Titel: Beschreibung der von Hrn. Selligue, Mechaniker in Paris, rue de Bondy No. 60, erfundenen Methode zur Erzeugung des für die Gasbeleuchtung bestimmten Kohlenwasserstoffgases.
Fundstelle: Band 71, Jahrgang 1839, Nr. VIII., S. 29
Download: XML
VIII. Beschreibung der von Hrn. Selligue, Mechaniker in Paris, rue de Bondy No. 60, erfundenen Methode zur Erzeugung des fuͤr die Gasbeleuchtung bestimmten Kohlenwasserstoffgases. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Oktbr 1838, S. 396. Mit Abbildungen auf Tab. I. Ueber Selligue's Leuchtgasbereitung. Hr. Selligue erwarb sich bekanntlich den von der Société d'encouragement in Paris auf Verbesserung der Gasbeleuchtung ausgeschriebenen Preis von 2000 Fr.Den Bericht des Hrn. Payen, auf den hin die Gesellschaft diesen Preis zuerkannte, haben wir im Polyt. Journal Bd. LXVIII, S. 198 bekannt gemacht. A. d. R. Das von ihm erfundene System der Gewinnung des zu diesem Zweke dienenden gekohlten Wasserstoffgases beruht auf Entbindung von reinem Wasserstoffgase durch Zersezung des Wassers mittelst gluͤhender Kohlen, und auf dessen Saͤttigung mit Kohlenstoff durch Vermischung desselben mit einer fluͤssigen, an Kohlenstoff und Wasserstoff reichen Substanz und durch gleichzeitige Zersezung dieser lezteren. Als die vortheilhafteste unter allen bekannten Substanzen erschien ihm das aus dem Schiefer gewonnene Oehl. Der von dem Erfinder angegebene und auf Tab. I abgebildete Ofen besteht: 1) aus drei senkrechten Retorten, welche so miteinander communiciren, daß sie gleichsam nur eine einzige ausmachen. Fig. 39 zeigt einen doppelten Ofen, weßhalb in demselben auch sechs statt drei Retorten zu bemerken sind. Saͤmmtliche Retorten haben an beiden Enden Oeffnungen. Die unteren dieser Oeffnungen sind mit Dekeln verschlossen, welche so eingerieben sind, daß eine einfache Beruͤhrung und der leiseste Druk genuͤgen, um einen genauen Verschluß zu bewirken. Die oberen Oeffnungen dagegen sind mit einem Kopfe B verschlossen, welcher mit Bolzen und Eisenkitt fixirt ist. Jeder dieser Koͤpfe hat selbst wieder einen Dekel, der den Dekeln der unteren Oeffnungen aͤhnlich ist. Die erste der Retorten A, in die der Dampf durch die Roͤhre P eintritt, communicirt unten mittelst einer doppelt geknieten Roͤhre D mit der zweiten Retorte A', die ihrerseits oben mittelst einer aͤhnlichen Roͤhre E mit der dritten Retorte A'' in Verbindung steht. Von dem unteren Ende der lezteren laͤuft eine senkrechte Roͤhre F mit Verzweigung aus, die das Gas in einen Kuͤhlapparat und hierauf in einen Gasometer leitet. Um einen hydraulischen Verschluß zu erzeugen, ist diese Roͤhre in den Wasserbehaͤlter T untergetaucht. Die dritte Retorte A'' ist an ihrem oberen Theile mit einem Hebertrichter b ausgestattet, welcher zur Einfuͤhrung jener Substanz dient, die den Wasserstoff mit Kohlenstoff zu schwaͤngern hat. 2) aus zwei horizontalen, in dem Mauerwerke des Gewoͤlbes untergebrachten Roͤhren O, O', welche als Siederoͤhren zur Verdampfung des Wassers dienen, und welche beide einerseits durch die gebogene Roͤhre P mit der ersten Retorte, andererseits hingegen mit einem Hebertrichter Q communiciren, durch den das Wasser in die Siederoͤhre eingeleitet wird. 3) aus zwei Feuerstellen G, G' deren Flamme die durch Pfeile angedeutete Richtung verfolgt. 4) aus vier Rauchfangroͤhren L, K, K', L', welche sich anfaͤnglich in zwei und hierauf in eine einzige Roͤhre vereinigen, und mit deren Huͤlfe das Feuer mit großer Leichtigkeit regulirt werden kann. Das Spiel dieses Apparates geht auf folgende Weise von Statten. Wenn die beiden ersten Retorten A und die beiden zweiten A' mit Holzkohlen gefuͤllt worden, und man in den beiden lezten A'' zur Vergroͤßerung der Oberflaͤche Ketten aufgehaͤngt, zuͤndet man das Feuer auf. Wenn die Retorten zum Kirschrothgluͤhen gelangt sind, so erzeugt man auf irgend eine Weise ein sehr schwaches Ausfließen von Wasser und Oehl aus den zu deren Aufnahme dienenden Behaͤltern. Diese Abfluͤsse leitet man in Roͤhren an die Heber. Das in die Siederoͤhren fallende Wasser verdampft dann augenbliklich, und gelangt als Dampf in die erste und zweite Retorte, um daselbst zersezt zu werden und den Sauerstoff abzugeben, so daß nur reiner Wasserstoff in die dritte Retorte uͤbergeht, und sich daselbst mit dem gekohlten Wasserstoffgase vermengt, welches durch das aus dem Heber in die beiden lezten Retorten herabfallende Oehl entbunden wird. Beide Gase verbinden sich innig zu einem einzigen, welches durch den unteren Theil der dritten Retorte entweicht und in Roͤhren weiter geleitet wird, waͤhrend sich die nicht fluͤchtigen Substanzen in dem einen hydraulischen Verschluß bildenden Wasserbehaͤlter ansammeln. Fig. 39 ist ein senkrechter Durchschnitt des Gaserzeugungs-Ofens nach der Linie A, B des Grundrisses. Fig. 40 zeigt den Ofen in einem seitlichen Aufrisse. Fig. 41 ist ein Grundriß in der Hoͤhe des Rostes oder nach der Linie C, D in Fig. 39. Fig. 42 ist ein Grundriß nach der Linie E, F. Fig. 43 ist ein senkrechter Durchschnitt eines Brenners, der approximativ den Verbrauch an Gas regulirt. Fig. 44 zeigt denselben im Grundrisse. A, A', A'' sind die senkrechten Cylinder oder Retorten, die zur Zersezung des Wassers und der kohlenstoffhaltigen Substanzen dienen, und deren Koͤpfe von den Tubulirungen B, B gebildet werden, waͤhrend C, C die unteren Tubulirungen derselben sind. D eine doppelt gekniete Roͤhre, welche die Boͤden der beiden Retorten A, A' miteinander verbindet; E eine aͤhnliche Roͤhre, welche die Koͤpfe der beiden Retorten A', A'' verbindet. F die Austrittsroͤhre fuͤr das Gas, welche zur Bildung eines hydraulischen Verschlusses in einen Wasserkuͤbel untertaucht. G, G die Feuerstellen, deren Flamme nach Abwaͤrts zuruͤkgeschlagen wird. Unter ihnen bemerkt man die Aschengruben H, H. Die Roͤhren und Canaͤle I, I dienen zur Leitung der Flamme. Die Rauchfangroͤhren K, L vereinigen sich zu je zwei miteinander, und bilden endlich eine einzige. M das Gemaͤuer der Oefen, welches auf den Grundlagen N ruht, und in welchem uͤber der Feuerstelle die Siederoͤhren O, O angebracht sind, die durch die Roͤhren P mit den Retorten communiciren, und zu deren Fuͤllung die Heber Q, Q dienen. R der uͤber den Rauchfangroͤhren angebrachte Dampfbehaͤlter; S das Gewoͤlbe des Ofens. T ein mit Wasser gefuͤllter Kuͤbel, in den die Roͤhre F untertaucht, und der durch eine Roͤhre U mit dem Kuͤhlapparate communicirt. X gewoͤlbte Baksteine. a, a Stege, die zur Befestigung der Retortendekel dienen, und welche mit Ohrenschrauben angezogen werden. b, b Heber, die zur Einfuͤhrung der kohlenstoffhaltigen Substanzen dienen. c der Koͤrper des Brenners, dessen Centrum sich in d befindet. e der gerade Glascylinder oder Rauchfang. f ein Mantel oder eine Duͤlle. g eine Scheibe, die den dritten Luftstrom zwingt, sich direct gegen die Waͤnde des glaͤsernen Rauchfanges hinzuwenden. Zusaz. Selligue's Bereitungsart des Leuchtgases beruht auf der Zersezung des Wassers, welches in Dampfgestalt sehr langsam uͤber gluͤhende Kohlen oder Kohks streicht; der Sauerstoff des Wassers verbindet sich hiebei mit Kohlenstoff zu Kohlenoxydgas und der Wasserstoff wird frei; das so erzeugte Gemisch von Kohlenoxydgas und Wasserstoffgas wuͤrde jedoch an und fuͤr sich nur eine wenig lebhafte Flamme geben, man ertheilt ihm aber die Eigenschaften des Leuchtgases, indem man es mit den Bestandtheilen eines kohlenstoffreichen Oehles vermischt. Zufolge einer Notiz, welche Hr. Grouvelle kuͤrzlich der Akademie der Wissenschaften in Paris vortrug, liefert 1 Kilogr. aus Schiefer oder Harz bereiteten Oehles nach Selligue's Verfahren 70 engl. Kubikfuß Leuchtgas, wovon 3 erforderlich sind, um einen zehn Kerzen entsprechenden Brenner (Gasschnabel) eine Stunde lang zu speisen; man erhaͤlt also damit fuͤr dreiundzwanzig Stunden Licht. Nun bekommt man aber zu Belleville, Antwerpen und Frankfurt a. M., wo man das Gas aus Harzoͤhl im Großen bereitetEiner der zwekmaͤßigsten Apparate zur Gasbereitung aus Harz, welche man bisher kannte, ist der von Chaussenot erfundene; er ist im polytechnischen Journal Bd. LX, S. 102 beschrieben und abgebildet. A. d. R., im Durchschnitt bloß 15 bis 17 Kubikfuß Gas aus einem Kilogr. Oehl und in drei bis vier Tagen vermindert sich das Product sogar auf 12 bis 15 Kubikfuß. Bei einzelnen Versuchen kann man mir neuen Retorten allerdings 24 bis 25 Kubikfuß erhalten, und wir wollen selbst diese Zahl unserer Berechnung zu Grunde legen. Man muß annehmen, daß von diesem Gas 2 1/2 Kubikfuß in der Stunde verbrennen, um das Licht von zehn Kerzen zu geben; dieses Verhaͤltniß stellte sich naͤmlich bei der Beleuchtung der Stadt Antwerpen im Oktober 1837 bei Anwendung von Harzgas und im Oktober 1838 bei Anwendung des mit Wasser erzeugten Gases heraus. Angenommen, es seyen aber auch nur 2 1/3 Kubikfuß noͤthig, so liefert also 1 Kilogr. Harzoͤhl hoͤchstens eilf Stunden lang Licht, und wenn man sogar 34 Kubikfuß Gas per Kilogr. Oehl annimmt, welche jedoch nur durch Zusaz von Wasser erzeugt werden koͤnnen, so kaͤmen bloß fuͤnfzehn Stunden heraus, waͤhrend das nach der neuen Methode mit Wasser bereitete Gas fuͤr dreiundzwanzig Stunden Licht liefert. Dazu kommt aber noch, daß man bei dem mit Wasser erzeugten Leuchtgas nicht auf 70 Kubikfuß per Kilogr. Oehl beschraͤnkt ist, denn wenn man mehr Wasser im Verhaͤltniß zum Oehl in den Apparaten anwendet, so erhaͤlt man ein immer schwaͤcheres Gas, welches sich in seiner Dichtigkeit dem Steinkohlengas naͤhert und sogar noch leichter wird. Bei Versuchen im Großen erzeugte man einmal nach Selligue's Methode mit 1 Kilogr. Fischthran 222 Kubikfuß Leuchtgas, wovon nur 6 1/2 Kubikfuß noͤthig waren, um das Licht von zehn Kerzen zu liefern und welches kaum um 1/6 schwaͤcher als das Steinkohlengas war. Als man mit 1 Kilogr. Schieferoͤhl 110 Kubikfuß Gas erzeugte, waren davon 4 1/5 Kubikfuß fuͤr denselben Brenner noͤthig. Der Umstand, daß das mit Wasser bereitete Leuchtgas eine um so groͤßere Leuchtkraft hat, je geringer seine Dichtigkeit ist, scheint zu beweisen, daß das vorhandene Kohlenoxydgas die Leuchtkraft dieses Gases vergroͤßert, indem es ohne Zweifel die waͤhrend der Verbrennung entwikelte Waͤrme vermehrt.Da wir in Bayern in der Naͤhe von Miesbach, Tegernsee und uͤberhaupt am Fuße der bayerischen Alpen bituminoͤsen Mergel in Menge haben (derselbe kommt auch in Amberg vor, wo er als Braunkohle, die aber zwischen 20 bis 30 Procent Asche gibt, verwendet wird), so steht der Bereitung des Leuchtgases nach Selligue's vortheilhaftem Verfahren bei uns kein Hinderniß im Wege, wenn man dazu auch nicht Fischthran oder andere Fette und Oehle benuzen wollte. A. d. R. (Echo du monde savant, 1838 No. 395.)

Tafeln

Tafel Tab.
                                    I
Tab. I