Titel: | Ueber die Zersezung der schwefelsauren Metallsalze durch den Kohlenstoff; von Hrn. Gay-Lussac. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XVII., S. 55 |
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XVII.
Ueber die Zersezung der schwefelsauren
Metallsalze durch den Kohlenstoff; von Hrn. Gay-Lussac.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. December
1836, S. 431.
Gay-Lussac, uͤber Zersezung schwefelsaurer
Metallsalze durch Kohle.
Ich beabsichtige im gegenwaͤrtigen Aufsaze hauptsaͤchlich zu zeigen,
daß man bei der Zersezung der schwefelsauren Metallsalze durch Kohle je nach der
angewandten Temperatur sehr verschiedenartige Resultate erhalten kann, daher es
noͤthig ist, diesen Umstand bei den chemischen und metallurgischen
Operationen zu beruͤksichtigen.
Die schwefelsauren Salze, womit ich meine Versuche anstellte, wurden zuvor so gut als
moͤglich ausgetroknet; als Kohlenstoff benuzte ich zur Zersezung calcinirten
Kienruß. Die schwefliche Saͤure, welche sich gewoͤhnlich mit der
Kohlensaͤure entband, wurde auf die Art von ihr getrennt, daß man in die
Gloke, welche das Gemisch beider Gasarten enthielt, so oft einen mit
Braunsteinstuͤkchen beklebten Glasstab tauchte, als noch eine Absorption
Statt fand.
Schwefelsaures Zink. Dieses Salz wurde mit Kohlenstoff in
Ueberschuß vermengt, in einer Glasroͤhre der Dunkelrothgluͤhhize
ausgesezt, die ich waͤhrend der ganzen Dauer der Operation constant zu
erhalten bemuͤht war. Auf einen Gramm schwefelsaures Zink erhielt man bei der
gewoͤhnlichen Temperatur beilaͤufig 212 Kubikcentimeter eines
Gemisches von schweflicher Saͤure und Kohlensaͤure, worin sich die
beiden Gasarten so ziemlich im Verhaͤltniß von 2 zu 1 befanden. Der
Ruͤkstand in der Glasroͤhre brauste mit Salzsaͤure nicht im
Mindesten auf und roch dabei auch kaum nach Schwefelwasserstoff; er war
naͤmlich bloß ein Gemenge von Kohlenstoff mit Zinkoxyd und enthielt weder
metallisches Zink noch Schwefelzink. Wenn man nun annimmt, daß bloß die
Schwefelsaͤure zersezt wurde und an den Kohlenstoff den dritten Theil ihres
Sauerstoffs zur Bildung von Kohlensaͤure abgab; ferner, daß der Sauerstoff so
ziemlich sein gleiches Volum schwefliche Saͤure liefert, so muͤßte man
von einem Gramm schwefelsauren Zinks bei 0° und 0,76 Meter Druk 208,6
Kubikcentimeter eines aus 2 schweflicher Saͤure und 1 Kohlensaͤure
bestehenden Gasgemisches erhalten, was auch mit dem Ergebnisse des Versuches gut
uͤbereinstimmt.
Wenn man zur Zersezung des schwefelsauren Zinks weniger Kohle nimmt, naͤmlich
bloß so viel als noͤthig ist, um die Schwefelsaͤure in schwefliche
Saͤure zu verwandeln, und selbst noch weniger, so bleiben die Producte doch
dieselben. Dadurch erklaͤrt es sich, warum man bei der metallurgischen
Behandlung des Schwefelzinks nach dem Roͤsten, wobei es sich zum Theil in
schwefelsaures Zink verwandelt, Kohlenstaub zusezt.
Wenn man aber das Gemenge von schwefelsaurem Zink und Kohlenstoff, anstatt es auf der
Dunkelrothgluth zu erhalten, in einer kleinen Porzellanretorte schnell auf die
Weißgluͤhhize treibt, so erhaͤlt man ganz andere Resultate. Es
entwikelt sich zwar auch schwefliche Saͤure in dem Augenblike, wo die Hize
das Gemenge zu durchdringen anfaͤngt; bald aber erscheint von derselben
nichts mehr und das Gas besteht dann bloß aus Kohlenoxyd, mit etwas
Kohlensaͤure gemischt: der Ruͤkstand ist nicht mehr Zinkoxyd, sondern
Schwefelzink. Hr. Berthier erhielt bei Behandlung von
Zinkvitriol mit Kohle dasselbe Product, weil er das Gemenge sogleich einer hohen
Temperatur aussezte.
Dasselbe Gemenge von schwefelsaurem Zink und Kohle kann also nach der Art, wie ihm
die Hize beigebracht wird, drei verschiedene Producte liefern: 1) Zinkoxyd, wenn die
Temperatur die Dunkelrothgluͤhhize nicht uͤberschreitet; 2)
metallisches Zink, wenn man die Temperatur nach erhaltenem Oxyde auf die
Kirschrothgluͤhhize steigert; 3) Schwefelzink, wenn man es sogleich anfangs
der Weißgluͤhhize aussezt.
Aus diesem Beispiele kann man leicht ersehen, daß in aͤhnlichen Faͤllen
der Einfluß der Temperatur nothwendig beachtet werden muß; man soll sie
naͤmlich nur allmaͤhlich steigern, und so bald ein gewisses Product
erscheint, dann so lange constant erhalten, bis dasselbe sich zu zeigen
aufhoͤrt.
Nach Berthier besteht das beste Verfahren zur Bereitung
von Schwefelzink darin, wasserfreies schwefelsaures Zink mit einem geringen
Ueberschuß von Kohlenpulver in einem (ungefuͤtterten) Tiegel der
Weißgluͤhhize auszusezen. Meiner Meinung nach thut man aber besser, das
schwefelsaure Zink durch Schwefel zu zersezen. Wenn man das Gemenge in einer
Steingutretorte zuerst der Dunkelrothgluͤhhize und dann einer hoͤheren
Temperatur aussezt, erhaͤlt man viel schwefliche Saͤure, die man
benuzen kann; das ruͤkstaͤndige Schwefelzink enthaͤlt nur noch
ein wenig schwefelsaures Salz, welches durch eine neue Destillation mit Schwefel
vollends reducirt oder durch wiederholtes Auswaschen mit siedendheißem Wasser
ausgezogen werden kann. Das Schwefelzink laͤßt sich uͤbrigens auch
durch Destillation eines Gemenges von Zinkoxyd und Schwefel bereiten.
Schwefelsaures Eisenoxydul. Die Zersezung desselben durch
Kohlenstoff erfolgte schon bei einer maͤßigen Hize; es entband sich dabei ein
Gemisch von schweflicher Saͤure und Kohlensaͤure, worin erstere
waͤhrend der ganzen Dauer des Versuchs vorwaltete. Das Verhaͤltniß der beiden
Gasarten war im Mittel 78 zu 22. Es blieb bloß rothes Eisenoxyd ohne eine Spur von
Schwefeleisen zuruͤk. Hienach haͤtte das Verhaͤltniß der beiden
Saͤuren wie 80 zu 20 seyn sollen, vorausgesezt, daß der Sauerstoff bei seiner
Verwandlung in schwefliche Saͤure sein Volum nicht aͤndert. Der
geringe Ueberschuß von Kohlensaͤure ruͤhrt wahrscheinlich daher, daß
das angewandte Eisensalz etwas uͤberoxydirt war.
Schwefelsaures Mangan. Dieses Salz erfordert zu seiner
Zersezung durch Kohlenstoff eine hoͤhere Temperatur als die beiden
vorhergehenden. Es entband sich waͤhrend des ganzen Verlaufs der Operation
mehr Kohlensaͤure als schwefliche Saͤure, beilaͤufig zwei bis
drei Mal so viel.Es entband sich bei diesem und einigen anderen Versuchen auch ein wenig
Kohlenoxyd; dasselbe wurde aber zu der Kohlensaͤure gerechnet, indem
man nur die Haͤlfte seines Volums annahm.A. d. O. Der Ruͤkstand mußte folglich Schwefel enthalten und entwikelte auch
wirklich mit Salzsaͤure viel Schwefelwasserstoff: er war ein Gemenge von
Manganoxyd mit Sulfurid oder vielleicht ein Oxydsulfurid.
Schwefelsaure Bittererde. Der Kohlenstoff zersezt dieses
Salz nur in der Kirschrothgluͤhhize. Die schwefliche Saͤure betrug dem
Volum nach ungefaͤhr das Doppelte der Kohlensaͤure. Der
Ruͤkstand war reine Bittererde. Es entband sich ein wenig Schwefel, besonders
am Anfange der Operation. Bekanntlich erhielt Berthier,
als er schwefelsaure Bittererde im gefuͤtterten Tiegel einer sehr hohen
Temperatur aussezte, ungefaͤhr 10 Proc. Schwefelmagnesium, mit Bittererde
gemengt.
Schwefelsaures Nikel. Als dieses Salz mit Kohlenstoff
vermengt der Dunkelrothgluͤhhize ausgesezt wurde, lieferte es ein Gemisch von
schweflicher Saͤure und Kohlensaͤure zu beilaͤufig gleichen
Raumtheilen. Der Ruͤkstand war metallisches Nikel mit einer sehr geringen
Menge Sulfurid.
Schwefelsaures Blei. Mit Kohlenstoff in Ueberschuß der
Dunkelrothgluͤhhize ausgesezt lieferte dieses Salz nur Kohlensaͤure
ohne die geringste Spur von schweflicher Saͤure. Das Blei haͤlt also
allen Schwefel zuruͤk und bildet ein vollkommen neutrales Monosulfurid.
Dieses Resultat ist deßwegen merkwuͤrdig, weil es eine neue Analogie zwischen
dem Blei und den Alkalimetallen darbietet.
Welches auch immer das Verhaͤltniß zwischen dem Kohlenstoff und dem
schwefelsauren Blei seyn mag, so bleibt das Resultat bei derselben Temperatur stets
dasselbe; das Salz verwandelt sich immer in ein Monosulfurid. Wendet man z.B. ein
Aequivalent schwefelsaures Blei und ein Aequivalent Kohlenstoff an, so wird bei der
niedrigsten
Temperatur, welche eine Zersezung hervorbringen kann, ein halbes Aequivalent
Schwefelblei entstehen und ein halbes Aequivalent schwefelsaures Blei unangegriffen
bleiben. Erhoͤht man dann die Temperatur, so wirken das schwefelsaure Salz
und das Sulfurid auf einander, es entbindet sich ein Aequivalent schwefliche
Saͤure, und man erhaͤlt ein Aequivalent metallisches Blei.
Auch hier finden also zwei ganz verschiedene Wirkungen Statt, die man wohl
unterscheiden muß: die Reaction des Kohlenstoffs auf das schwefelsaure Blei, wodurch
Schwefelblei unter Entbindung von Kohlensaͤure entsteht und die des
Schwefelbleies auf das schwefelsaure Salz, welche erst bei einer hoͤheren
Temperatur eintritt und als Resultat Blei und schwefliche Saͤure liefert.
Wir wollen nun als zweites Beispiel ein Aequivalent schwefelsaures Blei und ein
halbes Aequivalent Kohlenstoff waͤhlen. Bei der niedrigsten Temperatur,
welche noch eine Zersezung bewirkt, wird man ein Viertel Aequivalent Schwefelblei
und drei Viertel eines Aequivalents an schwefelsaurem Blei erhalten. Wenn dann die
Temperatur erhoͤht wird, reagiren das schwefelsaure Salz und das Sulfurid auf
einander; aller Schwefel wird sich als schwefliche Saͤure entbinden und bloß
Bleioxyd zuruͤkbleiben.
Schwefelsaures Kupfer. In der Dunkelrothgluͤhhize
lieferte dieses Salz mit uͤberschuͤssigem Kohlenstoff ein Gemisch von
gleichem Volumen schweflicher Saͤure und Kohlensaͤure, genau gleich
dem theoretischen Volum dieser beiden Gasarten. Der Ruͤkstand bestand,
abgesehen von dem uͤberschuͤssigen Kohlenstoffe, aus metallischem
Kupfer, ohne die geringste Spur von Sulfurid.
Wiederholt man diesen Versuch bei einer hoͤheren Temperatur, so sind die
Resultate anders; die Gasarten entwikeln sich brausend und die Kohlensaͤure
waltet in dem Gemische vor: auch enthaͤlt der Ruͤkstand gebundenen
Schwefel. Nach Berthier soll das Kupfer als Protosulfurid
zuruͤkbleiben; dieß ist moͤglich, aber nach den angegebenen Resultaten
nicht durchaus noͤthig.
Wir wollen noch einige Betrachtungen uͤber den Unterschied der Resultate
anstellen, welche eine maͤßige und eine staͤrkere Hize liefert und als
Beispiel die Zersezung des schwefelsauren Kupfers waͤhlen.
Wenn sich die Waͤrme in dem Gemenge von schwefelsaurem Kupfer und Kohlenstoff
rasch fortpflanzen wuͤrde, waͤre es gleichguͤltig, ob man es
maͤßig oder stark erhizt, denn das Resultat muͤßte dasselbe seyn. Das
Gemenge muß aber, um eine hohe Temperatur erreichen zu koͤnnen, vorher auf
eine niedrigere kommen, naͤmlich auf diejenige, welche metallisches Kupfer
und gleiche Volume schweflicher Saͤure und Kohlensaͤure lieferte; bei
einem innigen Gemenge von schwefelsaurem Kupfer und Kohlenstoff waͤre also die Reaction im Augenblike
eine vollstaͤndige, wenn es ein guter Waͤrmeleiter waͤre; es
wuͤrde sich aller Schwefel als schwefliche Saͤure entbinden und eine
staͤrkere Hize koͤnnte dann weiter nichts bewirken. Da aber die Hize,
obgleich stark, doch nur langsam und von Schichte zu Schichte in dasselbe eindringt,
so wird die erste oder aͤußerste Schichte vor den anderen zersezt, und wenn
die zweite Schichte zur Zersezung gelangt, hat sie die erste schon
uͤberschritten; das schweflichsaure Gas, welches die zweite hervorbringt,
kommt also bei erhoͤhter Temperatur mit metallischem Kupfer und Kohlenstoff
zusammen, und wird in Folge der Verwandtschaft des Schwefels zum Kupfer und des
Sauerstoffs zum Kohlenstoff zersezt; das schwefelsaure Salz zersezt sich also nach
und nach von Schichte zu Schichte und verwandelt sich in ein einfaches oder
basisches Sulfurid. Wenn man dieses Resultat erzielen will, ist es aber eine
wesentliche Bedingung, das Gemenge rasch und stark zu erhizen, damit es nicht Zeit
hat, seinen Schwefel als schwefliche Saͤure zu verlieren, was jedenfalls
geschaͤhe, wenn es einige Zeit auf der Temperatur bliebe, welche die
Schwefelsaͤure, aber nicht die schwefliche Saͤure zersezt.Dieß erklaͤrt eine Beobachtung von Berthier, daß naͤmlich schwefelsaures Zink, wenn es in einem
Tiegel mit Kohle zu Sulfurid reducirt wird, einen betraͤchtlichen
Gewichtsverlust erleidet.A. d. O.
Findet hingegen eine starke Verwandtschaft zwischen der Schwefelsaͤure und dem
Oxyd Statt, was bei den schwefelsauren Alkalien der Fall ist, so fallen die beiden
Temperaturen, wovon die eine die Schwefelsaͤure und die andere die
schwefliche Saͤure zersezt, zusammen und man erhaͤlt unmittelbar ein
Oxydsulfurid, wenn die Temperatur die weiße Rothgluͤhhize nicht
uͤberschreitet, oder ein Monosulfurid, wenn sie zur Weißgluͤhhize
gesteigert wird.
Schwefelsaures Silber. Es zersezt sich schon bei einer
sehr dunklen Rothgluͤhhize. Die Gasarten, welche sich vom Anfang bis zum Ende
der Operation entbinden, sind ein Gemisch von schweflicher Saͤure und
Kohlensaͤure zu gleichen Volumen. Der Ruͤkstand ist folglich
metallisches Silber.
Schwefelsaures Queksilber. Es zersezte sich noch leichter
als das schwefelsaure Silber. Die schwefliche Saͤure und die
Kohlensaͤure blieben immer zu gleichen Volumen. Das Queksilber wurde
reducirt.
Man sieht aus den angefuͤhrten Versuchen, wie wichtig es ist bei chemischen
Operationen, die bei ungleichen Temperaturen verschiedene Resultate geben
koͤnnen, die Hize auf dem Grade, welcher irgend eine Wirkung hervorbringt, so
lange constant zu erhalten, bis diese Wirkung aufhoͤrt. Ohne diese Vorsicht gelangt man
zu verworrenen Resultaten, welche keine sichere Anwendung gestatten.