Titel: | Ueber die von Hrn. Eduard Leitenberger, Besizer der Kattun-Drukmanufactur in Reichstadt in Böhmen, erfundene Modeldrukmaschine. Mitgetheilt von Dr. K. J. Kreutzberg, Chemiker für Druk- und Färbekunst in Prag. |
Autor: | Karl Joseph Kreutzberg [GND] |
Fundstelle: | Band 66, Jahrgang 1837, Nr. XCIII., S. 427 |
Download: | XML |
XCIII.
Ueber die von Hrn. Eduard Leitenberger, Besizer der
Kattun-Drukmanufactur in Reichstadt in Boͤhmen, erfundene
Modeldrukmaschine. Mitgetheilt von Dr. K. J. Kreutzberg, Chemiker fuͤr
Druk- und Faͤrbekunst in Prag.
Ueber Leitenberger's Modeldrukmaschine.
Der hohe Standpunkt, welchen die mechanischen und physikalischen Wissenschaften in
den leztverflossenen 50 Jahren erreichten, und der vorher nicht geahnte Umschwung,
den sie in ihrer praktischen Anwendung auf alle technischen Gewerbe bewirkten, hat
wohl bei keinem anderen Industriezweige einen in jeder Hinsicht so maͤchtigen
Einfluß geuͤbt, als bei jener Fabrication, die sich mit dem Faͤrben
und Bedruken der Zeuge uͤberhaupt, oder mit dem Kattundruk insbesondere
beschaͤftigt. Vorzuͤglich dieser leztere Industriezweig hat eine große
Anzahl der neueren Forschungen in den Kreis seiner praktischen Wirksamkeit gezogen,
diese mit jeder Erfindung bereichernd, die im Gebiete der Chemie, Physik und
Mechanik, wo immer sich zur praktischen Anwendung darbot, so daß
gegenwaͤrtig, wie bei wenigen anderen gewerblichen Beschaͤftigungen,
das Gesammte dieser Fabrication auf Ausuͤbung der den genannten
Wissenschaften zum Grunde liegenden Principien beruht, und andererseits dieser stets
auf wissenschaftlicher Theorie sich basirenden Praxis der glaͤnzende
Standpunkt, den die Kattunfabrication in technischer und staatswirthschaftlicher
Beziehung auch bei uns Deutschen erreicht hat, zuzuschreiben ist.
Wie viel wir aber auch den Versuchen und Fortschritten, in dieser
Geschaͤftsbranche, unseren Nachbarn jenseits des Canals und des Rheins danken
– man wuͤrde uns Unrecht thun, sollten wir bloß als solche gelten, die sich
nur auf das Empfangen beschraͤnkt haͤtten.
Allerdings muß man zugeben, daß die deutschen Leistungen bisher mehr auf die Kultur
des chemischen Theils unserer Branche gelichtet waren; aber um so erfreulicher ist
es, daß gegenwaͤrtig eine neuere deutsche Erfindung uns in den Stand sezt,
auch einen betraͤchtlichen Theil des von unseren Nachbarn bisher benuzten
großen Capitals mechanischer Verbesserungen in der
Kattunfabrication auf eine, wie ich zu hoffen mich berechtigt glaube, sehr
ehrenvolle Weise zuruͤkzuzahlen, durch die von meinem Landsmanns und sehr
verehrten Freunde Hrn. Eduard
Leitenberger – gegenwaͤrtigem Besizer der Ignatz Leitenberger'schen Kattunfabrik in Reichstadt in
Boͤhmen – erfundene Modeldrukmaschine, welche eine neue Aera in der
Geschichte der Kattunfabrication begruͤnden duͤrfte, indem sie die oft
schwierige und unsichere, immer aber langsamere und kostspieligere Handarbeit beim
Druke auf eine in jeder Beziehung vortheilhaftere Weise ersezt.
Die Namen Leitenberger und Reichstadt haben fuͤr die Kattunfabrikanten auch entfernter
Gegenden einen solchen vollguͤltigen Klang, daß – auch dann, wenn ich
nicht von jeder Anpreisung entfernt, eine andere Absicht haͤtte als einzig
und allein die: meine Geschaͤftsgenossen auf eine
fuͤr uns alle wichtige und von einem unserer geachtesten Koryphaͤen
ausgegangene Erfindung aufmerksam zu machen – ich mich im Folgenden bloß auf
eine einfache Andeutung der aus eigener Anschauung gewonnenen Ueberzeugung von der
Beschaffenheit und Leistung dieser Maschine beschraͤnken darf.
Dieselbe arbeitet naͤmlich mit den bisher gebraͤuchlichen, erhaben
gestochenen Moͤbeln oder Formen von Holz oder Metall, oder beiden zugleich
gefertigt, schneller, exacter und wohlfeiler, als man bisher mit der Hand zu druken im Stande war. Auch
arbeitet sie mit einer beliebigen Anzahl von Moͤbeln fuͤr 1 bis 8
Farben zu gleicher Zeit, naͤmlich: Vordruk, mehrere Einpaßfarben und Deker,
schlaͤgt diese lezteren (was bei Bodenmustern sehr zu
beruͤksichtigen), wenn es noͤthig ist, zu gleicher Zeit doppelt ab,
und uͤberwindet dabei leicht die Schwierigkeiten, welche in Beziehung auf
Genauigkeit und Correctheit der Rapporte und Dessins bei dem Handdruke so bedeutend
sind, und in manchen Mustern schwer oder gar nicht beseitigt werden koͤnnen,
wie dieses die in Beziehung auf das Gesammte der Druk- und
Faͤrbemanipulationen so competente Redaction des Polytechn. Journals nach
Ansicht der dieser Notiz beigelegten ganzen Stuͤken entnommenen Muster
bezeugen kann.Dieselben entsprechen vollkommen den von Hrn. Dr.
Kreutzberg angegebenen Leistungen der Maschine.A. d. R. Diese Maschine
eignet sich ferner zum Bedruken von Gewebe aller Art ohne Unterschied des Stoffes,
so wie fuͤr den Papiertapetendruk, und kann mit der Hand oder jeder anderen
uͤblichen Triebkraft in Bewegung gesezt und erhalten werden, sowohl den Tag
uͤber wie bei Beleuchtung die Nacht hindurch. Bei Anwendung von
Elementarkraft koͤnnen durch ein und dasselbe Triebwerk mehrere solche
Maschinen zugleich in Bewegung gesezt werden, da hiezu eine nur sehr geringe Kraft
noͤthig ist. Uebrigens unterscheidet sich dieser Drukapparat von allen bisher
bekannten Maschinen der Art fuͤr den Modeldruk sehr vortheilhaft, und
insbesondere von der Perrotine: durch Einfachheit des
Princips, leichte, nicht complicirte Construction, gleichmaͤßig regelrechte
Bewegung, Wohlfeilheit der Herstellung, durch den den Raum eines
gewoͤhnlichen Druktisches nicht sehr uͤberschreitenden Plaz, den sie
erfordert; durch exacteren Druk in jener Vollkommenheit, die bei sehr vielen
Artikeln durch die bisher uͤbliche Handarbeit nicht erreichbar ist, wo man
uͤberdieß mit beliebiger Anzahl von Moͤdeln die anwendbaren Mordants,
Farben, Aezen oder Reservagen damit zu gleicher Zeit vor- und eindruken kann.
Vorzuͤglich unterscheidet sich aber diese Maschine sonst noch von der Perrotine – selbst von jener neuerlich
verbesserten mit mechanischen Streichern – abgesehen auch von dem billigeren
Preise im Verhaͤltnisse der Leistungen, noch durch den Bedarf von weniger
Arbeitern und durch die regelmaͤßige, nichts zu wuͤnschen
uͤbrig lassende genaue Darstellung verschieden gestaltiger, auch streifartiger Muster, welche lezteren auf jener Maschine
bekanntlich nur selten in der noͤthigen Vollkommenheit, oft aber auch gar
nicht erzielt werden koͤnnen; ferner durch den – insbesondere bei
Anwendung der Dampf- und Applicationsfarben, welche namentlich im
Schafwollen- und Seidendruk vorherrschend sind – so wichtigen Umstand,
daß sie bis 8 Farben zugleich, waͤhrend die Perrotine deren nur 3 zu druken
vermag. – Daß uͤbrigens auch hier bei Krappartikeln die
Illuminationsfarben erst nach dem Faͤrben und Schoͤnen mir der Hand
eingedrukt werden koͤnnen, versteht sich wohl von selbst.
Was die quantitative Leistung betrifft, so drukt diese
Maschine mit einem Model von 1 Zoll Laͤngentheilungsrapport im Durchschnitte
in 12 Stunden 8 Stuͤke der bei uns durchschnittlich uͤblichen
Laͤnge von 40 Wiener Ellen, oder was dasselbe ist, mit Moͤdeln von 6
Zoll Laͤngentheilungsrapport 48 solche Stuͤke in 12 Stunden,
gleichviel, ob mit einer oder mehreren Farben zugleich.
Nimmt man als Durchschnitt der Leistung ein vierfarbiges
Dessin mit einer 4zoͤlligen Laͤngentheilung, so wird dieß in 12
Stunden, 32 Stuͤke mit 4 Farben bedrukt, oder eben so viel als 128
einfaͤrbige Stuͤke à 40 Wiener Ellen, ergeben. Nimmt
man an, daß ein Handdruker nach dem bisherigen Verfahren durchschnittlich 3 1/2
Stuͤke taͤglich zu druken im Stande sey, so leistet eine dieser
Maschinen eben so viel als beilaͤufig 40 Handdruker, wobei die Maschine noch
den Vortheil gewaͤhrt, daß sie dasselbe leistet, gleichviel, ob Calicos oder
6/4 breite Waare bedrukt werden.
Werden diese Maschinen durch Wasser- oder Dampfkraft in Bewegung gesezt, so
erfordern 2 Maschinen bloß 1 Individuum zur Aufsicht; bei Handbewegung hingegen 1
Mann und 1 Kind fuͤr jede Maschine. Erwaͤgt man, daß diese nach
hierlaͤndigen Arbeitsloͤhnen fuͤr den Tag 1 fl. 10 kr. C. M.
kosten, ein Handdruker aber fuͤr 1 Stuͤk,
per 40 W.
Ellen,
fuͤr den Vordruk
16 kr.
fuͤr den ersten Passer
14 –
fuͤr die beiden folgenden
24 –
––––––
zusammen also
54 kr. C. M.
erhaͤlt, was fuͤr die 32
Stuͤke, so die Maschine mit 4 Farben taͤglich zu druken
faͤhig ist
28 fl.
48 kr.
fuͤr Drukerloͤhne betragen
wuͤrde, wofuͤr aber die Arbeitsloͤhne fuͤr
den Druk auf der Maschine fuͤr dieselbe Leistung
taͤglich, wie oben bemerkt, nur
1 –
10 –
–––––––––
betragen, so erspart die Maschine bei
32 Stuͤken
27 fl.
38 kr.
an Drukerlohn, oder sie liefert das Stuͤk Waare, so mit
dem Handdruke 54 kr. kostet, fuͤr 2 1/8 kr. Druklohn; wohlfeiler daher als
der Maschinendruk mit dem Rauleaux; denn obschon dieß leztere weit mehr zu druken
vermag, so sind dafuͤr die Auslagen fuͤr dasselbe weit groͤßer,
sowohl ruͤksichtlich des fuͤr die Metallwalzen, dann die Druk-
und Molleteurapparate nothwendigen bedeutenden Capitals, als auch der so
kostspieligen Loͤhnung der Graveurs und Molleteurs, abgesehen auch von dem
Taglohne fuͤr einige bei dem Walzendruke immer nothwendige
Huͤlfsarbeiter.
Uebrigens steht die qualitative Leistung der Maschine
zwischen dem Rouleaux- und Handdruke, und obwohl man bei Anwendung von
Tafel- oder Applicationsfarben bis 8 Farben mit Moͤdeln zugleich
darauf abdruken kann, so ist ihre Einrichtung doch der Art, daß sie keine
groͤßere Kraft erfordert, ob mit einer oder mehreren Farben und
Moͤdeln gedrukt wird. Eben so findet in der sehr kurzen Zeit, welche zum
Wechseln der Stoffe, Farben und Moͤdel noͤthig ist, fast kein
Unterschied Statt.
Vergleicht man diese Leistungen mit dem hoͤchst einfachen Principe, das den
eben so leichten und sicheren, wie regelrechten, keiner Gefahr vieler Reparaturen
oder Nachhuͤlfen unterworfenen Gang dieser Maschine leitet, so darf man sie
eine der gluͤklichsten Combinationen der industriellen Mechanik nennen, deren
Einfluß auf unsere Branche jenem der Walzendrukmaschine wenig nachstehen
duͤrfte. Waͤhrend jedoch diese Erfindung des hochverdienten Oberkampf, der Intelligenz der Fabrikanten von Manchester
und fast dreier Decennien bedurfte, um ihre gegenwaͤrtige vervollkommnete
Gestaltung zu erlangen, kann die Leitenberger'sche
Maschine als eine aus den Haͤnden ihres genialen Schoͤpfers bereits
vollendet hervorgegangene Erfindung betrachtet werden, die wohl schwerlich eine wesentliche Verbesserung erfahren wird.
Wenn auch vertraut mit den Details dieser nunmehr schon von mehreren hier- und
auslaͤndischen Fabrikanten acquirirten, hoͤchst interessanten Maschine
– welche ich bereits auch außerhalb des Etablissements des Erfinders ihre
stets sichere Arbeit verrichten sah – erachte ich jedoch jede weitere
Andeutung hieruͤber nicht angemessen, uͤberzeugt, daß das bereits
Gesagte fuͤr jeden Drukfabrikanten von Wichtigkeit seyn wird. Um diesen
jedoch Anfragen zu ersparen, moͤgen hier die Preise und Bedingungen folgen,
gegen welche Hr. Leitenberger
seine Maschine anderen uͤberlaͤßt.
Textabbildung Bd. 66, S. 430
Fuͤr Calicos; Fuͤr
Musselinbreite; Conventionsmuͤnze; Eine einfache Maschine von Gußeisen
mit Hebeldruk, womit man sowohl 1 bis 2 Farben zugleich druken kann, welche
einen Mann und ein Kind zum Betrieb erfordert; Eine Maschine von Gußeisen mit
Curvenbewegung, womit man sowohl 1 bis 3 Farben zugleich druken kann, welche
einen Mann und ein Kind zum Betrieb erfordert; Eine Maschine von Gußeisen mit
Curvenbewegung, womit man sowohl 1 bis 4 Farben zugleich druken kann, welche
einen Mann und ein Kind zum Betrieb erfordert; Eine Maschine von Gußeisen mit
Curvenbewegung und mechanisch-beweglichen Chassi, womit man sowohl 1 bis
4 Farben zugleich druken kann, welche einen Mann und ein Kind zum Betrieb
erfordert; Eine Maschine von Gußeisen mit Curvenbewegung und
mechanisch-beweglichen Chassi, womit man sowohl 1 bis 6 Farben zugleich
druken kann, welche einen Mann und ein Kind zum Betrieb erfordert; Eine Maschine
von Gußeisen mit Curvenbewegung und mechanischer Chassibewegung, womit man
sowohl 1 bis 8 Farben zugleich druken kann, welche einen Mann und ein bis zwei
Kinder zum Betrieb erfordert; Maschinen zum Betrieb durch Wasser-,
Dampf- oder andere Kraͤfte mit ganz mechanischer Bewegung, wo zwei
Maschinen bloß einen Mann zur Aufsicht beduͤrfen, kosten per Farbe mehr.
Drei Monate nach Empfang einer festen Bestellung werden zu diesen Preisen ab
Reichstadt die Maschinen geliefert; die Haͤlfte des Betrages wird in
3monatlichen Rimessen der Bestellung beigefuͤgt, die andere Haͤlfte
bei Empfang der Maschinen entrichtet.
Die Besteller uͤbernehmen die Verpflichtung, diese
Maschinen weder nachzubauen, noch sich nachgebauter Maschinen zu bedienen.
Bei Abnahme von 3 Maschinen 10 Proc. Rabat.
Zum Schlusse noch die Bemerkung, daß Hr. Leitenbergen wie in den oͤsterreichischen Staaten, so auch in
England, Frankreich, Rußland, Preußen und Sachsen Patente gegen die Nachahmung
seiner Erfindung erworben, jedoch zur Ausuͤbung seines Patentrechtes
fuͤr den Bau solcher Maschinen fuͤr andere, die HH. Großjean Sohn, so wie Heilmann in Muͤlhausen, Thomson in Primrose (bei Manchester), dann Pflugbeil und Comp. in Chemnitz ermaͤchtigt hat.