Titel: | Ueber die von Hrn. Busk vorgeschlagenen Stühle für parallele Iförmige Schienen. |
Fundstelle: | Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXXXVI., S. 421 |
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LXXXVI.
Ueber die von Hrn. Busk vorgeschlagenen Stuͤhle fuͤr
parallele Ifoͤrmige Schienen.
Aus dem Civil-Engineer
and Architects Journal. Januar 1838, S. 74.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber Busk's Stuͤhle fuͤr parallele
Schienen.
Welche Staͤrke auch die Schienen haben moͤgen, so wird die uͤber
sie hinrollende Last zwischen den Stuͤzpunkten doch immer eine gewisse
Abbiegung erzeugen. Damit nun die Bewegung nicht an den Stuhl fortgepflanzt werde:
eine Bedingung, welcher durchaus entsprochen seyn muß, wenn die Bahn in gutem
Zustande erhalten werden soll, muß die Verbindung zwischen der Schiene und dem
Stuhle eine solche seyn, daß der aus der Abbiegung erwachsenden Bewegung Spielraum
gestattet ist, obschon die Schiene unbeweglich und so auf ihrem Size fixirt ist, daß
sie weder emporsteigen, noch eine seitliche Bewegung vollbringen kann. Zugleich muß
der Schiene aber auch so viel Laͤngenbewegung gestattet seyn, daß sie sich je
nach den Temperaturveraͤnderungen ausdehnen und zusammenziehen kann. Diesen
Zweken nun soll die Erfindung des Hrn. Busk, naͤmlich der von ihm sogenannte Doppelstuhl (joint or double chair), den man in Fig. 20 im Aufrisse und
in Fig. 21 im
Grundrisse sieht, entsprechen.
In Fig. 20 ist
die Schiene im Durchschnitte und an der fuͤr sie bestimmten Stelle
abgebildet; in Fig.
21 hingegen ist sie weggelassen. Der fuͤr die Schiene bestimmte Siz
im Stuhle ist bei D convex und um 3/16 Zoll
hoͤher als bei E, E. In Folge dieser Form des
Sizes, die uͤbrigens dieser Art von Stuͤhlen nicht allein
eigenthuͤmlich ist, sondern unter dem Namen des Kazenbukels (cat-backing) auch schon von anderen angewendet
wurde, ist der Schiene eine schwankende Bewegung auf dem Size gestattet. Die den
Randkraͤnzen der Raͤder zunaͤchst liegende Seite des Stuhles
steht nur an zwei Punkten, bei A und B, mit der Schiene in Beruͤhrung. Von diesen
beiden Punkten, welche dadurch gebildet werden, daß der Stuhl an dieser Seite zwei
halbkugelfoͤrmige Hervorragungen hat, steht der eine A mit der senkrechten Rippe der Schiene, der andere B hingegen mit dem oberen Theile der unteren Querrippe, wo eine Tangente
ihrer Curve mit einer senkrechten Linie einen Winkel von 45° bildet, in
Beruͤhrung. An der aͤußeren Seite des Stuhles wird die Schiene
mittelst eines gußeisernen Ausfuͤllstuͤkes (filling-in piece) F, welches sich an
dem der Schiene zugekehrten Theile halbkugelfoͤrmig endigt, und welches nur
an dem in der Mitte zwischen A und B befindlichen Punkte C die Schiene
beruͤhrt, an Ort und Stelle erhalten. Dieses Ausfuͤllstuͤk ruht
mit einem Fuße G auf dem Size des Stuhles; auch paßt es
mit einem Vorsprunge I in eine entsprechende Fuge des
Stuhles. Die Verkeilung des Stuͤkes F gegen die
Schiene geschieht mittelst des schmiedeisernen Schluͤssels H, der in ein Zapfenloch gestekt wird, welches sich zur
einen Haͤlfte in dem Ausfuͤllstuͤke, zur anderen hingegen in
dem Stuhle befindet, und welches zur Befestigung des Schluͤssels und des
Ausfuͤllstuͤkes in ihren gegenseitigen Stellungen dient.
Das Legen der Schienen in diese Art von Stuͤhlen geschieht nun auf folgende
Weise. Wenn die Bloͤke oder Balken mit den an ihnen befestigten
Stuͤhlen gelegt worden sind, so senkt man die Schienen in die Stuͤhle
ein, wozu der zwischen A und K gelassene Raum genuͤgt. Hierauf stekt man die
Ausfuͤllstuͤke horizontal ein, wo dann nur mehr die Verkeilung
mittelst der Schluͤssel K zu geschehen hat.
Durch ein maͤßig festes Verkeilen der Ausfuͤllstuͤke gegen die
Schiene bei C wird die Schiene gegen die Punkte A und B, und durch die
Wirkung des Bukels B auf die damit in Beruͤhrung
stehende gewoͤlbte Schienenoberflaͤche, zugleich auch auf den Siz D herab getrieben. So lange also der Schluͤssel
an Ort und Stelle bleibt, ist die Schiene sowohl seitlich als senkrecht vollkommen
fixirt, waͤhrend sie sich der Laͤnge nach mit Leichtigkeit bewegen
kann, wenn sie sich in Folge der Temperatur-Veraͤnderungen ausdehnt
oder zusammenzieht. Eben so erhellt, daß die durch die Abbiegung entstehende
Bewegung nur eine sehr unbedeutende Reibung an den Punkten A,
B und C erzeugen wird. An der Außenseite des
Kopfes eines jeden Schluͤssels befindet sich eine Auskerbung, damit man ihn
mittelst eines Hebels oder einer Zwikstange ausziehen kann.
Der Gefuͤg- oder Doppelstuhl unterscheidet sich von dem einfachen
Stuhle nur dadurch, daß er um so viel weiter ist, als zur Aufnahme eines doppelten
Ausfuͤllstuͤkes mit zwei Bukeln, von denen jeder gegen die Seite des
Endes der einen der in dem Stuhle zusammentreffenden zwei Schienen gekeilt wird,
erforderlich ist; weßhalb denn das Ausfuͤllstuͤk zu diesem Zweke auch
zwei Schluͤssel hat. Man koͤnnte einwenden, daß die Schluͤssel
lose werden oder aus ihren Zapfenloͤchern austreten, wenn schwere Lasten mit
großer Geschwindigkeit uͤber die Bahn rollen. Die beste Antwort hierauf ist,
daß an der London-Birmingham-Eisenbahn versuchsweise gegen 400 Yards
mit solchen Schienenstuͤhlen gelegt wurden; und daß die Personenwagen mit
einer Geschwindigkeit, die gewoͤhnlich 30 engl. Meilen in der Stunde
betraͤgt, uͤber sie laufen, ohne daß die Schluͤssel auch nur
das geringste Loswerden bemerken ließen. Die meisten derselben sind vielmehr fest an Ort und
Stelle eingerostet, waͤhrend die Beruͤhrungspunkte glatt und durch die
Bewegung etwas glaͤnzend wurden: zum besten Beweise, daß sie ihren Zwek
gehoͤrig erfuͤllen. An einer Schiene, welche 65 Pfd. per Yard wiegt,
und mit 4 Fuß Unterlage, betraͤgt der Raum, durch den sich der mit dem Punkte
C in Beruͤhrung stehende Theil bei jeder
Abbiegung bewegt, 3/1000 Zoll. Diese Stuͤhle sollen diejenigen ersezen, deren
man sich dermalen allgemein fuͤr solche Schienen bedient, an denen man
hoͤlzerne Schluͤssel oder Ausfuͤllstuͤke von 5 bis 9
Zoll Laͤnge anwendet, und gegen die sich folgende Einwuͤrfe machen
lassen:
1) Die hoͤlzernen Schluͤssel schrumpfen bei trokenem Wetter ein, und
werden also lose;
2) anstatt die Schienen auf den Siz herab zu druͤken, heben sie sie vielmehr
von demselben empor, und es entsteht durch das Daruͤberrollen der Last ein
Stoß, der die Schiene auf den Siz des Stuhles herabtreibt;
3) in den Gefuͤg- oder Verbindungsstuͤhlen wird ein Ende des
Schluͤssels oder Ausfuͤllstuͤkes durch die Abbiegung der
Schiene herabgedruͤkt, waͤhrend das andere Ende aufsteigt. Hieraus
folgt, daß das Ende der angraͤnzenden Schiene sich uͤber das Niveau
jener Schiene, auf die das Rad eben druͤkt, erhebt; und daß also eine
Erschuͤtterung erfolgt, wenn das Rad mit dem emporgestiegenen Schienenende in
Beruͤhrung kommt. Dieser Fall tritt ein, wenn die Schiene hinreichenden
Spielraum in dem Stuhle hat; fuͤllt die Schiene hingegen den Stuhl vollkommen
aus, so wird der Stuhl und durch diesen die Unterlage erschuͤttert, wodurch
die Bahn in Kuͤrze schadhaft wird;
4) die hoͤlzernen Ausfuͤllstuͤke sind, selbst wenn man
kyanisirtes Holz dazu verwendet, doch immer weniger dauerhaft als gußeiserne.