Titel: | Ueber die Theorie des Hohofenprocesses und die Wirkung der Kohle, wenn sie entweder zum Reduciren der Metalle oder zum Vereinigen derselben mit Kohlenstoff benuzt wird; von F. Le Play. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LIX., S. 283 |
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LIX.
Ueber die Theorie des Hohofenprocesses und die
Wirkung der Kohle, wenn sie entweder zum Reduciren der Metalle oder zum Vereinigen
derselben mit Kohlenstoff benuzt wird; von F. Le Play.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Julius 1836
S. 291.
Le Play, uͤber die Theorie des Hohofenprocesses und die
Wirkung der Rohle.
Der Kohlenstoff besizt allein unter den einfachen Koͤrpern die Eigenschaft,
auf andere ebenfalls feuerfeste Koͤrper bei nur sehr unvollstaͤndiger
Beruͤhrung mit denselben lebhaft einzuwirken; dieß zeigt sich besonders bei
der Cementation der Oxyde und Metalle, welche nur auf ihrer aͤußeren
Oberflaͤche mit Kohle in Beruͤhrung sind und wobei selbst die
groͤßten und dichtesten Stuͤke derselben bis in den Mittelpunkt der
Masse zuerst reducirt und dann mit Kohlenstoff vereinigt werden. Diese Erscheinung,
welche unter denselben Umstaͤnden außer dem Kohlenstoff kein anderer
Koͤrper zeigt, blieb bis jezt ganz unerklaͤrt, und man darf sich daher
auch nicht wundern, daß wir keine genuͤgende Theorie der meisten
metallurgischen Operationen besizen, wobei man die Kohle als Reductions- und
Carbonisationsmittel anwendet.
Als ich im Jahre 1829 die Zinkbergwerke im noͤrdlichen Deutschland besuchte,
wo man dieses Metall durch Erhizen eines Gemenges von Zinkoxyd und Kohle gewinnt,
bemerkte ich mit Verwunderung, daß man das mehr oder weniger innige Vermengen dieser
beiden Koͤrper als einen fuͤr das Gelingen der Operation sehr
unwesentlichen Umstand betrachtet. Entscheidende Versuche, welche in diesen
Huͤtten in meiner Gegenwart angestellt wurden, ließen mich an dieser
Thatsache nicht mehr zweifeln, wodurch ich veranlaßt wurde, die Theorie der
Reduction des Zinkoxyds unter einem ganz neuen Gesichtspunkte zu betrachten. Ich
sezte meine Ansichten hieruͤber in einer Abhandlung auseinander, die ich im Februar 1830 der
Ecole des mines uͤbergab.
Da das Kohlenoxydgas, wenn es in geschlossenen Gefaͤßen auf Zinkoxyd wirkt, in
kohlensaures Gas verwandelt und durch die Beruͤhrung der Kohlensaͤure
mit uͤberschuͤssiger Kohle immer wieder erzeugt wird, so begreift man,
daß die Atmosphaͤre von Kohlenoxyd, welche alle in der Retorte enthaltenen
Substanzen einhuͤllt, das Loͤsungsmittel ist, wodurch der Sauerstoff
des Zinkoxyds auf die Kohle uͤbertragen wird. Wenn diese Theorie richtig ist,
so folgt daraus, daß zwei getrennte Massen von Zinkoxyd und Kohle, welche sich in
einem geschlossenen Gefaͤße befinden, durch das aber die Gasarten austreten
koͤnnen, so aufeinander wirken muͤssen, daß sich diese beiden Massen
gaͤnzlich verfluͤchtigen, vorausgesezt, daß sie in
aͤquivalentem Verhaͤltnisse sind und das anfaͤnglich mit
kohlensaurem oder Kohlenoxydgas angefuͤllte Gefaͤß der zur Reaction
der Kohlensaͤure auf die Kohle erforderlichen Temperatur ausgesezt wird. Eine
Verlezung, die ich mir zugezogen hatte und spaͤter meine vielen
Amtsgeschaͤfte verhinderten mich uͤber diesen Gegenstand die
erforderlichen Versuche anzustellen; indessen liefern die Operationen, welche
taͤglich auf den Huͤtten vorkommen, hinreichende Belege zur
Unterstuͤzung meiner Ansicht. Auf mehreren Reisen, welche dem Studium der
Eisenhuͤttenkunde gewidmet waren, habe ich mich uͤberzeugt:
„Daß in allen Oefen mit comprimirtem Luftstrom, worin man die Oxyde
des Eisens, Bleies, Kupfers und Zinns reducirt, keine bemerkenswerthe
Beruͤhrung zwischen den Erzen und der Kohle Statt findet; daß die
Operation nicht gelingt, wenn beide moͤglichst gut gemengt sind und im
Gegentheil der Gang der Oefen um so vollkommener ist, je unbedeutender diese
Beruͤhrung ist; daß die Erze, so lange sie in den Oefen verweilen,
eigentlich mit keinem anderen wirksamen Koͤrper als Kohlenoxydgas in
Beruͤhrung kommen, woraus ich schloß, daß nur dieses in solchen Oefen die
Erscheinungen der Reduction und Carbonisation hervorbringt, welche man bisher
dem Kohlenstoff zugeschrieben hatte.“
Es ist daher keinem Zweifel mehr unterworfen,
1) daß die Behandlung der Oxyde mit Kohle in einem geschlossenen Gehaͤuse, sey
es nun durch Cementation oder auf dem Wege der Vermengung, in allen Faͤllen
bloß ein einfaches und oͤkonomisches Mittel ist, sie der Einwirkung des
Kohlenoxydgases auszusezen;
2) daß die Kohle schneller auf dem Wege der Vermengung als durch Cementation wirkt,
nicht weil sie alsdann in innigere Beruͤhrung mit dem zu reducirenden Oxyd
kommt, sondern vielmehr mit er durch die Reduction erzeugten Kohlensaͤure,
welche leztere in diesem Falle eher wieder in Kohlenoxyd verwandelt wird;
3) daß die Oefen mit comprimirtem Luftstrome sich auf dasselbe Princip
gruͤnden; daß sie sich von den geschlossenen Cementirapparaten bloß dadurch
unterscheiden, daß die zur Reaction des Kohlenoxyds erforderliche Hize, anstatt von
Außen einzuwirken, in demselben Gehaͤuse erzeugt wird, worin dieses Gas
entsteht und reagirt;
4) daß in allen Oefen ohne Ausnahme das Kohlenoxydgas durch die Einwirkung der
atmosphaͤrischen Luft auf die Kohle entsteht: bei den
Geblaͤseoͤfen wird die Luft auf die Kohle getrieben und erzeugt einen
Strom von Kohlenoxydgas, der sich bestaͤndig erneuert; in den
Cementirapparaten befindet sich die Luft zwischen den festen Koͤrpern und
dieselben Molecule von Kohlenoxyd koͤnnen waͤhrend der ganzen Dauer
der Operation reagiren.
Zwischen der Cementation der Oxyde und derjenigen der Metalle findet der wesentliche
Unterschied Statt, daß im ersteren Falle, selbst abgesehen von der Wechselwirkung
der festen Koͤrper, in dem kohligen Cementpulver nur ein einziges Molecul
Sauerstoff eingeschlossen zu seyn braucht, damit die Reaction anfaͤngt und
eine immer zunehmende Atmosphaͤre von Kohlenoxydgas entwikelt; im lezteren
Falle hingegen bleibt die Kohlenoxyd-Atmosphaͤre sich immer gleich und
haͤngt bloß von der Menge der im Cementirpulver enthaltenen
atmosphaͤrischen Luft ab. Dadurch erklaͤrt es sich, warum man
metallisches Eisen nicht in Kaͤsten cementiren kann, wenn das Cementirpulver
zu fein ist; eine Thatsache, wovon man bisher keinen Grund angeben konnte.)
Man begreift nun auch, warum ein Eisenhohofen nicht in Gang bleiben kann,
wenn man das Erz und Brennmaterial mit einander vermengt und warum von
diesen beiden Substanzen im Gegentheil jede besonders in einer diken und
horizontalen Schichte eingetragen werden muß; da sich naͤmlich jedes
Gasmolecul senkrecht nach Oben bewegt, so kann es dann auch in jedem
Augenblik das Maximum von Nuzeffect hervorbringen, welcher bei ihm darin
besteht, daß es im Zustande von Kohlenoxyd auf das Erz und im Zustande von
Kohlensaͤure auf die Kohle wirkt. Bei der zufaͤlligen
Anordnung, welche die Vermengung hervorbringt, wuͤrde nicht dasselbe
Statt finden, und es waͤre dabei sogar eine Anordnung nicht
unmoͤglich, wobei zwei Molecule von Kohlensaͤure und
Kohlenoxyd den Ofen nuzlos durchstreichen koͤnnten, naͤmlich
so daß erstere bloß Erz und lezteres bloß Kohle antreffen wuͤrde.
Die eigenthuͤmliche Anordnung des Erzes und der Kohle in den Oefen,
worin man Blei-, Kupfer- und Zinnerze behandelt, laͤßt
sich durch meine Theorie ebenfalls ganz gut erklaͤren.
A. d. O.
Der von mir aufgestellte, an Folgerungen so fruchtbare Grundsaz laͤßt sich in
seiner groͤßten Ausdehnung folgender Maßen ausdruͤken:- das Kohlenoxyd reducirt alle Verbindungen und carbonisirt alle
Metalle, welche durch Cementation reducirt und carbonisirt werden
koͤnnen.
Die Anwendungen, welche sich von dieser Theorie auf die Vervollkommnung der Hohoͤfen machen
lassen, beruhen darauf, daß diese Apparate nichts als große Maschinen sind, durch
welche man Hize und Kohlenoxydgas auf das Erz einwirken lassen kann; daß diese
Maschinen also um so vollkommener seyn, d. h. bei gleichem Aufwand an Brennmaterial
oder an atmosphaͤrischer Luft einen um so groͤßeren Nuzeffect geben
werden, je vollstaͤndiger sie die Einwirkung dieser beiden Agentien an das
Erz uͤbertragen.
In wissenschaftlicher Hinsicht glaube ich bewiesen zu haben, daß das Verhalten des
Kohlenstoffs keine Anomalie darbietet; denn daß er in der organischen Natur und
besonders bei den oben bezeichneten Erscheinungen eine eben so wichtige Rolle spielt
als wirklich gasfoͤrmige Koͤrper, verdankt er seiner Eigenschaft, mit
dem Sauerstoff zwei fluͤchtige Verbindungen, das Kohlenoxyd und die
Kohlensaͤure zu bilden, die ihm bei den meisten großen Erscheinungen in der
Natur und Kunst, wo er intervenirt, als Loͤsungsmittel dienen.
Einige entscheidende Versuche, welche ich mit Hrn. Laurent
uͤber mehrere Folgerungen, die sich aus meiner Theorie ergeben, bereits
angestellt habe und noch fortseze, werde ich spaͤter in einer besonderen
Abhandlung bekannt machen.)
Berthier, welcher ohne Zweifel mit den Ansichten
des Verfassers bekannt war, hat in einer seiner neuesten Abhandlungen in
Bezug auf den Hohofenproceß dieselbe Theorie entwikelt; man vergleiche
Polytechn. Journal Bd. LIX. G. 36. Arago vermuthet, daß das Kohlenwasserstoffgas,
welches sich aus wasserstoffhaltiger Kohle entwikelt, beim Cementiren des
Eisens in Kaͤsten eine groͤßere Rolle spielt als das
Kohlenoxydgas (Polyt. Journal Bd. LX. S. 75).
A. d. R.