Titel: | Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Roche, ehemaligen Dirigenten der Werke in Indret, über die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. XXV., S. 82 |
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XXV.
Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Roche, ehemaligen Dirigenten der
Werke in Indret, uͤber die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Nov. 1837, S. 437.
Roche, uͤber die Ursachen der Explosionen der
Dampfkessel.
Der Verfasser findet die Explosionen der Dampfkessel, mit Ausnahme jener
Faͤlle, in denen sie durch eine uͤbermaͤßige Belastung der
Sicherheitsventile erzeugt werden, in einem ploͤzlichen oder
allmaͤhlichen Sinken des Wasserstandes, in Folge dessen ein Theil der
Kesselwinde bloßgelegt und zum Rothgluͤhen erhizt wird. Denn, wenn dieser
uͤberhizte Theil des Kessels ploͤzlich wieder mit Wasser bedekt wird,
so muß sich augenbliklich eine so große Menge Dampf entwikeln, daß der Kessel
zerspringt.
An den Hochdrukmaschinen ist das allmaͤhliche Sinken des Wasserstandes
waͤhrend ihres Ganges durch das Spiel der Speisungspumpen bedingt. Die
Explosion ereignet sich, sobald das Spiel der Pumpe, nachdem es durch irgend eine
Ursache unterbrochen worden ist, wieder beginnt; denn, wenn die zum
Rothgluͤhen gekommenen Waͤnde neuerdings wieder mit Wasser bedekt
werden, so tritt eine Explosion ein. Anders verhaͤlt es sich mit den Kesseln
der Dampfboote; denn hier reicht ein starkes Schaukeln des Fahrzeuges hin, um das
Wasser auf die erhizte Wand zu schleudern und dadurch die Katastrophe
herbeizufuͤhren.
Die gegenwaͤrtig gebraͤuchliche Form der Hochdrukkessel gibt dem Verf.
gemaͤß mit eine bedingende Ursache zu Explosionen. Sie bestehen
naͤmlich, wenn sie den Feuerherd im Inneren haben, aus zwei cylindrischen,
mit einander parallel laufenden Siedroͤhren, welche durch Tubulirungen mit
einem oberhalb befindlichen Kesselkoͤrper communiciren. Das Ganze ist bloß
bis zur Mitte dieses Koͤrpers mit Wasser gefuͤllt, indem man den
uͤbrigen Raum als Dampftehaͤlter betrachtet. Da das Innere des Herdes
nach allen seinen Tangenten erhizt wird, so bilden sich Dampfkuͤgelchen,
welche um so linger bestehen, je minder zahlreich die Communicationen mit dem
hoͤher liegenden Koͤrper sind. Das Metall uͤberhizt sich
waͤhrend die Kuͤgelchen auf ihm haften; es wird ploͤzlich
abgekuͤhlt, wenn sie ihren Plaz veraͤndern und Wasser an deren Stelle
gelangt. Hiedurch entstehen in dem Metalle Spruͤnge, die zuweilen partielle
Explosionen, welche das
Leben der Heizer in Gefahr sezen, veranlassen. Da das Ausstroͤmen der in den
Siedroͤhren erzeugten Dampfkuͤgelchen mit der Zahl der zwischen diesen
Siedroͤhren und dem oberhalb befindlichen Behaͤlter bestehenden
Tubulirungen im Verhaͤltnisse steht, so wird man sich das Steigen und Sinken
des Wasserstandes leicht erklaͤren koͤnnen. In der That wird der Raum,
den die Dampfkuͤgelchen einnehmen, da sie nicht so rasch ausstroͤmen
koͤnnen, als sie sich erzeugen, scheinbar eine Vermehrung des Volumens des
Wassers bedingen, so daß man eine uͤbermaͤßige Speisung mit Wasser
vermuthen koͤnnte. Dieser Zustand der Dinge wahrt so lange, als die Maschine
in Thaͤtigkeit ist; so wie diese aufhoͤrt, oder so wie die Verbrennung
langsamer von Statten geht, nehmen die Dampfkuͤgelchen in den unteren
Siedrohren nicht mehr denselben Raum ein, und deren Volumen wird durch das von der
oberen Siedroͤhre herabgelangende Wasser ersezt. Hieraus folgt eine solche
Entbloͤßung der Waͤnde, daß sie sich in einer bedeutenden Ausdehnung
uͤberhizen koͤnnen; und so wie dann die Maschine wieder zu arbeiten
beginnt, so bedingt die Thaͤtigkeit des Feuers die Bildung neuer
Kuͤgelchen, die durch ihr Aufblaͤhn den fruͤheren Wasserstand
wieder herstellen. Um diesen jedoch zu erreichen muß das Wasser uͤber die
fruͤher entbloͤßt gewesenen Waͤnde gehen; und wenn diese Zeit
hatten zum Rothgluͤhen zu kommen, so wird eine Explosion eintreten.
Um diesen ploͤzlichen Veraͤnderungen des Wasserstandes zu begegnen,
sind die Maschinen der Dampfboote auf der oberen Seine mit einer
Aushuͤlfspumpe versehen, welche durch eine kleine einfachwirkende Maschine,
die den Dampf von dem Kessel des Hauptmotors her erhaͤlt, in Bewegung gesezt
wird. Wenn das Boot anhaͤlt, die Herde geoͤffnet sind, und wenn
folglich durch das Verschwinden der Dampfkuͤgelchen der Wasserstand gesunken
ist, so kann der Heizer mit Huͤlfe dieser Pumpe den urspruͤnglichen
Wasserstand wieder herstellen; doch bleibt die gehoͤrige Wuͤrdigung
dieser Umstaͤnde ganz seinem Ermessen uͤberlassen.
An den Kesseln mit niederem Druke ist das ploͤzliche Sinken des Wasserstandes
durch ganz andere Ursachen bedingt. Diese Kessel haben naͤmlich die Gestalt
eines Parallelopipedums; ihre aͤußeren Waͤnde sowohl als die inneren
sind flach und aus so dikem Bleche gebaut, daß sie sich unter dem geringen Druke,
dem sie ausgesezt werden, nicht biegen. Diese Steifheit der Waͤnde wird
jedoch durch die ploͤzlichen Veraͤnderungen im Druke, welche
abwechselnd von Innen und von Außen erfolgen, in Kuͤrze
beeintraͤchtigt. Da die Wassercanaͤlchen dieser Kessel in ihrer ganzen
Ausdehnung mit dem oberen Theile communiciren, so koͤnnen die
Dampfkuͤgelchen, welche sich laͤngs der mit dem Feuer in Beruͤhrung
stehenden Waͤnde bilden, leicht ausstroͤmen; sie erzeugen daher auch
kein so bedeutendes Aufschaͤumen des Wassers, wie es in den cylindrischen
Kesseln Statt findet. Da nun hier die Ursache, welche das Bersten der cylindrischen
Kessel bedingt, wegfallt, so fragt sich, wodurch denn an den Kesseln von niederem
Druke ein ploͤzliches Sinken des Wasserstandes eintritt. Den Grund hievon
glaubt der Verf. in der Schwache der Waͤnde dieser Kessel und in der bei
deren Fabrication eingefuͤhrten Sparsamkeit suchen zu muͤssen. Er
fuͤhrt bei dieser Gelegenheit eine Thatsache an, deren Zeuge er selbst war.
Er beobachtete naͤmlich bei den Versuchen, die an einer Maschine von niederem
Druke von 160 Pferdekraͤften angestellt wurden, daß das Beginnen der Heizung
immer von einer anderen Erscheinung begleitet war, als an den Hochdrukkesseln. In
dem Maaße naͤmlich als der Druk des Dampfes zunahm, und in dem Augenblike, in
welchem die in Menge entstehenden Kuͤgelchen dahin wirken mußten ein Steigen
des Niveau des Wassers zu erzeugen, fiel dieses vielmehr, bis sich das
Sicherheitsventil hob. Dann blieb der Wasserstand derselbe bis die Maschine in Gang
kam, und wenn der Druk im Innern hierauf um 3 bis 4 Centimeter Queksilber gefallen
war, so war der Wasserstand ohne Mitwirkung der Speisungspumpe wieder auf seine
fruͤhere Hoͤhe gestiegen. Hr. Roche konnte
sich diese Erscheinung nicht erklaͤren, bis er endlich durch einen Zufall auf
deren Grund kam. Der Druk war naͤmlich einst, nachdem die Feuerung
nachgelassen hatte, niedrig geworden, die Raͤder machten nur 8, anstatt 22
Umgaͤnge; und der Manometer zeigte bald 2 Centimeter unter, bald eben so viel
uͤber Null. Ploͤzlich blieb der Schwimmer des Manometers auf 4
Centimeter unter Null stehen, und da ihn das Queksilber nicht mehr emporhob, so war
offenbar, daß sich im Kessel ein luftleerer Raum bildete. Als der Verf. um sich
hievon zu uͤberzeugen den sogenannten Sauger oͤffnete, drang die
atmosphaͤrische Luft ploͤzlich mit solcher Gewalt in den Kessel, daß
sich dessen Waͤnde ausbauchten und eine Erschuͤtterung erlitten, in
deren Folge einige Nieten los wurden. Die Maschine blieb stehen, kam aber nach
gehoͤriger Aufzuͤndung des Feuers wieder in ihren gewoͤhnlichen
Gang. Die Schluͤsse, die der Verf. aus dieser Beobachtung zog, sind
folgende:
Da ein aͤußerer Druk von 4 bis 6 Centimeter hingereicht hatte, um die
Kesselwaͤnde um 5 bis 6 Millimeter einzudruͤken, so mußten sie durch
einen inneren Druk von 12 Centimetern um 10 bis 16 Millimeter ausgebaucht werden,
und da diese Ausbauchung den Rauminhalt vermehrte, so mußte die Hoͤhe des
Wasserstandes nothwendig sinken. Bringt man hiemit auch noch die durch irgend eine
Ursache veranlaßte
Neigung des Fahrzeuges in Anschlag, so muͤssen nothwendig vom Wasser
entbloͤßte Oberflaͤchen entstehen, die zum Rothgluͤhen kommen
koͤnnen. Wenn sich nun unter diesen Umstaͤnden das Sicherheitsventil
oͤffnet, so wird der Heizer durch das hiebei entstehende Geraͤusch
aufmerksam gemacht, daß er das Feuer vermindern muß; er oͤffnet daher das
Thuͤrchen des Herdes, und steigert die Speisung, indem er bemerkt, daß der
Wasserstand gesunken ist. Hieraus folgt eine Verminderung des Drukes, die
Kesselwaͤnde werden wieder gerade; kurz Alles sucht den fruͤheren
Wasserstand wieder herzustellen; um jedoch auf diesen zu gelangen muß das Wasser
uͤber die uͤberhizten Oberflaͤchen stroͤmen, wodurch
augenbliklich eine Explosion entsteht. Das ploͤzliche Sinken des
Wasserstandes ist daher an den Maschinen von niederem Druke durch eine
Formveraͤnderung des Kessels bedingt, und diese Formveraͤnderung wird
um so bedeutender, je mehr der Kessel durch das Oxyd und durch die bald nach Innen,
bald nach Außen entstehende Convexitaͤt Schaden leidet.
Es ergibt sich demnach aus den Beobachtungen des Verf., daß an den beiden Arten von
Maschinen dieselben Wirkungen durch verschiedene Ursachen hervorgebracht werden, und
daß die Anomalien, welche die Explosionen herbeifuͤhren, sich um so
oͤfter ereignen, je oͤfter der Gang der Maschine unterbrochen werden
muß, um neuerdings wieder zu beginnen, oder je oͤfter er bei verschiedenem
Druke Statt finden muß.
Hr. Roche glaubt, daß die bis auf den heutigen Tag in
Vorschlag gebrachten Sicherheitsmittel fuͤr beide Arten von Maschinen
ungenuͤgend sind. Die Schwimmer mit Ventil lassen sich nur auf die
Landmaschinen anwenden; die steinernen Schwimmer mit Glokenwerk sind am
dauerhaftesten und auch am bequemsten, die hohlen metallenen Schwimmer haben den
Nachtheil, daß sie sich, wenn sie einem starken Druke ausgesezt werden, nach und
nach mit Dampf fuͤllen, der sich darin verdichtet, und der die Schwimmer
endlich in Taucher umwandelt. Die Schwimmer, deren man sich an den englischen
Maschinen mit dem besten Erfolge bediente, sind jene, deren Inneres mit der
atmosphaͤrischen Luft communicirt; denn diese deuten alle Arten von
Niveau-Veraͤnderungen an. Das einzige Mittel, wodurch dem Vers.
gemaͤß den Explosionen gesteuert werden koͤnnte, bestuͤnde, was
die Hochdrukkessel betrifft, darin, ihnen eine Form zu geben, bei der der Dampf
Abfluß haͤtte, ohne daß das Wasser in merklicherem Grade gehoben
wuͤrde, als an den Kesseln von niederem Druke; und was diese lezteren
betrifft, die Ausdehnung ihrer ebenen Flaͤchen zu vermindern und ihnen eine
groͤßere Staͤrke zu geben. An ersterem Kesselsysteme wuͤrde dieß bei
einer Maschine von 160 Pferdekraͤften einen Kostenaufwand von 3000, an
lezterem hingegen nur einen von 1000 Fr. bedingen. Endlich verlangt Hr. Roche, daß der Heizer und Maschinist in Zukunft einer
Pruͤfung unterworfen werde, die dem Publicum jede moralische Garantie
gewaͤhrt.