Titel: | Bericht des Hrn. Francoeur über die von Hrn. Vincent Chevalier in Paris verfertigten coniopsidischen Linsen. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. IX., S. 35 |
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IX.
Bericht des Hrn. Francoeur uͤber die von Hrn. Vincent Chevalier in
Paris verfertigten coniopsidischen
Linsen.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Februar 1837, S. 41.
Chevalier's coniopsidische Linsen.
Man findet es bekanntlich am besten die Linsen fuͤr einfache Mikroskope oder
Luppen so zu verfertigen, als bestuͤnden sie aus zwei planconvexen
Kugelsegmenten, die mit mit ihren flachen Basen an einander gebracht, aber doch
durch eine Scheidewand von einander getrennt sind. Die von den Gegenstaͤnden
ausgehenden und auf das Auge treffenden Lichtstrahlen werden naͤmlich, wenn
sie durch die Linse gegangen sind, durch die Scheidewand aufgehalten, im Falle sie
einen zu großen Winkel mit der optischen Achse der Linse bilden; waͤhrend sie
sich ohne diese Scheidewand nicht mit den uͤbrigen genau in dem Brennpunkte
concentriren, und also ein verwirrtes Bild geben wuͤrden. Um diese
Unvollkommenheit, die man mit dem Namen der sphaͤrischen Aberration zu belegen pflegt, großen
Theils zu heben, hat man zwischen die flachen Basen der beiden Kugelsegmente, aus
denen die Linse eines einfachen Mikroskopes besteht, eine Scheidewand gebracht.
Man hat diese Erfindung neulich dem Dr. Wollaston
zugeschrieben: ein Irrthum, in welchen selbst Biot in
seiner Physik verfiel: wahrscheinlich dadurch verleitet, daß Wollaston fuͤr diese Linsen eine goldene Medaille zuerkannt bekam.
Allein es ist gewiß, daß dergleichen Linsen in Frankreich schon viel fruͤher
im Handel vorkamen; der Berichterstatter selbst bedient sich schon seit 30 Jahren
einer Luppe, deren Linse nach diesem Principe geschliffen ist, so daß es ihm Wunder
nimmt, wie ein Mann wie Wollaston, der ohnedieß so große
wirkliche Verdienste hat, einen Preis fuͤr eine Erfindung, die nicht von ihm
ausgegangen war, annehmen mochte.
Die coniopsidischen Linsen (lentilles coniopsides), die
den Gegenstand dieses Berichtes bilden, wurden in England erfunden. Man denke sich,
um sich eine Vorstellung von denselben zu machen, einen kurzen glaͤsernen
Cylinder, der durch Anwendung von Hize erweicht, und hierauf gegen die Mitte hin
kreisfoͤrmig zusammengeschnuͤrt oder gedrosselt wurde. Werden dann die
beiden Basen nach dem Abkuͤhlen nach Methoden der Kunst zu convexen
Oberflaͤchen geschliffen, so erhaͤlt man eine sehr dike, cylindrische
Linse, welche in ihrer Dike ringfoͤrmig eingeschnuͤrt ist. Aus dieser
Anordnung folgt dasselbe Resultat, wie aus der Anwendung einer Scheidewand zwischen
den doppelten planconvexen Linsen: d.h. das Bild wird rein und scharf, weil nur eine
sehr geringe sphaͤrische Aberration Statt findet.
Man kann daher auch diese Linsen mit Vortheil zur Beobachtung und Untersuchung
kleiner Gegenstaͤnde anwenden; und da sie in England sehr gepriesen werden,
so war es ganz natuͤrlich, daß Hr. Chevalier auch
welche verfertigen wollte und verfertigen mußte. Seine in dieser Hinsicht erzielten
Fabricate liegen der Gesellschaft vor.
Unsere Meinung von dieser Erfindung ist uͤbrigens, daß dergleichen Linsen
schwerer zu verfertigen sind, als die gewoͤhnlichen, und daher immer theurer
seyn werden; daß sie eine dikere Fassung erfordern, und daß das Licht, indem es
durch eine groͤßere Glasmasse zu dringen hat, bedeutend geschwaͤcht
wird. Wir finden auch nicht einen Grund, aus welchem sie vorzugsweise vor den
planconvexen Linsen mit Scheidewand zu empfehlen waͤren; ja leztere scheinen
uns vielmehr den Vorzug zu verdienen, weil sie bei gleicher Reinheit des Bildes mehr
Licht geben und wohlfeiler zu stehen kommen. Uebrigens muͤssen wir
anerkennen, daß Hr. Chevalier auch bei der Verfertigung
dieser Linsen seinen
Ruf bewaͤhrte, und in Hinsicht auf deren Vollkommenheit nichts zu
wuͤnschen uͤbrig ließ.
Hr. Chevalier versuchte nach demselben Principe auch
Oculare fuͤr Fernroͤhre zu verfertigen; allein der Erfolg schien uns
bei aller Vollkommenheit in der technischen Ausfuͤhrung kein
guͤnstiger. Denn abgesehen davon, daß die Dike der Glasmasse den Glanz des
Lichtes bedeutend schwaͤcht, achromatisiren diese Oculare auch nicht; so wie
sie sich ferner auch nicht zu astronomischen Beobachtungen brauchen lassen, weil man
kein Fadennez in das Fernrohr bringen kann. Die Oculare von Ramsden und Cupani sind und bleiben daher weit
vorzuͤglicher.