Titel: | Ueber den Einfluß der Witterung auf den Weinbau. Von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LV., S. 226 |
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LV.
Ueber den Einfluß der Witterung auf den Weinbau.
Von Hrn. Boussingault.Dieser Artikel dient zur Ergaͤnzung dessen, was wir in diesem Bande des
Polyt. Journals S. 78 in einer Miszelle mittheilten. Wir kommen hierauf
zuruͤk, weil uns die Beobachtungen des Hrn. Boussingault, wenn sie auch nur an einem einzelnen Orte angestellt
wurden, doch von großem Interesse fuͤr die Weinbergsbesizer, noch mehr
aber fuͤr jene zu seyn scheinen, die neue Weingarten anzulegen gesonnen
sind.A. d. R.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Februar
1837, S. 174.
Boussingault, uͤber Einfluß der Witterung auf den
Weinbau.
Es gibt wenige Kulturen, auf welche der Witterungseinfluß so groß ist, wie auf den
Weinbau; und wenn schon die am guͤnstigsten gelegenen Weingarten selten
mehrere Jahre nach einander gleich gute Weine liefern, so sind die Producte an den
Graͤnzen der zum Weinbaue geeigneten Klimate noch schwankender. Dieser
Einfluß bedingt daher eine fuͤr die Landwirthschaft hoͤchst wichtige
meteorologische Frage, zu deren Loͤsung einerseits zahlreiche meteorologische
Beobachtungen und andererseits positive Angaben uͤber die Producte eines und
desselben gut kultivirten Weingartens noͤthig sind. Ich bediente mich, um zu
den Resultaten, die ich hier vorlege, zu gelangen, in erster Hinsicht der
Beobachtungen des Hrn. Prof. Herrenschneider; und in
lezterer der Daten, welcher mir der meiner Familie angehoͤrige Schmalzberg
lieferte.
Die Weinpflanzung am Schmalzberge ist gut gelegen; ihre Kultur wird sehr
sorgfaͤltig betrieben, und die Weinbereitung geschieht immer nach einem und
demselben Verfahren. Ich habe die Bestimmung des Gehaltes der verschiedenen, in den
lezten Jahren gekelterten Weine an absolutem Alkohol auf eine solche Genauigkeit
getrieben, daß ich angeben kann, wie viel eine bestimmte Bodenflaͤche
jaͤhrlich an Alkohol lieferte. Ich werde meine Arbeiten fortsezen; allein
schon dermalen duͤrften sie den Landwirth und Meteorologen interessiren und
zu aͤhnlichen Beobachtungen an anderen Orten auffordern.
Meine Weinpflanzung ist gegen Norden und Osten durch einen Wald geschuͤzt und
bildet einen suͤdlichen Abhang, dessen kultivirter Theil nicht mehr als
146,47 Aren betraͤgt. Der Boden ist thonigkalkig, ziemlich loker, und
enthaͤlt Thon, rothen eisenschuͤssigen Sand und sehr kleine
Kalkgeschiebe. Er enthaͤlt 8530 Stoͤke, worunter von
franzoͤsischen Reben rother Pineau, rother Noirin, rother Morillon, weißer
Sauvignon; von rheinischen Reben weißer Raßlinger, goldener Raßlinger, Traminer und
Roulander, und endlich etwas Tokayer.
Die Pflanzung ward im Jahre 1818 angelegt, wobei der Boden 0,7 Meter tief
umgestuͤrzt und jedem Stoke 39 Kubikdecimeter Raum gegeben wurde. Man
waͤhlte anfangs Reben aus der Gegend von Perpignan, die zwar uͤppig
wuchsen, aber nie ihre Trauben zur Reife brachten, so daß man gezwungen war, sie im
Jahre 1822 durch die angedeuteten Sorten zu ersezen. Die Kultur wird an
Gelaͤndern von 1,3 Meter Hoͤhe vorgenommen; vielleicht waͤre
eine geringere Hoͤhe, wie man ihnen z.B. in einigen Gegenden der Pfalz gibt,
vorzuziehen gewesen; denn man hat uͤberall die Bemerkung gemacht, daß die
Trauben um so schneller reifen, je naͤher sie sich am Boden befinden. Der
Schnitt wird im Maͤrz und April, wenn man sich vor Froͤsten sicher
haͤlt, vorgenommen; im Julius werden die Ranken befestigt, im August
begaͤtet, und nach Formirung der Traube ausgebrochen. Die Lese faͤllt
gewoͤhnlich im Oktober; dabei wird an Ort und Stelle gekeltert und die
zertretenen Trauben bringt man in die Huͤtten, um sie nach begonnener
Gaͤhrung zu pressen. Das Mark wird in großen Behaͤltern gegen den
Zutritt der Luft verwahrt, und den Winter uͤber destillirt.
Vom Jahre 1825 an gab die Weinpflanzung am Schmalzberge folgenden Ertrag.
Jahrgang
1825
11
Hectoliter.
–
1826
32
–
–
1827
0
Der Frost zerstoͤrte Alles.
–
1828
25
–
–
1829
9
–
–
1830
0
Gaͤnzliches Mißrathen.
–
1831
24,5
–
–
1832
33,5
–
–
1833
49,75
–
–
1834
66
–
–
1835
100
–
–
1836
87
–
Zur Bestimmung des Weingeistgehaltes schlug ich folgendes Verfahren ein. Ich
destillirte 280 Kubikcentimeter Wein, und wenn 1/3 hievon uͤbergegangen war,
und er eine Temperatur von 15° C. erlangt hatte, so senkte ich Gay-Lussac's Alkoholmesser ein. Indem ich dann die
von dem Instrumente angegebene Zahl mit 3 theilte, erhielt ich das Volumen absoluten
Alkohols, welches in dem dem Versuche unterworfenen Weine enthalten war.
Ich habe die vom Jahre 1833 bis zum Jahre 1836 gekelterten Weine untersucht und mit
den Witterungsbeobachtungen verglichen, und kam dabei zu folgenden Resultaten.
Jahr 1833. Unguͤnstige Lese eines sehr schlechten
Weines. 280 Kubikcentimeter gaben bei der Destillation 93,33 Kubikcentim., welche am
Alkoholmesser 15° andeuteten. Der absolute Alkohol betrug daher dem Volumen
nach 0,05. Am Schmalzberge beginnt der Rebstok am 1. April zu vegetiren; die Lese
begann am 26. Oktober. Die meteorologischen Beobachtungen zeigten:
Textabbildung Bd. 65, S. 227
Mittlere Temperatur in Centigraden;
Tage; Regen in Centimetern; Hygrometer nach Saussure; Im April; Mai; Junius;
Julius; August; September; Oktober
Mithin betrug die ganze Kultur 208 Tage; die mittlere Temperatur waͤhrend
derselben 14,7°; die mittlere Temperatur des Sommers 17,3°; die
mittlere Temperatur des Anfanges des Herbstes 11,4°. Der mittlere
hydrometrische Zustand der Luft waͤhrend der Kultur betrug 76°;
waͤhrend der Kultur fielen 45,9 Kubikcentim. Regen; vor der Bluͤthe,
welche auf das Ende Mai fiel, 11,2 Kubikcent.; am Anfange des Herbstes 12,8
Kubikcent.
Jahr 1834. Die Lese begann am 29. September, und gab
einen vortrefflichen Wein. 280 Kubikcent. gaben bei der Destillation 93,33
Kubikcent., welche am Alkoholmesser 33,7° zeigten. Der absolute Alkohol war
daher dem Volumen nach = 0,112.
Textabbildung Bd. 65, S. 227
Mittlere Temperatur in Centigraden;
Tage; Regen in Centimetern; Hygrometer; Im April; Mai; Junius; Julius; August;
September
Die Dauer der Kultur betrug also 181 Tage; die mittlere Temperatur waͤhrend
derselben 17,3°; jene des Sommers 20,3°; jene des Herbstanfanges
17,0°. Der mittlere hygrometrische Zustand waͤhrend der Kultur war
73,5; waͤhrend derselben fielen 35,2 Kubikcent. Regen; vor der Bluͤthe
4,2, am Anfange des Herbstes 2,8 Kubikcent.
Jahr 1835. Die am 10. Oktober begonnene Lese gab
reichlichen Wein von ziemlich guter Qualitaͤt. 280 Kubikcent. der
Destillation unterworfen lieferten 93,33 Kubikcent., welche 24°,3 zeigten,
wonach das Volumen des Alkohols = 0,081.
Textabbildung Bd. 65, S. 228
Mittlere Temperatur in Centigraden;
Tage; Regen in Centimetern; Hygrometer; Im April; Mai; Junius; Julius; August;
September; Oktober
Dauer der Kultur 192 Tage; mittlere Temperatur waͤhrend derselben
15,8°; waͤhrend des Sommers 19,5°; waͤhrend des
Herbstanfanges 12,3°. Mittlerer hygrometrischer Zustand der Luft
waͤhrend der Kultur 72°. Gefallener Regen waͤhrend der Kultur
24,5, vor der Bluͤthe 6,9; am Anfange des Herbstes 5,7 Kubikcent.
Jahr 1836. Die am 19. Oktober begonnene Lese gab
reichlichen Wein von mittlerer Qualitaͤt. 280 Kubikcent. lieferten bei der
Destillation 93,33 Kubikcent., welche am Alkoholmesser 21,3° zeigten. Der
Alkohol war also = 0,071.
Textabbildung Bd. 65, S. 228
Mittlere Temperatur in Centigraden;
Tage; Regen in Centimetern; Hygrometer; Im April; Mai; Junius; Julius; August;
September; Oktober
Dauer der Kultur 201 Tage; mittlere Temperatur waͤhrend derselben 15,8,
waͤhrend des Sommers 21,5, waͤhrend des Herbstanfanges 12,3. Mittlerer
hygrometrischer Zustand der Luft waͤhrend der Kultur 74°. Gefallener
Regen waͤhrend der Kultur 24,5, vor der Bluͤthe 8,4; am Anfange des
Herbstes 10,4 Kubikcent.
Eine Zusammenstellung dieser Details liefert die am Schluͤsse beigegebene
Tabelle. Untersucht man hienach, welche meteorologischen Verhaͤltnisse den
meisten Einfluß auf die Qualitaͤt des Weines zeigten, so ergibt sich
zuvoͤrderst, daß die mittlere Temperatur waͤhrend der ganzen Dauer der
Kultur obenan steht; denn die mittlere Temperatur jenes Jahrganges, der den
geistigsten Wein gab, betrug 17,0°C. waͤhrend sie im Jahre 1833, wo der Wein so
mittelmaͤßig war, nur auf 14,7° stieg.
Ein heißer Sommer beguͤnstigt die Vegetation der Rebe von Natur aus. Im Jahre
1833 stieg die mittlere Temperatur des Sommers nicht uͤber 17 1/2°;
waͤhrend sie in den uͤbrigen Jahren nicht sehr verschieden war, und
sich meistens 20° annaͤherte. Dessen ungeachtet entspricht aber dem
heißesten Sommer keineswegs der geistigste Wein; denn zum vollkommenen Reifen der
Trauben muß auch noch der Anfang des Herbstes eine milde Temperatur haben. Es
erhellt aus einem Blike auf die Tabelle, daß der September 1834 eine Temperatur von
17° C. hatte, waͤhrend seine Temperatur im Jahre 1833 nur 11
1/2° C. betrug.
Was die Quantitaͤt des waͤhrend der Kultur gefallenen Regens betrifft,
so scheint diese auf die Qualitaͤt der Weine keinen merklichen Einfluß zu
haben, wohl aber auf dessen Quantitaͤt: jedoch so, daß das trokenste Jahr
mehr Wein gab, als das naͤsseste. Untersucht man den Einfluß der Vertheilung
des Regens waͤhrend der Kultur, so ergibt sich, daß in guten Jahren vor der
Bluͤthe des Rebstokes weniger Regen fiel, als in schlechten oder
mittelmaͤßigen; auch zeigt sich, daß jene Jahrgaͤnge, in denen es in
der der Lese zunaͤchst liegenden Zeit am wenigsten regnete, die geistigsten
Weine gaben.
Umgeht man von den vier hier abgehandelten Jahren den Jahrgang 1833, der ganz
schlecht war, so kann man annehmen, daß die meteorologischen Umstaͤnde mehr
auf die Qualitaͤt der Weine, als auf die Totalquantitaͤt des erzeugten
Alkohols wirkten. So enthaͤlt der im Jahre 1836 gezogene Wein, obschon er dem
im Jahre 1834 gekelterten an Guͤte weit nachsteht, doch eine staͤrkere
Totalsumme Alkohols. Die in den Jahren 1834, 35 und 36 erzielten Quantitaͤten
Weingeist sind beinahe gleich; sie betragen naͤmlich 5 bis 6 Hectoliter per Hectare.
Die waͤhrend der Dauer der Weinkultur herrschende Temperatur haͤngt
großen Theils von der Hize des Sommers ab. Im Elsaß muß, wenn das Jahr
guͤnstig seyn soll, die Temperatur des Sommers 2 oder 3° uͤber
seiner mittleren Temperatur, welche von Hrn. Herrenschneider auf 17,8° Cels. berechnet ist, betragen. Unter
solchen Umstaͤnden kann daher der Weinbau nicht sehr vorteilhaft seyn; ja er
muͤßte sogar als ganz ungeeignet betrachtet werden, wenn der Werth des Weines
nicht in einem weit rascheren Verhaͤltnisse stiege als dessen
Qualitaͤt, so daß ein guͤnstiger Jahrgang oft fuͤr mehrere
unguͤnstige entschaͤdigt.
Im Elsaß muß die mittlere Temperatur waͤhrend der Dauer der Weinkultur
uͤber 16° C. betragen, wenn der Wein von ertraͤglicher
Qualitaͤt werden soll; im Jahre 1833, wo diese Temperatur nicht ein Mal
15°C. erreichte, war der Wein daher auch aͤußerst schlecht. Noch
schlechtere Resultate sind in allen jenen Gegenden zu erwarten, wo die mittlere
Temperatur nicht ein Mal diesen Grad erreicht. Dieß ist z.B. im Dept. de la Seine der Fall, wo ungeachtet die mittlere
Temperatur des ganzen Jahres eine hoͤhere ist, auf die Dauer der Weinkultur
doch kaum eine mittlere Waͤrme von 14,5° kommt. Unter solchen
Umstaͤnden ist es offenbar unmoͤglich, Weine von guter Qualitaͤt zu erzielen;
und selbst wenn die mittlere Temperatur in guͤnstigen Jahren auf 15 oder
16° stiege, wuͤrde der daselbst gewonnene Wein doch immer noch kaum
besser seyn, als jener, der am Rheine in den schlechtesten Jahrgaͤngen
waͤchst.
Textabbildung Bd. 65, S. 230
April; Okt.; Sept.; Tage; Centes.;
Centim.; Hectol.; Jahrgaͤnge; Zeit des Beginnens der Vegetation; Zeit der
Weinlese; Dauer der Kultur; Mittlere Temperatur waͤhrend der Kultur;
Mittlere Temperatur waͤhrend der Sommers; Mittlere Temperatur des
Herbstanfanges; Hygrometer nach Saussure; Waͤhrend der Kultur gefallener
Regen; Vor der Bluͤthe gefallener Regen; Am Beginne des Herbstes
gefallener Regen; Gewonnener Wein; Gehalt an Alkohol; Summe des im Weine
enthaltenen Alkohols; Ertrag an Alkohol per Hectare Landes