Titel: | Ueber ein Mittel, um die Entstehung knollenartiger Auswüchse in den gußeisernen Wasserleitungsröhren zu verhindern; von Hrn. Vicat. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LXXVI., S. 377 |
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LXXVI.
Ueber ein Mittel, um die Entstehung
knollenartiger Auswuͤchse in den gußeisernen Wasserleitungsroͤhren zu
verhindern; von Hrn. Vicat.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Julius 1836,
S. 301.
Vicat, uͤber eiserne
Wasserleitungsroͤhren.
Bekanntlich haben sich in der großen gußeisernen Wasserleitung in Grenoble, nachdem
dieselbe nur kurze Zeit in Gebrauch war, zahlreiche Knollen von Eisenoxydhydrat
gebildet, welche so zunahmen, daß der Brunnenthurm, der im Jahre 1826 in der Minute
noch ungefaͤhr 1400 Liter Wasser lieferte, im Jahre 1833 nur mehr 720 Liter
gab.Polytechnisches Journal Bd. LIII. S. 207. Der Verlust betrug also nach sieben Jahren 680 Liter per Minute und eine Untersuchung von Sachverstaͤndigen ergab als
Resultat, daß in fuͤnf Jahren die Brunnen ganz aufhoͤren
koͤnnten zu laufen.
In dieser verzweifelten Lage bemuͤhten sich die Ingenieure Gueymard und Vicat, in der
Ueberzeugung, daß sich die Knollen auf Kosten des Gußeisens erzeugen, einen
wohlfeilen und unzerstoͤrbaren Ueberzug auszumitteln, welcher die Oxydation,
die einzige Urfache des Uebels, zu verhindern im Stande ist.
Eine zweijaͤhrige Erfahrung hat bewiesen, daß hydraulischer Moͤrtel, zu
geeigneter Consistenz angeruͤhrt und eher fett als mager, wenn er eine
Schichte von wenigstens 2½ Millimeter (1 1/10 Linie) auf dem Gußeisen bildet,
unter allen leicht darstellbaren und wohlfeilen Compositionen diejenige ist, welche
an dem Gußeisen am besten haftet, sich am laͤngsten erhaͤlt und sich
am wirksamsten jeder Oxydation und folglich jeder Knollenbildung widersezt.
Um die langen Roͤhren innen mit einer Schichte hydraulischen Moͤrtels
zu uͤberziehen, bedient man sich eines Wischers; die Dimensionen der
Buͤrste muͤssen natuͤrlich dem Durchmesser der Roͤhren
entsprechen. Nachdem man den Staub aus den Roͤhren gekehrt und sie
ausgewaschen hat, fuͤllt man in eines der Enden so viel Moͤrtel, daß
er ihre Oeffnung bis auf eine Laͤnge, die beilaͤufig eben so groß wie
der Durchmesser ist, genau verschließt; dann stekt man durch diesen Moͤrtel
den Stiel des Wischers, bis er zum entgegengesezten Ende der Roͤhre
hinausreicht, wo man ihn ergreift. Man zieht ihn dann langsam heraus und die
Buͤrste fuͤhrt die Moͤrtelmasse mit sich, wovon ein Theil an
den Seiten des Gußeisens haͤngen bleibt.
Die Dike der entstehenden Schichte haͤngt von dem Durchmesser der Roͤhre und des
Wischers, so wie von der Biegsamkeit des Haares ab. Man wiederholt diese Operation
noͤthigenfalls noch ein Mal oder mehrmals. Jedenfalls thut man gut, eine
zweite und lezte Schichte von fetterem, feinerem und duͤnnerem Moͤrtel
zu geben, um die Zwischenraͤume auszufuͤllen und allenfalls
vorkommende Fehler der vorhergehenden Schichten zu verdeken. Dieses darf jedoch
nicht eher geschehen, als bis die ersten Schichten consistent geworden sind, was in
drei bis vier Tagen der Fall ist.
Seitdem die Leitungsroͤhren in Grenoble innen mit diesem Ueberzug versehen
sind, hat sich das Wasserquantum, welches sie liefern, nicht im Geringsten mehr
vermindert.
Zusaz der Redaction.
Hr. Payen uͤbergab kuͤrzlich der
franzoͤsischen Akademie der Wissenschaften eine Abhandlung uͤber die
Entstehung eisenhaltiger Knollen in den gußeisernen Wasserleitungsroͤhren in
Grenoble. Seiner Ansicht nach koͤnnen dieselben nur von einer
Veraͤnderung des Gußeisens herruͤhren, weil sich bei bleiernen,
irdenen und hoͤlzernen Leitungsroͤhren diese Erscheinung nicht zeigt.
Es blieb aber noch zu erklaͤren, warum sich jene Knollen so schnell bilden,
als es wirklich der Fall ist. Sie sezen sich an die Seiten der Roͤhren an,
erreichen bisweilen drei Centimeter im Durchmesser, sind sehr magnetisch,
gruͤnlichgelb und mit einem schwarzen Pulver vermengt; ihre Textur ist
krystallinisch. Nach Verthier's Analyse bestehen sie
aus:
Eisenoxydul
21,0
Eisenoxyd
58,2
Kohlensaͤure
5,0
Wasser
14,5
Kieselerde
1,3
–––––
100,0.
Ihr Gehalt an magnetischem Eisenoxyd spricht ebenfalls fuͤr die Ansicht, daß
sie sehr wahrscheinlich in Folge einer Oxydation des Gußeisens entstehen, denn
bekanntlich bildet sich dieses Oxyd, wenn Gußeisen in Wasser der Luft ausgesezt
bleibt, und da die Oxydation bei Gegenwart von Kohlensaͤure Statt fand, so
erklaͤrt sich das Vorkommen von kohlensaurem Eisen in denselben.
Hr. Payen begnuͤgte sich nicht damit die Ursache
der Entstehung von Knollen in den Leitungsroͤhren aus grauem Roheisen zu
ermitteln, sondern er suchte auch die Umstaͤnde zu erforschen, unter welchen
das viel weniger oxydirbare weiße Roheisen dieselbe Wirkung wie das graue
hervorbringt. Nachdem er ein Volum einer bei 15° C. mit kohlensaurem Natron
und Kochsalz gesaͤttigten Aufloͤsung mit 100 und 200 Volumen
destillirten Wassers verduͤnnt hatte, fand er daß alle Fluͤssigkeiten
zwischen diesen Graͤnzen auf dem weißen Roheisen groͤßere, aber
weniger zahlreiche Knollen hervorbringen als auf den anderen Arten von Roheisen.
Leztere bieten mehr Punkte dar, welche leicht angreifbar sind, und erzeugen daher
zahlreichere Knollen, welche aber mehr vertheilt und daher nicht so auffallend
sind.
Das weiße Roheisen, welches durch gewisse Mineralwasser weniger oxydirt wird, scheint
daher fuͤr Leitungsroͤhren vor dem grauen den Vorzug zu verdienen. Die
kuͤnstlich auf dem Eisen erzeugten Knollen haben naͤmlich ganz
dieselbe Zusammensezung wie die in den Roͤhren in Grenoble. Uebrigens
waͤre es wuͤnschenswerth durch elektrochemische Versuche Aufschluß
uͤber die merkwuͤrdige Thatsache zu erhalten, daß Aufloͤsungen
von Aezkali das Stab- und Roheisen gegen Oxydation vollkommen
schuͤzen, waͤhrend durch Zusaz von Kochsalz, selbst in geringer Menge,
dieses Vermoͤgen desselben sogleich vernichtet wird. (Polyt. Journ. Bd. XLVI. S. 267.
und Bd. LI. S.
116.)