Titel: | Ueber einige akustische Geräthe von der Erfindung des Hrn. John Harrison Curtis Esq., Ohrenarztes Sr. Maj. des Königs von Großbritannien. |
Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. XXIII., S. 120 |
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XXIII.
Ueber einige akustische Geraͤthe von der
Erfindung des Hrn. John Harrison
Curtis Esq., Ohrenarztes Sr. Maj. des Koͤnigs von
Großbritannien.
Aus dem Mechanics' Magazine, No. 701, S.
274.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Ueber Curtis akustische Geraͤthe.
Was das Teleskop fuͤr das Auge ist, muͤssen die akustischen oder
Hoͤrroͤhren einst noch fuͤr das Ohr werden; und wahrscheinlich
ist die Zeit nicht mehr fern, in der man sich auf mehrere Meilen eben so gut durch
das Gehoͤr verstaͤndigen kann, wie dieß gegenwaͤrtig mit
Huͤlfe des Teleskopes durch das Auge moͤglich ist. Von diesem
Gesichtspunkte ausgehend, hat Hr. Curtis, einer der
erfahrensten Maͤnner in den Ohrenkrankheiten, einen sogenannten akustischen
Lehnstuhl erfunden, woruͤber wir aus der neuesten Ausgabe des von diesem
Kuͤnstler verfaßten Werkes Folgendes entlehnen.Das Werk des Hrn. Curtis, auf welches hier Bezug
genommen ist, erschien unter dem Titel: „A
Treatise on the Physiology and Pathology of the Ear. By John
Harrison
Curtis
Esq., Aurist of his Majesty. 6te Edit. 8. London
1836, by Longman and Comp.
„Mein akustischer Stuhl ist fuͤr den Gebrauch der unheilbar
Schwerhoͤrigen bestimmt. Es ist mir nicht unbekannt, daß Duguet, der Erfinder mehrerer Hoͤrrohre, schon
im Jahre 1706 einen einiger Maßen aͤhnlichen Stuhl baute; allein meiner
hat vor jenem den sehr großen Vorzug voraus, daß die in demselben sizende Person
nicht mit der Seite hoͤrt, von welcher sie angesprochen wird, sondern mit
der entgegengesezten. Man vermeidet daher auf diese Weise das Unangenehme und
Nachtheilige, welches daraus erwaͤchst, daß sich der Sprechende dem
Schwerhoͤrigen so weit annaͤhert, daß er ihm in das Ohr athmet,
und dadurch eine noch groͤßere Erschlaffung des Trommelfelles
veranlaßt.Es sind viele Faͤlle aufgezaͤhlt, in welchen aus der Sitte
Schwerhoͤrigen in die Ohren hinein zu sprechen, hoͤchst
nachteilige und traurige Folgen erwuchsen, besonders wenn der Athem des
Sprechenden unrein war. So erzaͤhlt uns z.B. Lord Herbert, daß Cardinal Wolsey in der spaͤteren Zeit seines Lebens seinem
Monarchen, Heinrich dem VIII. von England, bestaͤndig in die
Ohren zu fluͤstern pflegte, und daß die Uebel, an denen dieser
Monarch litt, nicht mit Unrecht diesem schaͤdlichen Einflusse
zugeschrieben wurden. Nicht minder bekannt ist, daß viele katholische
Geistliche durch die Ohrenbeichte Schaden genommen haben.A. d. O. Dieser leztere Erfolg ergibt sich auch gewoͤhnlich bei der
Anwendung der kurzen elastischen Hoͤrroͤhren und der
Hoͤrtrompeten, welche leztere eben so oft angewendet werden um durch sie
zu sprechen, als zu ihrem urspruͤnglichen Zweke. Viele Personen sind,
nachdem sie sich der Trompete auch nur eine halbe Stunde lang bedient, in Folge
der Einwirkung des Athems auf das Trommelfell beinahe ganz taub.
„Mein Stuhl ist so gebaut, daß das mit aller Bequemlichkeit in ihm sizende
Individuum mit aller Genauigkeit hoͤrt, was in irgend einem der
Gemaͤcher, von denen aus die Hoͤrroͤhren an den Stuhl
gefuͤhrt sind, vorgeht. Er beruht auf einer verbesserten Anwendung der
Principien der gegenwaͤrtig allgemein gebraͤuchlichen Sprachrohre;
und ist um so schaͤzenswerther, als dessen Benuzung mit keiner
Muͤhe verbunden ist, und uͤberhaupt so einfach von Statten geht,
daß sich ein Kind desselben eben so leicht bedienen kann, wie ein Erwachsener.
Abgesehen hievon bildet er auch ein eben so bequemes als elegantes
Moͤbel.
„Er hat die Groͤße eines Lehnstuhles, an dessen hohem Ruͤken
zwei Schallroͤhren angebracht sind. An dem Ende einer jeden dieser
Roͤhren befindet sich eine durchloͤcherte Platte, die den von
irgend einem Theile des Gemaches herbei gelangenden Schall in ein
paraboloidisches Gefaͤß zusammendraͤngt. Der Schall wird auf diese
Weise gesammelt und dadurch, daß er mit einer geringen Menge Luft verbunden
wird, eindringender gemacht. Das convexe Ende des Gefaͤßes wirft den
Schall zuruͤk und macht ihn deutlicher, und die in der Roͤhre
befindliche, durch den Schall aufgeregte Luft pflanzt ihre Wirkung auf das Ohr
fort, welches auf diese Weise sowohl durch die articulirten Toͤne der
Stimme, als auch durch jeden anderen Schall lebhafter afficirt wird.
„Mit Huͤlfe einer hinlaͤnglichen Anzahl von Roͤhren
kann man es dahin bringen, daß man in dem Stuhle sizend uͤberall her,
z.B. von dem Hause der Lords und der Gemeinen her in dem Pallaste von St. James
und selbst im Pallaste von Windsor Nachricht erhalten kann. So sonderbar dieß
auch klingen mag, so ist es nichts Neues, sondern ein abermaliger Beleg
fuͤr Salomons Spruch, daß es unter der Sonne nichts Neues gibt. Itard erzaͤhlt naͤmlich in seinem
vortrefflichen Werke uͤber das Ohr, daß Aristoteles fuͤr seinen
Zoͤgling Alexander den Großen eine Schalltrompete erfand, mit der er auf
100 Stadien Entfernung (etwas mehr als 12 Meilen) seine Befehle ertheilen
konnte. Schon dem Alcmeon und Hippokrates schreibt man uͤbrigens die
Erfindung der Hoͤrtrompeten zu.“
So weit Hr. Curtis, der, wie man sagt, mit den Lords des
Schazes uͤber eine akustische Verbindung zwischen den Localen der verschiedenen
Verwaltungs- und Militaͤrbureaux unterhandeln soll. Wir reihen hier
noch Einiges von dem an, was Dick in seinem Werk
uͤber diesen Gegenstand bemerkt.
„Biot stellte einige Versuche uͤber die
Mittheilung des Schalles durch feste Koͤrper und durch die Luft an. Er
wendete, um zu erfahren bis auf welche Entfernung die Toͤne
hoͤrbar waͤren, cylindrische, zu Wasserleitungen bestimmte
Roͤhren von 1039 Yards Laͤnge an, und stellte sich an das eine
Ende derselben, waͤhrend sein Freund Martin
sich an das entgegengesezte Ende begab. Beide hoͤrten in dieser
Entfernung ganz deutlich jedes Wort, welches sie sprachen, und konnten also eine
foͤrmliche Unterredung mit einander fuͤhren. Ich wollte
erforschen, sagt Biot, in welcher Entfernung die
menschliche Stimme hoͤrbar zu werden aufhoͤrt; allein es gelang
mir nicht; Worte, die nur gelispelt wurden, wurden vollkommen deutlich
gehoͤrt, so daß, um nicht gehoͤrt zu werden, nichts uͤbrig
blieb, als gar nichts zu sprechen. Die zwischen einer Frage und Antwort
verlaufende Zeit war nicht groͤßer, als es die Uebertragung des Schalles
erheischte, und betrug in der angegebenen Entfernung von 1039 Yards gegen 5 1/2
Secunden. Pistolenschuͤsse, welche an dem einen Roͤhrenende
abgefeuert wurden, erzeugten an dem anderen Ende eine bedeutende Explosion, und
die Luft ward mit solcher Gewalt bei der Roͤhre ausgetrieben, daß leichte
Substanzen einen halben Yard weit weggeschleudert und eine Kerzenstamme
ausgeblasen wurde, obschon der Schuß in der bedeutenden Entfernung von 1039
Yards abgefeuert worden war. Don Gautier, der
Erfinder des Telegraphen, gab auch eine Methode articulirte Toͤne weiter
fortzupflanzen, an. Er schlug vor, sich horizontaler Roͤhren zu bedienen,
die an dem entfernteren Ende weiter werden muͤßten, und hatte gefunden,
daß man das Schlagen einer Uhr auf diese Weise in einer Entfernung von einer
halben englischen Meile weit besser hoͤren kann, als wenn man die Uhr
dicht an das Ohr haͤlt. Er berechnete, daß man mit Huͤlfe solcher
Roͤhren jede Botschaft innerhalb einer Zeitstunde 900 engl. Meilen weit
mittheilen koͤnnte.
„Aus diesen Versuchen erscheint es als wahrscheinlich, daß sich der Schall
auf eine unbestimmte Entfernung fortpflanzt. Denn, wenn man in einer Entfernung
von beinahe 3/4 engl. Meile lispelnd mit Jemandem verstaͤndlich sprechen
kann, so kann man mit Grund annehmen, daß man sich auch auf 30 bis 40 engl.
Meilen verstaͤndlich machen kann, wenn fuͤr die hiezu
erforderlichen Roͤhren gesorgt ist. Wenn dieß ein Mal durch zahlreichere
und in groͤßerem Maaßstabe unternommene Versuche hergestellt seyn wird,
so werden aus der praktischen Benuzung ihrer Resultate mancherlei wichtige
Folgen erwachsen.
Man wird z.B. von einer Stadt zur anderen und uͤber ein ganzes Land mit
groͤßter Schnelligkeit und Leichtigkeit und zu jeder Zeit communiciren
koͤnnen, um sich alle wichtigeren Ereignisse mitzutheilen. Private werden
schnell Nachricht von allenfallsigen Erkrankungen u. dergl. Nachricht geben. Ein
in seiner Studierstube sizender Prediger wird im Stande seyn, sich nicht nur an
seine Gemeinde zu wenden, sondern er wird auch an mehreren entfernten Orten nach
einander das Wort Gottes predigen koͤnnen; und es wird der Andacht gewiß
nur Vorschub leisten, wenn man das Evangelium vernimmt, ohne die physische
Gestalt des Predigers zu sehen.“
In der in Fig.
40 gegebenen Zeichnung des akustischen Stuhles ist A die akustische Roͤhre; B der
akustische Conductor; C die Roͤhre, welche zum
Ohre fuͤhrt, und D die Roͤhre oder der
Tunnel, in welchem der Schall herbeigeleitet wird. Wollte man diesen Stuhl auch
benuzen, um von demselben aus in große Entfernungen zu sprechen, so muͤßte
auch noch ein zweiter Conductor und ein Mundstuͤk angebracht werden, in
welches man hinein spricht.
Fig. 41 zeigt
die von Hrn. Curtis erfundene Hoͤrtrompete, welche
ein parabolisches Conoid bildet, und die sich wie ein Zugfernrohr in Taschenformat
bringen laͤßt.
Neuerlich erfand Hr. Curtis ein Instrument, dem er den
Namen Keraphonit beilegte, und welches an dem Kopfe eines Schwerhoͤrigen
befestigt mehr leisten soll, als irgend eine andere der bisher zu diesem Zwek
erfundenen Vorrichtungen.