Titel: | Ueber die Zusammensezung der Erdharze; von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XCV., S. 430 |
Download: | XML |
XCV.
Ueber die Zusammensezung der Erdharze; von Hrn.
Boussingault.
Im Auszuge aus den Annales de Chimie et de Physique.
Febr. 1837, S. 141.
Boussingault, uͤber die Zusammensezung der
Erdharze.
Die Erdharze, welche in so reichlicher Menge auf der Oberflaͤche der Erdkugel
vorkommen und deren Anwendung immer mannigfaltiger zu werden scheint, sind noch
wenig untersucht worden. Außer den Resultaten, welche Saussure bei seinen Versuchen mit dem Steinoͤhle von Amiano
erhielt, weiß man eigentlich gar nichts uͤber die Zusammensezung der
bituminoͤsen Substanzen. Die ungenuͤgenden chemischen Daten sind auch
wohl schuld daran, daß die Mineralogen, welche die klebrigen Erdharze zu
classificiren versuchten, in eine solche Verwirrung verfielen. Diese Substanzen sind
anfangs fast immer fluͤssig wie das Steinoͤhl, werden dann klebrig und durchgehen nach
und nach alle Grade von Consistenz bis zu derjenigen des Asphalts, welcher fest und
sproͤde ist.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit zuerst auf das Erdharz von Bechelbronn im Dept. du Bas-Rhin. Dasselbe ist klebrig und sehr
dunkelbraun. Es laͤßt sich vortheilhaft anstatt der thierischen Fette zum
Schmieren der Maschinen und Wagenraͤder anwenden, und wurde deßhalb auch
mineralisches Fett genannt.
Behandelt man dieses Erdharz in der Waͤrme mit Alkohol von 40°, so
faͤrbt sich lezterer gelb und das Harz wird viel consistenter.
Schwefelaͤther loͤst es aber sehr leicht mit Hinterlassung der
Unreinigkeiten auf.
Wenn man das Erdharz von Bechelbronn in einer Retorte einer Temperatur von
100° C. (80° R.) aussezt, geht nichts uͤber, ein Beweis, daß es
kein Steinoͤhl enthaͤlt. Erhoͤht man aber die Temperatur
mittelst eines Oehlbades auf 230° C., so gehen Tropfen von einer
oͤhligen Fluͤssigkeit uͤber. Bei dieser Temperatur schreitet
jedoch die Destillation ungemein langsam vor; man erhielt sie aber auf diesem Grade,
weil man die allenfalls im Erdharze enthaltenen fluͤchtigen Substanzen ohne
Beimischung von Zersezungsproducten ausscheiden wollte; die Destillation mußte auch
wirklich mehrere Tage lang fortgesezt werden, um beilaͤufig 10 Gramme von der
oͤhligen Substanz zu gewinnen.
Diese fluͤchtige oͤhlige Substanz bildet das fluͤssige Princip
der klebrigen Erdharze, und da sie der Hauptbestandtheil des Steinoͤhls (Petroleum) ist, so nenne ich sie Petrolen. Um mir eine hinreichende Menge von Petrolen zu verschaffen,
destillirte ich 12 bis 15 Pfd. Bechelbronner Harz mit zwei Hectoliter Wasser in
einer Blase und stellte unter die Muͤndung ihres Kuͤhlrohrs eine
Florentiner Flasche. Das so gesammelte Oehl war sehr fluͤssig, aber von
mechanisch uͤbergerissenen Harztheilen stark braun gefaͤrbt. Man
rectificirte es daher in einer Retorte, nachdem es uͤber Chlorcalcium
ausgetroknet worden war. Durch diese zweite Destillation erhaͤlt man das
Petrolen ganz rein.
Das Petrolen ist blaßgelb, besizt fast keinen Geschmak, riecht aber wie das Erdharz.
Bei 21° C. ist sein spec. Gewicht 0,891. Eine Kaͤlte von 12° C.
benimmt ihm seinen fluͤssigen Zustand nicht. Auf Papier bringt es Fleken
hervor wie die wesentlichen Oehle und verbrennt mit einem diken Rauche. Es kocht bei
280° C.; in Alkohol loͤst sich nur wenig davon auf, viel mehr in
Aether.
Nach meiner Analyse ist das Petrolen ein mit dem Citronen- und
Terpenthinoͤhle isomerer Kohlenwasserstoff, bestehend wie diese aus:
Kohlenstoff
88,5
Wasserstoff
11,5
Nach der Behandlung mit Alkohol ist das Bechelbronner Erdharz sehr consistent; der
Alkohol entzieht ihm Petrolen, welches man durch die Destillation leicht von ihm
abscheiden kann. Man kann jedoch dem Erdharze durch Alkohol nicht alles Petrolen
entziehen, denn in dem Maaße, als es fester wird, nimmt auch die
Aufloͤsungskraft des Alkohols ab. Destillirt man das Erdharz bei einer
konstanten und hinreichend hohen Temperatur, so erhaͤlt man kein
genuͤgenderes Resultat. Um ihm sein fluͤchtiges Princip zu entziehen,
muß man es in einem Oehlbade so lange auf beilaͤufig 250° C. erhizen,
bis es nicht mehr an Gewicht verliert; diese Operation ist freilich sehr langwierig,
denn sie erfordert bei 2 Grammen Substanz 45 bis 50 Stunden.Nach dieser Methode laͤßt sich jedoch nicht bestimmen, in welchem
Verhaͤltnisse die beiden Bestandtheile des Erdharzes gemengt sind,
weil sich bei dieser Temperatur ein Theil des Petrolens oxydirt und in
festen Zustand oder Asphalten uͤbergeht.
Der feste Bestandtheil des Erdharzes, welchen man nach dieser Methode erhaͤlt,
ist schwarz, sehr glaͤnzend, auf dem Bruch muschlig und schwerer als Wasser.
Gegen 300° wird er weich und elastisch. Er zersezt sich ehe er in Fluß kommt
und verbrennt wie die Harze mit Hinterlassung einer reichlichen Kohle. Wenn das fixe
Princip aus einem zuvor durch Aether gereinigten Erdharze ausgezogen worden ist,
verbrennt es ohne Ruͤkstand. Da dieser Koͤrper alle Eigenschaften des
Asphalts besizt und auch den Hauptbestandtheil dieses Minerals ausmacht, so nenne
ich ihn Asphalten.
Das Asphalten ist in Alkohol unaufloͤslich; Aether, fette Oehle und
Terpenthinoͤhl loͤsen es auf. Dasselbe ist der Fall mit dem
Petrolen.
Nach meiner Analyse besteht das Asphalten aus:
Kohlenstoff
75,0
Wasserstoff
9,9
Sauerstoff
14,8
eine Zusammensezung, welche der Formel C⁴⁰
H³² O³ oder C⁸⁰ H⁶⁴ O⁶
entspricht; hieraus wird es wahrscheinlich, daß es durch Oxydation des Petrolens
entsteht.
Ich habe das Lobsanner Erdharz zwar nicht analysirt, mich jedoch uͤberzeugt,
daß es die beiden Substanzen enthaͤlt, welche ich im Bechelbronner gefunden
habe.
Im Allgemeinen geht aus meinen Untersuchungen hervor, daß die klebrigen Erdharze als
Gemenge von Asphalten (einer festen Substanz, die dem Asphalt sehr nahe steht) und
Petrolen (einer fluͤssigen, oͤhligen und fluͤchtigen Substanz, welche
mit dem Steinoͤhl einige Aehnlichkeit hat) zu betrachten sind. Ihre
verschiedenartige Consistenz ruͤhrt von dem Vorwalten der einen oder anderen
dieser beiden Substanzen her.
Ein weiches Erdharz laͤßt sich immer in ein dikeres verwandeln, wenn man durch
Erhizen einen Theil des fluͤssigen Bestandtheiles verfluͤchtigt. Auf
diese Art machen die Indier in Payta ein Erdharz, welches urspruͤnglich zum
Kalfatern der Schiffe zu fluͤssig waͤre, zu diesem Zwek brauchbar.
Die große Analogie zwischen dem Asphalten und dem Asphalt der Mineralogen veranlaßte
mich die Elementarzusammensezung des lezteren zu bestimmen. Ich waͤhlte dazu
den Asphalt von Coxitambo, welcher als Typus betrachtet werden kann. Derselbe hat
einen großmuschligen Bruch, ist glaͤnzend und schwarz wie Obsidian und besizt
ein spec. Gew. von 1,68. In Petrolen und den fetten Oehlen loͤst er sich,
wahrscheinlich wegen seiner großen Cohaͤsion, sehr schwer auf. Nach meiner
Analyse besteht er aus:
Kohlenstoff
75,0
Wasserstoff
9,5
Sauerstoff
15,5
und weicht also in seiner Zusammensezung vom Asphalten im
Bechelbronner Erdharz nur wenig ab.