Titel: | Ueber die Eigenschaften, welche das zu Eisenbahnen bestimmte Eisen haben soll. Vortrag des Hrn. Mushet vor der im Jahre 1837 in Liverpool gehaltenen Versammlung der British Association. |
Fundstelle: | Band 69, Jahrgang 1838, Nr. XCIX., S. 437 |
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XCIX.
Ueber die Eigenschaften, welche das zu
Eisenbahnen bestimmte Eisen haben soll. Vortrag des Hrn. Mushet vor der im Jahre 1837 in Liverpool gehaltenen
Versammlung der British Association.Wir haben zwar das Puddlirverfahren des Hrn. Mushet, welches mit dem zuerst von Hrn.
Prof. Dr. Fuchs in Muͤnchen vorgeschlagenen
ganz uͤbereinstimmt, schon im polyt. Journal Bd. LXV. S. 443 beschrieben, allein der
von dem Erfinder in Liverpool gehaltene Vortrag enthaͤlt so Vieles auf
die Eigenschaften des Schieneneisens im Allgemeinen Bezuͤgliches, daß es
uns unumgaͤnglich schien, zur Ergaͤnzung des fraglichen
Gegenstandes auch diesen Aufsaz ausfuͤhrlich mitzutheilen. A. d. R.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
777.
Mushet, uͤber die Eigenschaften des Eisens fuͤr
Eisenbahnen.
Eine 40jaͤhrige Erfahrung in der Fabrication und Verwendung des Eisens
fuͤhrte mich zu manchen Resultaten in Betreff der Eigenschaften und des
Verhaltens des Schmiedeisens. Ich stehe um so weniger an, dieselben hier
oͤffentlich mitzutheilen, als sie sich hauptsaͤchlich auf die heut zu
Tage so wichtig gewordenen Eisenbahnen beziehen.
1. Ein krystallinischer Bruch des Stabeisens scheint mir mit großer Staͤrke
unvertraͤglich, weßhalb denn das zu Eisenbahnen bestimmte Eisen hart und
faserig oder sehnig seyn soll.
2. Je oͤfter das Eisen erhizt oder geschmolzen wird, bevor es zu Stabeisen
wird, um so mehr Neigung bekommt es zu krystallisiren und kaltbruͤchig zu
werden. Dieß wird zwar durch wiederholtes Auswalzen einiger Maßen verhindert; allein
die auf diese Weise erzielte Faser ist bis auf einen gewissen Grad
kuͤnstlich. Eisen, dem die natuͤrliche Faser fehlt, wird daher auch
wieder krystallinisch und verliert von seiner Zaͤhheit in der Kaͤlte,
wenn man es erhizt und dann abkuͤhlen laͤßt.
3. Durch uͤbermaͤßige Entkohlung, d.h. durch das sogenannte Raffiniren,
bei welchem dem Eisen auch seine lezten Kohlentheilchen entzogen werden, erhaͤlt
man ein weiches Schmiedeisen, welches sich durch Reibung schnell abnuͤzt, und
welches daher wegen seiner geringen Dauerhaftigkeit zu Bahnschinen nicht geeignet
ist.
4. Dagegen wird Eisen, welches so behandelt worden ist, daß die lezten und folglich
am innigsten mit ihm verbundenen kohligen Theile noch in ihm zuruͤkblieben,
oder dem diese kohligen Theile gleich im Anfange in geringer Menge mitgetheilt
wurden, dem fraglichen Zweke gut entsprechen, vorausgesezt, daß seine Faser nicht
auf irgend eine Weise Schaden litt. Dieses Eisen wird naͤmlich nicht nur
einer geringeren Abnuͤzung durch Reibung unterliegen, sondern es wird ihm
auch durch die Oxydation weniger Nachtheil zugehen.
5. Stab- oder Schmiedeisen hat im Verhaͤltnisse der Masse, in der es
fabricirt wird, eine Neigung beim Abkuͤhlen zu krystallisiren: ein Umstand,
der in Hinsicht auf die Bestimmung der Form der Schienen fuͤr den Ingenieur
von hoͤchster Wichtigkeit ist.
6. Fortwaͤhrende Erschuͤtterung, wie sie z.B. durch die Bewegung einer
auf der Eisenbahn fahrenden Locomotive oder durch einen Wagen hervorgebracht wird,
veranlaßt das Eisen zu krystallisiren und in einem gewissen Grade bruͤchig zu
werden. Hieraus folgt, wie wichtig und nothwendig es ist, zu den Schienen
hoͤchst faseriges Eisen zu nehmen, wenn man die Zeit ihrer Krystallisation so
weit als moͤglich hinausschieben will.
7. Die Menge und Staͤrke der Faser wird, wenn sie nicht durch wiederholtes
Erhizen und Schmelzen beeintraͤchtigt oder zerstoͤrt wird,
hauptsaͤchlich von der Menge kohliger Theile, welche in dem Roheisen, aus dem
man das Schmiedeisen darstellt, enthalten sind, abhaͤngen.
8. Zu den Schienen bedarf man eines Eisens, welches, ohne sich zwischen den Walzen zu
oͤffnen, eine Hize auszuhalten vermag, bei der die Zaken fest und innig
zusammenschweißen; damit sich die Theile unter dem auf der Bahn Statt findenden
Verkehre weder abblaͤttern, noch sonst von einander trennen.
Da ich alle die hier aufgezaͤhlten Punkte fuͤr vollkommen
begruͤndet halte, so mußte es mich schon oͤfter Wunder nehmen, warum
noch in keinem der in Hinsicht auf die Lieferung von Schienen abgeschlossenen
Contracte auf die Faser oder Haͤrte, die das Schieneneisen haben soll,
Ruͤksicht genommen worden. Man macht haͤufig gewisse Manipulationen,
die allerdings fuͤr das zum Schmiedgebrauche bestimmte Eisen von Belang sind,
zur Bedingung, ohne zu bedenken, daß das Eisen der Schienen in manchen Dingen ganz
entgegengesezte Eigenschaften haben muß. Hieraus folgte nothwendig, daß sich die
Eisenfabrikanten hauptsaͤchlich an den Buchstaben des Contractes hielten, und daß man also die
Eigenschaft des Eisens in Hinsicht auf Faser und Haͤrte dem Zufalle
uͤberließ.
Die Methode, nach welcher man dermalen Stabeisen zu fabriciren pflegt, ist gewisser
Maßen mit der Erzielung der angegebenen Eigenschaften, die das Schieneneisen haben
soll, nicht im Einklange. Hierin liegt auch der Grund, warum es so schwer ist,
groͤßere faserige Massen, wie z.B. Schienen von 60 bis 75 Pfd. per Yard zu erhalten, und warum es den Schienen in ihrem
Koͤrper selbst an gehoͤriger Haͤrte fehlt. Der ganze Proceß ist
ein streng durchgefuͤhrter Entkohlungsproceß. Man waͤhlt zum
Umschmelzen oder Raffiniren gewoͤhnlich ein Roheisen, welches so wenig
Kohlenstoff enthaͤlt, als mit der Schmelzbarkeit vertraͤglich ist. In
dem Raffinirofen laͤßt man, um 4 Proc. Kohlenstoff, Mangan, Silicium etc.
abzuscheiden, 12 bis 15 Proc. der ganzen Eisenmasse verloren gehen und in eine
schlechte Schlake verwandeln. Wenn das Roheisen, nachdem es geschmolzen, unter dem
Winde weggelangt und die Schlakenmasse durchdrungen hat, so wird es durch die
Eiwirkung der Geblaͤsroͤhren auf seiner Oberflaͤche
buchstaͤblich in Feuer gesezt: die Entkohlung wird nicht wie beim Puddliren
durch eine eigentliche Gaͤhrung, sondern durch eine wahre Verbrennung eines
Theiles des Eisens und durch eine Veraͤnderung seiner Oberflaͤche,
welche durch das veraͤnderte spec. Gewicht der Eisentheilchen von selbst
erfolgt, bewirkt. Sollte der Grad der Raffinirung beschraͤnkt worden seyn, so
wuͤrde sich die aus der Schmelzung des Eisens bei einer so hohen Temperatur
resultirende neue Anordnung der Theilchen am Ende fuͤr die Faser
unguͤnstig zeigen. Um daher in dieser Beziehung einiger Maßen sicher zu seyn,
muß die Raffinirung so lange fortgesezt werden, bis eine neue und stahlartige
Anordnung Statt findet: eine solche wird durch die außerordentliche Leichtigkeit,
mit der das Eisen aus dem Ofen laͤuft, durch die intensive Verbrennung, durch
den groͤßeren Verlust und durch den poroͤsen, honigfladenartigen Bruch
des erkalteten Metalles angedeutet.
Dieses Gemenge aus Roheisen und Stahl wird im Puddlirofen durch Flammenfeuer abermals
geschmolzen, wobei es durch Zusaz von Schlake einen Gaͤhrungsproceß erleidet,
durch den ihm auch die lezten kohligen Theile entzogen werden, so daß ein auch in
der Kaͤlte verhaͤltnißmaͤßig weiches Eisen
zuruͤkbleibt.
Das Entgegengesezte hievon findet bei der Behandlung des Eisens mit Holzkohle Statt;
denn hier bleibt das Roheisen waͤhrend des einzigen Processes, durch den es
in Schmiedeisen verwandelt wird, stets mit dem Brennstoffe in Beruͤhrung.
Hiedurch wird also die gaͤnzliche Entkohlung, die raffinirtes puddlirtes
Eisen erleidet, verhuͤtet; und hierauf beruht der Vorzug, der dem schwedischen und
russischen Eisen in Hinsicht auf Haͤrte gebuͤhrt, so wie auch dessen
groͤßere Hinneigung zum Stahle.
Ich habe der sogenannten Faser des Eisens mehrere Jahre hindurch meine Aufmerksamkeit
zugewendet; ich habe zahlreiche Versuche hieruͤber angestellt, und ich hatte
die Freude und Genugthuung zu finden, daß die zur Erzielung einer reicheren Faser
geeigneten Mittel zugleich auch einen hoͤheren Grad von Haͤrte und
Dauerhaftigkeit bedingen: abgesehen davon, daß die Kosten des Raffinirens und der
dabei erwachsende Verlust gaͤnzlich beseitigt werden.
Nach meinem Verfahren, auf welches ich auch ein Patent besize, wird der ganze Einsaz
Roheisen auf ein Mal in den Puddlirofen gebracht und daselbst einer Temperatur
ausgesezt, welche nicht hoͤher ist, als eben zu einer unvollkommenen, jedoch
gleichfoͤrmigen Schmelzung erforderlich ist. In diesem Zustande wird anstatt
der Schlake von Zeit zu Zeit eine kleine Quantitaͤt fein gepuͤlvertes
reiches Eisenerz auf das Eisen geworfen und von dem Puddlirer verarbeitet. Es
entsteht hiedurch in Kuͤrze eine bedeutende Gaͤhrung, in Folge deren
sich Gas entwikelt, und durch die das roheste und schmelzbarste Gußeisen in 12 bis
15 Minuten in Schmiedeisen verwandelt wird. Bei Erhoͤhung der Hize fließt das
Eisen zusammen, wo dann die sogenannten Ballen des Puddeleisens gebildet werden. Aus
diesen verfertigt man auf dem Hammer oder Walzwerke gepuddelte Staͤbe Nr. 1,
und diese walzt man, nachdem sie in Stuͤke von bestimmter Laͤnge
zerschnitten, auf einander geschichtet und abermals erhizt worden, zum Behufe
fuͤr Bahnschienen in breite Staͤbe, die unter Nr. 2 bekannt sind.
Diese endlich werden fuͤr sich allein, oder mit schmaͤleren
Staͤben vermengt, aufgeschichtet, noch Mal erhizt, und zu Schienen oder
bestem Eisen Nr. 3 ausgewalzt.
Die Quantitaͤt Eisenerz, welche zur Entkohlung des Roheisens erforderlich ist,
haͤngt von dem Grade der Schmelzbarkeit dieses lezteren ab, und wechselt von
1/10 bis zu 1/20 des Gewichtes des Roheisens. Die Schmelzbarkeit ist durch den
Kohlenstoffgehalt bedingt, der so mannichfach ist, als die Schattirungen zwischen
dem weißen und dunkelgrauen Gußeisen.
Bei diesem Verfahren ergibt sich eine bedeutende Ersparniß an Roheisen gegen einen
geringen Zusaz an Eisenerz und gegen einen geringen Mehraufwand an Arbeit. Noch
wichtiger ist aber der Vortheil, daß man auf diesem Wege stets einen gewissen Grad
von Faser erzielen kann, der bei den weiteren Operationen noch erhoͤht wird,
und zu dem sich auch noch eine große Haͤrte gesellt.
Das Eisenerz, man mag es zum Puddeln von Roheisen oder von raffinirtem Eisen verwenden,
entkohlt das Eisen mittelst des Sauerstoffes, den es dem Kohlenstoffe darbietet;
zugleich erzeugt es aber auch eine ungewoͤhnliche Feuerentwiklung. Dieß gilt
sowohl von dem Roheisen als von dem raffinirten Eisen; die Verschiedenheit der
Schmelzbarkeit des Roheisens beeintraͤchtigt die volle Wirkung des Eisenerzes
nicht im Geringsten, wenn von diesem die gehoͤrige Quantitaͤt genommen
wurde.
Ich halte das rohe und nicht raffinirte Metall fuͤr die Quelle der
Staͤrke, Haͤrte und Faser des Stabeisens, besonders des kalten; und da
sich diese Eigenschaften durch gehoͤrige Auswahl des Roheisens und durch die
Anwendung von Eisenerz jeder Zeit erzielen lassen, so besizen wir somit eine
Methode, durch die wir dieser drei Haupteigenschaften des Eisenbahneisens sicher
seyn koͤnnen. Ich habe nur noch zu bemerken, daß man das Aufschichten und
Auswalzen wahrscheinlich umgehen kann, wenn man die gepuddelten Ballen zu großen
massiven Stuͤken haͤmmert, aus denen man spaͤter Staͤbe
walzt. Auf diese Weise waͤre dem großen Vorwurfe, der das Walzen trifft,
naͤmlich der Lostrennung der geschichteten Theile, gesteuert.