Titel: | Ueber Brunnenfilz; von Hrn. Lütcke. |
Autor: | Luetcke |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LIV., S. 222 |
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LIV.
Ueber Brunnenfilz; von Hrn. Luͤtcke.
Luͤtcke, uͤber Brunnenfilz.
In den Brennereien und Brauereien ist es bereits uͤber 40 Jahre
uͤblich, die Kolbenstangen der Brunnen, mittelst welcher die heißen
Fluͤssigleiten gepumpt werden, statt mit Leder, mit Filz zu verliedern, weil
keine Ledersorte vorhanden ist, welche sich nicht durch heißes oder siedendes Wasser
in ihrer Natur veraͤndert; Leder wird in kurzer Zeit lappig,
veraͤndert nach dem Kaltwerden Natur und Form, und wird fuͤr die
geforderten Leistungen ganz unbrauchbar. Nachdem ein solches Leder seine Trokenheit
wieder erreicht hat, vermißt man dessen Elasticitaͤt, und es laͤßt
sich zu nichts mehr als hoͤchstens zum Leimkochen oder zum Verbrennen
anwenden.
So lange man keinen bessern Stellvertreter fuͤr das Leder kannte, mußten die
Kolbenstangen bei jedem nothwendig werdenden Gebrauche dieser Brunnen aufs Neue
verliedert werden, was neben der Kostspieligkeit mancherlei Unbequemlichkeit
herbeifuͤhrte. Man kam daher auf den Gedanken, Filz an die Stelle des Leders
fuͤr diesen Zwek zu sezen. Wenn gleich nun die ersten zum Verliedern der
Kolbenstangen gewaͤhlten Filzsorten noch Manches zu wuͤnschen
uͤbrig ließen, so wurde dennoch bemerklich, daß Filz von schlechter
Qualitaͤt besser fuͤr den zu erreichenden Zwek sey, als gutes Leder.
Man suchte mit der Zeit dem Filze, dem Beduͤrfnisse nach, mehr entsprechende
Eigenschaften zu geben, auch ihn eben so dik als das Leder, welches zum gedachten
Gebrauche angewendet wurde, und moͤglichst fest anzufertigen. Dessen
ungeachtet blieb fuͤr diesen Zweig der Filzfabrication noch Manches zu
wuͤnschen uͤbrig, und fuͤhlte ich mich dadurch aufgefordert,
den Gegenstand zu verfolgen, und Versuche zur Erreichung der groͤßten
Vollkommenheit anzustellen. Die bereits in den Jahren 1824 und 25 zulezt angewendete
Verfahrungsweise befriedigte meine Wuͤnsche, und ich verfertigte Filztafeln,
welche ohne alle Spur von Appretur eine Festigkeit und Dichtigkeit erhielten, wie
sich keine Fabrik des
In- und Auslandes ruͤhmen konnte, dieselben in gleicher
Qualitaͤt geliefert zu haben.
Ich mache hiemit die Methode bekannt, auf welche Weise ich dergleichen verfertigte,
damit Hutfabrikanten danach arbeiten koͤnnen, und daraus ein Nuzen
fuͤr aͤhnliche Gegenstaͤnde gezogen werden moͤge.
Nach der Wollschur suchte ich von 20 bis 30 Dominien kurze, spanische, veredelte und
feine Laͤmmerwollen zu kaufen; je mehr und verschiedenartiger die Abstufungen
unter diesen Wollen waren, je gelungener zeigten sich die Resultate. Mittelst
Heugabeln wurden die Wollen so gut als moͤglich unter einander gemischt, in
ein bis zum Siedepunkte erhiztes Bad gebracht, welches aus 7/8 abgestandenem Urine
und 1/8 Flußwasser bestand, worin die Wolle etwa eine Stunde ruhen mußte, damit sich
die ihr beiwohnenden Fetttheile loͤsen konnten; darauf in dichtgeflochtenen
Koͤrben in, wo moͤglich, fließendem Wasser gewaschen, welches am
besten durch eine mit langen Zaͤhnen versehene Harke geschieht, und damit so
lange fortgefahren, bis das Wasser nicht mehr truͤbe aus dem Korbe abfließt.
Ist dieß geschehen, so wird das Wasser aus der Wolle moͤglichst entfernt,
welches dadurch erreicht wird, daß man jedes Mal einige Haͤnde voll in ein
starkes, leinenes Tuch einschlaͤgt, und wie Waͤsche ausringt, wenn
keine Presse dazu angewendet werden kann. Hierauf wird dieselbe auf Horden, reiner
Erde, oder Fußboden, nicht zu viel uͤber einander aufgelegt, gleichartig
ausgebreitet, und an einem schattigen Orte so schnell als moͤglich getroknet.
Hat nun das ganze Quantum Wolle die vollkommene Trokenheit erreichte so wird sie ein
oder zwei Mal gewolft, je nachdem man die Mengung als hinreichend betrachten darf;
hierauf kann sie, um Raum zu gewinnen, eingesakt und nach Belieben aufgehoben, oder
nach dem Beduͤrfnisse zum Verbrauche bestimmt werden. Das Wolfen dient
besonders dazu, um Sand und Staubtheile von der Wolle zu entfernen, und eine recht
innige Vermengung aller Wollsorten zu bewirken, gleichzeitig aber auch, sie zum
Streichen oder Krazen vorzubereiten.
Dieß kann nun entweder mit feinen Handstreichen oder Kaͤmmen, noch besser auf
Streichmaschinen geschehen, welche vorher vollkommen gereinigt und von allem Oehl
und Fett befreit sind. Daß Wolle, welche zu einem gleich und eben gearbeiteten Filz
verwendet werden soll, klar gestrichen seyn muß, versteht sich von selbst, ebenso,
daß man jedes Fett und Oehl daraus entfernt halten muß, weil das Fachen der Wolle
durch Beimischung von schmierigen Substanzen ganz unmoͤglich wird.
Von dieser so vorbereiteten Wolle nimmt man zur Verfertigung einer Filztafel 1 Pfd.
24 Loth, und 16 bis 24 Loth feine juͤtlaͤndische, oder daͤnische
Laͤmmerwolle (unter der lezteren Bezeichnung ist diese Wolle am meisten
bekannt). Es versteht sich von selbst, daß auch diese klar vorgestrichen seyn muß.
Beide Sorten werden nun mittelst des Fachbogens so vollstaͤndig als
moͤglich gelaͤutert und hierauf die Fache formirt, welche etwa die
doppelte Laͤnge und etwas weniger als die doppelte Breite haben
muͤssen. Die Groͤße der zu machenden Fache haͤngt von der Kraft
der Wolle ab, sich in der Walke zusammenzuziehen, und wuͤrde die
Groͤße der Fachlagen danach abgeaͤndert werden muͤssen. Sind
die Fachlagen oder Fache gemacht, so werden sie auf die gewoͤhnliche Weise,
jedoch nicht zu naß, gefilzt, weil sonst beim Zusammenfilzen der einzelnen Fache die
Verbindung aufgehoben wird, und das sogenannte Beuteln entsteht, welches nur zu
leicht bei starkem Filzen zu fuͤrchten ist.
Die Methode, welche man bei Anfertigung von Platten geringerer Staͤrke
anwendet, naͤmlich den Fachen einen muffenfoͤrmigen Aufschluß zu
geben, kann bei der Fabrication der Brunnenfilze nicht ausgeuͤbt werden, weil
jene in doppelter Lage gewalkt, diese aber schon einfach zu bearbeiten einen nicht
geringen Kraftaufwand erfordern.
Ist der Filz durch mehrere, etwa durch vier Fache, zu einem ganzen Koͤrper
gebildet, und ist eine gehoͤrige Anzahl so weit vorbereitet, so wird ein
jeder einzelne Filz kreuzweis zusammengebogen, in einen groben leinenen Lappen
eingebunden, und mittelst Bindfaden befestigt, daß der Lappen nicht aufgehen kann.
Ist auch dieß geschehen, so werden die Filze in den zum Kochen bestimmten Kessel
eingepakt, dessen Seitenwaͤnde und Boden vorher mit duͤnn
ausgebreitetem Stroh belegt sind, damit die in kappen eingeschlagenen Filze nicht
unmittelbar mit dem Metalle des Kessels in Beruͤhrung treten, die sie
umgebende Fluͤssigkeit uͤberall circuliren und die Filze
umspuͤlen kann.
Sind die Filze dergestalt eingelegt, so wird so viel groͤßten Theils
abgestandener Urin, mit wenigem Wasser versezt, darauf gegossen, und der Kessel so
weit damit angefuͤllt, daß das ganze Eingelegte unter der Oberflaͤche
der Fluͤssigkeit gehalten werden kann, zu welchem Ende denn auch die Filze
durch einen vergatterten Dekel, welcher beschwert wird, niedergehalten werden. Ehe
die Filze auf diese Weise zusammengedruͤkt worden sind, muß von der
Fluͤssigkeit in den Kessel gegossen und Feuer darunter gebracht, auch darauf
gesehen werden, daß die Fluͤssigkeit durch alle Theile eingedrungen ist. Dann
muß das Feuer so weit verstaͤrkt und unterhalten werden, daß von diesem
Zeitpunkte ab das Ganze wenigstens 12 Stunden in gleichmaͤßigem Kochen
erhalten wird. Die verdampfte Fluͤssigkeit muß durch gleichartige, nach
Maaßgabe der Verdampfung, ersezt werden.
Nach beendigtem Kochen werden die Filze herausgenommen, man laͤßt die
Fluͤssigkeit ablaufen, die Filze, nachdem man sie aus ihren
Umschlaͤgen herausgenommen und an einem luftigen Orte aufgehaͤngt hat,
allmaͤhlich abkuͤhlen, wo sie so wenig weder von Frost noch von
Sonnenschein getroffen werden. Koͤnnen die Filze nicht bald gewallt werden,
so haͤngt man sie einzeln auf Stangen oder Leinen, bis eine
vollstaͤndige Trokenheit bemerklich geworden ist; im trokenen Zustande
koͤnnen sie aufbewahrt und zu einer beliebigen Zeit der Walke unterworfen
werden. Vor der Walke muß indeß das Sonnenlicht vermieden werden.
Das Walken wird durch Menschenhaͤnde, wie bei anderem Filze, verrichtet, und
wird dabei das Fluß- und Regenwasser dem Brunnen- und Quellwasser
vorgezogen, weil die Erfahrung bestaͤtigt, daß diese durch die darin im
aufgeloͤsten Zustande enthaltenen Salze dem Walken und der
Contractilitaͤt der Wolle entgegen sind. Das Wasser, worin gewalkt werden
soll, wird zuvor mit etwa einem Zehntel seines Volumens Essig- oder Weinhefe
geschwaͤngert; mangelt diese, so nimmt man an deren Stelle ungefaͤhr
das Doppelte von Branntweintrank.
Das Walken muß moͤglichst hinter einander, in der lezten Stunde mit
groͤßtem Kraftaufwands, beim Gebrauche eines Rollstokes und mit Handledern
geschehen, waͤhrend das Wasser stets im Sieden erhalten werden muß. Die Walke
wird bis zu dem Zeitpunkte fortgesezt, wo dem Arbeiter bemerklich wird, daß der Filz
nicht mehr zusammengeht oder einkruͤmpft. Dieser Zeitpunkt darf nicht
uͤberschritten werden, weil sonst zu befuͤrchten ist, daß die inneren
Theile des Filzes sich entkraͤften, matt und weich werden, was besonders bei
diesem Artikel vermieden werden muß.
Nach Vollendung der Walke wird der Filz mehrere Male, mittelst eines sogenannten
Streichholzes von festem Holze, in reines Wasser getaucht, durch das Streichholz das
Wasser wieder daraus entfernt und damit fortgefahren, bis man sieht, daß das
Walkwasser rein herausgestrichen ist. Hienach wird der Filz beliebig, entweder in
einer Trokenstube, oder sonst in warmer Luft getroknet, und es kommt jezt nicht mehr
darauf an, ob hiezu das Sonnenlicht benuzt wird oder nicht, da die Sonnenstrahlen
nach der Walke nicht mehr zu fuͤrchten sind. Hat nun der Filz oder die Tafel
eine vollkommene Trokenheit gewonnen, so wird die Oberflaͤche, mittelst eines
Reibe- oder Bimssteines, von ihren rauhen vorstehenden Wollfasern befreit,
und um derselben ein glattes Ansehen zu geben, mit einem heißen Buͤgeleisen
gebuͤgelt.
Es ist diese Manipulation die lezte, welche erforderlich ist, um die hoͤchste Anforderung,
welche fuͤr das Beduͤrfniß noͤthig ist, erreicht zu sehen, und
es werden die Eigenschaften erzielt, wenn die gegebene Vorschrift von einem
tuͤchtigen und kraͤftigen Arbeiter befolgt wird. (Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1837. 2te Lieferung.)