Titel: | Bericht über einen neuen, von Hrn. Janvier, Marine-Offizier, erfundenen Locomotivapparat für Schiffe und Dampfboote; erstattet von Hrn. Malpeyre d. ä. |
Fundstelle: | Band 66, Jahrgang 1837, Nr. LXXXIII., S. 402 |
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LXXXIII.
Bericht uͤber einen neuen, von Hrn.
Janvier,
Marine-Offizier, erfundenen Locomotivapparat fuͤr Schiffe und Dampfboote;
erstattet von Hrn. Malpeyre d. aͤ.
Aus dem Journal de l'Académie de l'Industrie. Mai,
1837.
Malveyre's Bericht uͤber Janvier's Locomotivapparat
fuͤr Dampfboote.
Hr. Janvier,
Marine-Offizier und einer der Commandanten der koͤnigl. Dampfboote auf
dem Mittelmeere, ist der Erfinder eines Apparates, der uns so gluͤklich und
mit solcher Sachkenntnis ausgedacht zu seyn scheint, und der bei den damit
angestellten Versuchen so guͤnstige Resultate gewaͤhrte, daß wir es
fuͤr unsere Pflicht halten, der Gesellschaft etwas ausfuͤhrliches
daruͤber zu berichten. Wir erlauben uns, um die Vorzuͤge dieser
Erfindung um so besser hervorzuheben, in Kuͤrze die Hauptvorwuͤrfe,
welche man unseren dermaligen Dampfbooten machen kann, vorauszuschiken.
Alle dermalen auf Meeren, Fluͤssen und Seen fahrenden Dampfboote erhalten
ihren Impuls von zwei Schaufelraͤdern, welche an den beiden Seiten des
Fahrzeuges außer den Waͤnden angebracht sind. Hiedurch erhalten sie eine
fuͤr das Auge unangenehme und fuͤr die Ausruͤstung und
Fuͤhrung unbequeme Form. Ihr Gewicht und ihre Wassertracht wird dadurch
erhoͤht, und wenn diese schwimmenden Maschinen auf solche Weise auch
einerseits an Stabilitaͤt gewinnen, so wird ihr Widerstand gegen den Wind
andererseits doch in hohem Grade gesteigert.
Der fehlerhafte Bau dieser Raͤder und die ungeachtet aller in England und
Frankreich gemachten Anstrengungen beinahe hergestellte Unmoͤglichkeit, den
Schaufeln die von der Theorie als die beste angedeutete Gestalt und Einrichtung zu
geben; die Hebung des Fahrzeuges, so oft eine Schaufel die Wasserflaͤche
trifft und bevor sie unter sie untertaucht; die ungeheure Wassermenge, welche jede
Schaufel zuruͤkwirft; das bedeutende Schwanken, welches sie erzeugt, u.
dergl. m.: Alles dieß sind eben so viele Ursachen, die einen bedeutenden Verlust an
Kraft bedingen, und die es unausbleiblich bewirken, daß nur 3/5 der Kraft der
Maschinen und manchmal sogar noch weniger einen wirklichen Nuzeffect geben.
Mit den Schaufelraͤdern wird ferner die Kraft auf so unvollkommene Weise
fortgepflanzt und so unvortheilhaft angewendet, daß unmoͤglich eine große
Geschwindigkeit erreicht werden kann. Von welcher Wichtigkeit dieß ist, erhellt daraus, daß nach den
in England angestellten Versuchen der Widerstand des Wassers keineswegs der
bisherigen Ansicht zu Folge wie das Quadrat der Geschwindigkeit waͤchst;
sondern daß er, wenn ein Mal eine bestimmte Graͤnze uͤberschritten
ist, einer abnehmenden Progression folgt: so daß in Hinsicht auf Ersparniß an
Triebkraft die groͤßeren Geschwindigkeiten am vortheilhaftesten sind.
Die Schaufeln der Ruderraͤder treffen bei der allgemein angenommenen Anordnung
mit einer gleichmaͤßigen Bewegung auf das Wasser und treiben es auch mit
einer solchen zuruͤk; waͤhrend, wenn man das Spiel eines mit
Gewandtheit gefuͤhrten Ruders betrachtet, hier die Geschwindigkeit, womit die
Welle gestoßen wird, ununterbrochen bis zu dem Augenblike waͤchst, in welchem
die Traͤgheit des Wassers der Kraft das Gleichgewicht haͤlt, und in
welchem dann das Ruder zu wirken aufhoͤrt, um senkrecht aus dem Wasser
auszutreten.
Der Apparat, welcher die Bewegung der Maschine an die Raͤder fortpflanzt,
laͤuft durch die ganze Breite der Fahrzeuge, und bringt daher, sowohl was die
Anbringung des Takelwerkes, als auch uͤberhaupt den Dienst im Innern
betrifft, seine Hindernisse mit sich. Die ungeheuren Ruderraͤder sind,
obschon sie ziemlich tief untertauchen, bei stuͤrmischer Witterung doch oft
von schwacher Wirkung, indem sie bei starkem Schaukeln des Fahrzeuges abwechselnd
aus dem Wasser austreten oder zu tief untertauchen, und in beiden Faͤllen
nicht mehr zur progressiven Bewegung des Fahrzeuges beitragen koͤnnen.
Abgesehen hievon sind die Raͤder aber auch noch vielen
Beschaͤdigungen, welche kostspielige, und unter den gegebenen
Umstaͤnden meistens schwierige und langsam zu bewerkstelligende Reparaturen
veranlassen, ausgesezt; ja es geschieht nicht so gar selten, daß ein Rad durch einen
heftigen Schwall ganz weggerissen oder unbrauchbar gemacht wird.
Die Dampfboote koͤnnen sich wegen ihrer beiden seitlichen Raͤder nicht
so dicht an die Quais, Ufer und sonstigen zur Ausschiffung bestimmten Orte anlegen,
eben so wenig lassen sie sich in den Haͤfen oder Stationen so dicht
aneinander legen. Welche Gefahren sie durch die Bewegung ihrer Raͤder den
kleineren sich ihnen annaͤhernden Fahrzeugen bringen, ist gleichfalls
bekannt; so wie es auch hergestellt ist, daß sie eine hohle See oder
uͤberhaupt einen Wasserschwall erzeugen, der den Wasserbauten nachtheilig
wird und die Fische verscheucht.
Endlich konnte man die Dampfboote bisher nicht nur nicht zum Kriegsdienste verwenden,
da ihre arbeitenden Theile zu sehr exponirt sind; sondern man war auch gezwungen,
ihrer Anwendung auf
kleineren Canaͤlen zu entsagen, weil die Raͤder die Ufer zu schnell
zerstoͤren.
Diesen großen und zahlreichen Maͤngeln hat nun Hr. Janvier zum groͤßten Theile gesteuert,
und zwar durch so einfache Mittel, daß man sich leicht und ohne Abbildung eine
deutliche Idee davon zu bilden im Stande ist.
Hr. Janvier hat den
gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen Erzeuger der Triebkraft beibehalten; nur
hat er mathematische Theorien zum Grunde legend und auf die durch lange Erfahrung
erworbenen Principien bauend, der Dampfmaschine eine Einrichtung gegeben, die
groͤßere Bequemlichkeit gewaͤhrt und eine vortheilhaftere Verwendung
ihrer Triebkraft zulaͤßt. Mit diesem verbesserten Motor hat er jene Apparate
oder Organe, die dem Fahrzeuge den Impuls zu geben haben, in Verbindung gebracht.
Diese Organe sind eigentlich nichts als zwei Ruder von hoͤchst sinnreichem
Baue, die wir etwas ausfuͤhrlicher eroͤrtern wollen.
An dem Apparate, den wir auf dem Canale St. Martin in Thaͤtigkeit sahen, sezt
die Dampfmaschine eine Welle in Bewegung, an der in der Laͤngenachse des
Fahrzeuges und naͤher an dem Hinter- als an dem Vordertheile ein
Schwungrad aufgezogen ist. Zu beiden Seiten dieser Welle ist mit Reibung das obere
Ende einer senkrechten eisernen Stange angebracht; und diese zu beiden Seiten des
Schwungrades befindlichen Stangen tauchen in eine Art von Troͤgen, die mit
der Fluͤssigkeit, in der sich das Fahrzeug bewegt, communiciren, um sich dann
je nach der Zeitperiode der Bewegung bis auf verschiedene Tiefe unter den Kiel zu
verlaͤngern. In dem Kielraum dieser Troͤge, in denen das Wasser so
hoch steht, als das Schiff im Wasser geht, ist ein verbolztes Halsstuͤk
angebracht, in welchem sich die Stangen nach der ihnen von der Kurbel mitgetheilten
Bewegung auf und nieder und von Ruͤkwaͤrts nach Vorwaͤrts und
umgekehrt bewegen koͤnnen. Hienach ergibt sich leicht, wie die Stangen in
Wechselbewegung kommen. Die Dampfmaschine gibt der Welle des Schwungrades eine
rotirende Bewegung, und diese bewirkt, indem sie umlaͤuft, mittelst der an
ihr befindlichen Kurbelarme, daß der Kopf oder das obere Ende der Stangen einen
Kreis beschreibt, waͤhrend deren Koͤrper bei der Auf- und
Niederbewegung, in die er geraͤth, und indem er sich gegen das
Halsstuͤk stemmt, eine eigenthuͤmliche Curve durchlaͤuft, und
zugleich das Wasser mit einer Geschwindigkeit, die man nach Bedarf abaͤndern
kann, trifft.
Die eisernen Stangen sind vierseitig, ihre breiteren Seiten liegen in der
Flaͤche, in der sie sich bewegen muͤssen, um einerseits der Biegung am
kraͤftigsten zu widerstehen und andererseits ihrer Bewegung in der Fluͤssigkeit, in
der sie arbeiten, am wenigsten hinderlich zu seyn. An ihrem unteren Ende ist mit
einem Charniergelenke ein bewegliches Brettchen aus Blech aufgehaͤngt,
welches senkrecht herabhaͤngt, sobald die Stangen senkrecht stehen oder wenn
sich das Fahrzeug in Ruhestand befindet, welches aber jederzeit bereit ist in
Thaͤtigkeit zu kommen, sobald die Stangen in Bewegung gerathen. Diese Stangen
und die daran befestigten Brettchen sind es also, welche die Ruder und die Erfindung
des Hrn. Janvier bilden, und
deren Bewegung man analysiren muß, um den ganzen Mechanismus vollkommen
aufzufassen.
Angenommen z.B. die Stange oder deren unteres Ende und das daran befindliche
Brettchen habe nach Ruͤkwaͤrts die groͤßte Entfernung, in
welche sie gelangen koͤnnen, erreicht, so wird durch das Emporsteigen der
Kurbel der Schwungradwelle der untergetauchte Theil verkuͤrzt und dieses Ende
nach Vorwaͤrts gefuͤhrt werden, wo dann das Brettchen von selbst
waͤhrend der ganzen Dauer der Zeit, die das Ruder braucht, um von dem
ersteren zu dem lezteren Punkte zu gelangen, in horizontale Stellung kommt, und also
auch waͤhrend dieser ganzen Zeit keinen Widerstand, der einen merklichen
Verlust an Triebkraft bedingen koͤnnte, erfahrt. Ist das Ruder hingegen nach
Vorne zu an dem Ende seiner Laufbahn angelangt, so wird durch das Herabsteigen der
Kurbel der untergetauchte Theil verlaͤngert werden, und von Vorne nach
Ruͤkwaͤrts eine Curve beschreiben. Da nun das Brettchen
waͤhrend dieser Bewegung von Seite des Wassers auf Widerstand stoͤßt,
so wird es sich um sein Gewinde drehen, sich senkrecht aufstellen und sich gegen das
Ruder selbst stemmen, um auf diese Weise an dem Ruderende eine ziemlich ausgedehnte
senkrechte Flaͤche, die mit Kraft das Wasser trifft und das Fahrzeug also in
Bewegung sezt, zu bilden. Die beiden Ruder arbeiten wechselweise: d.h. ihre Kurbeln
kreuzen sich unter rechten Winkeln, und das eine wird nach Vorwaͤrts bewegt,
waͤhrend das andere den Stoß nach Ruͤkwaͤrts vollbringt.
Untersucht man die Bewegung des Brettchens von dem Augenblik an, wo sich dasselbe
senkrecht aufstellt, bis zu dem Augenblike, in welchem es wieder in horizontale
Stellung gelangt, d.h. waͤhrend der ganzen Dauer seiner nuͤzlichen
Einwirkung auf das Wasser, so wird man finden, daß es beinahe eine sogenannte
Conchoide oder Muschellinie beschreibt. Es tritt hiebei beinahe senkrecht in die
Fluͤssigkeit ein, erlangt in dem Maaße, als es in seinem kaufe
voranschreitet, eine groͤßere Geschwindigkeit, und erzielt in lezter Hinsicht
das Maximum, wenn das Ruder am tiefsten untergetaucht ist, wobei es das Wasser in
einer gegen seine Flaͤche senkrecht stehenden Richtung trifft. Hat es diesen
Punkt passirt, so nimmt diese Geschwindigkeit ab, und das Ruder steigt in dem
zweiten Theil der Curve in beinahe senkrechter Stellung empor, bis es in dem
Augenblik, in welchem es sich von Ruͤkwaͤrts nach Vorwaͤrts
bewegt, in die horizontale Stellung faͤllt und in dieser wie gesagt von Seite
der Fluͤssigkeit, in der es arbeitet, weiter keinen merklichen Widerstand
mehr erfaͤhrt. Kurz das beschriebene Brettchen entspricht beinahe allen
Bedingungen, die die Theorie an den Raͤdern der Dampfboote erheischt, um zu
dem bisher noch nicht erzielten Maximum des Nuzeffectes zu gelangen.
Haͤlt man die Verrichtungen des beschriebenen Apparates mit den im Eingange
aufgezahlten Maͤngeln der dermaligen Raͤder der Dampfboote zusammen,
so ergibt sich, daß die neue Erfindung beinahe keiner dieser lezteren trifft. Der
ganze Locomotivapparat ist naͤmlich in dem Zwischendeke verborgen, so daß
weder die Schoͤnheit der Form des Fahrzeuges Schaden leidet, noch auch die
Auftakelung und der Dienst oder die Steuerung beeintraͤcht ist. Die Kraft
wird auf die vortheilhafteste Weise verwendet, und die Geschwindigkeit laͤßt
sich nach Belieben erhoͤhen und leicht bis auf jenen Grad treiben, den die
Erfahrung als den vortheilhaftesten bewaͤhrte. Wie sehr das Fahrzeug auch
durch die unruhigste See hin und her geworfen werden mag, so bleibt der
Locomotivapparat doch immer untergetaucht und im Stande zu arbeiten; auch kann er
dem Fahrzeuge eben so leicht nach Vorwaͤrts als nach Ruͤkwaͤrts
einen Impuls geben. Weder das Aneinanderstoßen zweier Fahrzeuge, noch auch das
Anstoßen des Rumpfes gegen irgend einen Koͤrper beschaͤdigt den
Apparat, der eben so wenig durch eine hohle Welle weggerissen werden, als bei
Gefechten Schaden leiden kann. Und sollte ja eines der Ruder durch eine Kugel
demontirt werden, so wuͤrde sich das Fahrzeug mit dem anderen noch sehr gut
bewegen, wie wir uns bei den unter unseren Augen angestellten Versuchen wiederholt
uͤberzeugten. Endlich haben wir uns durch dieselben Versuche
uͤberzeugt, daß ein mit dem neuen Locomotivapparat ausgestattetes Boot durch
seine Bewegung nur eine sehr unbedeutende Furche im Wasser erzeugt, so daß die Ufer
keinen Schaden leiden koͤnnen, und daß die Dampfschifffahrt solcher Maßen
auch auf die Canaͤle anwendbar wird, wie klein auch deren Durchschnitt, und
welches ihre Boͤschung seyn mag.
Der Apparat des Hrn. Janvier
hat bereits die Approbation vieler sachkundiger Ingenieurs und
Marine-Offiziere erlangt, weßhalb denn auch das Marineministerium den Befehl
erließ, zum Behufe eines Versuches im Großen eines der koͤnigl. Dampfboote
damit auszustatten. Wir zweifeln nicht an dem guͤnstigen Resultate, zu dem man gelangen wird,
und laden die Gesellschaft ein dem Erfinder eine ihrer Ehrenmedaillen
zuzustellen.