Titel: | Ueber die von Hrn. Bassi vorgeschlagenen Mittel zur Verhütung des Ausbruches der sogenannten Muscardine unter den Seidenraupen. Von Hrn. d'Arcet. |
Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. XLVIII., S. 228 |
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XLVIII.
Ueber die von Hrn. Bassi vorgeschlagenen Mittel zur
Verhuͤtung des Ausbruches der sogenannten Muscardine unter den Seidenraupen. Von
Hrn. d'Arcet.
Aus dem Bulletin de 1a Société
d'encouragement. Januar 1837, S. 31.
d'Arcet, uͤber Verhuͤtung der Muscardine.
Waͤhrend wir Italien die schoͤnen Nachforschungen des Hrn. Bassi uͤber den Ursprung und
die Behandlung einer der schaͤdlichsten Krankheiten der Seidenraupen,
naͤmlich der sogenannten Muscardine, verdanken, haben wir diesem Lande,
gleichsam als Ersaz hiefuͤr, die Arbeiten des Hrn. Camille Beauvais geboten, und ihm gezeigt, wie
sich die Seidenzuͤchtereien durch Anwendung physikalischer Principien bei
ihrem Baue um Vieles gesuͤnder machen lassen. Dieses Milche Zusammentreffen,
durch welches die von zwei verschiedenen Nationen erworbenen Kenntnisse und
Erfahrungen zum Besten der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels zum
Gemeingute werden, ist in der That sehr merkwuͤrdig. Es kommt nur wehr darauf
an, der Sache die Entwikelung zu geben, deren sie faͤhig ist; und in dieser
Absicht will ich denn auch zeigen, wie sich von der schoͤnen Entdekung des
Hrn. Bassi in den nach meinem
Plane eingerichteten SeidenzuͤchtereienMan findet Alles, was Hr. d'Arcet hieruͤber
bekannt machte, im Polyt. Journal Bd.
LVII. S. 492, Bd. LIX. S.
241, und Bd. LXI. S. 33
gesammelt und beschrieben, worauf zur Verstaͤndigung des hier
Vorkommenden hingewiesen wird.A. d. R. Nuzen ziehen laͤßt.
Man hatte die Muscardine – eine der gefaͤhrlichsten und
toͤdtlichsten Krankheiten der Seidenraupe, welche oft ganze
Seidenzuͤchtereien zu einer Zeit aussterben macht, zu der bereits
saͤmmtliche Kosten auf die Seidenraupenzucht verwendet wurden – schon
oft und wiederholt studirt, ohne daß es gelang, ihren Ursprung zu ermitteln. Auch
kannte man bisher kein gutes und sicheres Mittel ihr vorzubeugen, oder die erkrankten
Raupen zu heilen. Hrn. Bassi
gelang es, nach langen, mit seltenem Talente und hoͤchst verdienstlicher
Beharrlichkeit unternommenen Nachforschungen und Beobachtungen, Licht
hieruͤber zu verbreiten; er entdekte nicht nur, daß eine Pflanze, aus dem
Geschlechte der Kryptogamen (und zwar der mikroskopischen Pilze), Botrytis Bassiana genannt, diese Krankheit erzeuge,
sondern er gab auch Mittel an, durch welche dem Ausbruche derselben vorgebeugt und
den bereits erkrankten Raupen wohl auch Heilung geschafft werden koͤnnte. Ich
will jedoch den theoretischen Theil dieser Entdekung, die in Italien durch Balsamo und in Frankreich durch Audouin und Montagne bestaͤtigt wurde,
unberuͤhrt lassen, und mich auf die Angabe jener Details beschraͤnken,
aus denen hervorgehen soll, daß die nach meinem Systeme gebauten
Seidenzuͤchtereien die Anwendung jener Vorbauungs- und Heilungsmittel,
welche wir Hrn. Bassi
verdanken, nur beguͤnstigen.Graf Jac. Barbo aus
Mailand hat in einer Broschuͤre, welche im Jahre 1836 in Paris
erschien, eine gute Zusammenstellung der Beobachtungen und Entdekungen des
Hrn. Bassi, von denen
auch im Polyt. Journal Bd. LXII. S.
440 Nachricht gegeben wurde, bekannt gemacht.A. d. R.
Ich glaube zwar, daß die Seidenraupen, da sie sich in den von wir empfohlenen
Anstalten unter noch guͤnstigeren Verhaͤltnissen befinden, als selbst
in der freien Natur, schon hiedurch allein vor vielen todtbringenden Krankheiten
geschuͤzt seyn werden; allein ich will das Gegentheil annehmen, und, um sehr
unguͤnstige Verhaͤltnisse zu waͤhlen, den Fall annehmen, daß
man mit Raupeneiern zu thun habe, die durch Keime der Botrytis Bassiana angestekt sind, und daß man die Zucht in einer
gewoͤhnlichen, bereits von der Krankheit angestekten Anstalt zu vollbringen
habe.
Ich wuͤrde unter diesen Umstaͤnden damit beginnen, daß ich das
angestekte Local im Herbste ganz nach den in meinen fruͤheren Abhandlungen
gegebenen Vorschriften in ein gesundes verwandelte. Waͤhrend des Baues
muͤßten mir alle Saͤke, Neze und Vorhaͤnge der Anstalt mit
Lauge gereinigt, und saͤmmtliche hoͤlzerne Geraͤthe und
Moͤbel mit Aezkaliaufloͤsung und dann in fließendem Wasser gewaschen
werden. Nach Vollendung des Baues wuͤrde ich das ganze Local inwendig, so wie
auch die Schmiegen der Thuͤren und Fenster mit einer Fluͤssigkeit
uͤbertuͤnchen lassen, die ich mir aus Aezkalk und
Alaunaufloͤsung, leztere in leichtem Ueberschusse angewendet, bereitete.Hr. Bassi raͤth
die Waͤnde der Seidenzuͤchtereien, die man wieder gesund
machen will, entweder mit Aezkaliaufloͤsung oder auch mit
desinficirender Chloruͤraufloͤsung zu waschen. Allein die
Erfahrung hat mich gelehrt, daß die Mauerwaͤnde auf diese Weise
feucht und zur Salpeterbildung geneigt werden; ja daß die
schaͤdliche Wirkung sogar so tief dringen kann, daß selbst die
Festigkeit des Mauerwerkes dadurch beeintraͤchtigt wird. Die mit Kalk
und uͤberschuͤssiger Alaunaufloͤsung bereitete
Tuͤnche hat keinen dieser Nachtheile, und scheint mir zur
Zerstoͤrung der Keime der Muscardine vollkommen genuͤgend. Ich
muß bei dieser Gelegenheit bemerken, daß in der Schrift des Hrn. Grafen
Barbo einige
chemische Irrthuͤmer zu finden sind, welche corrigirt werden
muͤssen. So wird z.B. daselbst gesagt, daß man die Potasche mit Gyps
aͤzend machen koͤnne; auch wird mehrere Male von metallischen,
anstatt von desinficirenden alkalischen Chloruͤren gesprochen. Wer
selbst keine Kenntnisse in der Chemie besizt, wird daher gut thun, einen
benachbarten Apotheker zu Rathe zu ziehen.A. d. O. Hierauf ließe ich alle Geraͤthe und Moͤbel in die Anstalt hinein schaffen, wo ich
dann saͤmmtliche Thuͤren und Fenster genau schließen, in dem Ofen der
Luftkammer ein kleines Feuer aufzuͤnden und dadurch, daß ich den Windfang
spielen ließe, einen starken Luftzug erzeugen wuͤrde, um sowohl die Mauern
als die Moͤbel schnell zu troknen. Nach dieser bei minderer Temperatur
erfolgter Troknung wuͤrde ich dann die Heftigkeit des Luftzuges vermindern,
und dafuͤr dessen Temperatur so sehr erhoͤhen, daß auch jeder einzelne
Keim der Schmarozerpflanze, der allenfalls zuruͤkgeblieben seyn
koͤnnte, dadurch zerstoͤrt wuͤrde.
Nachdem diese Vorbereitungen getroffen sind, wuͤrde ich die Anstalt bis zum
naͤchsten Fruͤhlinge monatlich ein Mal auf dieselbe Weise heizen und
luͤften lassen, um Alles in gutem, vollkommen trokenem Zustande zu erhalten.
Von einer Heizung zur anderen wuͤrde ich zu demselben Zweke die
Canaͤle der Luftkammer und die Communication der oberen Canaͤle mit
dem großen Schornsteine offen lassen, damit auf diese Weise bestaͤndig ein
leichter Zug im Inneren des Locales unterhalten wuͤrde.
Was den angestekten Samen oder die Eier betrifft, so wuͤrde ich mich nicht
ganz an die von Hrn. Bassi
angegebenen Maßregeln halten; d.h. ich wuͤrde am Ausgange des Winters und vor
Eintritt des Fruͤhlings den Samen, um ihn zu reinigen, in ein Gemenge aus
gleichen Theilen Wasser und Alkohol von 32° einweichen, und ihn dann auf
einem Brette oder auch auf einem gut gespannten Tuche im Schatten troknen. Uebrigens
wuͤrde ich nebenbei auch noch die von Bassi
empfohlenen Reinigungs- und Aufbewahrungsmittel in Anwendung bringen.
Einige Tage vor dem Beginnen der Seidenraupenzucht, immer aber ohne die
Thuͤren und die Fenster der Anstalt zu oͤffnen, wuͤrde ich ein
Feuer im Ofen aufzuͤnden, und ohne die Ventilirung durch den Windfang zu
bethaͤtigen, in dem unteren Theile der Luftkammer eine
Chlorraͤucherung vornehmen, so daß die ganze Anstalt einige Stunden
uͤber damit erfuͤllt waͤre. Dann wuͤrde ich nach
Entfernung der Raͤucherungsgefaͤße aus der Luftkammer die Heizung
fortsezen, und unter Belebung der Ventilirung durch den Windfang das
uͤberschuͤssige Chlorgas schnell bei dem großen Rauchfange hinaustreiben.
Diese Arbeit wuͤrde ich unterbrechen, sobald die Luft in der Anstalt nicht
mehr nach Chlorgas roͤche. Auf diese Weise waͤre meiner Meinung nach
Alles fuͤr den Beginn der Raupenzucht gehoͤrig vorbereitet.
Wenn die Zeit zum Ausbruͤten der Eier gekommen ist, wuͤrde ich dieses
Geschaͤft auf die in den besten Seidenzuͤchtereien uͤbliche
Weise vornehmen, und die Zucht selbst dann nach den besten Methoden leiten; d.h. ich
wuͤrde die ganze Zucht durch gehoͤrige Waͤrme beschleunigen;
ich wuͤrde die Anstalt mit Luft, die gehoͤrig mit Wasserdampf vermengt
worden ist, ventiliren; ich wuͤrde die Zahl der Mahlzeiten vermehren; ich
wuͤrde die Raupen mittelst Nezen fleißig ausmisten, und den Koth jedes Mal
gleich aus der Anstalt hinaus schaffen; und ich wuͤrde alle
Vorsichtsmaßregeln gebrauchen, damit weder durch die Arbeiter, noch durch die
Maulbeerblaͤtter, noch durch die Luft oder durch Fliegen Keime der Muscardine
in die Anstalt eingeschleppt werden koͤnnten. In lezterer Beziehung
koͤnnte man bei meinem Systeme gar leicht seinen Zwek erreichen; denn, wenn
eine Anstalt von meiner Einrichtung alle Vortheile, die man in Hinsicht auf
Gesundheit von ihr erwarten darf, gewahren soll, muͤssen die Thuͤren
und Fenster derselben bestaͤndig geschlossen bleiben, so daß die
aͤußere Luft nur dann Zutritt erhaͤlt, nachdem sie durch die
Luftkammer gestroͤmt ist; und daß die Luft nur dann in den großen Rauchfang
entweichen kann, nachdem sie die oberen Ventilircanaͤle durchzogen hat.
Wuͤrden aller dieser Maßregeln ungeachtet dennoch einige Seidenraupen von der
Muscardine ergriffen werden, so wuͤrde ich mich ganz an die von Bassi gegebenen Vorschriften halten; d.h. ich
wuͤrde die erkrankten Raupen sogleich auslesen, sie in einer Grube vergraben,
und den Arbeiter, der sie beruͤhrte, anhalten, seine Haͤnde und die
Geraͤthe, deren er sich bediente, zu waschen. Wuͤrde die Krankheit gar
in hoͤherem Grade ausbrechen und viele Raupen zugleich befallen, so
wuͤrde ich die Raupenzucht durch Erhoͤhung der Temperatur und
Vervielfaͤltigung der Mahlzeiten moͤglichst beschleunigen, und der
Entwiklung der Krankheit dadurch entgegen wirken, daß ich die Raupen zwaͤnge
Blaͤtter zu fressen, die mit etwas Potaschenaufloͤsung befeuchtet
worden sind. Nebenbei wuͤrde ich Morgens und Abends leichte
Raͤucherungen mit Chlor oder schwefeliger Saͤure vornehmen, indem ich
zu diesem Zweke die Raͤucherungsgemische oder brennenden Schwefel am Boden
der Luftkammer an die dem Ofen zunaͤchst liegenden Luftcanale
braͤchte.
Ich glaube, daß man unter diesen Maßregeln und unter Befolgung der Mittel, welche Hr. Bassi angibt, um nur gereinigte
Arbeiter, und dergleichen Blaͤtter und Geraͤthe in die Anstalt
gelangen zu lassen, dem Unheile vorbeugen koͤnne, welches durch den Ausbruch
der Muscardine in den gewoͤhnlichen Seidenzuͤchtereien stets
hervorgerufen wird. Ich habe uͤbrigens persoͤnlich keine Erfahrung
uͤber die von Bassi angegebenen Heilmittel; ich
nehme sie bloß als wirksam an, und wollte unter dieser Voraussezung zeigen, wie gut
sich die nach meinem Systeme gebauten Anstalten sowohl in Hinsicht auf
gleichmaͤßige Vertheilung der desinficirenden Gase, der warmen Luft und der
frischen Luft, als auch in Hinsicht auf genaue Verschließung und beliebig starke
Ventilirung, zur Anwendung und Ausfuͤhrung dieser Vorschriften eignen.