Titel: | Ueber den wirksamen Bestandtheil des Tabaks; von Henry und Boutron-Chalard. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XCVI., S. 433 |
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XCVI.
Ueber den wirksamen Bestandtheil des Tabaks; von
Henry und
Boutron-Chalard.
Im Auszuge aus dem Journal de Pharmacie. 1836. No.
XII.
Ueber den wirksamen Bestandtheil des Tabaks.
Man hat bisher angenommen, daß der wirksame Stoff des Tabaks in dem von Vauquelin entdekten scharfen und fluͤchtigen
Principe enthalten sey; dasselbe war aber nicht genau genug untersucht worden, um
uͤber seine Natur etwas Bestimmtes feststellen zu koͤnnen. Allerdings
hat dieser Chemiker gehoͤrig dargethan, daß die bei der Destillation des
Tabaks uͤbergehende Fluͤssigkeit alkalisch ist; er mißt aber diese
Eigenschaft dem dieselbe begleitenden Ammoniak bei, ohne sich durch Versuche von
dieser Thatsache uͤberzeugt zu haben. Spaͤter erhielten Posselt und Reimann bei der
uͤber mehrere Sorten Tabak angestellten Untersuchung ebenfalls diesen
scharfen und fluͤchtigen Stoff, dem sie den Namen Nicotin gaben, und da sie annahmen, daß man ihm allein die wirksamen
Eigenschaften dieser Pflanzen beimessen muͤsse, untersuchten sie ihn mit
Sorgfalt, und legten ihm
sehr bestimmte alkalische Eigenschaften bei, so wie das Vermoͤgen der
Krystallisation faͤhige Salze zu erzeugen.
Dieß veranlaßte uns zu einer Untersuchung des Tabaks, nicht um eine neue Analyse
desselben anzustellen, sondern um auszumitteln:
1) ob das Nicotin oder das wirksame Princip des Tabaks in dieser Pflanze schon zum
Voraus enthalten sey;
2) ob es von selbst alkalisch sey, oder ob diese Eigenschaft nur von dem Ammoniak
herruͤhre;
3) welches die relative Menge des Nicotins sey, welche die verschiedenen Tabaksorten
enthalten, die bei der Fabrication des durch die franzoͤsische Regie in den
Handel kommenden Tabaks gebraucht werden;
4) welches endlich die Folgerungen sind, welche man aus den verschiedenen
Zubereitungsarten ziehen kann, denen man die Tabaksblaͤtter vor dem
Verbrauche unterwirft, und welche Resultate dieselben auf die Entwikelung des
Nicotins haben koͤnnen.
Darstellung des Nicotins.
Zuerst suchten wir uns eine hinreichende Menge Nicotin zu verschaffen, welches wir
leicht durch folgendes Verfahren erhielten:
Wir brachten 500 Gramme Rauchtabak in eine mit ihrem Schlangenrohre versehene
Destillirblase, nebst 6 Liter Wasser und 200 Grammen Aeznatron. Anfangs wurde eine
sehr maͤßige Waͤrme angewendet, nachher, als die Fluͤssigkeit
Neigung zum Sieden zeigte, wurde das herabtroͤpfelnde Product in eine,
ungefaͤhr 30 bis 40 Gramme Schwefelsaͤure enthaltende Flasche
gebracht, die um das Dreifache ihres Gewichts mit Wasser verduͤnnt war.
Nachdem wir ungefaͤhr 2 1/2 bis 3 Liter Fluͤssigkeit erhalten hatten,
unterbrachen wir stets die Destillation. Das Product, welches man immer schwach
sauer erhalten muß, laͤßt man in einem Sand- oder Wasserbade bis auf
ungefaͤhr 100 Gramme verdampfen, und dann die Fluͤssigkeit erkalten,
um sie von einem sich bildenden leichten Absaze zu scheiden. Wenn man sie filtrirt,
mit einem Uebermaaße von Aeznatron vermischt hat und in einer kleinen
glaͤsernen Retorte mit Vorsicht destillirt, so erhaͤlt man eine
farblose, sehr fluͤchtige Fluͤssigkeit von einem ammoniakalischen
Geruche und einem scharfen Geschmake. Diese concentrirt man unter der Luftpumpe,
worauf sie bald alles mit ihr verbundene Ammoniak verliert und in dem Gefaͤße
einen Stoff von syrupartiger Consistenz und bernsteingelber Farbe
zuruͤklaͤßt. Nach einigen Tagen bilden sich darin kleine
krystallinische Blaͤttchen von Nicotin.
Um uns zu uͤberzeugen, ob dieses Nicotin ganz frei von Ammoniak sey, sezten
wir 12 bis 15 Stunden lang eine kleine Menge davon mit einer Chloraufloͤsung
oder einer Aufloͤsung von unterchloriger Saͤure unter einer Gloke in
Beruͤhrung. Enthaͤlt das Nicotin einige Spuren von Ammoniak, so
bemerkt man sogleich in der Mischung kleine Blasen von Stikstoffgas, die sich oben
in der Gloke vereinigen. Im entgegengesezten Falle zeigt sich keine
Gasentbindung.
Eigenschaften des Nicotins.
Das Nicotin, so wie es unter der Luftpumpe nach seiner Verdampfung erhalten wird, ist
rein. Die Krystalle welche es gibt, koͤnnen nur dann isolirt werden, wenn man
mit einer nicht betraͤchtlichen Menge arbeitet, weil sie sonst allzu leicht
Feuchtigkeit aus der tust anziehen.
In Aether, Alkohol, Terpenthinoͤhl, Wasser und verduͤnnten
Saͤuren ist es sehr aufloͤslich. Sein specifisches Gewicht
betraͤgt 1048. Erhizt man es in einem kleinen Platintiegel bei einer nach und
nach gesteigerten und gehoͤrig geregelten Temperatur, so verfluͤchtigt
es sich ganz als ein weißer sehr reizender Rauch, der an den Tabak erinnert, und
laͤßt weder einen kohligen noch salzigen Ruͤkstand. Dieser Dampf
entzuͤndet sich bei Annaͤherung eines brennenden Koͤrpers.
Das Nicotin aͤußert auf die Reactionspapiere sehr starke alkalische Wirkung;
es saͤttigt die Saͤuren vollkommen und bildet Salze, die nach
Abdampfung im luftleeren Raume mit einigen Saͤuren eine perlmutterartige
Krystallisation, mit anderen dagegen eine koͤrnige darbieten. Diese Salze
verlieren leicht einen Theil ihrer Basis wie die Ammoniaksalze und sind bei
40° C. sehr aufloͤslich in Alkohol.
Das salzsaure, phosphorsaure, schwefelsaure und kleesaure Nicotin krystallisirt mehr
oder weniger deutlich in perlmutterartigen Blaͤttern, oder zuweilen in
kleinen weißen Sternen; das salpetersaure und essigsaure schwerer; das saͤure
gerbsaure ist in Wasser wenig aufloͤslich. Die ersten von diesen Salzen
ziehen die Feuchtigkeit stark an und haben einen hoͤchst aͤzenden
Geschmak.
Das Nicotin hat so zu sagen gar keinen Geruch, aber sein Dampf ist sehr beißend und
reizt die Geruchsnerven, indem er ziemlich deutlich an den Tabaksgeruch erinnert.
Sein Geschmak, selbst wenn das Nicotin sehr verduͤnnt ist, scheint
aͤußerst scharf und aͤzend, und verursacht in dem Hinteren Theile des
Mundes eine sehr starke Empfindung von Verbrennung und Erstarrung.
Das Licht wirkt ziemlich schnell auf das Nicotin und gibt ihm eine braungelbliche
Farbe. – Mit Aeznatron erwaͤrmt, wird es von dieser Basis
veraͤndert, und es erzeugt sich ein wenig Ammoniak. – Das Chlor ist
auf dasselbe in kaltem Zustande ohne Wirkung, außer wenn es vielleicht mit demselben
sehr lange in Beruͤhrung steht; bei Waͤrme ertheilt es ihm eine gelbe
Farbe, ohne daß sich jedoch weder Stikstoff noch eine andere Gasart entwikelt. Wird
eine concentrirte Aufloͤsung von Nicotin mit unterchloriger Saͤure
behandelt, so entsteht ein weißlicher Bodensaz, ohne daß sich Gasentwikelung zeigt;
dieselbe erfolgt dagegen sogleich, wenn das Nicotin Ammoniak enthaͤlt, oder
wenn man einige Tropfen von diesem Alkali absichtlich zusezt. – Warm mir
reiner Salpetersaͤure behandelt, erzeugt es Salpetergas. Die Mischung wird
gelb, verdikt sich und verwandelt sich in einen orangefarbigen bittern Stoff,
welcher keine Spur von Kleesaͤure enthaͤlt. – Concentrirte
Schwefelsaͤure warm in Beruͤhrung mit Nicotin gebracht, greift es
nicht sogleich merklich an, allmaͤhlich nimmt es aber eine braunrothe Farbe
an. Wurde diese Verbindung mit Aeznatron gesaͤttigt, so zeigte sich das
Nicotin so, gleich von Neuem und als man es dann mit unterchloriger Saͤure
behandelte, gab es kein Anzeichen von Ammoniak.
Gewisse Reagentien verhalten sich mit dem in Wasser aufgeloͤsten Nicotin
folgender Maßen:
Schwefelsaures Eisenoxydul bewirkt darin einen gruͤnlichen Niederschlag.
Das salzsaure Eisenoxyd einen ziegelrothen Niederschlag.
Schwefelsaures Kupfer einen weißgruͤnlichen Niederschlag, den ein Ueberschuß
von Nicotin nicht wieder aufloͤst und nicht blau macht.
Das salzsaure Goldoxydnatron einen reichlichen hellen orangefarbigen
Niederschlag.
Das salzsaure Platinoxyd einen gelben koͤrnigen Niederschlag.
Das schwefelsaure Zinkoxyd einen flokigen Niederschlag.
Das Queksilberchlorid einen reichlichen klumpigen Niederschlag.
Der Brechweinstein einen weißen Niederschlag.
Das essigsaure Bleioxyd einen weißen Niederschlag.
Das salpetersaure Silberoxyd scheint keine Wirkung auf das Nicotin zu haben.
Diese Resultate zusammengenommen zeigen, daß das ganz von Ammoniak freie Nicotin sehr
starke alkalische Eigenschaften besizt und daß es folglich eine Stelle unter den
staͤrksten Basen der organischen Natur einnimmt. Es enthaͤlt nach
unseren Versuchen bei weitem mehr Stikstoff, als alle anderen Alkaloide.
Die Wirkung des Nicotins auf den thierischen Organismus ist so stark, daß man diesen
Stoff als eines der wirksamsten Gifte des Pflanzenreichs ansehen kann. Man kennt
schon lange die schaͤdlichen Wirkungen des entweder als Getraͤnk oder
als Klystier genommenen Tabaks, so wie die Art der Betaͤubung, die er beim
uͤbermaͤßigen Rauchen, Schnupfen oder Kauen verursacht, besonders, wenn
man sich noch nicht daran gewoͤhnt hat. Wir hatten daher starke
Gruͤnde zu glauben, daß alle diese giftigen Eigenschaften in einem hohen
Grade sich in dem Nicotin wieder finden wuͤrden, und wir haben uns darin
nicht geirrt. Wir haben mehrere Mal Hunden und Voͤgeln davon gegeben, und es
veranlaßte in allen Faͤllen schleunig den Tod. Ein Tropfen in den Schnabel
einer starken Taube gebracht, hat sie augenbliklich getoͤdtet. Kleinere
Voͤgel starben schon bei Annaͤherung einer mit Nicotin
geschwaͤngerten Roͤhre, und vier oder fuͤnf Tropfen
toͤdteten bestaͤndig ziemlich starke Hunde.Als einer von uns aus Unachtsamkeit hoͤchstens eine Secunde lang eine
sehr schwache Aufloͤsung des Nicotins in Wasser in den Mund genommen
haͤtte, uͤberfiel ihn sogleich eine heftige Betaͤubung,
die ungefaͤhr zehn Minuten anhielt, und auf welche ein Gefuͤhl
von Schwere und ein mehrere Stunden hindurch anhaltender Kopfschmerz
folgte.
Der Gerbstoff, welcher bereits als Gegengift gegen die meisten Alkaloide bezeichnet
worden ist, scheint uns auch bei Vergiftungen mittelst des Nicotins oder der
Tabaksinfusionen angewendet werden zu muͤssen, well er mit ihnen einen
weißen, kaͤseartigen, in Wasser sehr wenig aufloͤslichen Niederschlag
bildet.
Bei der Ausziehung des Nicotins aus verschiedenen Tabakssorten sezen die
concentrirten Fluͤssigkeiten an den Waͤnden der Gefaͤße
bestaͤndig einen schmuzig gruͤnen und fett anzufuͤhlenden
Koͤrper ab, welcher keinen Stikstoff enthaͤlt und nur wenig Interesse
darbietet.Den von Posselt und Reimann in den Tabakssorten gefundenen stearoptenartigen Stoff,
welchen sie Nicotianin nennen, konnten wir darin
nicht entdeken; er war ohne Zweifel nur ein unreines Nicotin.
–––––––––
Im Vorhergehenden beabsichtigten wir nur das Nicotin zu erhalten, um seine
Eigenschaften untersuchen zu koͤnnen. Da aus denselben erhellt, daß es an und
fuͤr sich sehr alkalisch ist, so muͤssen wir jezt untersuchen, ob es
wirklich urspruͤnglich im Tabak existirt, oder ob es sich erst durch
Einwirkung der zu seiner Ausziehung angewandten Alkalien auf andere Stoffe erzeugt.
Wir mußten uns auch uͤberzeugen, ob das Ammoniak, welches sich bei der
Gaͤhrung des Tabaks entwikelt, nicht als die Ursache seiner Erzeugung
angesehen werden kann.
Folgende Versuche werfen einiges Licht auf diesen wichtigen Punkt.
Taucht man Lakmuspapier in frischen Tabakssaft oder in einen Aufguß der trokenen
Pflanze, so wird es sogleich roth. Wenn es wahr ist, daß das Nicotin in der Pflanze
enthalten sey, so ist es also darin an eine im Ueberschusse vorhandene Saͤure gebunden. Dieser
Ueberschuß von Saͤure verhindert das Freiwerden des Alkaloides, welches
uͤbrigens nicht so fluͤchtig wie Ammoniak ist, und nur dann, wenn
dieser Ueberschuß von Saͤure gesaͤttigt ist, bemerkt man die
Anwesenheit des Nicotins. Dieß findet Statt, entweder wenn das Ammoniak sich bei der
Gaͤhrung des Tabaks entwikelt hat, oder wenn man zu dem frischen Safte oder
den Decocten des Tabaks, Kalk oder Natron hinzusezt, oder endlich, wenn man einige
frische Tabaksblaͤtter mit ein wenig Kalk oder Aezkali zerstampft.
Indessen liefert der Tabak bei der bloßen Destillation mit Wasser eine
Fluͤssigkeit, die eine geringe Menge Nicotin enthaͤlt. Wahrscheinlich
haͤngt dieß aber damit zusammen, daß die Nicotinsalze eben so, wie die
Ammoniaksalze durch die Waͤrme einen Theil ihrer Basis verlieren und desto
mehr, je mehr sie sich dem Zustande der Neutralitaͤt naͤhern.
Um den Verdacht zu benehmen, den man etwa hegen koͤnnte, daß die starken
Alkalien die Ursache der Erzeugung des Nicotins seyen, haben wir mehrere Sorten
Tabak mit einem großen Ueberschusse reiner Magnesia destillirt, und
bestaͤndig Nicotin erhalten, das nach erfolgter Abdampfung im luftleeren
Raume von Ammoniak frei war und stark alkalisch reagirte.
Der Gerbstoff bot uns gleichfalls ein Mittel dar diesem Einwurfe zu begegnen; wir
benuzten naͤmlich seine Eigenschaft mit Nicotin einen reichlichen klumpigen
Niederschlag zu bilden und behandelten mit ihm frischen Saft und Decocte des Tabaks.
Der aus gerbsaurem Nicotin bestehende Niederschlag wurde bei Waͤrme mit einem
Ueberschuß von essigsaurem Bleioxyd zersezt, sodann filtrirt und der Ueberschuß von
Blei, den die Fluͤssigkeit enthalten koͤnnte, entweder durch
Schwefelwasserstoff oder schwefelsaures Natron entfernt. Die Fluͤssigkeit
wurde dann concentrirt und mit kohlensaurem Kalk vermischt, nachher zur Trokne
abgedampft und mit Schwefelaͤther behandelt, der eine betraͤchtliche
Menge Nicotin aufloͤste, das alle oben angegebenen Eigenschaften besaß.
Man sieht also aus diesen Versuchen, daß man weder der Gegenwart der starken
Alkalien, wie Kali und Natron sind, noch der des Ammoniaks die Bildung des Nicotins
beimessen kann, weil man es in dem nicht gegohrenen Tabak findet, und daß man nach
der Wirkung des Gerbestoffs auf den Saft von gruͤnem Tabak nicht mehr die
Anwesenheit von Ammoniaksalzen zu befuͤrchten braucht, denn diese Salze
werden beim Auswaschen des fast unaufloͤslichen gerbsauren Nicotins
entfernt.
Also ist das Nicotin wirklich im Tabak urspruͤnglich enthalten, und das Ammoniak scheint uns nur
wegen seiner großen Fluͤchtigkeit faͤhig, ihm als Vehikel zu dienen,
wenn die Saͤure, die von Natur damit verbunden ist, und die es
vermoͤge ihres Vorwaltens fixirt, gesaͤttigt worden ist.
Die Gaͤhrung, welcher man die Tabaksorten unterwirft, scheint zur Bildung des
Nicotins ebenfalls nicht beizutragen, denn die Menge dieser Basis, die aus den durch
die Regie ins Publicum kommenden Tabaksorten gezogen wurde, war immer bei weitem
nicht so groß, als die aus Tabakblaͤttern, welche nur einer einmaligen
Zubereitung unterworfen wurden, erhaltene.
Nicht unwichtig war es zu untersuchen, ob die am meisten geschaͤzten
Tabaksorten auch das meiste Nicotin geben. Wir erhielten zu diesem Zwek von der
Tabakverwaltung sieben Proben von verschiedenen Tabaksorten, die bei der Fabrication
gebraucht werden und noch gar nicht zubereitet worden waren. Folgende Tabelle zeigt,
wie viel Nicotin in 1000 Grammen einer jeden enthalten war.
Tabaksorten
AngewandteMenge.
ErhaltenesNicotin.
Gramme.
Gramme.
Cuba
1000
8,64
Maryland
1000
5,28
Virginien
1000
10,00
Ile-et-Vilaine
1000
11,20
Lot
1000
6,48
Nord
1000
11,28
Lot-et-Garonne
1000
8,20
Rauch- und Schnupftabak
1000
3,86
Nach diesen Versuchen haͤtte man allen Grund zu glauben, daß die
Qualitaͤt der Tabaksorten nicht ausschließlich von der Menge des darin
enthaltenen Nicotins abhaͤngt, und wahrscheinlich ist es bei ihnen eben so,
wie bei den Weinen, von denen die besten nicht immer die reichhaltigsten an Alkohol
sind. Das Nicotin wird in gewissen Tabaksorten von einem besonderen nicht
festzuhaltenden Principe begleitet, das eine Art von Bouquet ausmacht, durch welches
ein Tabak vor dem anderen den Vorzug hat.
Außerdem ersieht man aus diesen vergleichenden Resultaten, welche den absoluten
Gehalt an Nicotin von verschiedenen Tabaksorten angeben, die in ganz
entgegengesezten Gegenden eingeerntet worden sind, daß der zubereitete und der
Gaͤhrung unterworfene Tabak weit weniger Nicotin als alle anderen Sorten
enthaͤlt. Dieß erscheint um so uͤberraschender, da der zubereitete
Tabak an Kraft und scharfem Geschmak anderen Sorten bei weitem uͤberlegen
ist, und da man nach der Meinung von Personen, welche der Ansicht sind, daß die Gaͤhrung
zum Zweke habe, das Nicotin in dem Tabak entweder zu erzeugen oder zu entwikeln, ein
Recht haͤtte zu glauben, daß die der Gaͤhrung unterworfen gewesene
Sorte, wenn uͤbrigens alles Andere gleich war, mehr als die anderen davon
enthalten muͤsse.
Indessen will ich diese Anomalie auf eine einfache Weise zu erklaͤren suchen.
Das sich waͤhrend der Gaͤhrung des Tabaks erzeugende Ammoniak
traͤgt einerseits dazu bei, den mit dem Nicotin verbundenen
Saͤureuͤberschuß zu saͤttigen und diese Basis in Freiheit zu
sezen; andererseits ihr Ausstroͤmen zu erleichtern, indem es ihr gewisser
Maßen als Vehikel dient. Endlich, wenn die Gaͤhrung allzulange angehalten
hat, so ist das Nicotin unter dem Einfluͤsse der Luft von selbst
faͤhig, sich zum Theil in Ammoniak zu verwandeln, so daß man sich nicht mehr
wundern darf, wenn die zubereiteten Tabaksorten weniger Nicotin als die nicht
zubereiteten Blaͤtter enthalten.Edmund Davy hat im Jahre 1830 Versuche angestellt,
um den verhaͤltnißmaͤßigen Werth des irlaͤndischen und
virginischen Tabaks auszumitteln, und zu untersuchen, ob die Wurzeln Nicotin
enthalten oder nicht. Einer der Schluͤsse seiner Abhandlung war, daß
die Wurzeln des in Irland eingeernteten Tabaks 4 bis 5 Proc. Nicotin
enthalten. In den von uns behandelten Wurzeln fanden wir aber nur so wenig
Nicotin, daß wir keinen Anstand nehmen, zu glauben, daß das von ihm
erhaltene und als reines Nicotin angesehene Product nur eine
verduͤnnte Aufloͤsung dieser Basis war.
Folgerungen.
Aus diesen Versuchen geht also Folgendes hervor:
1) Daß das Nicotin eine sehr starke und hoͤchst giftige organische Basis ist,
der man, wenn nicht die Qualitaͤt, doch wenigstens die reizende Wirkung des
Tabaks beimessen muß.
2) Daß diese Basis, in den Blattern zum Voraus vorhanden, und in sehr kleiner Menge
auch in den Wurzeln des Tabaks mit einer in Ueberschuß vorhandenen vegetabilischen
Saͤure verbunden ist, und daß die zu ihrer Ausscheidung anzuwendenden
Verfahrungsarten zu ihrer Bildung nichts beitragen.
3) Daß das Ammoniak dazu beitraͤgt das Nicotin fluͤchtiger zu machen
und dem Tabak folglich Kraft zu geben, indem es die zuruͤkgehaltene
Saͤure saͤttigt und ihr so zu sagen als Vehikel dient.
4) Endlich daß, wenn in den durch die Gaͤhrung zubereiteten Tabaksorten das
Nicotin mehr als in denen entwikelt scheint, die dieser Operation nicht unterworfen
wurden, dieß darum der Fall ist, weil es frei wird, denn es ist durchaus nicht eben
so viel darin, weil das Ammoniak bestaͤndig eine gewisse Menge mit sich
wegfuͤhrt, und weil selbst die Luft dazu beitragen kann, einen Theil davon zu
zersezen, wenn die Gaͤhrung zu lange anhaͤlt. Hieraus erklaͤrt
sich die
außerordentliche Sorgfalt, welche die Tabakfabrikanten auf diese Operation
verwenden.