Titel: | Ueber den aus dem Färbeknöterig gewonnenen Indigo. |
Fundstelle: | Band 71, Jahrgang 1839, Nr. LXXVI., S. 402 |
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LXXVI.
Ueber den aus dem Faͤrbeknoͤterig
gewonnenen Indigo.
Ueber den aus dem Faͤrbeknoͤterig.
Hr. Turpin legte der Akademie
in Paris mehrere Muster von dem aus dem
Faͤrbeknoͤterig (Polygonum tinctorium)
ausgezogenen Indigo vor. (Vergl. polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 78.) Das erste von Hrn. Baudrimont gelieferte Muster bestand aus einer
leichten, sproͤden, die Finger beschmuzenden Substanz von schmuzig schwarzer,
ins Gruͤnliche ziehender Farbe; ihr Bruch war matt und koͤrnig. Da sie
noch Wasser enthielt, so wurde sie schimmelig; mit Wasser, in welchem sie sich nicht
gut vertheilte, angeruͤhrt, hatte sie die angegebene Farbe. Unter dem
Mikroskope zeigte sich, daß sie sich zu kleinen laͤnglichen Massen
zusammenkluͤmpert, in denen man viele Ueberreste von Zellchen und Ueberreste
der zerquetschten Blaͤtter bemerkte. Sie bildete demnach gleichsam ein Magma,
in welchem der darin
enthaltene Indigo durch zu lange fortgesezte faule Gaͤhrung eher schwarz als
blau geworden war. – Das zweite Muster, welches von Hrn. Prof. Bérard in Montpellier
eingesendet worden war, hatte ein schoͤnes dunkles Blau mit dem Stiche ins
Violett des kaͤuflichen Indigo's; es war wegen seiner großen Haͤrte
sehr schwer zu zerbrechen, und also auch sehr schwer mit Wasser abzuruͤhren.
Sein matter Bruch hatte nicht den metallischen Schimmer, den schoͤner Indigo
zu haben pflegt. Mit Wasser angeruͤhrt war seine Farbe noch etwas schmuzig.
Unter dem Mikroskope zeigte er sich frei von vegetabilischer Faser und aus
eifoͤrmigen, farblosen, durchsichtigen Koͤrnchen bestehend. –
Das dritte Muster, welches von Hrn. Robiquet kam, war dem zweiten an Aussehen gleich; es war aber
leichter mit Wasser anzuruͤhren, und gab mit diesem eine dunklere blaue Farbe
mit einem leichten Stiche in Violett. Seine Koͤrnchen zeigten sich ebenfalls
farblos und frei von beigemischter Pflanzenfaser. – Ein viertes, gleichfalls
von Hrn. Robiquet vorgelegtes
Muster zeichnete sich vor allen uͤbrigen durch ein helleres und reineres Blau
aus, und stand schoͤnem kaͤuflichen Indigo nur wenig nach. –
Was die von Hrn. Robiquet bei
der Ausziehung des Indigo's aus den Blaͤttern des
Faͤrbeknoͤterigs befolgte Methode betrifft, so enthalten wir uns, auf
deren Details einzugehen, theils weil sich dieses Verfahren nur fuͤr
Laboratorien eignet, theils weil Hr. R. selbst sagt, daß alle bisher versuchten
Methoden noch sehr ungenuͤgend und mangelhaft seyen. – Hr. Bérard hatte folgendes
Verfahren eingeschlagen. Er goß auf 10 Pfd. Blaͤtter 100 Liter Wasser von
30° Celsius. Die Fluͤssigkeit uͤberzog sich den Tag darauf mit
einem kupferfarbigen Haͤutchen, welches den zweiten Tag an Dike zugenommen
hatte, und unter dem die Fluͤssigkeit dunkelgruͤn geworden war. Am
dritten Tage stieß die dunkelgruͤne Fluͤssigkeit, welche einen Stich
ins Blaͤuliche bekommen hatte, den eigenthuͤmlichen Indigogeruch aus;
sie ward daher abgegossen, einen Tag lang abgeruͤhrt, mit 15 Liter Kalk
versezt und hierauf noch einige Minuten lang abgeruͤhrt. Den Tag darauf ward
die Fluͤssigkeit vorsichtig von dem Bodensaze abgegossen, und dieser mit 50
Liter Wasser uͤbergossen. Das Auswaschen mit einer gleichen Menge Wasser
wurde auch noch ein zweites Mal wiederholt, und die Masse dann zum Abtropfen auf
Filter gebracht. Nachdem die Masse (die man zur Beschleunigung des Abtroknens auf
absorbirende Koͤrper, wie z.B. Asche, gelegt hatte) die gehoͤrige
Consistenz erlangt hatte, wurden baksteinfoͤrmig Kuchen daraus gebildet, die
man endlich zwischen Fließpapier unter Anwendung von etwas Druk troknete. Hr.
Bérard erhielt bei
diesem Verfahren nicht ganz ein Procent Indigo; er glaubt aber, daß eine groͤßere Menge
erzielt werden koͤnnte, wenn man die ganze Pflanze, nachdem sie mit der
Sichel geschnitten worden, der Behandlung unterwuͤrfe. Es versteht sich von
selbst, daß in diesem Falle mit großen Apparaten gearbeitet werden muͤßte.
– Hr. Pelletier
bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß wenn man frisch gepfluͤkte
Blaͤtter des Faͤrbeknoͤterigs unter Abhaltung der Luft drei bis
vier Mal bei gelinder Waͤrme mit Schwefelaͤther behandle, alles
Chlorophyll aufgeloͤst werde, wo dann ein scheinbar ganz
unveraͤndertes, aber weißes Blatt, welches an der Luft blau wird,
zuruͤkbleibt. Unter der Luppe bemerkt man dann in dem Blatte die
Indigokoͤrner, die auf gewoͤhnliche Weise ausgezogen werden
koͤnnen. Hieraus scheint hervorzugehen, daß, wie schon Chevreul behauptete, der Indigo in den lebenden, indigohaltigen
Gewaͤchsen in farblosem Zustande enthalten sey; daß der Indigo keine
Modifikation des gruͤnen Bestandtheiles ist; und daß man durch die
Entfaͤrbung der Blaͤtter und mit Huͤlfe des Mikroskopes den
Indigo vielleicht in manchen Blaͤttern entdeken koͤnne, in denen er
bisher durch den weit uͤberwiegenden gruͤnen Bestandtheil verborgen
gehalten worden. – In einer spaͤteren Sizung der Akademie legte auch
Hr. Vilmorin ein Muster von
Knoͤterigindigo vor, welches Hr. Robiquet fuͤr das schoͤnste Praͤparat dieser
Art, welches bisher in Frankreich erzielt wurde, erklaͤrte. Hr. Vilmorin behandelte den
Niederschlag, den er bei der Versezung des Knoͤterigsaftes mit Kalk oder
Schwefelsaͤure erhielt, mit gruͤnem Eisenvitriol, wobei er 10 bis 12
Theile des nassen Niederschlages in einem tiefen Kuͤbel mit 2 Theilen
Eisenvitriol, 3 Theilen frisch geloͤschten Kalkes und 200 Theilen Wasser
vermengte. Die nach 24 Stunden hievon abgegossene klare Fluͤssigkeit
enthaͤlt den Indigo, der sich, wenn man sie an der Luft umruͤhrt,
rasch oxydirt, und zu Boden faͤllt, so daß er nur mehr auf das Filter
gebracht und mit Salzsaͤure ausgewaschen zu werden braucht. Hr. Chevreul nahm Gelegenheit, in einer
der naͤchstfolgenden Sizungen der Akademie zu bemerken, daß aus den
zahlreichen, von Hrn. Vilmorin, Sohn, mit dem in Frankreich gebauten
Faͤrbeknoͤterig vorgenommenen Versuchen hervorgehe, daß die Methoden,
deren man sich in den Colonien zur Gewinnung von Indigo bedient, selbst bei
mannigfachen Modificationen aus dem Faͤrbeknoͤterig kein Product
lieferten, welches mit dem Colonialindigo in Concurrenz treten koͤnnte. Da
die geringere Qualitaͤt dieses Productes eine spaͤtere Reinigung
desselben erheischt, so kommt die Bereitung des Indigo aus dem
Faͤrbeknoͤterig uͤberdieß theurer als jene aus den
gewoͤhnlichen Indigopflanzen, bei der die Reinigung wegfaͤllt. Hr.
Chevreul ist nach
Untersuchung vieler aus dem Faͤrbeknoͤterig gewonnener Indigoproben
der Ansicht, daß man, um
uͤber die Vortheile des Baues dieser neuen Faͤrbepflanze aburtheilen
zu koͤnnen, nicht bloß das Verhaͤltniß, in welchem der Indigo in ihr
enthalten ist (ein Verhaͤltniß, welches zuverlaͤssig groͤßer
ist, als im Waid), kennen muß, sondern daß vorerst noch ein Verfahren auszumitteln
sey, nach welchem der Farbstoff im Großen mit Sicherheit und geringem Kostenaufwande
gewonnen werden koͤnnte. (Echo du monde savant.)