Titel: Einiges über die Geschwindigkeit der Strömung der Flüsse.
Fundstelle: Band 66, Jahrgang 1837, Nr. LXX., S. 321
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LXX. Einiges uͤber die Geschwindigkeit der Stroͤmung der Fluͤsse. Aus dem Franklin Journal. Febr. 1837, im Mechanics' Magazine, No. 718. Mit einer Abbildung auf Tab. VI. Ueber die Geschwindigkeit der Stroͤmung der Fluͤsse. Man hat schon oͤfters die Frage aufgeworfen, ob die Stroͤmung eines Flusses von dessen Oberflaͤche bis zum Grunde hinab durchaus gleich ist. Einige behaupteten, an ersterer, andere hingegen an lezterem, sey die Geschwindigkeit am groͤßten. Die am allgemeinsten verbreitete, und wie mir scheint, richtigste Ansicht ist, daß die Geschwindigkeit an der Oberflaͤche am groͤßten sey, und daß sie von dieser abwaͤrts an jedem einzelnen Punkte abnehme, bis sie endlich am Grunde kaum mehr bemerkbar wird. Ich machte waͤhrend meines Aufenthaltes in Harrisburg im Sommer 1811 uͤber diesen Gegenstand folgenden Versuch, wobei ich von einem Freunde unterstuͤzt wurde. Ich ließ mir naͤmlich von einem Schreiner ein Instrument verfertigen, welches man in Fig. 27 sieht. A, B und C, D waren zwei Staͤbe von einem Zoll im Gevierte und von beilaͤufig 5 Fuß Laͤnge, welche in einer Entfernung von beilaͤufig 7 Zoll von einander durch die Querhoͤlzer e, f und g, h verbunden waren. E und F waren zwei duͤnne Brettchen, welche genau 5 Zoll im Gevierte hatten, und die wir die Fluͤgel nannten; diese waren durch einen Stab G, H von einem Zoll im Gevierte mit einander verbunden, so daß die ganze Laͤnge an dem oberen Rande von E bis zu dem unteren Rande bei F genau drei Fuß betrug i, k war ein Zapfen, der durch A, B, C, D und G, H gefuͤhrt, und bei d an G, H so befestigt war, daß er sich in den Loͤchern, durch welche er durch A, B und C, D drang, frei umdrehen konnte. In den drei Staͤben A, B, C, D und G, H waren bei l, a, m und n, b, o und p, c, q Loͤcher angebracht, die genau einen Zoll weit von einander entfernt waren, damit der Zapfen i, k im Nothfalle einen, zwei oder drei Zoll uͤber den Mittelpunkt von G, H gestellt werden konnte. Mit diesem Instrumente an Bord ankerten wir in der Mitte des Stromes an einer Stelle, wo das Wasser gegen 5 Fuß Tiefe und nach unserer Schaͤzung eine Geschwindigkeit von beilaͤufig 4 Meilen in der Stunde hatte. An dieser Stelle ward das Instrument senkrecht in den Fluß versenkt, so daß B, D den Grund beruͤhrte und daß die Stroͤmung gegen die beiden Fluͤgel E, F anschlug. Der Fluͤgel E befand sich gegen zwei Zoll unter der Wasserflaͤche; der Fluͤgel F hingegen stand noch um 3 Fuß tiefer unter ihr. Der Rahmen, AC, BD wurde in senkrechter Stellung festgehalten; der Stab G, H hingegen, der die beiden Fluͤgel E und F mit einander verband, konnte um den Zapfen i, k umlaufen, in so fern dieß durch die Stroͤmung des Wassers veranlaßt wurde. Die Folge war, daß sich das obere Ende des Stabes G, H mit dem Fluͤgel E alsogleich stromabwaͤrts neigte, waͤhrend das untere Ende mit dem Fluͤgels stromaufwaͤrts stand, so zwar, daß der Stab G, H mit dem senkrecht gehaltenen Rahmen A, B, C, D einen Winkel von beilaͤufig 30° bildete. Die Spindel i, k wurde hierauf durch die Loͤcher p, c, q und spaͤter durch die Loͤcher n, b, o gestekt, woraus folgte, daß der Fluͤgel E noch fortwaͤhrend stromabwaͤrts getrieben wurde, jedoch in um so geringerem Grade, je weiter die Spindel von d gegen c und von c gegen b bewegt wurde. Endlich wurde die Spindel durch l, a, m gestekt, so daß sie sich drei Zoll hoch uͤber d, dem Mittelpunkte des Stabes G, H befand. Als nun das Instrument unter diesen Umstaͤnden sorgfaͤltig versenke wurde, blieb der Stab beinahe senkrecht, obschon der Fluͤgel E etwas stromabwaͤrts und vorwaͤrts von dem aufrechten Rahmen A, B, C, D getrieben wurde. Die Spindel i, k wurde jederzeit an dem Stabe G, H befestigt; dagegen konnte sie frei in den Loͤchern umlaufen, durch welche sie in den beiden Staͤben A, B und C, D gestekt war. Da der Stab G, H genau 26 Zoll in der Laͤnge hatte, und da jeder Fluͤgel 5 Zoll im Gevierte maß, so betrug die Entfernung von dem Mittelpunkte von E zu dem Mittelpunkte von F genau 31 Zoll. Wenn sich die Spindel in l, a, m befand, so stand sie drei Zoll uͤber dem Mittelpunkte, so daß also der Fluͤgel E einen Hebel von 12 1/2 und der Fluͤgel F einen Hebel von 18 Zoll bekam, von dem Punkte a bis zu dem Mittelpunkte eines jeden Fluͤgels gemessen. Die Geschwindigkeit der Stroͤmung an der Oberflaͤche von E verhielt sich mithin zu jener bei F, d.h. 31 Zoll unter dem Wasser, wie 18 1/2 zu 12 1/2. Es waͤre interessant, diese Versuche unter verschiedenen Umstaͤnden, z.B. in Stroͤmungen, welche eine Geschwindigkeit von 2, 6 und mehr Meilen in der Stunde haben, und in Fluͤssen von verschiedener Tiefe, wobei der untere Fluͤgel stets dem Grunde moͤglichst nahe gebracht werden muͤßte, zu wiederholen. Die Ursache, warum die Stroͤmung der Fluͤsse an ihrer Oberflaͤche am groͤßten ist, und warum sie gegen deren Boden hin allmaͤhlich abnimmt, scheint ganz klar. Sie beruht naͤmlich ganz auf dem Geseze, nach welchem Koͤrper uͤber eine schiefe Flaͤche herabfallen: nur ist die Anwendung dieses Gesezes im vorliegenden Falle weit schwieriger, weil der herabfallende Koͤrper eine Fluͤssigkeit ist. Nach demselben Geseze nimmt auch die Geschwindigkeit der Stroͤmung eines Flusses um so mehr zu, je hoͤher er steigt. Ich hoͤrte von Schiff- und Floßleuten am Susquehannah oft die Bemerkung, daß ihre Floͤße, Frachtschiffe etc. eine groͤßere Geschwindigkeit hatten, als der Fluß; und daß sie, wenn der Fluß in Folge eines hoͤher oben eingetretenen Regens anschwillt, dem Flusse gegen 24 Stunden vorausgeben muͤssen; weil sie, wenn sie gleich mit dem Wachsen des Wassers abfahren wuͤrden, in kurzer Zeit den hoͤheren Wasserstand uͤberholen und in seichtes Wasser kommen wuͤrden. So ist auch allgemein angenommen, daß ein befrachtetes Boot schneller faͤhrt als ein leichtes, und daß die Geschwindigkeit der Floͤße waͤchst, wenn man ihrer mehrere mit einander verbindet. Alle diese Angaben schienen mir der Theorie nach schon wahrscheinlich, und gleichfalls auf das angedeutete Gesez zuruͤkfuͤhrbar, wonach Koͤrper, die uͤber eine schiefe Flaͤche herabgleiten, eine um so groͤßere Geschwindigkeit erlangen, je groͤßer die Neigung der Flaͤche und je groͤßer das Gewicht der Koͤrper ist. Ich stellte jedoch in Gemeinschaft mit mehreren Freunden einen Versuch an. Wir verfertigten uns ein gewoͤhnliches Wasserrad von beilaͤufig 16 Zoll im Durchmesser, und befestigten dieses an dem Ende eines Stabes von 2 Fuß Laͤnge. Mit diesem begaben wir uns in ein Schiff, mit welchem wir an einer Stelle anketten, an welcher der Fluß einige hundert Yards auf- und abwaͤrts eine gleichmaͤßige Stroͤmung von beilaͤufig 5 Meilen in der Stunde hatte. Ich saß in der Mitte des Fahrzeuges und hielt unser Wasserrad so uͤber Bord hinaus, daß es einen Zoll oder daruͤber getaucht war; dabei ruhte der Stab auf der Seitenwand des Fahrzeuges; auch hielt ich ihn so lose, daß er in meiner Hand in dem Maße umlaufen konnte, als das Rad durch die Stroͤmung in Bewegung gesezt wurde. Waͤhrend nun das Schiff vor Anker lag, wurde das Rad durch die Stroͤmung veranlaßt, sich ziemlich schnell gegen den Strom zu bewegen. Kaum hatten wir aber das Tau gekappt, so nahm die Geschwindigkeit des Fahrzeuges allmaͤhlich, jedoch rasch zu, wobei die Bewegung des Wasserrades gegen den Strom rasch abnahm. Das Fahrzeug war kaum 4 oder 5 Ruthen weit getrieben, so hatte die Bewegung des Rades um seine Achse ganz aufgehoͤrt, und es begann sich Anfangs langsam, dann aber mit rasch zunehmender Geschwindigkeit stromabwaͤrts um seine Achse zu drehen. Als wir uns gegen 15 Ruthen von der Stelle, an der wir vor Anker lagen, entfernt hatten, lief das Wasserrad mit der Stroͤmung um, und zwar in jeder Ruthe oder selbst in einer geringeren Distanz um einen Umgang. Es ist hienach offenbar, daß waͤhrend das Rad gegen den Strom umlief, die Stroͤmung rascher war als die Geschwindigkeit des Fahrzeuges; und daß umgekehrt, wenn das Rad stromabwaͤrts umlief, das Fahrzeug eine groͤßere Geschwindigkeit hatte, als der Strom. Wir erwarteten dieses Resultat allerdings; allein wir waren alle daruͤber erstaunt, daß das Fahrzeug innerhalb einer so kurzen Zeit die Stroͤmung des Flusses zu uͤberholen im Stande ist. Es waͤre daher sehr interessant, diese Versuche unter verschiedenen Umstaͤnden und mit vollkommenen Instrumenten zu wiederholen.

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Tafel Tab. VI
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