Titel: | Ueber die Heizung und Ventilirung von Gebäuden. Von Dr. Andrew Ure, F. R. S. etc. |
Fundstelle: | Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LXXXII., S. 415 |
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LXXXII.
Ueber die Heizung und Ventilirung von
Gebaͤuden. Von Dr. Andrew Ure, F. R. S. etc.
Im Auszuge aus einem vor der Royal
Society gehaltenen Vortrage; auch im Mechanics' Magazine, No. 713
u.s.f.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Ure, uͤber die Heizung und Ventilirung von
Gebaͤuden.
Die Heizung und Ventilirung der Gebaͤude, die von so unendlichem Einflusse auf
die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Bewohner ist, zog erst in neuerer Zeit die
verdiente Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur die Commission, welche das Parlament
mit Untersuchung der Umstaͤnde, unter denen die Fabrikarbeiter leben,
beauftragte, richtete ihr Augenmerk hierauf; sondern eine eigene Commission hatte
uͤber die beste Heiz- und Ventilirmethode fuͤr die neuen
Parlamentsgebaͤude zu berichten. Ich selbst widmete mich diesem Gegenstande
mit allem Eifer, besonders nachdem ich von den Direktoren einer
Lebensversicherungs-Anstalt uͤber die haͤufige und beinahe
allgemeine Kraͤnklichkeit jener Beamten befragt wurde, die (gegen 200 an der
Zahl) in der sogenannten langen Halle (Long Room) der
Mauth in London beschaͤftigt sind. Die Resultate meiner hieruͤber
angestellten Beobachtungen sind es, welche ich der Gesellschaft vorzulegen die Ehre
habe.
Das Unwohlseyn der erwaͤhnten Beamten aͤußert sich durch ziemlich
gleiche Erscheinungen: naͤmlich durch Eingenommenheit des Kopfes mit
zeitweiser Aufgetriebenheit des Gesichtes, durch Klopfen an den Schlaͤfen und
Schwindel, zu dem sich nicht selten eine sehr unangenehme Verwirrung der Gedanken
gesellt; durch Kaͤlte und Schwache in den Extremitaͤten; durch einen
mehr schwachen, frequenten und mehr irritablen Puls, als er der
Koͤrperconstitution der einzelnen Individuen nach seyn sollte. Alle diese
Erscheinungen deuten auf Andrang von Blut nach dem Kopfe, der auch nicht selten bei aller
Maͤßigkeit einen solchen Grad erreicht, daß Aderlaͤsse noͤthig
werden.
Die Aehnlichkeit dieser Beschwerden an Personen von verschiedenem Alter und
verschiedenem Temperamente deuten zu sehr auf Gleichheit der Ursachen, als daß ich
nicht hierauf haͤtte eingehen muͤssen.
Die Temperatur der langen Halle betrug an den drei Tagen, Flaͤchen denen ich
meine Beobachtungen anstellte, bestaͤndig zwischen 62 und 64° F.,
obschon die Temperatur der aͤußeren atmosphaͤrischen Luft
Flaͤchen dieser Zeit zwischen 50 und 35° F. wechselte; jene in dem
Gemache des untersuchenden Beamten hatte zufaͤllig um einige Grade weniger,
naͤmlich 60° F. Die heiße Luft, welche aus zwei cylindrischen
Roͤhren in die lange Halle einstroͤmte, hatte an dem einen Tage 90, an
dem anderen dagegen 110° F.; sie ward jedoch vor ihrem Eintritte in die Halle
durch einen Strom kalter Luft verduͤnnt. Jene heiße Luft hingegen, die in das
Gemach des Untersuchungsbeamten gelangte, stroͤmte nicht unaͤhnlich
dem gluͤhenden Simson der Wuͤsten mit einer Temperatur von vollen
170° F. ein, und hatte in einem hohen Grade den unangenehmen Geruch, den die
Luft durch rothgluͤhendes Eisen jederzeit mitgetheilt erhaͤlt.
Die Luft in beiden Raͤumen zeichnete sich durch Trokenheit und unangenehmen
Geruch aus; in der langen Halle zeigte sie an Daniell's
Hygrometer 70 Proc. Trokenheit, waͤhrend die aͤußere
atmosphaͤrische Luft ganz mit Feuchtigkeit gesaͤttigt war. In dem
Hofraume hinter der Mauth, wo die Temperatur der Luft 35° hatte, sezte sich
bei einer Temperaturerniedrigung von 3° Thau auf die schwarze Kugel des
Hygrometers ab; in der langen Halle hingegen war hiezu eine Temperaturerniedrigung
von 34° noͤthig. Luft von diesem Grade der Trokenheit wird in 24
Stunden 0,44 Zoll des Wasserstandes in einer Cisterne verstuͤchtigen, und muß
nothwendig auch auf die Hautausduͤnstung einen maͤchtigen Einfluß
uͤben.
Da das Gußeisen immer mehr oder weniger Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor, und auch
Spuren von Arsenik enthaͤlt, so ist es moͤglich, daß der Geruch der
Luft, welche uͤber das gluͤhende Eisen stroͤmte, nicht bloß von
der Verbrennung der in dieser schwebenden Theilchen, sondern auch von der Aufnahme
einiger jener Stoffe herruͤhrt, da dieselben schon in aͤußerst
geringer Quantitaͤt auf die Geruchsnerven und auch nachtheilig auf die Lungen
wirken. Ich brachte zur Probe ein mit salpetersaurer Silberaufloͤsung
getraͤnktes weißes Papier an das Ventil, und bemerkte eine Faͤrbung
desselben wie von schwefeligen Dampfen; dagegen ward Papier, welches mit
Schwefelwasserstoff-Wasser befeuchtet worden war, nicht im Geringsten
gefaͤrbt. Erstere
Faͤrbung mag uͤbrigens wohl auch von den Myriaden animalischer und
thierischer Theilchen, welche bestaͤndig in der Luft schweben,
herruͤhren. Die Luft, welche der beruͤchtigte Simson uͤber die
brennenden Wuͤsten Afrikas und Arabiens her treibt, zeichnet sich durch große
Hize, Trokenheit und einen hohen Grad von Elektricitaͤt aus. Da nun trokener,
aller Vegetation entbloͤßter Sand ihr nicht wohl schaͤdliche Gase oder
Daͤmpfe mittheilen kann, so ruͤhren die schaͤdlichen Folgen
dieses Windes wahrscheinlich von den eben erwaͤhnten Eigenschaften der von
ihm herbeigefuͤhrten Luft her. Aehnliche Eigenschaften, jedoch in geringerem
Grade, besizt nun aber auch die Luft, die der Heizapparat in dem
Mauthgebaͤude liefert. Der Apparat besteht naͤmlich aus mehreren
umgekehrten, hohlen, gußeisernen Pyramiden mir laͤnglicher Basis, deren
Dimensionen jedoch nicht bedeutend sind, damit sie auch bei kalter Witterung mit
maͤßiger Heizung Genuͤge leisten. Diese Pyramiden, welche man Gloken
zu nennen pflegt, werden von Innen mit Kohksfeuer beinahe bis zum Gluͤhen
erhizt, waͤhrend auf deren aͤußere Oberflaͤche durch zahlreiche
Canaͤle aus Eisenblech kalte Luft stroͤmt. Daß die Luft hiebei in
bedeutendem Grade elektrisch wird, ergibt sich nicht nur daraus, daß sie ein
Gefuͤhl wie von Spinnweben um den Kopf erzeugt, sondern ich
uͤberzeugte mich hievon auch mittelst eines
Goldblaͤttchen-Elektrometers, der durch die Divergenz merkliche
negative Elektricitaͤt beurkundete. Die Wirkung einer mit
Elektricitaͤt uͤberladenen Luft in Hinsicht auf die Erzeugung von
Kopfweh u. dergl. ist bekannt; und doch ist der uͤble Geruch der Luft und
deren Gierde nach Feuchtigkeit allein schon hinreichend, um die im Eingange
erwaͤhnten krankhaften Erscheinungen hervorzubringen.
Die Wirkung einer kuͤnstlich getrokneten Luft auf den thierischen Organismus
ist ungefaͤhr folgende. Der lebende Koͤrper duͤnstet
bestaͤndig aus, und der Betrag dieser Ausduͤnstung belaͤuft
sich an einem Erwachsenen unter gewoͤhnlichen Umstaͤnden im
Durchschnitte auf 20 Unzen in 24 Stunden. In einer sehr trokenen Luft wild diese
Ausduͤnstung nothwendig erhoͤht, und die Folge davon ist, wie bei
jedes Verduͤnstung die Erzeugung von Kaͤlte, die sich am
auffallendsten an den Extremitaͤten, als an den vom Herzen am weitesten
entfernten Theilen, zeigen wird. Das Gehirn, welches durch den Schaͤdel vor
dieser Verduͤnstung geschuͤzt ist, wird dagegen eine
verhaͤltnißmaͤßig hohe Temperatur behalten, und daher mit jenen
Fluͤssigkeiten uͤberladen werden, die durch die Kaͤlte und die
daraus entspringende Contraction der Blutgefaͤße aus den Extremitaͤten
zuruͤkgetrieben werden, so daß also nothwendig die angegebenen Erscheinungen
von Blutandrang nach dem Kopfe eintreten muͤssen.
Nach sorgfaͤltiger Erwaͤgung all dieser Umstaͤnde bin ich der
Ueberzeugung, daß die laͤngere Einwirkung derselben auf den menschlichen
Organismus nothwendig nachtheilige Folgen fuͤr die Gesundheit haben
muͤsse; und daß die Directoren ganz richtig vermutheten, daß es
hauptsaͤchlich die Heizmethode ist, welche die Gesundheit und die Lebensdauer
der an der Mauthhalle in London Angestellten so sehr beeintraͤchtigt.
Um die Luft in den Gebaͤuden, in welchen die darin Verwendeten ihr
Geschaͤft sizend vollbringen, auf einen angenehmen und zutraͤglichen
Grad zu erwaͤrmen, duͤrfte es am geeignetsten seyn. Dampf von
beilaͤufig 212° F. in gußeisernen Roͤhren laͤngs des
Bodens und in der Naͤhe der Arbeitstische oder Schreibpulte hin zu leiten. In
dem unteren Theile der Scheidewaͤnde der Tische oder Pulte waͤre eine
entsprechende Reihe kleiner Oeffnungen, durch welche die warme Luft freien Zutritt
zu den Beinen der Arbeitenden bekaͤme, anzubringen; und diese Oeffnungen
waͤren mir Schiebern zu versehen, damit jedes einzelne Individuum den Grad
der Waͤrme nach seinem Behagen und seiner Koͤrperconstitution
reguliren koͤnnte. Zugleich waͤren hoch oben in den Gemaͤchern
selbstthaͤtige Registerventile, die die verdorbene Luft entweichen ließen und
eine gehoͤrige Ventilirung bedingten, herzustellen.
Ich wuͤßte nicht leicht eine Methode, die sowohl in oͤkonomischer als
in wissenschaftlicher Hinsicht verkehrter waͤre, als jene, nach der man die
lange Halle in London heizt. Hier wird naͤmlich die heiße Luft in deren Mitte
durch zwei weite senkrechte Tunnels eingefuͤhrt; sie steigt also von der
Eintrittsstelle aus rasch an die Deke empor, und kann folglich den unten in der
Halle Sizenden nur dadurch Waͤrme mittheilen, daß sie mit den
Ausduͤnstungen der Menschen verunreinigt wieder von der Deke herab
zuruͤkgeworfen wird. Dagegen ist es die große Aufgabe und Princip der
Ventilirung, daß nie dieselbe Luft ein zweites Mal an die Oberhaut und an die Lungen
geraͤth, sondern daß leztere bei jedem Athemzuge mit einer frischen
Quantitaͤt einer Luft versehen wird, welche sowohl in thermometrischer als in
hygrometrischer Hinsicht guͤnstige Verhaͤltnisse bietet. Eine derlei
Luft soll bestaͤndig an dem Boden der Gemaͤcher oder in deren
Naͤhe durch unzaͤhlige kleine Oeffnungen eindringen, und nachdem sie
uͤber den menschlichen Koͤrper hingestroͤmt ist, nie mehr an
diesen zuruͤkkehren, sondern durch eine entsprechende Anzahl kleiner, in der
Deke angebrachter Oeffnungen wieder entweichen. Leztere Oeffnungen muͤssen
jedoch so klein seyn, daß sie keine Gegenstroͤmung kalter Luft bedingen
koͤnnen. Bei einer solchen ununterbrochenen Circulation der Luft wird nicht
nur die Gesundheit erhaͤlten werden, sondern es wird sich wahrscheinlich der vierte
Theil jenes Brennmateriales ersparen lassen, welches gegenwaͤrtig
hauptsaͤchlich auf Verderbniß der Luft verwendet wird.
Es ist wirklich zu verwundern, daß in dem neueren Berichte der Parlamentscommission
der in den Fabriken gebraͤuchlichen Heiz- und Ventilirmethoden auch
mit keiner Sylbe erwaͤhnt ist, obschon diese, als das Resultat zahlreicher,
im Großen unter Beruͤksichtigung der Wissenschaften und mit Beihuͤlfe
der tuͤchtigsten Ingenieurs angestellten Versuche wirklich die besten Muster
abgeben. Die Heizung geschieht hier mittelst horizontaler Reihen gußeiserner
Dampfroͤhren, welche so angebracht sind, daß fuͤr die aus dem Wechsel
der Temperatur folgende Ausdehnung und Zusammenziehung hinreichender Spielraum
gestattet ist; daß fuͤr eine gleichmaͤßige Vertheilung des Dampfes von
niederem Druke gesorgt ist; und daß das verdichtete Wasser leicht abfließen kann. Es
unterliegt kaum irgend einem Zweifel, daß dieß das einzige System ist, wonach in
einem oder mehreren Vorzimmern mit Sicherheit und fuͤr geringe Kosten eine
Masse warmer Luft angehaͤuft werden kann, die sich dann in beiden
Haͤusern und in den Commissionszimmern verbreiten ließe. Nur uͤber die
Erneuerung der Luft, d.h. uͤber die Ventilirung, kann noch eine Frage seyn;
und auch in dieser Hinsicht muͤssen die Ingenieurs der großen Hauptstadt
jenen Manchesters und einiger anderer Manufacturdistricte nachstehen.
Es wurden verschiedene Vorschlaͤge zur Ventilirung des alten Hauses der Lords
gemacht. Wenigstens zwei derselben empfaͤhlen die Errichtung eines Ofens in
einem uͤber diesem Haufe befindlichen Gemache, und die Speisung dieses Ofens
mit der verdorbenen, an der Deke des Hauses angesammelten Luft. Die Ventilirkraft
eines derlei Apparates wuͤrde mit der Quantitaͤt des verbrauchten
Brennmateriales und der Raschheit der Verbrennung im Verhaͤltnisse stehen,
welche beide ihrerseits wieder von der Hoͤhe des Schornsteines
abhaͤngen. Bekanntlich zeigte sich jedoch dieses System gerade da, wo man
seiner Thaͤtigkeit am meisten bedurfte, naͤmlich bei
uͤberfuͤlltem Hause ganz ungenuͤgend.
Es scheint, daß die Quantitaͤt Luft, welche der Zug eines Schornsteines
innerhalb einer bestimmten Zeit gibt, bisher noch nicht zum Gegenstande genaue
Versuche gemacht wurde. Wenn ein bestimmtes Volumen Luft von dem Gefrier- bis
zum Siedepunkte des Wassers erhizt wird, so dehnt es sich auf 1 1/3 Volumen aus; die
Kroft, mit der sie in diesem Falle emporzusteigen trachtet, wird also der Differenz
zwischen dem Gewichte des Volumens kalter Luft, dessen Raum sie einnimmt, und ihrem
eigenen Gewichte gleichkommen: d.h. es handelt sich in dem hier gegebenen Falle um die Differenz
zwischen 1 3/8 und 1 oder zwischen 11 und 8.
Gesezt, es handle sich um einen Schornstein von 50 Yards Hoͤhe, der von Unten
bestaͤndig mit Luft von 212° gespeist wird, Flaͤchen die
aͤußere atmosphaͤrische Luft eine Temperatur von 32° F. hat, so
wird die Kraft, mit der die Luft aufsteigt, offenbar der Differenz zwischen zwei
Luftsaͤulen von 50 Yards Hoͤhe, von denen sich die eine auf dem
Siede- und die andere auf dem Gefrierpunkte des Wassers befindet,
entsprechen. Diese columnare Gewichtsdifferenz ist die einzige Ursache der Bewegung;
auch ist theoretisch und praktisch erwiesen, daß die durch diese Differenz bedingte
Ausstroͤmungsgeschwindigkeit, welche in gegenwaͤrtigem Falle 18 3/4
Yards betraͤgt, jener Geschwindigkeit gleichkommt, die ein fester
Koͤrper erreicht, wenn er frei von eben dieser Hoͤhe
herabfaͤllt. Da nun ein Koͤrper, welcher 56 1/4 Fuß hoch
herabfaͤllt, in einer Secunde 60 Fuß durchfallen wuͤrde, so gibt
leztere Zahl die gesuchte Ausstroͤmungsgeschwindigkeit. Von dieser Zahl muß
jedoch etwas Weniges abgezogen werden, weil die verbrannte Luft in den Schornsteinen
eine etwas groͤßere Dichtheit hat, indem an die Stelle eines Theiles ihres
Sauerstoffes Kohlensaͤure trat. Die Dichtheit der aus den Schornsteinen
austretenden Luft verhaͤlt sich zur Dichtheit von atmosphaͤrischer
Luft von gleicher Temperatur, wie 104 zu 100. In der Praxis kann man bei
Berechnungen annehmen, als waͤre die Luft in beiden Fallen chemisch gleich,
und dann das Resultat am Ende mit 0,97 multipliciren. Hienach wuͤrden sich
obige 60 Fuß auf 58,2 Fuß reduciren.
Diese aus der Theorie abgeleiteten Resultate erleiden jedoch in der Praxis bei
verschiedener Laͤnge und Gestalt der Schornsteine durch Reibung,
Abkuͤhlung etc. bedeutende Abweichungen. An den hohen schmiedeisernen
Schornsteinen, z.B. wie man sie an den Dampfbooten hat, ist die Abkuͤhlung
sehr bedeutend, so daß hier eine weit groͤßere Abnahme der Geschwindigkeit
erwaͤchst, als an gut gemauerten Schornsteinen. Aus einer Begleichung der
Zahlen, die sich aus den an Schornsteinen von verschiedenen Materialien und
verschiedenen Formen angestellten Versuchen ergaben, hat man den Schluß gezogen, daß
die Beeintraͤchtigung des Luftzuges oder der Abzug, den man von der
theoretischen Ausstroͤmungsgeschwindigkeit zu machen hat, mit der Lange der
Schornsteine und mit dem Quadrate der Geschwindigkeit in geradem, mit deren
Durchmesser hingegen in umgekehrtem Verhaͤltnisse steht. An einer
gewoͤhnlichen schmiedeisernen, auf einen mit Holzkohle geheizten Ofen
gesezten Roͤhre von 4 bis 5 Zoll im Durchmesser ist die Differenz zwischen
der nach obiger theoretischer Regel berechneten Geschwindigkeit, und jener, die sich
mit einer guten Uhr
beobachten laͤßt, wenn man etwas Weniges in Terpenthinoͤhl gerauchtes
Werg rasch in das Feuer wirft und den aufsteigenden Rauch erwartet, sehr bedeutend.
An einem Schornsteine von 45) Fuß Hoͤhe, und bei einer Temperatur der Luft
von 63° F. war die Geschwindigkeit:
bei dem Versuche
1 der Theorie nach 26,4 Fuß, dem Versuche nach 5
Fuß, die mittlere Temperatur des Schornsteines
190° F.
– –
2 der Theorie nach 29,4 Fuß, dem Versuche nach 5,76
Fuß, die mittlere Temperatur des Schornsteines
214° F.
– –
3 der Theorie nach 34,5 Fuß, dem Versuche nach 6,3
Fuß, die mittlere Temperatur des Schornsteines
270° F.
Um die Berechnung mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen, muͤssen noch
verschiedene Umstaͤnde mit in unsere Formel auf, genommen werden. Erstlich
ist die theoretische Geschwindigkeit mit einem Factor zu multipliciren, der
verschieden ist, je nachdem der Schornstein aus Baksteinen, thoͤnernen
Roͤhren, Eisenblech oder Gußeisen besteht. Dieser Factor ist mit der
Quadratwurzel des Durchmessers des Schornsteines (diesen als rund angenommen),
getheilt durch dessen Laͤnge plus seinem
vierfachen Durchmesser zu multipliciren. So ergibt sich z.B. fuͤr
Schornsteine aus Toͤpferwaare der Ausdruk
Textabbildung Bd. 64, S. 420
wobei D den Durchmesser und L
die Laͤnge des Schornsteines bezeichnet.
Ein Schornstein aus Toͤpferwaare von 33 Fuß Hoͤhe auf 7 Zoll im
Durchmesser hatte, wenn seine mittlere Temperatur die Temperatur der
atmosphaͤrischen Luft um 205° F. uͤberstieg, einen Druk heißer
Luft, welcher 11,7 Fuß gleichkam und eine Geschwindigkeit von 7,2 Fuß in der
Secunde. Fuͤhrt man die Berechnung nach der eben gegebenen Formel, so ergibt
sich beinahe dieselbe Zahl. Bei keinem Versuche betrug die Geschwindigkeit
uͤber 12 Fuß in der Secunde, wenn der Temperaturunterschied mehr dann
410° F. ausmachte.
Fuͤr jede verschiedene Form von Schornstein muß der Factor durch eine eigene
Reihe von Versuchen bestimmt werden. Ersparen ließe sich diese muͤhselige
Arbeit jedoch durch gehoͤrige Benuzung eines empfindlichen
Differential-Barometers, wie z.B. das von Wollaston eines ist. Wenn man naͤmlich in den einen Schenkel dieses
Differentials Barometers Wasser, in den anderen dagegen feines Wallrathoͤhl
gießt, so hat man zwei Fluͤssigkeiten, die sich in Hinsicht auf Dichtheit zu
einander verhalten, wie 7 zu 8. Wendet man Weingeist von 0,918 sp. G. anstatt Wasser
an, so ergibt sich beinahe ein Verhaͤltnis von 20 zu 19. Ich habe sowohl mit
dem einen als mit dem anderen Versuche uͤber den Zug der Oefen angestellt,
und gefanden, daß der
Wasser- und Oehlheber hinreichende Empfindlichkeit besizt; obschon zur
Ermittelung des schwaͤcheren Zuges gewoͤhnlicher Feuerstellen
Weingeist und Oehl als barometrische Fluͤssigkeiten den Vorzug verdienen.
Ich fand es fuͤr noͤthig, an der seitlichen Roͤhre des von Wollaston beschriebenen Instrumentes einen Sperrhahn
anzubringen, um die Wirkung des Schornsteines auf dasselbe aufzuheben,
waͤhrend der Heber in einer solchen Stellung fixirt wird, daß die Linie, in
der das Wasser und das Oehl an einander graͤnzen, dem Null der Scala
entspricht. Da schon eine leichte Abweichung der Heberschenkel von der senkrechten
Linie betraͤchtliche Abweichungen in der Niveaulinie veranlaßt, so muß dieser
Adjustirung dadurch gehoͤrige Staͤtigkeit gegeben werden, daß man die
horizontale Roͤhre in einem runden, in den Schornstein oder durch das
Ofenthuͤrchen gebohrten loche fixirt. Wenn man, nachdem dieß geschehen ist,
den Sperrhahn sachte dreht, so wird die dem Zuge im Schornsteine entsprechende
Differenz im Druke der Luft sogleich durch das Emporsteigen der Verbindungslinie
beider im Heber enthaltenen Fluͤssigkeiten angedeutet werden. Bei dieser
Einrichtung des Apparates kann man jeden Versuch leicht wiederholen und
rectificiren; denn da die seitliche Roͤhre des Barometers nur in den
Sperrhahn gestekt ist, ohne luftdicht damit verbunden zu seyn, so wird die Luft,
wenn man den Zug langsam absperrt, wieder in den Heber eindringen, so daß die
Verbindungslinie in einigen Minuten wieder auf das Null der Scala
zuruͤkkehren wird.
Ich will von den vielen Versuchen, die ich mit diesem Instrumente vornahm, nur bei
ein Paaren verweilen, die ich theils in einigen Brauereien, theils in der
Maschinenwerkstaͤtte des Hrn. Braithwaite anstellte, und bei denen mir Capitaͤn Ericson beistand. Bei den Versuchen in den Brauereien
ward das Ende des am Differential-Barometer angebrachten Sperrhahnes mir Hanf
umwikelt, und in dem Gukloche des Ofenthuͤrchens eines Wuͤrzekessels,
welches mit zwei aufrechten parallelen Schornsteinen von 18 Zoll im Quadrate und 50
Fuß Hoͤhe communicirte, befestigt. Das Feuer brannte mit mittlerer
Intensitaͤt. Nach hergestellter Adjustirung des Niveau's wurde der Sperrhahn
geoͤffnet, wo dann die Verbindungslinie von Oehl und Nasser bis 1 1/4 Linie
stieg, was 1,25/8 = 0,156 eines Zolles Wasser oder einer Luftsaͤule von 10,7
Fuß Hoͤhe entspricht. Diese Differenz im Druke deutet eine Geschwindigkeit
von 26 Fuß in der Secunde an. Bei einer zweiten Reihe von Versuchen ward das Ende
des Sperrhahnes in ein Loch eingesenkt, welches durch den Schornstein einer Boulton- und Watt'schen Dampfmaschine
von 20 Pferdekraͤften gebohrt worden war. Der Schornstein hatte im Niveau des
Bohrloches genau 18 Quadratzoll Flaͤchenraum, und stieg 50 F. hoch
uͤber das Loch empor; das Feuer auf dem Roste befand sich gegen 10 Fuß unter
diesem Loche. Beim Oeffnen des Sperrhahnes stieg die Verbindungslinie um 2 1/4 Zoll.
Diese Versuche wurden an verschiedenen Tagen wiederholt, wobei das Feuer mit
mittlerer Intensitaͤt brannte, und stuͤndlich per Pferdekraft 12 Pfd. der besten Steins kohlen oder in 12 Stunden
beinahe 1 1/3 Tonne verzehrte. Theilt man die Zahl 2 1/4 durch 8, so erhaͤlt
man als Quotienten 0,28 eines Zolles Wasser, welches in dem Heber von dem
unaufgewogenen Druke der Luft im Schornsteine getragen wird, und welches einer
Luftsaͤule von 19 1/4 Fuß oder einer Geschwindigkeit der Luftstroͤmung
im Schornsteine von 35 Fuß in der Secunde entspricht. Der Verbrauch an Brennmaterial
war dabei auf dem ungeheuren Roste des Wuͤrzekessels weit groͤßer, als
unter dem Kessel der Dampfmaschine.
Bei den in Braithwaite's Fabrik angestellten Versuchen
betrug das Maximum der Versezung der Verbindungslinie nur einen Zoll, wenn der
Differential-Barometer mit dem zu einem Dampfkessel gehoͤrigen
Schornsteine von 15 Quadratzoll in directe Verbindung gebracht und das Feuer so
lebhaft geschuͤrt wurde, daß beim Oeffnen des Sicherheitsventiles der
uͤberschuͤssige Dampf mit Heftigkeit ausstroͤmte und das ganze
Gebaͤude erfuͤllte. Der Druk von 1/8 Zoll Wasser deutete auf eine
Geschwindigkeit des Zuges von 23,4 Fuß in der Secunde. Ich brachte den
Differential-Barometer hierauf in die Saugkammer eines Ventilators, der nach
dem von Braithwaite und Ericson genommenen Patente zum Behufe des Durchleitens der Luft durch die
Feuerstelle an einem Dampfkessel angebracht war. In diesem Falle war der Zug so
stark, daß das Oehl ganz entfernt und statt dessen nur ein Wasserheber benuzt werden
wußte. Wenn der Umfang der umlaufenden Fluͤgel des Ventilators in einer
Secunde 120 Fuß zuruͤklegte, so war die Saugung so stark, daß sie 2 Zoll
Wasser trug. Diese Wassersaͤule deutete jedoch nur auf eine Geschwindigkeit
von 94 Fuß in der Secunde, und keineswegs auf eine von 120 Fuß, bei der die
Saͤule 3 1/4 Zoll Hoͤhe gehabt haben muͤßte. Es muß aber in
Betracht gezogen werden, daß die Treibpunkte der Ventilatorfluͤgel nur 7/8
der Geschwindigkeit ihrer aͤußersten Enden, mithin nur eine Geschwindigkeit
von 105 Fuß in der Secunde hatten. Wuͤrde hierauf nicht Ruͤksicht
genommen, so koͤnnte man zu dem Schlusse verleitet werden, daß an einem
excentrischen Ventilator von der besten Centrifugalgestalt zwischen den
Fluͤgeln und den Waͤnden des Gehaͤuses, in welchem sich diese
bewegen, durch
Traͤgheit so viel entweicht, daß der austretende Luftstrom beinahe den
vierten Theil seiner Geschwindigkeit verliert. Die Grundsaͤze der Physik
gestatten uns nicht, mit einigen Ingenieurs die voreilige Behauptung aufzustellen,
daß der Heberdruk nur 3/4 jener Wirkungen andeutet, welche die Luftstroͤmung
auf das atmosphaͤrische Gleichgewicht ausuͤbt. Ich erlaube mir in
dieser Hinsicht noch einige weitere Beobachtungen beizufuͤgen.
Wenn die Fluͤgel des Ventilators dadurch, daß man das Laufband auf eine
groͤßere Treibrolle brachte, mit einer Geschwindigkeit von 180 Fuß in der
Secunde umgetrieben wurden, so stieg die Differenz des Wasserstandes in den beiden
Heberschenkeln nur bis auf 3 Zoll. Dieser Druk deutete jedoch nur eine
Ausstroͤmungsgeschwindigkeit der Luft von 115 Fuß in der Secunde an; die
Wirkung blieb daher um 30 Proc. zuruͤk, wenn man die effective
Geschwindigkeit der Fluͤgel wie oben zu 7/8 der Geschwindigkeit ihrer Enden
annimmt: ein Verlust, der offenbar der bei dieser Geschwindigkeit wachsenden Wirkung
der Traͤgheit zuzuschreiben ist.
Bei einer dritten Reihe von Versuchen, bei der die Enden der Fluͤgel mit einer
Geschwindigkeit von 80 Fuß in der Secunde umliefen, stand das Wasser in dem einen
Heberschenkel um einen Zoll hoͤher, als in dem anderen, was nur auf eine
Geschwindigkeit von 66 Fuß in der Secunde deutete, so daß also der durch die
Traͤgheit und durch das Wirbeln der seitlichen Lufttheile veranlaßte Verlust
an Geschwindigkeit hier nur 6 Proc. der effectiven Geschwindigkeit
betraͤgt.
Folgende Tabelle zeigt die Luftgeschwindigkeiten, welche verschiedenen Hoͤhen
des Differential-Wasserbarometers entsprechen.
12 Zoll
Wasser
entsprechen
einer
Geschwindigkeit von
231
Fuß in der Secunde.
6
–
–
–
– –
163
– –
3
–
–
–
– –
115
– –
2
–
–
–
– –
94
– –
1 1/2
–
–
–
– –
81
– –
1
–
–
–
– –
66
– –
1/2
–
–
–
– –
47
– –
1/4
–
–
–
– –
33
– –
1/7
–
–
–
– –
25
– –
1/8 = 1 Zoll des
Wasseroͤhlhebers
–
23,4.
Es ist erwiesen, daß eine Pferdekraft an einer Dampfmaschine genuͤgt, um einen
Ventilator, von dessen Fluͤgeln und Einsaugcanaͤlen jeder einen
Flaͤchenraum von 18 Quadratzoll hat, und der also in dieser Hinsicht dem oben
erwaͤhnten Dampfkessel-Schornsteine gleichkommt, mit einer
Geschwindigkeit von 80 Fuß in der Secunde umzutreiben. Die Geschwindigkeit der Luft,
die in dem Schornsteine durch Verbrennung einer Masse Brennstoff, welche 20
Pferdekraͤften entsprach, erzeugt wurde, belief sich nicht hoͤher als auf 35 Fuß in der
Secunde; waͤhrend der Ventilator von einer einzigen Pferdekraft getrieben,
eine solche von 66 Fuß bedingte. Hieraus folgt, daß sich die Ersparniß an
Ventilirung, welche sich mit dem Ventilator erzielen laͤßt, zu der durch den
Schornsteinzug erzeugten Ventilirung wie 66 zu 35/20 oder wie 38 zu 1
verhaͤlt; und daß man mit einem Bushel oder mit einer Tonne Steinkohlen,
welche zum Dampfbetriebe eines excentrischen Ventilators verwendet werden, eine eben
so große Ventilirung erzeugen, oder eben so viel Luft aus der Stelle treiben kann,
wie durch Verbrennung von 38 Bushels oder Tonnen zum Behufe der Erzeugung eines
entsprechenden Zuges im Schornsteine. Uebrigens sind Wohlfeilheit, Reinlichkeit und
Dauerhaftigkeit nicht ein Mal die einzigen Vortheile, welche das mechanische
Ventilirsystem vor dem physikalischen gewaͤhrt. Dasselbe bewaͤhrt sich
naͤmlich selbst noch unter solchen Einfluͤssen von Wind und Wetter,
unter denen jeder Schornsteinzug nothwendig leiden muß. Das Bewegungsmoment der
ausgetriebenen Luͤft ist uͤber diese Einfluͤsse erhaben; es
kann in jedem Augenblike durch einfache Versezung des Laufbandes von einer Scheibe
auf eine andere vermehrt, vermindert oder auch ganz unterbrochen werden. Die mit
Menschenausduͤnstung uͤberladene Luft eines angefuͤllten Saales
wird mit derselben Sicherheit ausgetrieben werden, wie die trokenste und
ausdehnbarste Luft.
Der Vorzug, der dem mechanischen Systeme gebuͤhrt, wird fuͤr Jedermann
ersichtlich, wenn man erwaͤgt, welche geringe Kraft selbst mit dem besten
Bratenwender-Apparate durch Benuzung des Schornsteinzuges erzielt werden
kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dasselbe Brennmaterial, welches zur
Dampferzeugung verwendet, an der oben erwaͤhnten Dampfmaschine 20
Pferdekraͤfte erzeugt, durch den Impuls, den ein von demselben
emporsteigender Luftstrom auf irgend einen Mechanismus auszuuͤben
vermoͤchte, kaum eine halbe Pferdekraft hervorzubringen im Stande ist.
Bei einem aͤhnlichen Versuche, den ich in einer Brauerei anstellte, und bei
dem ich den Differential-Barometer wie oben mit dem Schornsteine des
Dampfkessels in Verbindung brachte, fand eine Niveauveraͤnderung von 2 1/4
Zoll Statt, was 0,28 eines Zolles Wasser entspricht. Der Schornstein hatte an der
Stelle, an der die seitliche Roͤhre des Barometers in ihn eingesezt wurde,
einen Flaͤchenraum von 16 auf 18 Zoll, und stieg um 50 Fuß uͤber
diesen Punkt empor. Es wurden stuͤndlich gegen 12 Pfd. Steinkohlen per Pferdekraft verbrannt, und in jedem Kessel Dampf
erzeugt, der wenigstens 15 Pferdekraͤften entsprach: ein Resultat, welches
mit obigem so nahe
uͤbereinstimmt, als es fuͤglich bei derlei Versuchen erwartet werden
darf.
Der Werth der Ventilatoren als Luftreinigungsmittel wird in den englischen Fabriken
immer mehr und mehr erkannt: namentlich in den Maschinenwebereien, in welchen viele
Personen in einem verhaͤltnißmaͤßig geringen Raume
zusammengehaͤuft sind. Es ist daher um so auffallender, daß keines der
Mitglieder der Parlaments-Commission auch nur die leiseste Hindeutung auf die
mechanische Ventilation machte; ja es ist dieß um so unverzeihlicher, als schon vor
100 Jahren ein beruͤhmtes Mitglied der Royal
Society, Hr. Desaguliers, einen aͤhnlichen Vorschlag, „zur
Reinigung des Hauses der Gemeinen von der verderbten Luft“ machte.
Ich sehe mich veranlaßt, folgende in mehrfacher Hinsicht interessante Stelle aus der
hierauf bezuͤglichen Abhandlung dieses Gelehrten anzufuͤhren.
„Im Jahre 1736 wurde ich von Sir George Beaumont und einigen anderen Mitgliedern des Hauses der Gemeinen,
welche bemerkt hatten, daß die Abkuͤhlung des Hauses mittelst der zu
diesem Zweke erbauten Feuermaschinen (welche mit den neueren Pumpenoͤfen
des Marquis de Chabannes Aehnlichkeit haben) nicht
wohl von Statten ging, befragt, ob ich nicht irgend eine Vorrichtung
wuͤßte, womit die verderbte Luft aus dem Hause ausgetrieben werden
koͤnnte. Ich machte mich anheischig, eine solche herzustellen, und baute
im Auftrag einer Commission eine Maschine, deren Rad den Namen eines
Centrifugal- oder Geblaͤsrades bekam, waͤhrend der
Arbeiter, der dasselbe in Bewegung sezte, der Ventilator genannt wurde. Dieses
Rad hat zwar in einigen Dingen Aehnlichkeit mit Papin's hessischen Geblaͤsen, unterscheidet sich jedoch wesentlich
davon: namentlich dadurch, daß es je nach den Befehlen des Sprechers die
verderbte Luft austreiben und frische dafuͤr einsaugen kann.“
Dieses Rad hatte 7 Fuß im Durchmesser und einen Fuß in der Breite; es nahm die Luft
in der Nahe seines Mittelpunktes auf und lief concentrisch mit seinem
Gehaͤuse um. Es wurde vom Jahre 1736 bis zum Jahre 1743, wo die erste Auflage
von Desagulier's Experimental-Physik erschien,
wenigstens zeitweise in Bewegung gesezt, und verblieb hoͤchst wahrscheinlich
uͤber dem Sizungssaale des Hauses der Gemeinen, bis dieses ein Raub der
Flammen wurde. Da dieser Ventilator von einem Individuum mit Huͤlfe einer
Kurbel umgetrieben werden mußte, so konnte es fuͤglich nicht uͤber 40
Umgaͤnge in einer Minute machen; die mittlere Geschwindigkeit der Enden
seiner Fluͤgel konnte also nicht uͤber 15 Fuß in der Secunde betragen.
Wahrscheinlich in Betracht seines fehlerhaften Baues und des kleinen
Flaͤchenraumes seiner Entleerungsroͤhre ward es auch von Sir Jakob Ackworth, damaligem ersten Lord der Admiralitaͤt, „ein
physikalisches Spielzeug (a philosophical
toy)“ genannt.
Es scheint nicht, daß seit Desagulier's Zeiten der
Ventilator zum Gegenstande wissenschaftlicher Versuche gemacht wurde; wenigstens
beschrieb Pouillet im Jahre 1835 im sechsten Hefte des
Portefeuille Industriel mit großen, aber
unverdienten Lobspruͤchen einen Ventilator oder Windfang, der in Ronen zum
Ventiliren einer Gießerei erbaut worden war, der sich aber als ganz
ungenuͤgend erwies, obschon er durch feine Bewegungen den Boden, auf dem er
stand, heftig erbeben machte. Er ist concentrisch gebaut, und muß folglich den
groͤßten Theil der auf seinen Betrieb verwendeten Kraft zum Umtreiben der
Luft mit seinen Fluͤgeln und nicht zum Austreiben derselben an der
Austrittsroͤhre verbrauchen. Die in Ronen etablirte englische
Maschinenbau-Compagnie, der er gehoͤrt, mußte ihn deßhalb auch nach
dem neuerlich im Lancashire eingefuͤhrten Plane abaͤndern.
Die Zeichnungen, welche ich in Fig. 32 bis 35 vorzulegen
die Ehre habe, duͤrften, wie ich hoffe, einiges Licht auf die Leistungen
eines Ventilators werfen. Aus Fig. 32 erhellt, daß an
einem concentrischen Ventilator mit 5 Fluͤgeln nur ihrer zwei wirklich
thaͤtig seyn koͤnnen, und daß kaum wehr dann die Haͤlfte der
Ausfuͤhrungsroͤhre von dem regelmaͤßig durch das Umlaufen der
Fluͤgel erzeugten Luftstrome erfuͤllt wird. Die Quantitaͤt,
welche in Folge des Drukes, unter dem die Luft durch die Centrifugalkraft erhalten
wird, ausgetrieben wird, ist mithin sehr gering, indem sie durch den Strom des
Fluͤgels a, dessen Tangente sich mit der
Ausfuͤhrungsroͤhre vollkommen und beinahe unter einem rechten Winkel
kreuzt, unterbrochen wird.
Fig. 33
dagegen zeigt, daß an dem excentrischen Ventilator saͤmmtliche Fluͤgel
wirksam sind, und daß die Ausfuͤhrungsroͤhre abgesehen von irgend
einem durch die Centrifugalkraft erzeugten Druke bloß durch den Impuls der
Fluͤgel gaͤnzlich mit einem Luftstrome erfuͤllt wird: mit
Ausnahme jedoch des von der Mitte her Start findenden Luftzuflusses, der offenbar
von dem unausgeglichenen Druke der atmosphaͤrischen Luft abhaͤngt. Auf
den ersten Blik scheint es ausgemacht, daß die Luft mit keiner geringeren
Geschwindigkeit in die Ausfuͤhrungsroͤhre eintreten kann, als jene
ist, mit der die Punkte a, c, e, g, k umlaufen; denn die
Summe der Linien ab, cd,
ef
,
gh und kl ist der
Lange der senkrechten Achse der Ausfuͤhrungsroͤhre gleich. Da sich nun
die Punkte a, c, e etc. mit 7/8 bis zu 8/9 der
Geschwindigkeit der Enden der Blaͤtter bewegen, so sollte, wenn erstere 120
Fuß per Secunde durchlaufen, die Geschwindigkeit
wenigstens 748/120 = 105
Fuß in der Stunde betragen. Die Versuche ergaben jedoch eine Geschwindigkeit von
nicht mehr als 94 Fuß per Secunde: eine Differenz,
welche, wie bereits erwaͤhnt, der Traͤgheit der Luft, der seitlichen
Communication und den dadurch entstehenden Wirbeln zugeschrieben werden muß.
Fig. 34 und
35 geben
einen Durchschnitt und einen Grundriß eines Ventilators, der nach den Ansichten
meines Freundes Ericsson einer der besten seyn
duͤrfte. Die Zeichnung ist so deutlich, daß sie gar keiner weiteren
Beschreibung bedarf. Die Quantitaͤt Luft, welche ein nach diesem Systeme
gebauter Ventilator auszutreiben vermag, laͤßt sich approximativ bestimmen,
wenn man die Geschwindigkeit der Punkte c, e etc. mit
dem Durchschnitts-Flaͤchenraum der Ausfuͤhrungsroͤhre
multiplicirt. Die absolute, zum Betriebe des Ventilators erforderliche Kraft
laͤßt sich mit hinreichender Genauigkeit auf folgende Weise berechnen. Gesezt
die Enden der Fluͤgel bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 30 Fuß in
der Secunde, und der Durchschnittsflaͤchenraum der
Ausfuͤhrungsroͤhre betrage zwei Quadratfuß, so ist 2 × 80 = 160
Kubikfuß. Diese Zahl multiplicirt mit 60 Secunden gibt als Product 9600 Kubikfuß
Luft, die per Minute ausgetrieben werden. Reducirt man
diese Quantitaͤt durch 13 auf Gewicht, so erhaͤlt man 738 Pfd., welche
in jeder Minute mit einer Geschwindigkeit von 80 Fuß in der Secunde bewegt werden.
Um nun eine Geschwindigkeit von 80 Fuß in der Secunde zu erlangen, muß ein
Koͤrper frei durch einen Raum von (80 + 80)/64 = 100 Fuß fallen; mithin wird
die Kraft, die noͤthig ist, um 738 Pfd. eine Geschwindigkeit von 80 Fuß in
der Secunde zu geben, 738 × 100 = 73,800 Pfd., die einen Fuß hoch gehoben
werden, betragen. Theilt man diese Zahl endlich durch 33,000, so erhaͤlt man
als Quotienten 2 1/4 als die Pferdekraͤfte, welche zum Betriebe eines solchen
Ventilators noͤthig sind.
Diese Berechnung stimmt gut mit den Resultaten zusammen, die sich mit einem großen
Ventilator ergaben, den Ericsson im Jahre 1831 in
Liverpool baute, um in dem Ofen eines Kessels von 100 Pferdekraͤften, der
sich an Bord des Dawpfbootes Corsair befand, die Verbrennung ohne Schornstein zu
unterhalten. Der Durchmesser dieses Ventilators hatte 4 Fuß 6 Zoll; die
Ausfuͤhrungsroͤhre hatte einen Flaͤchenraum von 4 Fuß; die
effective Geschwindigkeit der Fluͤgel betrug 80 Fuß in der Secunde. Zum
Betriebe desselben wurde eine Dampfmaschine mit vierzoͤlligem Cylinder und
mit einem Kolbenhube von 10 Zoll gebaut. Als Resultat ergab sich, daß mit Dampf von 45 Pfd. Druk auf
den Quadratzoll 120 Kolbenhube per Minute erforderlich
waren, um eine Geschwindigkeit des Ventilators von 80 Fuß zu erzielen. Man kann
annehmen, daß der effective Druk des Dampfes wenigstens 30 Pfd. per Quadratzoll betrug. Diese Zahl multiplicirt mit dem
Flaͤchenraum des Kolbens in Quadratzoll gibt 360 Pfd. fuͤr die
bewegende Kraft; und diese multiplicirt mit 200 Fuß oder mit der Geschwindigkeit des
Kolbens gibt 72,000 Pfd. in jeder Minute auf einen Fuß Hoͤhe gehoben als die
Kraft der Maschine. Die Quantitaͤt Luft ist = 80 × 30 = 240,
multiplicirt mit 60 Secunden um 14,400 Kubikfuß per
Minute. Die Temperatur, mit der die Luft in den Ventilator eintrat, betrug gegen
300°; reducirt man daher obige Quantitaͤt Luft durch 20 Kubikfuß auf
Pfunde, so erhaͤlt man 14400/20 = 720 Pfd. Luft, welche in jeder Minute
ausgetrieben werden. Diese auf 100 Fuß, als auf jene Hoͤhe gehoben, die zur
Erzeugung einer Geschwindigkeit von 80 Fuß in der Secunde noͤthig ist, wird
eine Kraft von 720 × 100 = 72,000 Pfd., die in jeder Minute einen Fuß hoch
gehoben werden, erheischen, was genau mit der Kraft der Dampfmaschine zusammen
trifft.
Ich muß hier, obschon das Factum ohne dieß jedem praktischen Ingenieur einleuchtend
seyn duͤrfte, bemerken, daß, wenn die Ausfuͤhrungsroͤhre des
Ventilators verstopft und nur etwas weniges Dampf in die Maschine eingelassen wurde,
die Ventilatorfluͤgel mit ungeheurer Geschwindigkeit umliefen, indem die
eingesperrte Masse Luft bestaͤndig in rotirender Bewegung erhalten wurde; daß
aber, sobald die Roͤhre wieder geoͤffnet wurde, so daß die stagnirende
Luft eintreten konnte, die Maschine durch den Widerstand des Gewichtes und der
Traͤgheit beinahe zum Stillstehen kam.
Aus den Beobachtungen, welche Saussure und andere auf den
Alpen anstellten, ergibt sich, wie schwer es faͤllt, in sehr
verduͤnnter Luft Muskel-Anstrengungen zu machen; ja selbst im
Flachlande wirke ein niederer Barometerstand auf zarte Koͤrper unangenehm;
waͤhrend ein verwehrter Luftdruk, so wie ihn ein hoͤherer
Barometerstand andeutet, sowohl auf den Koͤrper als auf den Geist
zutraͤgliche Einfluͤsse hervorbringt. Man soll daher beim Ventiliren
von Gebaͤuden, in denen viele Menschen versammelt sind, keineswegs zu dem
Zuge der Schornsteine, wie dieß bisher gewoͤhnlich geschah, seine Zuflucht
nehmen, indem hiedurch die Luft bestaͤndig ausgepumpt oder verduͤnnt
wird (eine Erscheinung, welche man mit Wollaston's
Differential-Barometer sehr gut beobachten kann); sondern man soll vielmehr,
wenn man nach richtigen physiologischen Grundsaͤzen verfahren will, die Dichtheit und
Elasticitaͤt der Atmosphaͤre dadurch zu vermehren suchen, daß man
fortwaͤhrend einen Strom frischer Luft, die, wenn es noͤthig
ist- vorher in einer eigenen Kammer gehoͤrig erwaͤrmt und mit
Feuchtigkeit versehen worden ist, eintreibt. Wenn man den Ein- und Austritt
der Luft unter die Controle von Ventilen bringt, welche sich durch Zeiger und
Zifferblaͤtter reguliren lassen, so kann man deren Dichtheit sehr mannigfach
modificiren, und folglich den Koͤrper der Bewohner eines jeden
Gebaͤudes mit einer zur Erhaltung der Gesundheit und Thaͤtigkeit
hoͤchst geeigneten Luft versehen.
Um ein Gebaͤude wie jenes, welches fuͤr das Parlament bestimmt ist,
nach diesem Principe zu ventiliren, soll man in einem kleineren Gemache im
Erdgeschosse, und zwar zum Behufe der leichteren Verbreitung so ziemlich in der
Mitte des Gebaͤudes zwei oder mehrere der beschriebenen Ventilatoren
anbringen; und diese mit einer kleinen, nach Braithwaite's Sicherheitsprincipe gebauten und mit Kohks geheizten
Dampfmaschine, die weder Rauch erzeugt, noch auch eines hohen, das Gebaͤude
verunstaltenden Schornsteines bedarf, in Bewegung sezen. Von diesen Ventilatoren aus
sollen an die Fußboͤden der einzelnen zu ventilirenden Gemaͤcher
geeignete Canaͤle aus Holz, Baksteinen oder Eisenblech gefuͤhrt
werden; und die Enden dieser waͤren mit Ventilen zu versehen, die zum Behufe
der Regulirung der Ventilation mit einem Zifferblatte und einer Schnur oder einem
Drahte ausgestattet werden muͤßten.
Bei den Fortschritten, welche die Kuͤnste gemacht haben, kann kein Zweifel
daruͤber obwalten, daß es geeignet waͤre, die neuen
Parlamentsgebaͤude mit Huͤlfe mehrerer diker gußeiserner
Roͤhren mit Dampf zu heizen. Diese Roͤhren muͤßten in einem
unter dem Niveau der Gemaͤcher versenkten Raume angebracht seyn; und von
diesem Raume aus koͤnnte gesunde, in Hinsicht auf Waͤrme sowohl, als
auf Feuchtigkeit entsprechende Luft mit Leichtigkeit uͤberall hin in solcher
Quantitaͤt geschafft werden, als es zur Erneuerung der Luft in jedem
einzelnen Gemache noͤthig oder wuͤnschenswerth ist. Derselbe Kessel,
der die Maschine mit Dampf versieht, wuͤrde bei gewoͤhnlicher
Witterung auch ausreichen, um die Heizroͤhren mit Dampf zu versehen. Bei
strengerer Kaͤlte muͤßte jedoch auch noch ein Huͤlfsdampfkessel
in Anwendung kommen. Die Aufgabe bleibt immer die: eine Luft zu erzeugen, welche der
frischen Luft eines angenehmen Sommertages so nahe als moͤglich kommt, und
die nicht mit der Ausduͤnstung der Menschen auf eine unangenehm
fuͤhlbare Weise uͤberladen ist.
In gut gebauten englischen Baumwollmuͤhlen weiß man so ziemlich genau, welche
Dampfroͤhrenoberflaͤche von 212° F. Waͤrme man braucht,
um ein bestimmtes Volumen Luft in den groͤßeren Saͤlen zu
erwaͤrmen. In runden Zahlen kann man annehmen, daß ein Fuß
Roͤhrenoberflaͤche hinreicht, um 150 Kubikfuß Raum auf einer
gleichmaͤßigen Temperatur von 62° F. oder auf der mittleren Temperatur
eines englischen Sommertages zu erhalten. Hr. Fairbairn, einer der erfahrensten
Fabrikingenieurs in Manchester, hat mich versichert, daß zwei Reihen gußeiserner
Roͤhren von 8 Zoll im Durchmesser vollkommen ausreichen wuͤrden, um
die lange Mauthhalle in London, welche 190 Fuß lang, 64 Fuß breit und 46 Fuß hoch
ist, und die volle 20,000 Kubik-Yards faßt, den Winter uͤber zu
heizen, wenn dieselben dicht am Boden der Schreibtisch-Scheidewaͤnde
laͤngs der beiden Seiten und Enden der Halle hingefuͤhrt und durch
schmiedeiserne Roͤhren von 2 Zoll im Durchmesser, die im Bogen uͤber
die Thuͤren zu fuͤhren waren, verbunden wuͤrden. Ein diesem
Zweke entsprechender, sich selbst speisender Dampfkessel von niederem Druke kostet
mit den dazu gehoͤrigen Rohren und Vorrichtungen nicht uͤber 500 Pfd.
Sterl., und erheischt um mehr als die Haͤlfte weniger Brennmaterial als die
gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen, die Luft bratenden und die Gesundheit
zerstoͤrenden Heizvorrichtungen.
Die gefaͤhrlichsten unter den vielen unserer jezigen Ofenverbesserer (store-doctors) sind die, welche unter dem
Vorwande von Ersparnissen und Bequemlichkeit besonders anrathell eine große Menge
Kohks langsam und bei schwacher Circulation der Luft zu verbrennen. Wer auch nur
etwas in der Chemie bewandert ist, muß wissen, daß durch stille Verbrennung von
Kohks oder Holzkohlen bei einer geringen Production an Hize viel
Kohlenstoff-Oxydgas erzeugt und viel Brennmaterial verzehrt wird. Eben so muß
ihn die Physik lehren, daß, wenn der Zug im Schornstein schwach ist, die verbrannte
Luft eine große Neigung hat durch jede Oeffnung oder Spalte zu dringen und dadurch
die Luft in den Gemaͤchern hoͤchst verderblich zu machen. Um die
groͤßte Menge Hize aus dem Brennmateriale zu gewinnen, muß dessen Verbrennung
sehr lebhaft von Statten gehen, und der hiedurch entwikelte Waͤrmestoff
uͤber die moͤglich groͤßte Oberflaͤche
waͤrmeleitender Materialien verbreitet werden. Dabei ist sorgfaͤltig
daruͤber zu wachen, daß diese Oberflaͤchen nicht uͤber
240° F. erhizt werden.
Es ist erwiesen, daß Arbeiter, welche in Calico-Trokenstuben, die aus die
gewoͤhnliche Weise geheizt werden, beschaͤftigt sind, in kurzer Zeit
kraͤnklich und sehr geschwaͤcht werden; waͤhrend sie in
Localen, die noch staͤrker, aber mit Dampfroͤhren geheizt sind,
vollkommen gesund und kraͤftig bleiben. Unter den vielen Ursachen, welche die Pathologen
fuͤr die Kraͤnklichkeit und Schwache solcher Personen angeben, die ihr
Leben großen Theils in warmen Zimmern zubringen, und die nur selten in die frische
freie Luft kommen, hat man eine der einflußreichsten: naͤmlich die durch
verminderten Druk und Waͤrme bedingte Verduͤnnung der Luft, die sie
einathmen, ganz uͤbersehen.Ich finde erst so eben, daß Hr. Junot in Paris in neuerer Zeit eine Abhandlung uͤber
die Wirkungen der comprimirten und der verduͤnnten Luft auf den
menschlichen Organismus herausgab. Wenn ein Mensch in verdichtete Luft
gebracht wird, sagt derselbe, so athmet er gleichsam neu auf; er hat ein
Gefuͤhl, als wenn seine Lungen eine groͤßere Capacitaͤt
bekommen haͤtten; seine Athemzuͤge werden voller und minder
haͤufig, nach 15 Minuten verspuͤrt er eine angenehme
Waͤrme in feiner Brust, und der ganze Organismus saugt gleichsam mit
jedem Athemzuͤge einen neuen Vorrath an Kraft und Lebensfuͤlle
ein. Das arterielle System bekommt eine gesteigerte Thaͤtigkeit,
waͤhrend die auf der Haut sichtbaren Venen oder Blutadern einsinken
und selbst ganz unsichtbar werden. Selbst die Functionen des Gehirnes gehen
mit groͤßerer Lebendigkeit von Statten; die Einbildungskraft wird
gesteigert, und die Ideen gewinnen einen eigenen Reiz Die Muskelbewegungen
werden freier und kraͤftiger, und die Verdauung rascher, ohne daß
eine Vermehrung des Durstes erfolgt. In verduͤnnter Luft dagegen
tritt gerade das Entgegengesezte von allem diesem ein: das Athmen wird
beschwerlich, schwach, haͤufig, und endigt zulezt mit einem Anfalle
von Engbruͤstigkeit; der Puls wird schnell und leicht comprimirbar,
es entsteht Neigung zu Blutungen und Ohnmachten; die Thaͤtigkeit der
Nieren und Speicheldruͤsen vermindert sich, und endlich erfolgt
allgemeine Schwache als Resultat. Weiteres uͤber die Versuche des
Hrn. Junot findet man
in den Archives générales de
Médecine, Sec. Seric. Tom. IX. pag. 157.A. d. O. Ich fand, daß, wenn man die horizontale Roͤhre eines
Differential-Barometers, der in dem einen Schenkel Weingeist und in dem
anderen Oehl enthaͤlt, in das Schluͤsselloch eines geschlossenen
Winterwohnzimmers stekt, beim Umdrehen des an dieser Roͤhre angebrachten
Sperrhahnes die Verbindungslinie beider Fluͤssigkeiten, je nach der
Genauigkeit der Verschließung dieses Zimmers und je nach der Starke der Feuerung, um
einen halben bis zu einem ganzen Zoll steigt. Oeffnet man die auf die Straße
fuͤhrende Thuͤre, so wird ein noch weiteres Steigen eintreten. Unter
solchen Umstaͤnden muͤssen die Muskel-, Nerven- und
Verdauungssysteme nothwendig leiden, und ich habe die volle Ueberzeugung, daß die
Kraͤnklichkeit vieler unserer in Wohlstand lebender Leute großen Theils von
der haͤufigen Einathmung einer durch den Schornsteinzug zu sehr
verduͤnnten Luft herruͤhrt. Jedes gut gebaute und gut eingerichtete
Wohnhaus soll sein unterirdisches Waͤrmemagazin haben, und von diesem aus
soll in die einzelnen Gemaͤcher fortwaͤhrend so viel gute, warme Luft
gegeleitet werden, als zur Behaglichkeit noͤthig ist, wobei die Luft eher
verdichtet als verduͤnnt werden wird. Offene Feuer sollen in diesem Falle nur
geduldet werden, um den Aufenthalt, oder, wenn ich so sagen darf, die Scenerie zu
beleben; sie koͤnnen auch, wenn die Ventiliroͤffnungen einen
hinreichenden Zufluß an Luft bedingen, keine merkliche Verduͤnnung
erzeugen.