinweisend, eine jener bewunderungswuͤrdigen Maschinen, mit
denen sich jezt an 1000 Faͤden des feinsten Musselingarns auf ein Mal spinnen
lassen; und jeder wird, wenn auch wenig eigentlich Neues bemerkend, die
vortreffliche Disposition aller Theile anerkennen, und staunen uͤber die
Vollendung, die erreicht worden ist. In didaktischer Beziehung koͤnnen wir
inzwischen die Behandlung dieses so schwierigen Gegenstandes nicht billigen. Ein
Lehrer wird, um den Bau der Uhren zu erklaͤren, nicht sofort den der
kuͤnstlichsten Repetiruhr demonstriren. Weit passender scheint uns, wie
Andere gethan haben (s. Bernoulli's Darstellung etc.),
zuerst ausschließlich die einfachste Mule (die Stretscher) zu erlaͤutern, dann zu zeigen, wie sie abgeaͤndert
und mit welchen fernern Vorrichtungen sie versehen seyn muß, um zum Reinspinnen zu
dienen, und endlich nachzuweisen, wodurch die hoͤchste Praͤcision und
Vollkommenheit, um das feinste Garn zu erzeugen, erreichbar seyn mag.
Wir heben aus den Schlußbemerkungen nur folgende aus: beim Spinnen von Nr. 36
erheischt 1 Auszug kaum ⅓ Minute, bei Nr. 170 1–1½ Min., bei
Nr. 220 an 2 Min. Noch vor 14 Jahren brachen bei jedem Gange auf 100 Faͤden
an 13 (?), jezt hoͤchstens 3–4, und in den besten Spinnereien (auch im
Elsaß) selten mehr als 1. Auch die besten Spindeln duͤrfen nicht uͤber
4500 Umgaͤnge per Minute machen. In Schottland
rechnet man fuͤr Nr. 50 Kette und Nr. 60 Eintrag 25 Zwirnungen per Zoll. Die erforderlichen Zwirnungen pflegt man zu
berechnen, indem man die Quadratwurzel aus den Nummern mit 3½ multiplicirt.
Nr. 100 wuͤrde demnach √100 × 3½ = 35 erhalten
muͤssen.
Der Verfasser handelt sodann, von S. 175–214, von den Selbstspinnmules (den selfacting mules oder
selfactors), und beschreibt mit Huͤlfe von
6–8 Holzschnitten die von Sharp und Roberts. Auf diese Darstellung folgen einige Bemerkungen
uͤber die
Entstehung und den Nuzen dieser Automaten, und verschiedene Anzeigen uͤber
die Leistungen und Regulirung derselben. Alle diese Mittheilungen scheinen
uͤbrigens aus anderen Schriften entnommen zu seyn; was wir freilich nicht
behaupten koͤnnen, da der Verfasser die Gewohnheit hat, fast durchaus auf
keine Quellen hinzuweisen, und aͤußerst sparsam mit Citaten ist. Aus den
historischen Notizen fuͤhren wir bloß an, daß der Vater Strutt 1790 schon eine Art Selfactor zu Stande gebracht haben will; daß
die Maschinen von Caton und de Jongh bald wieder aufgegeben wurden, und von denen von Buchanan und Brewster wenig
oder nichts bekannt ist; daß die Einrichtung, auf die Roberts 1825 patentirt wurde, zuerst einen Erfolg versprach, und dieser
dann wirklich durch die Verbesserungen, die er 1830 patentiren ließ, erreicht wurde.
Bei de Jongh's Stuhl von 1827 seyen Roberts Ideen benuzt, und Knowles Patent von
1831 zuruͤkgezogen worden, weil es auf diese sich gruͤndete. Im
December 1834 hatten die HH. Sharp und Roberts bereits an 60 Spinnereien, mit zwischen 3 und
400,000 Selfactingspindeln versehen.
In dem lezten Abschnitt bis S. 227 ist vom Winden, Sengen,
Zwirnen und Verpaken des Garnes die Rede, und den dazu uͤblichen Apparaten.
Das Meiste ist laͤngst bekannt, und der Vollstaͤndigkeit wegen
haͤtte auch der Garnwaagen, Garnproben, Knaͤuelmaschinen etc. gedacht
werden sollen. Dagegen moͤchte der ganze Abschnitt, der vom Brennen und Sengen (Singering oder gassing)
handelt, eine Uebersezung ins Deutsche verdienen. Das meiste Garn, das zu
Naͤhzwirn, Tuͤlle u. a. dienen sollte, wird mittelst Gas und mehrmals
gesengt. Es wird dadurch auch leichter oder feiner; Nr. 90 so fein wie 95. –
Die Leistungen dieser Apparate sind um so merkwuͤrdiger, da viele
Faͤden auf ein Mal gesengt werden, jeder aber durch eine besondere Flamme; da
der Faden, so aͤußerst zart er ist, mit unglaublicher Schnelligkeit
durchgezogen wird (die Spulen sollen uͤber 3000 Umgaͤnge per Minute machen), und Mechanismen vorhanden sind,
wodurch, so wie eine fehlerhafte Stelle vorkommt, die Operation sofort unterbrochen
und die Flamme seitwaͤrts geruͤkt wird.
Die folgende Abtheilung handelt von der Weberei (S.
238–338), und zwar das 3te Capitel vom Schlichten.
Die beschriebene Zettel- und Schlichtmaschine ist keine andere als die seit 12
Jahren in franzoͤsischen und deutschen Schriften vielfach und
ausfuͤhrlich abgebildete (s. Bernoulli's
Aufschwung etc., S. 136) mit 8 Partialkettbaͤumen u. s. w. Ein unter der
Kette angebrachter
Dampfkasten bewirkt in Verbindung mit dem Windhaspel das Troknen. Das Einreiben
geschieht (besser als durch Buͤrstcylinder) durch flache Buͤrsten
mittelst des bekannten Hebelwerks. Da seitdem andere Systeme in Gebrauch gekommen
sind, und vielfach vorgezogen werden, so befremdet es uns, nichts davon
erwaͤhnt zu finden. Dankenswerth ist dagegen die sodann gegebene Beschreibung
von Lillie's Schlichtmaschine (sizing machine). Es ist diese jedoch nichts Anderes als eine mit einem
Troknungsapparate verbundene Impraͤgnirmaschine, wie solche in
Faͤrbereien und Drukereien haͤufig in Gebrauch sind. In einem langen
gußeisernen Troge, in dem die Schlichte durch Dampf erwaͤrmt wird, sind 20
oder mehr Walzen in zwei Reihen vertheilt; und die Kette erhaͤlt die
Schlichtung, indem sie unter und uͤber allen diesen Walzen und zulezt durch
Auspreßwalzen durchgezogen wird. Die Leistung dieser einfachen Maschine ist
erstaunlich. Waͤhrend eine gewoͤhnliche in 1 Tage etwa 600 Yards
liefert, schlichtet die von Lillie in der Fabrik von Waterhouse in 12 Stunden 37,000 Yards. Daß auch auf
diesem Wege ein gutes Schlichten moͤglich ist, begreift sich wohl, weniger
aber, wie ein Zettel von einigen 1000 Faͤden, der in 1 Minute 150 Fuß
durchlaͤuft, schnell genug (sey es durch Dampfcylinder oder einen hot–flue) getroknet
werden kann. Wir haͤtten daher daruͤber so wie uͤber die
erforderliche Kraft (die sehr groß seyn mag) naͤhere Angaben
gewuͤnscht.
Von S. 253–287 ist die Handweberei behandelt, und
ungefaͤhr so wie in jedem guten technologischen Lehrbuche. Zuerst ist die
glatte und dann die Zwilch- und Bildweberei erlaͤutert. Mitunter ist
der Verfasser wohl allzu kurz. So ist das Eigenthuͤmliche der aͤchten
Gase bemerklich gemacht, nicht aber das mechanische Princip, sie darzustellen.
Ferner ist der alte Zugstuhl ziemlich ausfuͤhrlich erklaͤrt, mit
keiner Sylbe aber wird der Kunsttrommel, oder vollends der Jacquard maschine und ihres ruͤhmlichen Erfinders Erwaͤhnung
gethan. Dieses Stillschweigen ist uns um so auffallender, da nicht nur unstreitig
Jacquard's Erfindung (wie die seither ersonnene
Vorrichtung zum Lesen und Stechen) zu den werthvollsten und denkwuͤrdigsten
unserer Zeit gehoͤrt, sondern durch sie eben und allein der schwierigste
Theil dieser Manufactur nach Ure's Ideal des neueren
Fabriksystemes vervollkommnet, der Kunststuhl zu einem automatischen, das Bildweben
dem Factoreigebiete zugaͤnglich gemacht wurde. Diese brittische
Einseitigkeit, die von auslaͤndischen Erfindungen ungern Notiz nimmt, gibt
sich uͤbrigens nicht hier allein kund. So spricht z. B. der Verfasser
nirgends von Heilmann's sinnreicher Stikmaschine. Das
Stiken beschaͤftigt so viele Haͤnde, daß diese Arbeit in einem Werke
uͤber Baumwollenmanufactur nicht fehlen darf; und hat obige Maschine Mangel,
oder Analogie mit bereits vorhandenen englischen, so haͤtten wir Beides
kennen zu lernen gewuͤnscht.
S. 287–324. Von den powerlooms, oder der
automatischen Weberei.
Der Verfasser beschreibt das von Sharp und Roberts angenommene Constructionssystem, das wir aus dem
Bulletin von Muͤllhausen kennen, und nach dem
auch André Koͤchlin daselbst construirt. Auch nach
Baines scheinen die Webstuͤhle jener
beruͤhmten Fabrik in England fortwaͤhrend vorgezogen zu werden. Bei
uns sind in neuerer Zeit mehrere Abaͤnderungen beliebter geworden. Der Verf.
gibt darauf eine gedraͤngte Uebersicht der mannigfachen Bestrebungen, die
seit 1821 patentirt wurden, um die mechanische Weberei zu vervollkommnen. Diese Review, obschon sie zunaͤchst nur die
Vortrefflichkeit der obigen Stuͤhle einleuchtend zu machen beabsichtigt, und
auch weil keine naͤheren Beschreibungen angefuͤhrt sind, nicht ganz
befriedigt, ist jedenfalls interessant und zwekmaͤßig. Sehr lehrreich
waͤre es in der That, wenn von Zeit zu Zeit ein recht kundiger Beobachter der
technischen Fortschritte in einer Revision der Patente mittheilte, was dieselben
charakterisirt, und welche wirklich zu vortheilhaften Verbesserungen gefuͤhrt
haben; denn die Journale muͤssen ein Mal bona mixta
malis mittheilen und die Verwerfung, Bestaͤtigung oder Verbesserung
vieler Vorschlaͤge den Fabrikanten uͤberlassen. Die meisten Patente
hatten eine Verbesserung des Tuchzugs, einen regelmaͤßigeren Schlag der Lade,
Mechanismen zum ploͤzlichen Stillstellen, wenn auch Eintragfaͤden
brechen, mechanisches Spannen (tempels), Einrichtungen
fuͤr Zwilchgrund und mehrschuͤssige Zeuge u. dergl. zum Zwek. —
Die Stuͤhle von Roberts geben gewoͤhnlich
120 Schuͤsse per Minute, und die Kette bleibt
dann ⅓ Secunde jedes Mal offen. Der Verf. sah jedoch welche, die nur
90–100, andere, die (zeitweise) bis 180 Schuͤsse machen. Von den
feinsten Musselins werden jezt auf Kraftstuͤhlen gewebt. Als bemerkenswerth
werden zulezt die 1834 an Ramsbotton und Stone ertheilten Patente bezeichnet. (S. Polyt. Journal
Bd. LVII. u. LX.) Der Verf.
gibt dann noch von der Fabrication der Manchester (fustians) einige Nachrichten, und eine Beschreibung der
Buͤrstmaschine, so wie von Sholefields 1834
patentirter Aufschneidmaschine — welche leztere wir schon und weit genauer
aus dem Polyt. Journal Bd. LVIII. kennen. Der Zettel
besteht gewoͤhnlich aus circa 1290 Faͤden,
und diese aus dublirtem und gezwirntem gutem Mulegarn Nr. 32. Der Eintrag aus
einfachem Garn Nr. 24. Nach dem Schneiden wird die Waare zu wiederholten Malen
gebuͤrstet und gesengt, und dieß durch Wegziehen uͤber einen
rothgluͤhenden Cylinder von Eisen; dann noch gewaschen, gebleicht (mit
Chlorkalk), gefaͤrbt und gesteift.
Im 6ten Capitel, S. 336–396 ist die Tull-
oder Bobbinnet fabrication behandelt. Nach einigen, doch
bloß historischen Notizen uͤber den Strumpfwirkerstuhl, aus dem der
kunstvolle Tullstuhl hervorgegangen ist, werden die Principien, auf denen die
mechanische Bildung des Spizengrundes beruht, erlaͤutert. Einige Anekdoten
von Hrn. Lee waren uns neu. Ein einziges Haus in Belper
beschaͤftige 400 Stuͤhle fuͤr seidene, und 2500 fuͤr
baumwollene Struͤmpfe, und erzeuge jaͤhrlich an 100,000 Duzend Paar!
Die elementare Erklaͤrung des Tullwebens scheint uns fast woͤrtlich
mit der in Prechtls Encyklopaͤdie (Act. Bobbinnet)
gegebenen uͤbereinzukommen, und der Verf. bedient sich ganz derselben
Figuren. Ob die darauf folgende Beschreibung von Morley's
Maschine (nach den vielen seitdem erschienenen Aufsaͤzen) Unbekanntes
enthalte, koͤnnen wir nicht entscheiden. Jedenfalls moͤchten wenige
Leser im Stande seyn, auch troz der beiden schoͤnen Tafeln sich einen klaren
Begriff von dieser complicirten Construction zu bilden. Darauf wird noch die
Maschine beschrieben, mittelst welcher 100 oder 200 Spulen auf ein Mal
gefuͤllt werden.
Nach den angehaͤngten Bemerkungen eines Fabrikanten lassen sich alle die
vielen, bis dahin ersonnenen Tullmaschinen auf 6 wesentlich abweichende
zuruͤkfuͤhren. (Heathcote's Patentmaschine,
Brown's
traverse warp, Morley's
straight bolt, Clarke's
pusher principle, Lever's
Maschine und Morley's
circular bolt.) Von allen ist das Circularsystem allein
geeignet, um mittelst Dampfmaschinen Tull zu weben. Beispiellos ist die
Preisverminderung dieses Stoffes. Ein Yard, der 1809 fuͤnf Guineen galt,
kostet jezt nur 1½ Schill. Fast eben so sehr fiel der Verdienst bei dieser
Arbeit. Anfangs erwarb mancher Arbeiter taͤglich an 30 Schill., und jezt ist
der Lohn hoͤchst kuͤmmerlich. — Was der Verf. uͤber den
so wichtig gewordenen Bobbinnethandel mittheilt, ist (wie in Baines) aus Felkin's Berichten entnommen. Die
außerhalb England arbeitenden Maschinen sind auf 1850 berechnet.
Das 4te Buch, S. 397–450, enthaͤlt noch allerlei statistische und
oͤkonomische Nachtraͤge, die jedoch groͤßten Theils bereits
bekannt sind. Wir bemerken bloß, daß nach dem Verf. (und wie auch kaum zu bezweifeln
ist) die dermalen im ganzen Koͤnigreiche vorhandene Zahl von Mule- und
Drosselspindeln wenigstens zu 12 Millionen anzunehmen ist.