Titel: | Ueber das Graviren auf sogenannte Drahtplatten. Von Hrn. V. W. Gardiner. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LIV., S. 267 |
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LIV.
Ueber das Graviren auf sogenannte Drahtplatten.
Von Hrn. V. W.
Gardiner.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
685.
Gardiner, uͤber das Graviren auf Drahtplatten.
Das von mir erfundene Graviren auf Drahtplatten (wire-plate engraving) soll hauptsaͤchlich die Holzschnitte
ersezen, vor denen es, wie ich gleich zeigen will, einige Vortheile voraus hat.
Die sogenannte Drahtplatte (wire-plate) besteht aus einer Anzahl sehr feiner, parallel
gelegter Draͤhte, die in einem metallenen Rahmen zusammen gehalten werden: so
zwar, daß die beiden Oberflaͤchen der Platte von den Enden der Draͤhte
gebildet werden. Die Draͤhte koͤnnen je nach Umstaͤnden von
¼ bis zu ½, Zoll Laͤnge haben, und muͤssen, sie
moͤgen aus Stahl oder Messing bestehen, so fein seyn, als man sie sich nur
immer verschaffen kann. Ihre Durchmesser sollen nicht uͤber den
hundertfuͤnfzigsten oder selbst nur den zweihundertsten Theil eines
lineaͤren Zolles betragen; waͤren sie noch kleiner, so waͤre
dieß noch um so besser. Ich weiß nicht, ob die Erzeugung so feiner Draͤhte
praktische Schwierigkeiten bietet; waͤre dieß jedoch auch gegenwaͤrtig
noch der Fall, so duͤrfte bei zunehmendem Gebrauche solcher Draͤhte
sicher eine Beseitigung dieser Schwierigkeiten zu erwarten seyn.
Wenn man sich nun eine Platte von der angegebenen Art verschafft hat, so legt man
dieselbe zuerst auf ein bewegliches Kissen, dessen obere Flaͤche vollkommen eben, und mit
weichem Leder, unter welchem ein Druktuch (blanket)
ausgespannt ist, uͤberzogen ist. Faͤhrt man in diesem Zustande mit
einem Grabstichel uͤber die Platte, so wird man auf der einen Seite der
Platte eine vertiefte, auf der Kehrseite dagegen eine erhabene Linie bekommen, indem
eine weit geringere Gewalt erforderlich ist, um mit dem Grabstichel die
Draͤhte einzudruͤken, als um mit ihm zwischen dieselben einzudringen.
Von den auf der einen Seite der Platte solcher Maßen erzielten erhabenen Zeichnungen
sollen aͤhnliche Abdruͤke, wie von den gewoͤhnlichen
Holzschnitten genommen werden. Der Kuͤnstler kann uͤbrigens, je
nachdem er es zur Vollendung der Zeichnung fuͤr noͤthig haͤlt,
mit seinem Grabstichel bald auf der einen, bald auf der anderen Seite der
Drahtplatte arbeiten.
Wenn die Platte vollends gravirt worden ist, so kommt es darauf an, die
Draͤhte in der Stellung, die ihnen mit dem Grabstichel gegeben worden sind,
zu fixiren. Dieß geschieht, indem man uͤber jene Seite der Platte, die nicht
abgedrukt werden soll, ein Gemisch aus Wachs und Harz oder eine andere
aͤhnliche, beim Erkalten erhaͤrtende Composition gießt, damit diese
Masse den Draͤhten als Stuͤzpunkt diene, und damit auf diese Weise die
Verschiebung der Draͤhte verhuͤtet wird, wenn man einen Abdruk von der
Zeichnung nehmen will. Es ist etwas schwierig mit Genauigkeit zu bestimmen, wie
leicht sich die Draͤhte mit dem Grabstichel eindruͤken lassen sollen,
und mit welchem Grade von Festigkeit sie unter gewoͤhnlichen
Umstaͤnden ihren Plaz zu behaupten haben. Man kann die gewuͤnschte
Festigkeit entweder dadurch, daß man die Zwischenraͤume zwischen den
Draͤhten mit Wachs ausfuͤllt; oder auch lediglich durch den seitlichen
Druk, den man auf sie wirken laͤßt, erzielen.
Was nun die Vorzuͤge, die diese Methode vor der Gravirung auf Holz voraus hat,
betrifft, so duͤrften diese in Folgendem bestehen.
1) Das Graviren auf Holz hat seine Schwierigkeiten, und besonders schwer ist es sehr
zarte Holzsplitter zur Erzeugung der feinsten Striche der Zeichnungen
auszuschneiden. Viel leichter ist dagegen das Graviren auf der Drahtplatte, auf der
dieselbe Wirkung durch ganz einfachen Druk erzielt werden kann, ohne daß hier eben
so viel Sorgfalt und Arbeit erforderlich waͤre. Ein Vortheil, der so
hervorspringend ist, wie dieser, wird gewiß von keinem mit dem Graviren
beschaͤftigten Kuͤnstler unberuͤksichtigt bleiben.
2) Im Falle man einen falschen Strich gemacht hat, oder wenn die vollbrachte
Zeichnung dem Kuͤnstler aus irgend einem anderen Grunde nicht vollkommen
genuͤgt, so kann man sogleich jede Nachhuͤlfe oder Verbesserung
vornehmen, indem man die Platte nur umzukehren und die Draͤhte wieder in ihre fruͤhere
Stellung zuruͤkzudraͤngen braucht, um von Neuem beginnen zu
koͤnnen.
3) Die Drahtplatte kann, nachdem sie zu einem Abdruke gedient, neuerdings wieder mit
Leichtigkeit benuzt werden; man braucht sie naͤmlich, wenn man der auf sie
gravirten Platte nicht laͤnger mehr bedarf, nur unter einer Walze oder
zwischen zwei Walzen so durchlaufen zu lassen, daß die Drahtenden wieder in ihre
fruͤhere Stellung zuruͤkgedraͤngt werden, und in dieser eine
vollkommen ebene Flaͤche bilden.
Dieß sind, wie mir daͤucht, die Hauptvorzuͤge des
Drahtplatten-Systemes; ich will nun auch zeigen, welche Einwendungen man
dagegen machen kann.
1) Man kann sagen, daß die Drahtplatten zu theuer zu stehen kommen, als daß sie
anstatt der Holzbloͤke angewendet werden koͤnnten. Dagegen
laͤßt sich aber erwiedern, daß nur deren erste Anschaffung kostspielig ist;
und daß die Holzbloͤke bei dem fortwaͤhrenden großen Bedarfe an
solchen, bald bedeutend im Preise steigen werden. Diese beiden Daten
zusammengenommen, duͤrften die hoͤheren Anschaffungskosten der
Drahtplatten gewiß in Kuͤrze ausgleichen.
2) Man kann sagen, daß die Drahtplatten keine ebenen oder scharf markirten Linien
beim Abdruke geben; sondern daß die Zuͤge nur rauh und so erscheinen
koͤnnen, als bestaͤnden sie aus einer Reihe von Punkten. Dieser
Einwurf ist allerdings von großem Gewichte, indem mit den Drahtplatten wirklich
keine vollen Linien erzielt werden koͤnnen; allein er macht das neue System
noch durchaus nicht verwerflich; denn er trifft mit Ausnahme der Linienmanier jede
Art von Gravirsystem mehr oder minder. Es gibt bekanntlich eine Methode mit Punkten
und nicht mit Linien auf Kupfer zu graviren; und wenn auch diese Methode der
Linienmanier nachsteht, so verdient sie doch noch immer vor den Holzschnitten bei
weitem den Vorzug. Mit Metall erhaͤlt man immer schaͤrfere und genauer
markirte Abdruͤke, und dieser Vorzug kommt gewiß auch den Drahtplatten im
Vergleiche mit den Holzbloͤken zu.
3) Ein dritter Einwurf, der gegen die Drahtplatten erhoben werden kann, ist endlich
der, daß diese Platten keine ganz feinen Linien geben koͤnnen, indem jede
Linie wenigstens so breit seyn muß, als der Durchmesser der zu den Platten
verwendeten Draͤhte; und daß diese Linien bald die Breite von einem oder von
zweien Draͤhten bekommen werden, je nachdem der Grabstichel beim Zeichnen nur
ein oder zwei Drahtenden zugleich trifft. Die einzige Erwiederung, die ich hiegegen
machen kann, ist die, daß die Draͤhte so außerordentlich fein genommen werden
muͤssen, daß die eben erwaͤhnten Schwierigkeiten und Hindernisse in praktischer
Hinsicht sehr unbedeutend werden.
Ich glaube hiemit im Wesentlichen Alles umfaßt zu haben, was sich fuͤr und
gegen das neue System sagen laͤßt; dem sachverstaͤndigen Publikum
bleibt das endliche Urtheil hieruͤber vorbehalten.