Titel: | Ueber einen neuen Aether, welcher den Weinen ihren eigenthümlichen Geruch ertheilt. |
Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. XIV., S. 61 |
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XIV.
Ueber einen neuen Aether, welcher den Weinen
ihren eigenthuͤmlichen Geruch ertheilt.
Ueber das riechende Princip der Weine.
Liebig und Pelouze haben in
den Annales de Chimie et de Physique, Oktober 1836, ihre
Untersuchungen uͤber die Substanz, welche das riechende Princip der Weine
bildet, mitgetheilt; wir stellen im Folgenden die wesentlichen Ergebnisse dieser
interessanten Arbeit zusammen.
Wenn man Alkohol und Wasser in denselben Verhaͤltnissen, wie sie im Wein
vorkommen, mit einander vermischt, so erhaͤlt man eine so zu sagen geruchlose
Fluͤssigkeit, waͤhrend man doch sehr leicht den Weingeruch bei einer
geleerten Flasche unterscheiden kann, wenn sie auch nur noch einige Tropfen dieses
Getraͤnks enthaͤlt. Dieser charakteristische Geruch, den alle Weine in
groͤßerem oder geringerem Grade besizen, wird durch eine besondere Substanz
hervorgebracht, welche alle Eigenschaften der wesentlichen Oehle besizt. Was man
gewoͤhnlich die Blume, das Arom oder das Bouquet
des Weins nennt, ruͤhrt von einer Substanz her, die keinen Geruch hat und
folglich nicht mit jener verwechselt werden darf; sie ist auch nicht
fluͤchtig, scheint bei den verschiedenen Weinsorten eine verschiedene zu
seyn, und fehlt bei den meisten gaͤnzlich.
Wenn man große Quantitaͤten Wein destillirt, so erhaͤlt man am Ende der
Operation eine kleine Menge einer oͤhlartigen Substanz. Dieselbe Substanz
erhaͤlt man auch bei der Destillation der Weinhefe, besonders solcher, welche
sich auf dem Boden der Faͤsser absezt, nachdem die Gaͤhrung angefangen
hat.
Die Destillation dieser Weinhefe oder dieses mit Ferment gemischten Weines wirft noch
einigen Gewinn ab; man erhaͤlt daraus eine gewisse Menge Alkohol, nebst dem
Oehl, welches den Weinen ihren Geruch ertheilt. Da diese Weinhefe einen sehr diken
Teig bildet, so verduͤnnt man sie mit der Haͤlfte ihres Volums Wasser
und destillirt sie dann uͤber freiem Feuer, mit der Vorsicht, daß sich die
Masse nicht verkohlt. Das Product der Destillation zeigt 15° an Cartier's Araͤometer; man destillirt es zum
zweiten Mal, wodurch es auf 22° kommt. Gegen das Ende dieser zweiten
Destillation, wenn der Branntwein nur noch 15° zeigt, sieht man das Oehl
uͤbergehen. Auf 10,000 Kilogr. des destillirten Products erhaͤlt man
ungefaͤhr 1 Kilogr. Oehl, und man kann annehmen, daß diese Substanz
beilaͤufig den 40,000sten Theil des Weines ausmacht.
Das rohe Oehl hat einen starken Geschmak und ist meistens farblos; bisweilen ist es jedoch
durch etwas Kupferoxyd schwach gruͤn gefaͤrbt, daher diese Farbe auch
auf Zusaz von Schwefelwasserstoff verschwindet. Durch die Destillation
erhaͤlt man das Oehl ganz farblos.
Das aͤtherartige Oehl der Weine enthaͤlt viel Sauerstoff, weicht aber
dennoch in seiner Zusammensezung von den bis jezt bekannten sauerstoffhaltigen
wesentlichen Oehlen sehr ab. Es ist eine Verbindung einer eigenthuͤmlichen
fetten Saͤure mit Aether und gehoͤrt also in die Classe der
zusammengesezten Aetherarten. Es liefert uns das erste Beispiel eines Aethers,
welcher, in Wasser unaufloͤslich, waͤhrend der geistigen
Gaͤhrung ohne die Mitwirkung des Chemikers entsteht. Die neue Saͤure
kann passend Oenanthsaͤure genannt werden, und
folglich das wesentliche Oehl Oenanthaͤther.
Der rohe Aether ist immer mit mehr oder weniger freier Saͤure vermischt; da er
fluͤchtiger als die Saͤure ist, so laͤßt er sich durch bloße
Destillation schon in reinem Zustande erhalten, indem man nur das erste Viertel des
Products sammelt. Um ihn ganz rein zu erhalten, ist es besser, ihn oͤfters
mit einer warmen Aufloͤsung von kohlensaurem Natron zu schuͤtteln,
welches die freie Saͤure aufloͤst, ohne den Aether zu
veraͤndern. Das Gemisch ist milchartig und wird selbst bei langem Stehen
nicht klar; erhaͤlt man es aber einige Zeit im Sieden, so scheidet sich der
Aether ab und bildet auf der Oberflaͤche der waͤsserigen
Fluͤssigkeit eine leicht zu entfernende Schichte. Durch Schuͤtteln mit
Stuͤken von Chlorcalcium kann man ihm dann leicht die geringe Menge Wasser
oder Alkohol entziehen, welche er noch enthaͤlt.
Der auf diese Art gereinigte Aether ist sehr fluͤssig, ungefaͤhr wie
Senfoͤhl; er ist farblos und hat einen sehr starken, fast berauschenden
Weingeruch. Sein Geschmak ist sehr stark und unangenehm. Er loͤst sich leicht
in Aether und Alkohol auf, selbst wenn lezterer sehr verduͤnnt ist; Wasser
loͤst davon nur sehr wenig auf. Seine Dichtigkeit ist 0,862; er ist so wenig
fluͤchtig, daß wenn man ihn mit Wasser destillirt, mit einem Pfund Wasser
hoͤchstens 6 Gramme Aether uͤbergehen. Er kocht zwischen 225 und
230° C. unter einem Druk von 0,747 Met. Nach der Analyse mit Kupferoxyd
besteht er aus:
Kohlenstoff
72,39
=
18
Atomen
Wasserstoff
11,82
=
36
–
Sauerstoff
15,79
=
2
–
––––––
100,00
Der Oenanthaͤther wird durch die aͤzenden Alkalien augenbliklich
zersezt, durch die kohlensauren Alkalien aber nicht merklich veraͤndert. Auch wird er durch
Ammoniak selbst bei gelinder Waͤrme nicht zersezt. Wenn man ihn mit Aezkali
in einem Destillirapparate kocht, so erhaͤlt man eine betraͤchtliche
Menge Alkohol und die ruͤkstaͤndige Fluͤssigkeit
enthaͤlt oenanthsaures Kali, ein in Wasser sehr leicht loͤsliches
Salz. Zersezt man diese Verbindung mit verduͤnnter Schwefelsaͤure, so
scheidet sich die Oenanthsaͤure augenbliklich ab und bildet auf der
Oberflaͤche der Fluͤssigkeit eine geruchlose oͤhlige
Schichte.
Oenanthsaͤure.
Die aus ihren alkalischen Verbindungen durch Schwefelsaͤure abgeschiedene
Oenanthsaͤure muß sehr sorgfaͤltig mit heißem Wasser ausgesuͤßt
werden. Man kann sie dann entweder durch Schuͤtteln mit Chlorcalcium oder im
luftleeren Raum mittelst concentrirter Schwefelsaͤure troknen.
Auf diese Art erhaͤlt man das Oenanthsaͤure-Hydrat, welches bei
13° C. vollkommen weiß und von butterartiger Consistenz ist, bei einer
hoͤheren Temperatur aber schmilzt und ein farbloses Oehl ohne Geschmak und
Geruch darstellt, welches Lakmus roͤthet und sich in aͤzenden und
kohlensauren Alkalien leicht aufloͤst. Diese Saͤure bildet wie alle
fetten Saͤuren zwei Reihen von Salzen, saure, jedoch ohne merkliche Reaction
und neutrale, die auffallend alkalisch reagiren. Sie loͤst sich leicht in
Aether und Alkohol auf. Neutralisirt man eine warme Loͤsung von
Oenanthsaͤure mit Kali, bis die Fluͤssigkeit weder sauer noch
alkalisch reagirt und laͤßt sie dann erkalten, so gesteht sie zu einer
teigartigen Masse, welche aus außerordentlich feinen Nadeln besteht, die nach dem
Troknen einen seidenartigen Glanz zeigen. Dieses ist das saure Kalisalz.
Loͤst man die Oenanthsaͤure mit Huͤlfe der Waͤrme in
kohlensaurem Natron auf, verdampft die Loͤsung zur Trokniß und behandelt die
Masse mit Alkohol, so loͤst sich neutrales oenanthsaures Natron auf und das
kohlensaure Natron bleibt zuruͤk. Die geistige Loͤsung gesteht beim
Erkalten zu einer durchscheinenden gallertartigen Masse.
Wird Oenanthsaͤure in der Kaͤlte mit einer Loͤsung von
essigsaurem Blei gemischt, so scheiden sich sogleich weiße Floken von einem
unaufloͤslichen Salze ab. Essigsaures Kupfer bewirkt eine aͤhnliche
Zersezung. Diese Salze sind saure; sie loͤsen sich nicht in Wasser, aber
leicht in Alkohol auf; beim Erkalten einer gesaͤttigten geistigen
Loͤsung erhaͤlt man sie krystallisirt.
Es ist jedoch sehr schwer auf diese Art Salze ohne anhaͤngende freie
Saͤure zu erhalten. Suͤßt man sie mit Alkohol aus, so zersezen sie
sich in saurere und in basische Salze.
Das Oenanthsaͤure-Hydrat besteht aus:
Kohlenstoff
69,22
=
14
Atomen.
Wasserstoff
11,39
=
28
–
Sauerstoff
19,39
=
3
–
––––––
100,00
Wasserfreie Oenanthsaͤure. – Das
Oenanthsaͤure-Hydrat gibt beim Destilliren sein Wasser ab und
verwandelt sich in wasserfreie Saͤure. Anfangs geht ein Gemisch von
Oenanthsaͤure-Hydrat und Wasser uͤber, dann aber die
wasserfreie Saͤure. Das Kochen beginnt bei 260° C. und gegen das Ende
steigt die Temperatur bis auf 295° C., wobei sich jedoch die Saͤure
ein wenig faͤrbt.
Die wasserfreie Saͤure besizt einen hoͤheren Siedepunkt als das Hydrat.
Ihr Schmelzpunkt ist ebenfalls hoͤher. Geschmolzene wasserfreie
Oenanthsaͤure wird erst gegen 31° C. fest.
Die wasserfreie Saͤure besteht aus:
Kohlenstoff
74,71
=
14
Atomen.
Wasserstoff
11,33
=
26
–
Sauerstoff
13,96
=
2
–
––––––
100,00
Wasserfreie Oenanthsaͤure entsteht also, indem das Hydrat ein Atom Wasser
verliert, oder wenn dem Oenanthaͤther ein Atom Aether entzogen wird.
Es ist moͤglich und selbst wahrscheinlich, daß der Oenanthaͤther sich
in den Weinen nur waͤhrend der Gaͤhrung und der darauf folgenden
Arbeit bildet. Daß alte Weine einen viel staͤrkeren Geruch und eine etwas
oͤhlartige Consistenz haben, kann von einem groͤßeren Gehalt an
Oenanthaͤther herruͤhren. Die Oenanthsaͤure ist gewiß in allen
Weinen enthalten und es bleibt noch zu untersuchen, ob der Oenanthaͤther
nicht eine eigenthuͤmliche Wirkung auf den Organismus hat und zur Berauschung
durch den Alkohol noch beitraͤgt. Da alle Weine Oenanthaͤther
enthalten, so unterscheiden sie sich in chemischer Hinsicht wesentlich von allen
anderen durch Gaͤhrung entstandenen geistigen Fluͤssigkeiten und
wahrscheinlich gelingt es spaͤter noch mehrere Substanzen von ihnen
abzuscheiden, welche vielleicht die verschiedenen Weinsorten bedingen und wegen
ihrer geringen Menge den Chemikern bisher entgingen.
Der Oenanthaͤther laͤßt sich mittelst Oenanthsaͤure auch direct
darstellen. Erhizt man 5 Theile aͤtherschwefelsaures Kali mit 1 Theil
Oenanthsaͤure-Hydrat, so schmilzt die Masse, und erhizt man sie bis
auf 150° C., so bildet sich auf ihrer Oberflaͤche eine
oͤhlartige Fluͤssigkeit, welche ein Gemisch von Oenanthaͤther
mit noch freier Saͤure ist. Entfernt man diese oͤhlartige Schichte und
erhizt sie mit einer Loͤsung von kohlensaurem Natron, so loͤst sich die freie
Saͤure auf und der Aether bleibt in reinem Zustande zuruͤk.