Titel: | Beschreibung eines neuen Verfahrens zur Gewinnung des Jods und Broms; von Hrn. Bussy. |
Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. XI., S. 53 |
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XI.
Beschreibung eines neuen Verfahrens zur Gewinnung
des Jods und Broms; von Hrn. Bussy.
Aus dem Journal de Pharmacie, Jan. 1837, S.
17.
Bussy's Verfahren zur Gewinnung des Jods und Broms.
Das Verfahren, wodurch man das Jod gewoͤhnlich gewinnt, und welches darin
besteht, die Mutterlaugen der Varecsoda durch concentrirte Schwefelsaͤure zu
zersezen, ist bekanntlich ziemlich unsicher, indem oft eine betraͤchtliche Menge Jod bei der
Destillation als Jodwasserstoffsaͤure oder Chlorjod uͤbergeht, welches
dann fuͤr den Fabrikanten verloren ist. Um diesem nachtheiligen Umstand zu
begegnen, schlug Hr. Soubeiran vor, das Jod aus den
Mutterlaugen durch schwefelsaures Kupfer niederzuschlagen und dann das Jodkupfer
durch Braunstein bei erhoͤhter Temperatur zu zersezen. Diese Methode
erheischt aber eine außerordentliche Sorgfalt und Vorsicht, wenn man alles in den
Mutterlaugen enthaltene Jod gewinnen will, und ich glaube nicht, daß sie jemals in
einer Fabrik befolgt wurde.
Diese Gruͤnde veranlassen mich ein viel einfacheres Verfahren bekannt zu
machen, welches seit kurzer Zeit von einigen Jodfabrikanten angewandt wird; es wurde
meines Wissens von Hrn. Barruel entdekt und besteht
darin, das Jod aus den Varecmutterlaugen durch einen Strom Chlorgas zu
faͤllen.
Man dampft naͤmlich die Mutterlaugen von Varecsoda zur Trokniß ab, vermengt
den Ruͤkstand so gut als moͤglich mit dem zehnten Theil seines
Gewichtes gepulvertem Braunstein, und erhizt dann das Gemenge in einem eisernen
Kessel unter haͤufigem Umruͤhren bis zur angehenden
Braunrothgluͤhhize. Durch diese Operation sollen die Sulfuride und
unterschwefligsauren Salze, welche in großer Menge in den Mutterlaugen vorkommen, in
schwefelsaure Salze verwandelt werden. Um zu erfahren, ob dieß wirklich
vollstaͤndig bewerkstelligt wurde, braucht man nur eine kleine Menge der
calcinirten Masse mit uͤberschuͤssiger Schwefelsaͤure zu
uͤbergießen; es darf sich dann weder Schwefelwasserstoff mehr entbinden, noch
Schwefel absezen.
Sollte die Masse waͤhrend des Calcinirens violette Daͤmpfe ausstoßen,
so muͤßte man die Hize maͤßigen um Verlust an Jod zu vermeiden.
Wenn die Sulfuride gaͤnzlich zersezt sind, loͤst man den
Ruͤkstand in so viel Wasser auf, daß die Fluͤssigkeit 36° an
Baumés Araͤometer zeigt. Man leitet alsdann in diese Aufloͤsung
einen Strom Chlorgas, wobei man sie bestaͤndig mit einer Glasroͤhre
umruͤhrt; die Fluͤssigkeit faͤrbt sich stark, truͤbt
sich hierauf und sezt Jod als ein schwarzes Pulver ab; man sammelt dieses und
destillirt es in einer glaͤsernen Retorte, um es krystallisirt zu erhalten,
wie es im Handel vorkommt. Die einzige Schwierigkeit bei diesem Verfahren besteht
darin, den Punkt zu treffen, wo man die Einwirkung des Chlors unterbrechen muß, weil
ein Ueberschuß desselben das niedergeschlagene Jod aufloͤsen wuͤrde.
Ein Ueberschuß von Chlor ist aber um so mehr zu vermeiden, wenn man aus denselben
Mutterlaugen auch noch das in ihnen enthaltene Brom gewinnen will.
Man laͤßt daher die Fluͤssigkeit, wenn man glaubt, daß sie dem
Saͤttigungspunkt nahe ist, einen Augenblik sich absezen, unterbricht den
Chlorstrom und leitet das Gas uͤber die Oberflaͤche der
Fluͤssigkeit; so lange sie noch ein hydriodsaures Salz aufgeloͤst
enthaͤlt, bildet sich naͤmlich auf ihrer Oberflaͤche ein
Haͤutchen von Jod, was nicht mehr geschieht, wenn alles Jod niedergeschlagen
ist; in lezterem Falle klaͤrt sich die Fluͤssigkeit schnell und bleibt
nur noch schwach roͤthlich gefaͤrbt.
Die Abscheidung des Broms, so wie man sie gewoͤhnlich vornimmt, ist ebenfalls
mit großen Schwierigkeiten verbunden, welche man durch folgendes Verfahren vermeiden
kann.
Dieses Verfahren ist dem vorhergehenden ganz aͤhnlich; es gruͤndet sich
wie jenes auf die groͤßere Verwandtschaft des Chlors und die Eigenschaft
desselben, das Brom aus seinen Verbindungen zu verdraͤngen. Es gestattet
uͤberdieß die Jodmutterlaugen zu benuzen, welche bis jezt ohne Verwendung
blieben. Die Mutterlaugen der Varecsoda enthalten naͤmlich, nachdem man das
Jod auf oben angegebene Weise durch Chlor daraus niedergeschlagen hat, noch Brom als
bromwasserstoffsaures Salz, vorausgesezt daß nicht mehr Chlor angewandt wurde, als
gerade zur Faͤllung des Jods noͤthig war. Man versezt nun 1250 Theile
dieser Mutterlaugen mit 32 Theilen gepulverten Braunsteins und 24 Theilen
gewoͤhnlicher Schwefelsaͤure von 66° Baumé. Das Ganze
gießt man dann in eine tubulirte glaͤserne Retorte, an welcher ein ebenfalls
tubulirter Ballon angebracht ist, von welchem eine Roͤhre in einen
Glascylinder taucht. Der Hals der Retorte soll in den des Ballons und eben so die
Roͤhre in den Ballon gut eingeschliffen seyn, so daß der Apparat ohne
Anwendung von Kitt und Kork, welche durch das Brom unvermeidlich zerstoͤrt
wuͤrden, zusammengesezt werden kann.
Man erhizt die Retorte, so daß die Fluͤssigkeit ins Kochen kommt; das
uͤbergehende Brom verdichtet sich dann in dem Ballon in oͤhlartigen
rothen Streifen nebst einer geringen Menge Wasser; sobald keine rothen
Daͤmpfe mehr entstehen, kann man die Operation unterbrechen. Wenn man jezt
den Ballon, ohne den Apparat aus einander zu nehmen, schwach erwaͤrmt, so
geht das Brom in den Glascylinder uͤber und verdichtet sich darin.
Man muß die zu dieser Operation angewandten Mutterlaugen nicht eher weggießen, als
bis man sich durch einen neuen Zusaz von Schwefelsaͤure und Braunstein
uͤberzeugt hat, daß sie kein Brom mehr enthalten.