Titel: Ueber die Patent-Mahlmühle des Hrn. Ragon in Paris.
Fundstelle: Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LXXXII., S. 437
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LXXXII. Ueber die Patent-Mahlmuͤhle des Hrn. Ragon in Paris. Aus den Annales de la Société polytechnique-pratique, No. 20. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Ragon's Mahlmuͤhle. Die Mahlmuͤhle, auf welche Hr. Ragon ein Patent besizt, und deren sich bereits mehrere Muͤller in Frankreich bedienen, arbeitet mit kleinen Muͤhlsteinen von 61 Zoll im Durchmesser, welche er aus dem haͤrtesten und dichtesten Muͤhlsteine der beruͤhmten Bruͤche von La Ferté-sous-Jouarre bezieht. Diese Steine machen beilauͤfig 200 Umgaͤnge in der Minute, und die Einrichtung derselben ist auf solche Weise getroffen, daß das Mehl an deren ganzem Umfange vollkommen kuͤhl austritt: ein Vorzug, welcher fuͤr sich allein schon alle Beruͤksichtigung verdient. Die neue Muͤhle mahlt jedoch außerdem noch mit einem geringeren Kraftaufwande (mit 2 Pferdekraͤften), in einem kleineren Raume (von 4 Quadratfuß) und in kuͤrzerer Zeit als die gewoͤhnlichen Muͤhlen eine gleiche Quantitaͤt Getreide. Sie mahlt stuͤndlich 100 Kilogr. Getreide, und liefert ein weißes, kraͤftiges Mehl, welches einen reicheren Ertrag an vortrefflichem Gebaͤk gibt, weil es wegen der Eigenthuͤmlichkeit des Mahlprocesses eine groͤßere Menge Wasser einsaugt. Dabei wird die Kleie vollkommen abgeschieden, und die Gruͤze gleich auf das erste Mal so vollkommen in Mehl verwandelt, daß nur gegen 15 Proc. davon nachgemahlen zu werden brauchen. Das neue System kommt nicht nur wohlfeiler, sondern es erzeugt zugleich auch mehr; es eignet sich deßhalb auch ganz vorzuͤglich fuͤr solche Gegenden, die nicht sehr reich an Wasser sind, und besonders fuͤr jene Muͤller, die nur fuͤr das Publicum mahlen, und nur sogenannte kleine Saͤke erzeugen. Der Muͤller ist, wenn er mehrere Gaͤnge besizt, sicher, daß er selbst bei großer Trokenheit nicht zu feiern braucht; denn ein Gang kann selbst bei sehr geringer Wassermenge immer noch arbeiten. Eine Muͤhle, die, wenn ihre Wasserkraft auf die immer noch huͤbsche Kraft von 7 bis 8 Pferden herabsinkt, eine lange Zeit des Jahres uͤber nur mit einem Gange zu mahlen, und in 24 Stunden 12 bis 15 Hectoliter Getreide in Mehl zu verwandeln im Stande ist, kann mir demselben Kraftaufwande 3 der neuen Gaͤnge in Bewegung sezen, und damit innerhalb derselben Zeit 75 Hectoliter Getreide in Mehl verwandeln; oder sie kann zwei Gaͤnge und eine Saͤgmuͤhle von zwei Pferdekraͤften betreiben, die in 12 Stunden 300 Klafter weiche oder 200 Klafter harte Bretter schneidet. Um die wohlthaͤtigen Wirkungen seines Muͤhlensystemes allen Localverhaͤltnissen noch mehr anzupassen, hat Hr. Ragon dasselbe auf mehrfache Weise modificirt. So baut er z. B. vortreffliche Muͤhlen, die nur mit einer einzigen Pferdekraft arbeiten, und Handmuͤhlen, welche von zwei Menschen in Bewegung gesezt werden koͤnnen, und die dieselben Vortheile und Resultate gewaͤhren. Die Steine der Muͤhlen von einer Pferdekraft haben 20 Zoll im Durchmesser, und mahlen, wenn der Laͤufer 280 Umgaͤnge in der Minute macht, stuͤndlich 60 Kilogr. Weizen. Dergleichen Muͤhlen wuͤrden sich z. B. sehr gut fuͤr jene Doͤrfer eignen, in denen sich die Grundholden vereinigen, um ihr Getreide durch eine von einem Pferdegoͤpel in Bewegung gesezte Maschine ausdreschen zu lassen; man brauchte naͤmlich dieselbe Kraft nur auf die Muͤhle anzuwenden. Die Steine der Handmuͤhlen haben 15 Zoll im Durchmesser, und mahlen bei 200 Umgaͤngen in der Minute stuͤndlich 16 Kilogr. Weizen. Vorrichtungen dieser Art eignen sich vortrefflich fuͤr einzelne Landeigenthuͤmer, die weit von Muͤhlen entfernt sind; denn man kann das Gesinde an den langen Winterabenden sehr leicht zum Mahlen des noͤthigen Bedarfes verwenden. Die Steine lassen sich, da sie so leicht zu handhaben sind, mit Leichtigkeit von einem einzigen Arbeiter anschaͤrfen. Fig. 21 gibt eine Ansicht der Ragon'schen Muͤhle. A ist der Aufschuͤtt-Trichter; B der Regulator, womit die Quantitaͤt des zwischen die Steine gelangenden Getreides regulirt wird; C der Kasten, der die beiden Steine umschließt; D der Regulator des Laͤufers; E das horizontale Rad und dessen Getrieb, wodurch die Muͤhlsteine in Bewegung gesezt werden; F das Winkelrad, welches die Bewegung fortpflanzt; G das Triebrad der Beutelvorrichtung; H die Welle des Schwungrades, an welcher bei Handmuͤhlen auch die Kurbel angebracht wird. Die Muͤhle mahlt auch Roggen und Gerste und liefert aus diesen Getreidearten ein sehr gutes Mehl. Eben so eignet sie sich zum Mahlen des Weizens von St. Helena, welcher haͤrter ist als der Danziger Weizen, und welcher zu den haͤrtesten und glaͤttesten Getreidearten gehoͤrt. Die Pariser Baͤker zahlen das mit Ragon's Muͤhlen erzeugte Mehl um 2 bis 2½ Fr. den Sak theurer, indem sie bei der Brodbereitung mit diesem Mehle einen Mehrertrag von 2 bis 3 Proc. erzielen. Die Ursache hievon liegt darin, daß das Mehl runder und weniger fett ist und mehr Wasser einsaugt; abgesehen davon, daß es weißer und kraͤftiger ist, und daß es wegen der kuͤhlen Temperatur, mit der es aus der Muͤhle kommt, auch noch einige andere schaͤzenswerthe Eigenschaften besizt. Die Ragon'schen Muͤhlen haben sich bei diesen vielen guten Eigenschaften in der Umgegend von Paris schon einen bedeutenden Ruf erworben. Wir geben zur Bestaͤtigung folgenden Bericht uͤber einen im April 1836 auf der Muͤhle de la Cour-Neuve bei Saint-Denis angestellten Versuch. 30 Sester Weizen von Chartres, welche den Sester zu 118 Kil. genommen 3540 Kilogr. wogen, gaben: an weißem Mehle 2561 Kilogr. an schwarzem Mehle 219 an Kleien 717 an Abfaͤallen 43 ––––– Summa 3540 Kilogr. 100 Kilogr. geben demnach weißes Mehlschwarzes Mehl 72,346,19 78,53 Kilogr. Kleie 20,26 Abfall 1,21 ––––– 100,00 Kilogr. Die besten englischen Mahlmuͤhlen, die man in der Gegend von Gonesse hat, gaben dagegen noch nicht uͤber 77 Proc. Ertrag an Mehl. Die Preise der neuen Muͤhlen sind folgender Maßen fixirt. Eine Handmuͤhle von einer Pferdekraft kommt mit Einschluß des Schwungrades auf 1800 Fr.; eine Muͤhle von einer Pferdekraft auf 2200 Fr.; eine von 2 Pferdekraͤten auf 3000 Fr. Wenn mehrere Gaͤnge errichtet werden, so kostet jedoch nur der erste 3000, und jeder der uͤbrigen 2500 Fr. Die Zeit des Baues betraͤgt 6 Wochen bei zwei Monate.Weitere Aufschluͤsse ertheilt Hr. Ragon in Paris, rue St. Nicolasd'Antin, No. 36, oder auch der Director der Société polytechnique in Paris, rue Neuve des Capucines No. 13 bis.

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