Titel: | Bericht über die schmelzbaren Scheiben und die Sicherheitsventile der Dampfkessel. Erstattet im Namen des Ausschusses für Mechanik von Hrn. Emil Köchlin. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LVIII., S. 242 |
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LVIII.
Bericht uͤber die schmelzbaren Scheiben
und die Sicherheitsventile der Dampfkessel. Erstattet im Namen des Ausschusses
fuͤr Mechanik von Hrn. Emil
Koͤchlin.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhausen, No. 48.
Koͤchlin, uͤber die Sicherheitsventile der
Dampfkessel.
Die HH. Kiener in Colmar erhielten kuͤrzlich in
Folge eines Besuches, den der mit Beaufsichtigung der Dampfmaschinen im Departement
beauftragte Bergingenieur in ihrer Fabrik machte, vom Praͤfecten des
Oberrheins den Auftrag verschiedene Veraͤnderungen an ihren Dampfkesseln und
den dazu gehoͤrigen Gebaͤuden vorzunehmen, und dadurch den
uͤber die Dampfmaschinen in Frankreich bestehenden Verordnungen nachzukommen.
Aehnliche Zumuthungen wurden auch anderen Fabriken gemacht, da sich beinahe alle in
gleichem Verhaͤltnisse befinden.
Da nun gerade dermalen eine von der Akademie in Paris erwaͤhlte Commission auf
Antrag des Ministeriums mit Untersuchung der Frage in Betreff der schmelzbaren
Scheiben beschaͤftigt ist; da gegen die Anwendung dieser Scheiben mehrere
Aufsaͤze eingesandt wurden; da namentlich Hr. Clarcke, Offizier beim Marine-Genie-Corps, im Namen einer in
Toulon niedergesezten Commission die Anwendung der schmelzbaren Scheiben auf den
Dampfbooten fuͤr sehr gefaͤhrlich erklaͤrte, so hat die
Gesellschaft beschlossen: in Erwartung des Berichtes der Akademie den Hrn.
Praͤfecten zu bitten, den Vollzug seiner Befehle zu verschieben, und sich
mittlerweile von dem Ausschuͤsse, den die Gesellschaft fuͤr das Gebiet
der Mechanik niedergesezt hat, einen Bericht uͤber die Nachtheile, welche aus
diesem Vollzuge und uͤberhaupt aus einer strengen Anwendung der uͤber
die Dampfmaschinen bestehenden Verordnungen erwachsen koͤnnten, erstatten zu
lassen.
Der Ausschuß glaubte in dieser Beziehung nicht bloß, die verordneten
Sicherheitsmaßregeln, sondern vergleichsweise auch alle uͤbrigen ihm
bekannten Mittel pruͤfen zu muͤssen, um jene zu empfehlen, die ihm als
die wirksamsten erscheinen. Denn es genuͤgt nicht die
Unzulaͤnglichkeit der Verordnungen nachzuweisen; man muß zugleich erforschen,
wie den Maͤngeln abgeholfen werden kann. Jedermann fuͤhlt die
Nothwendigkeit einer amtlichen Beaufsichtigung der Dampfmaschinen, aus deren
Explosionen so großes Unheil erwachsen kann. Es muͤssen Verordnungen
uͤber die Sicherheitsmittel, womit diese Maschinen versehen werden
muͤssen, bestehen; und jeder aufgeklaͤrte Fabrikant wird nicht nur
diese Mittel, sondern auch alle uͤbrigen ihm bekannten, selbst wenn sie
nicht amtlich geboten sind, anzuwenden und zu vervollkommnen trachten, wenn sie sich
mit der Erfahrung vertragen, und wenn sie praktisch anwendbar sind; d.h. wenn sie
die Gefahr beseitigen, ohne dadurch die Apparate zu hindern so vorteilhaft als
moͤglich zu arbeiten. Ohne diese Bedingungen werden alle Formalitaͤten
und Verordnungen umgangen werden: ein Beispiel hiefuͤr geben unsere
dermaligen Verordnungen, welche, wie Jedermann einsieht, ihrem Zwek nicht
entsprechen, und welche, wenn man auf deren Ausfuͤhrung dringen
wuͤrde, viele Fabrikanten zwingen wuͤrden ihre Fabriken zu schließen
und Taufende von Arbeitern brodlos zu machen.
Nach einer Verordnung vom 29. Oktober 1823 §. 2 sind die Chefs der Fabriken
gehalten in den Autorisationsgesuchen zu erklaͤren, unter welchem Druke ihre
Maschinen gewoͤhnlich zu arbeiten haben; dieser officiell angegebene Druk
darf nicht uͤberschritten werden, und ist entweder nach Atmosphaͤren,
oder nach der Zahl der Kilogramme per Quadratcentimeter
Oberflaͤche anzugeben.
Hiegegen muͤssen wir bemerken, daß es fuͤr den Fabrikanten sehr schwer
ist, im Voraus genau den Druk zu bestimmen, dem sein Dampfkessel ausgesezt werden
wird. Wir sehen z.B. in unseren Spinnereien haͤufig, daß der in den Kesseln
der Pumpen von mittlerem und hohem Druke noͤthige Druk von einem Tage zum
anderen und von einer Woche zur anderen, je nach dem Grade der Feuchtigkeit und der
Temperatur der Luft, nach der Thaͤtigkeit der Arbeiter, nach der
Veraͤnderung der Nummern, welche gesponnen werden, um eine halbe, ja selbst
um eine ganze Atmosphaͤre wechselt. Andererseits kommt es haͤufig vor,
daß ein Fabrikant sich eine Maschine anschafft, deren Kraft er anfangs nicht ganz
braucht, waͤhrend er spaͤter ihrer ganzen Kraft und sogar manchmal
noch daruͤber bedarf. Ein solcher Wechsel ist namentlich an jenen
Dampfmaschinen haͤufig, die zur Unterstuͤzung einer Wasserkraft zu
dienen haben. In einem solchen Falle kann es leicht kommen, daß die
Sicherheitsventile, die schmelzbaren Scheiben etc., welche die Verordnungen
vorschreiben, fuͤr 5 und 6 Atmosphaͤren berechnet sind,
waͤhrend man nur unter einem Druke von zweien zu arbeiten hat. Wir werden
spaͤter zeigen, daß, wenn der Kessel in diesem Falle mit keinen anderen
Vorkehrungen als den vorgeschriebenen ausgestattet ist, diese Mittel den meisten
Explosionen durchaus auf keine wirksame Weise vorbeugen werden.
Nach derselben Verordnung §. 3 duͤrfen Hochdrukdampfkessel weder
verkauft, noch in irgend einer Fabrik angewendet werden, wenn deren Staͤrke
nicht vorher durch die hydraulische Presse erprobt worden ist. Jeder Kessel muß bei
der Probe einen 5 Mal groͤßeren Druk aushalten, als der ist, dem er bei dem
gewoͤhnlichen Dienste der Maschine ausgesezt ist. Nach der Probe und als
Beweis fuͤr das Resultat derselben muß jeder Kessel mit einer Marke versehen
werden, auf der in Zahlen der Grad des Drukes, fuͤr den er verfertigt worden,
angegeben ist. Die Fabrikvorstande duͤrfen keinen Kessel anwenden, dessen
Marke nicht wenigstens eine Zahl zeigt, welche einer Kraft entspricht, die der in
ihrer Deklaration angegebenen gleichkommt.
Nach der Verordnung vom 7. Mai 1828 §. 1 ist der Probedruk fuͤr Kessel
und Siederoͤhren aus Kupfer und gehaͤmmertem Eisen auf den dritten
Theil jenes Drukes, bei dem sie zu arbeiten haben, reducirt. Dieser Verordnung ist
auch eine Instruction, welche die den Dampfkesseln zu gebende Dike regulirt,
beigegeben: eine Dike, welche wegen der Oxydation und Abnuͤzung, die die
Kessel waͤhrend ihres Dienstes erleiden, immer viel staͤrker seyn muß,
als jene, welche dem verlangten Druke zu widerstehen im Stande ist. Die Dike muß
ferner auch groͤßer seyn, weil die Probe in der Kaͤlte vorgenommen
wird, waͤhrend der Kessel, wenn er arbeitet, einer hohen Temperatur ausgesezt
ist; und weil die Zaͤhigkeit des Metalles in der Hize abnimmt.
Wir haben uͤber das Probiren der Kessel mit der hydraulischen Presse nichts zu
erinnern; uͤberzeugt sind wir aber, daß die Instruction, welche die Dike
festsezt, von groͤßerem Nuzen ist, als die Probe. Denn es ist nicht
moͤglich, daß ein nach der Instruction verfertigter Kessel die Probe nicht
aushaͤlt; es waͤre denn, daß die dazu verwendeten Bleche Fehler
haͤtten, in welchem Falle die Kessel waͤhrend der Probe nachgeben
wuͤrden.
Nach der Verordnung vom 29. Oktober 1825 §. 4 muͤssen an jedem Kessel
zwei Sicherheitsventile, naͤmlich an jedem Ende des oberen Theiles des
Kessels eines, angebracht werden. Sowohl die Dimension als die Belastung muß an
beiden gleich seyn, und sich sowohl nach der Große des Kessels, als auch nach dem
auf seiner Marke angedeuteten Grade des Drukes richten, und zwar so, daß im Falle
der Dampf eine zu große Spannung bekaͤme, das Spiel eines einzigen dieser
Ventile dem Dampfe hinreichenden Ausweg gestattete.
Die Wirkung des Sicherheitsventiles muß eine solche seyn, daß, wenn in einem Kessel
der bestimmte Druk aus irgend einer Ursache, sey es durch zu starke Feuerung, sey es
durch ploͤzliches Anhalten der Maschine ohne gleichzeitige Minderung des
Feuers, hoͤher steigt, das Ventil im Verhaͤltnisse der Vermehrung
dieses Drukes emporsteigt, und unter Entweichung des Dampfes so lange offen bleibt, bis der
urspruͤngliche Druk wieder hergestellt ist. Wenn die Maschine
ploͤzlich zum Stillstehen kommt, so hat das Ventil sogar allen Dampf, der
sich in dem Kessel bildet, zu entleeren, so lange dessen Druk groͤßer ist,
als urspruͤnglich. Diese Bedingungen muß das Sicherheitsventil
erfuͤllen, wenn ihm das in der Verordnung zugestandene Vertrauen beigelegt
werden soll.
Man sieht aber taͤglich, daß das Ventil nicht bloß dann Dampf entweichen
laͤßt, wenn dieser einen hoͤheren als den berechneten Druk erreicht
hat; sondern daß, wie gut auch die Adjustirung seyn mag, selbst bei viel niedrigerem
Druk Dampf austritt. Man hat in den Fabriken unserer Stadt vielfach versucht, die
Ventile genau nur mit dem streng noͤthigen Gewichte zu beschweren; man hat
auf alle Weise versucht, dieses Gewicht bis auf jenes zu reduciren, welches sich
nach dem inneren Druke berechnet; man hat z.B. die Ventile regelmaͤßig alle 8
Tage abgedreht; man hat sie in der Meinung, daß sie sich dann besser einreiben
wuͤrden, aus verschiedenen Metalllegirungen verfertigt: Alles jedoch ohne
Erfolg. Das Ventil hielt, nachdem es frisch abgedreht worden war, einige Augenblike;
dann aber war man gezwungen dessen Belastung zu erhoͤhen, um einem
bedeutenden Verluste an Dampf vorzubeugen. Im Allgemeinen ist bekannt, daß wenn ein
Ventil ein Mal Dampf austreten laͤßt, eine hermetische Verschließung nur
durch neues Abdrehen oder durch Anwendung eines starken Uebergewichtes herzustellen
ist. Nach mehrjaͤhrigen Erfahrungen und zahlreichen fruchtlosen Versuchen
haben sich unsere Fabrikanten uͤberzeugt, daß es unmoͤglich sey sich
an die Verordnungen zu halten, und die Ventile mit keinem staͤrkeren, als dem
nach dem inneren Druke berechneten Gewichte zu belasten. Wir haben in mehreren
unserer Fabriken die wirkliche Belastung der Ventile untersucht und gefunden, daß
sich diese zu der berechneten und vorgeschriebenen wie 3 zu 2 verhaͤlt. Zu
bemerken ist hiebei, daß man die Ventile jeden Sonntag sorgfaͤltig abdreht;
und daß man zur Beifuͤgung des Uebergewichtes gezwungen war, weil sonst die
Maschine nicht haͤtte gehen koͤnnen. Denn wenn der Dampf ein Mal einen
Ausweg gefunden hat, so erweitert sich dieser immer mehr und mehr; es entsteht ein
bedeutender Verlust an Dampf, und der Maschinist weiß am Ende nicht mehr, ob dieser
von einem zu starken Druk im Kessel oder davon herruͤhrt, daß das Ventil
schlecht paßt. Es ist zwar wahr, daß der Fabrikant, um in den Schranken des Gesezes
zu bleiben, seinen Kessel bei einem Druke probiren und stempeln lassen
koͤnnte, welcher dem auf die Ventile gelegten Gewichte entspricht; allein man
kann doch nicht verlangen, daß ein Kessel, der nur unter einem Druke von 2
Atmosphaͤren arbeiten soll, eben so probirt werden soll, als wenn er fuͤr
einen Druk von 3 oder 4 Atmosphaͤren bestimme waͤre. Man
koͤnnte zwar glauben, daß auf diese Weise eine um so groͤßere
Sicherheit gegen Explosionen erzielt werden duͤrfte; dem ist jedoch, was die
haͤufigsten Explosionsursachen betrifft, nicht so, wie spaͤter gezeigt
werden soll.
Die neue, der Akademie zum Gutachten uͤbergebene Verordnung sieht diese
Unmoͤglichkeit, die Sicherheitsventile nur mit dem theoretisch nothwendigen
Gewichte zu beschweren, voraus; denn es heißt darin: „Nach den Versuchen
der Commission ist die Belastung nicht dadurch zu berechnen, daß man, wie es bei
Oberflaͤchen, die einem Druke ausgesezt sind, zu geschehen pflegt, die
Muͤndung des Ventiles zum Grunde legt; sondern man hat zu dieser
Oberflaͤche auch noch die Haͤlfte der Oberflaͤche des
Ueberschlagringes (anneau de recouvrement)
hinzuzufuͤgen.“ Wir koͤnnen uͤber den Entwurf zu
dieser Verordnung, da wir ihn nur unvollstaͤndig aus einem Journale kennen,
nicht urtheilen; einige Bemerkungen erlauben wir uns jedoch. Erstens sehen wir nicht
ab, aus welchem Grunde der Ueberschlagring mit in Berechnung kommen soll, da man
diesem bei gleicher Ventilmuͤndung eine willkuͤrliche Breite geben
kann. Wenn man ein Uebergewicht, welches aus den angegebenen Ursachen noͤthig
ist, und auch bereits uͤberall angewendet wird, gestatten will so scheint es
uns viel besser und rationeller, das theoretische Gewicht um ein Dritttheil oder um
die Haͤlfte zu erhoͤhen, je nachdem man dieß oder jenes fuͤr
geeignet haͤlt, d.h. wenn z.B. das berechnete Gewicht 12 Kilogr.
betruͤge, so waͤre dieß auf 16 oder 18 Kilogr. zu erhoͤhen. Auf
diese Weise bliebe wenigstens die Belastung immer mit dem Druke im
Verhaͤltnisse.
Der Durchmesser der Sicherheitsventile ist durch eine Verordnung vom 25. Julius 1832
bestimmt. Eine solche Verordnung war auch wirklich sehr noͤthig; denn die
Ventile wurden bis dahin im Allgemeinen zu klein gemacht. Man rechnete
gewoͤhnlich, daß bei gesteigertem Druke die ganze Ventiloͤffnung Dampf
entweichen lassen wuͤrde; waͤhrend sich doch die meisten dieser
Ventile nur sehr wenig erheben koͤnnen. Aus diesem Grunde muͤssen auch
verordnungsmaͤßig die Ventile im Allgemeinen wenigstens einen zwei Mal so
großen Durchmesser haben, als fuͤr den Fall, daß das Ventil sich ganz
oͤffnete, eigentlich noͤthig waͤre. Das Verhaͤltniß des
Durchmessers ward von einer Commission, welche Versuche in dieser Hinsicht
anzustellen hatte, bestimmt. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß diese
Arbeiten und Versuche bekannt gemacht wuͤrden, indem fuͤr die
Dampfmaschinenbauer in vielen Faͤllen ein großer Nuzen daraus erwachsen
muͤßte. Ja uͤbrigens diese Versuche nicht bekannt sind, so sind wir
auch noch nicht
uͤberzeugt, daß der doppelte Durchmesser ausreicht, um jede Vermehrung des
Drukes zu verhuͤten.
Der Durchmesser des Sicherheitsventiles haͤngt von der Groͤße des
Kessels oder vielmehr von dessen Heizoberflaͤche und von dem Stempel ab, der
die Zahl der Atmosphaͤren, fuͤr die der Kessel gebaut ist, angibt.
Wuͤrde sich das Ventil ganz oͤffnen, so haͤtte man sich der
Formel (A):
Textabbildung Bd. 65, S. 247
zu bedienen, in welcher d den
gesuchten Durchmesser, c die in Quadratmetern
ausgedruͤkte Heizoberflaͤche, und n die
Zahl des Stempels des Kessels repraͤsentirt. Da jedoch die Sicherheitsventile
einen zwei Mal groͤßeren Durchmesser haben muͤssen, so hat man die
Formel (B) in Anwendung zu bringen, nach welcher
Textabbildung Bd. 65, S. 247
Nach dieser ist auch die Tabelle fuͤr die Durchmesser,
welche der Verordnung beigegeben ist, berechnet.
Wenn die Sicherheitsventile das ihnen geschenkte Zutrauen wirklich verdienten, so
wuͤrden wir mit der fuͤr deren Durchmesser gegebenen Vorschrift ganz
einverstanden seyn; ja wir wuͤnschten sogar, daß man sich darin auf noch
weitere Details einließe. So waͤre zu verlangen, daß die Ventile, auf die ein
Hebel druͤkt, so eingerichtet seyen, daß sie so weit gehoben werden
koͤnnen, daß die freie Oeffnung, welche sie darbieten, wenn sie ganz gehoben
sind, groͤßer ist, als jene, welche nach der Formel (A) fuͤr die Ventile, welche sich ganz oͤffnen, gefunden
wird. Denn des doppelten Durchmessers ungeachtet koͤnnten sich die Ventile
doch nicht in hinreichendem Grade heben. Eben so waͤre zu verlangen, daß der
kurze Hebelarm eine hinreichende Laͤnge haͤtte, damit der auf das
Ventil druͤkende Punkt, bei der Aufhebung des Ventiles einen Kreisbogen
beschreibt, welcher einer geraden Linie moͤglichst nahe kommt; denn der Hebel
koͤnnte sonst in vielen Faͤllen eine Reibung an dem Ventile
veranlassen, wodurch dessen freies Spiel beeintraͤchtigt waͤre. Der
Hebel muß ferner auch genau auf den Mittelpunkt der Ventilplatte druͤken,
damit das Ventil nicht einseitig aufgehoben werde, und sich auch nicht werfen
koͤnne.Es ließen sich fuͤr die Proportionen dieser verschiedenen Theile
Vorschriften, welche von großer Wichtigkeit sind, aufstellen; denn es ist
sehr leicht, selbst wenn man sich an die gegebenen Vorschriften
haͤlt, Ventile zu verfertigen, die nie allen Dampf, der im Kessel
entwikelt wird, entweichen lassen. Wir glauben sogar versichern zu
koͤnnen, daß dieß mit den meisten dermalen bestehenden
Sicherheitsventilen der Fall ist; denn man sieht ihrer sehr viele,
namentlich von den unter Verschluß gehaltenen, die sich nur um 2 bis 3
Millimeter heben koͤnnen. Eine solche Hebung ist in sehr vielen
Faͤllen gewiß nicht hinreichend, und der Druk wuͤrde
unbestimmt zunehmen, wenn auch das Ventil geoͤffnet ist.A. d. R.
Die Verordnung vom 29. Oktober 1825 erheischt, daß eines der Sicherheitsventile mit
einem Gitter verschlossen werde, zu welchem nur der Vorstand den Schluͤssel
zu fuͤhren hat. Dadurch soll der Heizer verhindere werden, durch
groͤßere Beschwerung des Ventiles den Dampf auf einen zu hohen Druk zu
treiben. Wir finden diese Maßregel ganz unnuͤz, indem der Vorstand auf seinen
Maschinisten so viel Vertrauen haben muß, ihm den Schluͤssel zu dem
Sicherheitsventile zu uͤberlassen; und indem beide bei der Verhuͤtung
der Explosion betheiligt sind. Man hat uͤberdieß bei dieser Maßregel
vergessen, daß jedes Sicherheitsventil, wenn man sich nur einiger Maßen darauf
verlassen will, woͤchentlich wenigstens ein Mal abgedreht, und von Zeit zu
Zeit emporgehoben werden muß, um sich von seiner Diensttauglichkeit zu
uͤberzeugen. Ein unter Verschluß gehaltenes Ventil nun wird, wenn es nur
einige Wochen unbeachtet bleibt, so einkleben und solcher Maßen einrosten, daß es
nichts mehr leisten wird, wenn es die Umstaͤnde erheischen. Diese Bemerkung
ist ganz aus der Erfahrung genommen; denn man trifft haͤufig solche
Sicherheitsventile, die nur mit Gewalt aufgehoben werden koͤnnen, und die
daher durch das Vertrauen, welches man zu ihnen hegt, eher schaͤdlich als
nuͤzlich werden muͤssen. Die wirklich kleinliche Sorgfalt, die den
Sicherheitsventilen zugewendet werden muß, gehoͤrt zu den großen
Maͤngeln dieser Vorkehrungen. Es ist sehr moͤglich, daß der Dampf in
einem Kessel mehrere Wochen uͤber keinen solchen Druk erreicht, als zum
Aufheben des Ventiles erforderlich ist, und daß es, wenn waͤhrend dieser Zeit
nicht sorgfaͤltig darauf geachtet wird, in solchem Grade ankleben kann, daß
es selbst bei einem gefahrdrohenden Druke nicht mehr aufgehoben wird.
Die Verordnung vom 29. Oktober 1825 befiehlt ferner in §. 5, daß an dem oberen
Theile eines jeden Kessels zwei leichtfluͤssige metallene Scheiben
anzubringen sind. Die eine dieser Scheiben, deren Durchmesser wenigstens jenem der
einen der Sicherheitsventile gleichkommen soll, muß aus einer Legirung bestehen,
welche bei einer Temperatur, die um 10° Celsius hoher ist, als die von der
Marke des Kessels repraͤsentirte, schmilzt oder sich so erweicht, daß sie
nachgibt. Die zweite Scheibe, die einen doppelt groͤßeren Durchmesser haben
soll, muß in der Naͤhe des Sicherheitsventils und mit diesem unter demselben Gitter
angebracht werden; sie hat aus einer Legirung zu bestehen, welche bei einer
Temperatur, die um 20 Centigr. hoͤher ist, als die von der Kesselmarke
repraͤsentirte, schmilzt oder hinlaͤnglich weich wird. Alle diese
Scheiben haben einen Stempel zu bekommen, der ihren Schmelzpunkt angibt.
Diese Scheiben scheinen auf den ersten Blik die schoͤnsten Vortheile zu
versprechen; sie sind vom Standpunkte der Theorie aus betrachtet eine der
interessantesten Erfindungen; leider faͤllt aber die Praxis ein strengeres
Unheil uͤber sie. Man hat naͤmlich uͤberall, wo man sich ihrer
noch bediente, gefunden, daß sie weit fruͤher, als die Gefahr es erheischt,
schmelzen, erweichen, sich woͤlben und zerreißen. Wir sahen in unseren
Fabriken Kessel, die keineswegs uͤbers laden waren, an denen die Schwimmer
frei spielten, denen es nie an Wasser fehlte, und an denen die schmelzbaren Scheiben
dennoch kaum 8 Tage dauerten. Hieraus folgt natuͤrlich, daß die Fabrikanten
diese Scheiben endlich ganz aufgaben, weil ihre Arbeiten durch sie
woͤchentlich ein Mal einen halben Tag uͤber unterbrochen wurden. Die
Nachtheile, welche aus diesen Unterbrechungen im Allgemeinen, besonders aber auf
Dampfbooten erwachsen koͤnnen und muͤssen, sind so offenbar, daß diese
Maßregel dringend Abstellung fordert.
Die eben erwaͤhnten Unannehmlichkeiten der Scheiben lassen sich auf mehrere
Ursachen zuruͤkfuͤhren.
1) ist es unmoͤglich, daß die Kesselwaͤnde eine hoͤhere
Temperatur annehmen koͤnnen, als der Dampf, wenn auch der Wasserstand im
Kessel nicht gesunken ist: und zwar besonders in den gußeisernen Kesseln. Diese
Wirkung haͤngt von der Hoͤhe des Mauerwerkes, womit der Kessel umgeben
ist, oder von der Stelle, an der sich die schmelzbare Scheibe befindet, ab.
2) kann die Legirung, aus der die Scheiben verfertigt sind, mehr oder minder
gleichartig oder homogen seyn, und leichtfluͤssigere Stellen enthalten, da es
bekanntlich sehr schwer ist, sich vollkommen homogene Legirungen zu verschaffen. Die
im Handel vorkommenden Scheiben werden zwar verordnungsmaͤßig von den
Ingenieurs gepruͤft und gestempelt; allein es ist sehr schwer die Temperatur,
bei der diese Platten wirklich schmelzen, zu ermitteln; und die Ingenieurs, die bei
der Sache nicht direct betheiligt sind, wenden auf diese Versuche nicht immer die
große Sorgfalt, die sie erfordern. Ueberdieß besteht auch zwischen jener Temperatur,
bei der eine Scheibe schmilzt, und jener, bei der sie weich wird, eine sehr große
Differenz; die Scheibe wird sich zuerst biegen, und dann unter dem Druke des Dampfes
nachgeben oder zerreißen. Dieser Grad der Temperatur ist sehr schwer zu bestimmen,
und doch ist es praktisch von hoher Wichtigkeit ihn zu wissen. Damit die im
Handel vorkommenden Scheiben hinreichendes Vertrauen einfloͤßen
koͤnnen, sollen sie von den Ingenieurs nicht nur bei einer gewissen
Temperatur, sondern zugleich auch unter einem bestimmten Druk des Dampfes probirt
werden; auch muͤßte der Versuch hinlaͤnglich lang dauern, indem sich
die Scheiben nur nach und nach biegen. Hieraus erhellt, daß dieser Bedingung beinahe
unmoͤglich Genuͤge geleistet werden kann.
3) endlich werden die Scheiben durch den Dampf oxydirt und angegriffen. Betrachtet
man naͤmlich eine Scheibe, weiche einige Zeit uͤber an einem Kessel
angewendet gewesen ist, so wird man finden, daß jener Theil, der mit dem Dampfe in
Beruͤhrung stand, nicht mehr glatt, sondern gleichsam wie mit einem
Grabstichel ausgestochen ist. Dasselbe kann man auch an den bleiernen Scheiben,
deren man sich an den Roͤhrengefuͤgen bedient, und allmaͤhlich
selbst an dem Gußeisen, besonders wenn es polirt ist, bemerken.
Das, was oben von den Sicherheitsventilen, die einige Zeit uͤber nicht
geoͤffnet oder verwahrlost wurden, gesagt ward, gilt auch von den
schmelzbaren Scheiben. Sie koͤnnen sich naͤmlich durch kalkige
Ablagerungen verlegen, und diese Ablagerungen koͤnnen unter gewissen
Umstaͤnden selbst eine solche Dike bekommen, daß die Scheiden dadurch
verhindert werden, die Temperatur des Dampfes anzunehmen.
In dem erwaͤhnten neuen Verordnungsentwurfe wird des Biegens und Zerreißens
der schmelzbaren Scheiben gedacht, und deren Durchmesser deßhalb auf 22 Millimeter
oder 10 Linien herabgesezt. Die Temperatur der Erweichung der ersteren soll 10 und
jene der zweiten 15° uͤber jener betragen, die dem Maximum des Drukes
des Dampfes im Kessel entspricht. Die minder schmelzbare Scheibe wird so lange
dienen, bis die erstere, wenn sie in Fluß gerathen, ersezt worden ist.
Unserer Meinung nach hat man hier die Beduͤrfnisse der Industrie nicht wohl
aufgefaßt. Es genuͤgt naͤmlich keineswegs, den Durchmesser der
schmelzbaren Scheiben zu verkleinern, wenn man ihnen denselben Grad der
Schmelzbarkeit belaͤßt; denn sie werden sich unter diesen Umstaͤnden
eben so gut wie fruͤher erweichen und auch zerreißen; und eben so werden sie
den Fabrikanten zwingen, den Gang der Maschine zu unterbrechen, wenn die erstere
Scheibe schmilzt. Eine Oeffnung von 10 Linien an einem Hochdrukkessel wird denselben
gewiß zum Betriebs der Maschine untauglich machen; und uͤberdieß ist nicht
abzusehen, wie die Scheibe ausgewechselt werden kann, waͤhrend die
Muͤndung offen ist, und waͤhrend der Dampf mit Gewalt
ausstroͤmt. Wenn man die schmelzbaren Scheiben denn durchaus beibehalten
wollte, so haͤtte man unserer Ansicht nach zwischen dem Maximum der Temperatur des
Dampfes und dem Schmelzpunkte der Scheibe einen groͤßeren Spielraum lassen
sollen. Diese Bedingung, die unumgaͤnglich noͤthig ist, um die
schmelzbaren Scheiben praktisch anwendbar zu machen, wird uͤbrigens die
Wirkung, die man sich von ihnen verspricht, vielleicht ganz verhindern, und die
Anwendung anderer Mittel erheischen, um zu demselben Zweke zu gelangen.
Beruͤhren muͤssen wir aber hier auch noch, wie leicht die
Behoͤrden in Hinsicht auf die Anwendung der schmelzbaren Scheiben
getaͤuscht werden koͤnnen. Man koͤnnte naͤmlich, um das
haͤufige Schmelzen dieser Scheiben ohne Gefahr zu verhuͤten, unter der
Scheibe ein duͤnnes Eisenblech, welches den Bliken des Ingenieurs
unzugaͤnglich waͤre, und selbst dann keinen Dampf austreten ließe,
wenn die Scheibe in Fluß gerathen, anbringen. Der Arbeiter koͤnnte auch ein
nasses Tuch auf die Scheibe legen, und dieses von Zeit zu Zeit begießen, damit sich
die Scheibe nicht bis auf die Temperatur des Dampfes erhizen kann. Was die
gewoͤhnlichen Sicherheitsventile betrifft, so koͤnnen diese bei der
Seltenheit der Besuche der Ingenieurs beinahe fortwaͤhrend mit einem
Uebergewichte, welches nur waͤhrend des Besuches zu beseitigen waͤre,
belastet werden. Ohne uns jedoch weiter bei den vielerlei Mitteln, die in Anwendung
gebracht werden koͤnnten, um die Behoͤrden zu tauschen, aufhalten zu
wollen, wollen wir nur auf einen großen Irrthum in den Befehlen des
Praͤfecten, welche diesen Bericht veranlaßten, hinweisen. Es ist
naͤmlich darin genau und bestimmt angegeben, um wie viel die an den Hebeln
aufgehaͤngten Gewichte zu vermindern seyen; allein es ist nirgendwo die
Sprache von der Laͤnge des Hebels, so daß man diesen also leicht in dem Maaße
verlaͤngern koͤnnte, in welchem das Gewicht vermindert wird!
Wir gehen nunmehr auf die Ursachen der Explosionen und auf die
Unzulaͤnglichkeit der verordnungsmaͤßig vorgeschriebenen Mittel bei
wirklicher Gefahr uͤber; um dann auch noch von einigen anderen wirksameren
Vorkehrungen, deren man sich in vielen unserer Fabriken wirklich bedient, zu
sprechen.
Man hat sehr wenige Beispiele von Explosionen, die sich waͤhrend eines
regelmaͤßigen Ganges der Maschine ereigneten. Das im Maͤrz 1827 auf
einem Dampfboote in Lyon vorgefallene Ungluͤk ward dadurch veranlaßt, daß die
Ventile nicht arbeiten konnten, weil sie der Ingenieur mit Balken beschwert hatte;
auch weiß man nicht ein Mal, ob es dem Kessel nicht zugleich auch an Wasser
fehlte.
In Muͤlhausen kam bisher nur eine einzige Explosion vor, und zwar im Jahre
1834 an dem Kessel, der zur Heizung der Fabrik der HH. Dollfus, Mieg und Comp. diente. Der Kessel war sehr alt, von niederem Druke und von
der Gestalt der alten Watt'schen Kessel, d.h. er endigte
sich zu beiden Seiten in eine ebene Oberflaͤche. Der Heizer wußte nicht, daß
die Austrittshaͤhne fuͤr den Dampf verschlossen seyen, und da er wie
gewoͤhnlich heizte, so mußte eine Explosion eintreten, wobei das eine der
flachen Enden abgeloͤst und weit hinweggeschleudert wurde.
Die Hauptursache der Explosionen ist Wassermangel im Kessel oder wenigstens ein
bedeutendes Sinken des Wasserstandes unter sein gewoͤhnliches Niveau. In
diesem Falle geht der Explosion als vorzuͤgliche Erscheinung ein verminderter
Druk des Dampfes und mithin eine Abnahme der Geschwindigkeit der Bewegung voraus.
Wenn das Niveau des Wassers sinkt, so sind die Kesselwaͤnde großen Theils dem
Feuer ausgesezt, ohne daß sie die von ihnen aufgenommene Waͤrme an das Wasser
abgeben koͤnnen: die Dampferzeugung ist also vermindert. Die
Kesselwaͤnde kommen hiedurch zum Rothgluͤhen, und der Dampf erreicht
eine weit hoͤhere Temperatur als jene des Wassers, ohne daß deßhalb der Druk
zunimmt, indem der Dampf nicht gesaͤttigt ist. Wenn nun unter diesen
Umstaͤnden dem Dampfe ein Ventil oder eine schmelzbare Scheibe oder irgend
eine andere Austrittsoͤffnung eroͤffnet wird, so wird ein rasches
Entweichen des Dampfes Statt finden, waͤhrend das zuruͤkbleibende
Wasser seines Drukes entledigt, eine sehr heftige und beinahe augenblikliche
Verduͤnstung bewirken wird. In Folge der vielfachen Beruͤhrungen, in
welche das Wasser beim Aufsieden theils mit einer sehr heißen Atmosphaͤre,
theils mit den gluͤhenden Kesselwaͤnden geraͤth, erfolgt die
Dampfentwikelung und die Erhoͤhung des Drukes so rasch, daß die Oeffnung des
Sicherheitsventiles nicht wehr ausreicht, und daß also die Kesselwaͤnde
nachgeben muͤssen. Dieß ist die von Perkins und
auch die von Arago gegebene Erklaͤrung der
Explosionen.
Nur in dem Falle, wo das Sicherheitsventil keine Wirkung haben und selbst
schaͤdlich werden kann, haben die schmelzbaren Scheiben zu wirken, und zwar
bevor noch das Austreten des Dampfes mit Gefahr verbunden ist; denn wuͤrden
sie zu spaͤt schmelzen, so waͤre dieß nach der eben gegebenen Theorie
eben so gefaͤhrlich. Andererseits muß aber auch der Schmelzpunkt so hoch
seyn, daß die oben erwaͤhnten Unannehmlichkeiten nicht ohne Gefahr Statt
finden. Unserer Ansicht nach besteht noch keine Gefahr, so lange die Temperatur des
Dampfes die gewoͤhnliche Temperatur nur um 10° uͤbersteigt.
Gesezt, ein Fabrikant wollte die zu haͤufigen Erneuerungen der schmelzbaren
Scheiben und einen Theil der Unannehmlichkeiten der Sicherheitsventile umgehen;
gesezt, er lasse seinen Kessel fuͤr eine staͤrkere Kraft, als er auszuhalten hat,
bauen, probiren und stempeln; und gesezt, die schmelzbaren Scheiben und Ventile
seyen hienach eingerichtet, so glauben wir, daß bei eintretendem Mangel an Wasser
eine Explosion doch nicht minder moͤglich ist. Es wird vielmehr gerade das
Gegentheil Statt finden, indem wir nicht zugeben, daß eine geringe Vermehrung der
Metalldike den Kessel am Bersten hindere. Der einzige Vortheil, der fuͤr den
Fabrikanten daraus erwachsen wuͤrde, waͤre also vielleicht nur der,
daß die Scheiben etwas seltener schmelzen duͤrften: vorausgesezt, daß man
sich auf die Legirung verlassen kann; und selbst diesen Vortheil wird die
Behoͤrde nicht als solchen erkennen.
Eine weitere Ursache, welche Explosionen beguͤnstigen und vielleicht auch
erzeugen kann, ist in der Abnuͤzung oder vielmehr in der Oxydation und in den
Niederschlaͤgen, welche sich in den Kesseln erzeugen, zu suchen. Kessel, die
viele Niederschlage enthalten, oxydiren sich an ihrer aͤußeren
Oberflaͤche leichter und spalten sich dann; die kupfernen Siederoͤhren
namentlich bekommen uͤber dem Heerde oft Bukeln und zerreißen dann.
Dergleichen Zufalle ereignen sich immer ohne Explosion; ja manchmal kann der Kessel
sogar in seiner Arbeit fortfahren; sie sind oͤfter die Folge einer zu starken
Heizung als der Abnuͤzung.
Man sieht Kessel von niederem Druke, deren Dike, wenn sie viele Jahre uͤber
gedient haben, an manchen Stellen so abgenommen hat, daß sie dem geringsten Druke
nachgeben; und doch arbeiten diese Kessel, so lange keine Explosion erfolgt,
vollkommen gut. Wir haben Grund anzunehmen, daß zur Erzeugung einer Explosion ein
durch eine augenblikliche Dampfentwikelung veranlaßter Stoß Statt finden
muͤsse, ausgenommen es besteht ein ganz außerordentlicher Druk im Kessel, was
selbst der unerfahrenste Heizer bemerken wird. Wir glauben demnach, daß die
Explosionen hauptsaͤchlich nur durch einen Mangel an Wasser im Kessel oder
durch einen zu hohen Druk veranlaßt werden; und daß sich die Verwaltungsmaßregeln
nur auf diese beiden Punkte beschraͤnken sollen.
Was die Zunahme des Drukes betrifft, so verlangen die Verordnungen die bereits
abgehandelten Sicherheitsventile, die ihrem Zweke entsprechen wuͤrden, wenn
sie nicht die angedeuteten Nachtheile hatten und in einigen Faͤllen sogar
schaͤdlich waͤren. Dagegen ist keine Vorkehrung zur Erkennung des
Wasserstandes vorgeschrieben, indem nur in den ministeriellen Instructionen vom 19.
Maͤrz 1824 und vom 3. Junius 1830 von dem Schwimmer, so wie er
gegenwaͤrtig gebraͤuchlich, die Sprache ist. Dieses Instrument sollte,
wie uns scheint, durch eine Verordnung vorgeschrieben werden; indem es noch sehr viele Kessel,
namentlich von kleiner Dimension gibt, an denen man den Wasserstand nur daraus
erkennt, daß man von Zeit zu Zeit die uͤber und unter dem eigentlichen Niveau
angebrachten Haͤhne oͤffnet, um zu sehen, ob Wasser oder Dampf bei
ihnen entweicht. Dieses hoͤchst unvollkommene Untersuchungsmittel muß
aufgegeben werden; denn einerseits schwellen die Hahne an, so daß man sie oft nur
mir Muͤhe oͤffnen kann, und andererseits wird der Heizer sich lieber
durch das Gesicht als durch oͤftere Wiederholung der Handhabung der
Haͤhne von dem Wasserstande uͤberzeugen. Ueberdieß geben die
Haͤhne keine sicheren Andeutungen, weil auch durch den uͤber dem
Niveau des Wassers befindlichen Hahn in Folge des Aufsiedens Wasser ausgetrieben
werden kann. An einigen Kesseln hat man auch senkrechte glaͤserne
Roͤhren angebracht, die am ersten Tage zwar sehr gute Dienste leisten, an
deren innerer Oberflaͤche sich aber nach einigen Tagen ein Niederschlag
ansezt, welcher alle weiteren Beobachtungen verhindert.
Der Schwimmer hat nur das Unangenehme, daß er einige Aufmerksamkeit erfordert, indem
der Heizer sehr oft nachzusehen hat, ob er frei spielt, und in welcher Stellung sich
der Hebel befindet. Er ist in den Haͤnden eines sorgfaͤltigen Mannes
ein Instrument, welches den Wasserstand immer mir Genauigkeit andeutet, wenn er
gehoͤrig beobachtet wird. Er muß aber auch so groß als moͤglich seyn,
damit er gerade noch durch das Einsteigloch des Kessels eingefuͤhrt werden
kann; fuͤr Kessel von bedeutender Groͤße soll ein Durchmesser von
wenigstens 18 Zoll vorgeschrieben seyn. In vielen Faͤllen bedient man sich
des Schwimmers zur Regulirung des Wasserzuflusses im Kessel; da jedoch der hiezu
noͤthige Hahn die freie Bewegung des Schwimmers beeintraͤchtigen
koͤnnte, so sollten fuͤr diesen Fall zwei Schwimmer gefordert werden.
Diese Maßregel, die man an vielen Kesseln von niederem Druke schon wirklich befolgt
sieht, waͤre gewiß nicht mehr uͤbertrieben als die doppelten Ventile
und die doppelten schmelzbaren Scheiben. Ein Vorwurf, den man den Schwimmern machen
kann: naͤmlich der, daß sie den Wasserstand nur dann angeben, wenn sie
beobachtet werden, und daß sie also nichts helfen, wenn der Heizer unachtsam ist,
laͤßt sich leicht dadurch beseitigen, daß man mit der Stange oder mit dem
Hebel des Schwimmers einen Hahn oder eine Pfeife in Verbindung bringt, welche, wenn
der Schwimmer unter das wirkliche Niveau herabsinkt, einen Laut gibt, der den Heizer
erinnert, das gehoͤrige Niveau wieder herzustellen.
Die schmelzbaren Scheiben aͤußern, wie gesagt worden, ihre Wirksamkeit, wenn
wegen Wassermangels Gefahr eintritt; sie unterbrechen dabei das Spiel der Maschine,
selbst wenn sie nach dem neuen Verordnungsentwurfe so klein gemacht werden, daß sie nur mehr die Gefahr
andeuten, ohne ein wirkliches Sicherheitsmittel abzugeben. Der Schwimmer leistet
also dasselbe, ohne das Spiel der Maschine zu beeintraͤchtigen, und beugt
allen Unfaͤllen sicherer vor als irgend ein anderes Instrument.
Von der Nothwendigkeit, das Wasser im Kessel immer auf gleicher Hoͤhe zu
erhalten, uͤberzeugt, glauben wir. daß die Ingenieurs in dieser Hinsicht
strenger seyn sollten. Sie haͤtten sich mit groͤßter Sorgfalt von dem
guten Zustande der Speisungspumpen und dem freien Spiele der Schwimmer, so wie auch
davon zu uͤberzeugen, daß das den Kessel umgebende Mauerwerk so
aufgefuͤhrt ist, daß nicht durch ein Sinken des Wasserstandes um einige Zoll
ein Theil der Kesselwaͤnde dem Feuer ausgesezt wird. Diese Untersuchungen
waͤren nach dem Dafuͤrhalten von uns Praktikern weit wichtiger, als
die Pruͤfung der schmelzbaren Scheiben und der Sicherheitsventile. Auch
sollten die Besuche der Ingenieurs weit haͤufiger geschehen; denn dann
wuͤrde man sich von der Unmoͤglichkeit, die Verordnungen in allen
einzelnen Punkten zu befolgen, gar bald uͤberzeugen; dann wuͤrde man
sehen, mit welchem Grade von Sorgfalt die Dampfmaschinen unterhalten und
uͤberwacht werden; dann wuͤrde man sich auch mehr in jenen Dingen
unterrichten, in denen die Ingenieurs großen Theils keine Erfahrung haben. Auch
waͤre in den Berichten dieser Herren nicht nur lediglich auf die von den
Fabrikanten nicht befolgten Verordnungen Ruͤksicht zu nehmen; sondern es
waͤre auch uͤber die neuen Sicherheitsmittel zu berichten, welche sie
angewendet finden, und welche manchmal groͤßere Garantien gewahren, als die
verordneten, ohne ihre Nachtheile zu haben. Dazu ist aber mehr Zeit und Muͤhe
erforderlich, als man der Sache gegenwaͤrtig schenkt. Auch soll man nicht
vergessen, daß man sich nuͤzlichen, auf die Erfahrung begruͤndeten
Anordnungen gern fuͤgt; waͤhrend man sich der Gewalt, wenn sie nicht
durch Gruͤnde und Recht unterstuͤzt ist, immer widersezt.
Der Manometer hat bestaͤndig den Druk des Dampfes im Kessel anzudeuten und muß
dem Heizer zugaͤngig seyn. Er ist so nothwendig als der Schwimmer, und beide
zusammen und in gutem Zustande erhalten, genuͤgen ohne irgend ein anderes
Sicherheitsmittel. Die Verordnungen erwaͤhnen keines Manometers; nur die
ministerielle Instruction vom 19. Maͤrz 1824 und vom 3. Jun. 1830
erwaͤhnt des Manometers mit comprimirter Luft fuͤr die Hochdrukkessel.
Wer sich aber immer dieses Instrumentes zu bedienen hatte, wird sich von dessen
Maͤngeln, von denen wir bloß die vorzuͤglichsten anfuͤhren
wollen, uͤberzeugt haben.
1) hat der Maaßstab eine zu geringe Ausdehnung, und die Grade werden in dem Maaße
kleiner, als der Druk steigt, und als man folglich mehr Interesse hat den wirklichen
Druk zu erfahren. Der geringste Fehler in der Laͤnge der Roͤhre oder
im Niveau des Queksilbers wird dann hoͤchst wichtig. Es ist uͤberdieß
sehr schwer, das Instrument gut zu verfertigen, und zwar wegen der Eintheilung des
Maaßstabes, bei der sowohl auf den Druk des Dampfes auf die Luft, als auf den
Gegendruk des in der Roͤhre emporsteigenden Queksilbers Ruͤksicht
genommen werden muß.
2) muß die Laͤnge der Glasroͤhre ganz genau mit der Laͤnge des
gravirten Maaßstabes correspondiren. Wenn nun aber diese Roͤhre bricht, so
ist es sehr schwer, eine andere einzusezen, welche ganz genau dieselbe Laͤnge
hat, und welche, wenn man sie einsezt, keine Veraͤnderung im Niveau des
Queksilbers erzeugt.
3) kann sich dieses Niveau veraͤndern, ohne daß man es bemerkt; denn das
Queksilber absorbirt nach und nach einen Theil des Sauerstoffs der Luft, wodurch das
Volumen dieser lezteren abnimmt. Dieser Fehler wiederholte sich in einer unserer
Fabriken so haͤufig, daß man gezwungen war, statt der gewoͤhnlichen
Luft ein anderes Gas, worin kein Sauerstoff enthalten war, anzuwenden, da man damals
den Barometer mit freier Luft noch nicht kannte. Wenn das Queksilber nicht ganz rein
oder auch oxydirt ist, so haͤngt sich dasselbe auch an die Waͤnde der
Roͤhre, die dann ihre Durchsichtigkeit verlieren, an.
Alle diese Vorwuͤrfe, welche die Angaben dieses Instrumentes beinahe immer
irrig machen, treffen jedoch keineswegs den sogenannten offenen Manometer oder
Barometer mit Gefaͤß oder Heber, dessen in der ministeriellen Instruction vom
3. Jun. 1830 gedacht ist, und dessen wir uns seit langer Zeit mit groͤßtem
Vortheile bedienen. In jener Instruction heißt es, daß der offene Manometer, der nur
fuͤr die Maschinen mit niederem Druke vorgeschrieben ist, auch bei den ersten
Graden des hohen Drukes, d.h. so lange er keine zu große Laͤnge zu haben
braucht, mit Vortheil angewendet werden kann. Diese Beschraͤnkung ist jedoch
nicht begruͤndet; denn wir wenden diese Roͤhren bis zu einem Druke von
5 und 6 Atmosphaͤren hinauf, also bei dem staͤrksten, in den Fabriken
gebraͤuchlichen Druke an, und sehen keinen Grund, warum man sie sogar nicht
noch laͤnger machen sollte.
Dieser Barometer gibt in jedem Augenblike ganz sicher an, was im Kessel vorgeht, und
zwar in einem großen Maaßstabe, da auf jede Atmosphaͤre 14 bis 28 Zoll
kommen. Die Laͤnge der Roͤhre und die Hoͤhe des Queksilbers ist
wie ein Sicherheitsventil fuͤr das Maximum des Drukes regulirt; wird dieser
Druk uͤberstiegen, so wird das Queksilber aus der Roͤhre ausgetrieben und dem
Dampfe ein Ausgang eroͤffnet, ohne daß von dem Queksilber, welches in einem
untergesezten Gefaͤße aufgefangen wird, auch nur ein Tropfen verloren geht.
Da der Durchmesser der Roͤhre so groß ist, als jener eines Ventiles, welches
sich ganz oͤffnet, so kann der Druk nie das gewuͤnschte Maximum
uͤbersteigen. Dieses Instrument deutet also nicht nur mit Genauigkeit den
Druk an, sondern es ist zugleich auch das beste Sicherheitsventil: ein Ventil,
welches weder von dem Heizer noch von dem Vorstande selbst uͤberladen werden
kann, welches sich ganz oͤffnet, und keines Uebergewichtes bedarf; eine
schmelzbare Scheibe, deren Fluͤssigkeit nicht zu unterdruͤken ist. Es
ist ferner eben so leicht dieses Instrument durch die Ingenieurs verificiren zu
lassen; denn die Scala ist sehr einfach. Wir glauben, daß die Behoͤrde kein
wirksameres Sicherheitsmittel fordern kann, und daß bei dessen Anwendung die
gewoͤhnlichen Sicherheitsventile ganz uͤberfluͤssig und mithin
wegen ihrer mehrfachen Nachtheile zu unterdruͤken seyen.
Der offene Barometer und der Schwimmer haben vor vielen anderen zur Sicherheit
empfohlenen Vorkehrungen den unschaͤzbaren Vorzug, daß sie nothwendig immer
in Thaͤtigkeit bleiben. Ist der Schwimmer zu weit gesunken, oder seine
Besagung zu eng, so werden seine bestaͤndigen Bewegungen aufhoͤren;
und da dieß Jedermann auffaͤllt, so ist der Heizer gezwungen sein Augenmerk
bestaͤndig auf ihn zu richten. Ebendieß gilt auch von dem Barometer, der
fuͤr jeden Kolbenhub regelmaͤßig eine Schwingung von mehreren Linien
macht, und an dem man ebenfalls gleich bemerkt, wenn er nicht in guter Ordnung
ist.
Ein Instrument, welches unserer Ansicht nach fuͤr alle Dampfkessel von großem
Nuzen seyn muͤßte, waͤre ein Ablaßhahn oder ein derlei Ventil, welches
von dem Heizer zu oͤffnen waͤre, sobald der Barometer einen zu hohen
Druk andeutet. Diese Vorrichtung waͤre vorzuͤglich fuͤr den
Fall sehr nothwendig, wo die Dampfmaschine ploͤzlich angehalten, wird,
waͤhrend das Feuer noch fortwaͤhrt, oder waͤhrend der Ofen
selbst bei herausgenommenem Feuer noch so heiß waͤre, daß Dampf entwikelt
wird. Man ist unter diesen Umstaͤnden gezwungen ein Sicherheitsventil zu
oͤffnen, wo sich dann der Dampf laͤstiger Weise in dem
Fabrikgebaͤude verbreitet. Den Ablaßhahn dagegen koͤnnte man mit einer
Roͤhre in Verbindung bringen, welche den Dampf in den Rauchfang oder auch
bloß aus dem Gebaͤude hinaus in die freie Luft leitete.
Am geeignetsten schiene uns in dieser Hinsicht ein Ventil vorzuschreiben, welches den
an gewissen Maschinen von niederem Druke gebraͤuchlichen aͤhnlich
waͤre und auch in dem gewoͤhnlichen Verhaͤltnisse belastet seyn muͤßte;
dieses Ventil haͤtte mit der aͤußeren Luft zu communiciren, und
muͤßte mit einer dem Heizer zur Hand befindlichen Schnur gehoben werden
koͤnnen.
Die von Hrn. Henry angegebenen Modifikationen am
Barometer, welche zum Zweke haben, den Heizer durch eine Gloke aufmerksam zu machen,
wenn das Queksilber zu hoch steigt, oder den Ablaßhahn durch das Queksilber selbst
oͤffnen zu lassen, uͤbergehen wir, da sie nicht sowohl fuͤr die
Behoͤrden von Wichtigkeit sind, sondern hauptsaͤchlich darauf
hinausgehen den Verlust an Queksilber zu verhuͤten.
Wir bestehen demnach nur auf dem offenen Barometer, der, obwohl er nicht
verordnungsmaͤßig vorgeschrieben und ziemlich theuer ist, doch bereits von
allen aufgeklarten Fabrikanten angenommen wurde, und einer immer allgemeineren
Verbreitung theilhaftig wird. Dieß ist auch wirklich die beste Empfehlung
fuͤr ihn; denn das Urtheil der Praxis ist das strengste und reellste. Schon
seit mehreren Jahren machten wir Schritte bei den Behoͤrden, um die
Einfuͤhrung des offenen Manometers anstatt der Sicherheitsventile und der
schmelzbaren Scheiben zu erzielen. Wir hoffen, daß die Verwaltung endlich die Stimme
der Praxis, die am meisten bei der Verhuͤtung von
Ungluͤksfaͤllen betheiligt ist, erhoͤren wird; und bemerken
schließlich nur noch, daß in Preußen und in anderen Laͤndern, deren Industrie
weit juͤnger ist, dieses Instrument bereits durch eine Verordnung
eingefuͤhrt ist.