Titel: | Ueber eine neue Methode Thiere zu schlachten. Von Hrn. Carson, Med. Doct. |
Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. XX., S. 68 |
Download: | XML |
XX.
Ueber eine neue Methode Thiere zu schlachten. Von
Hrn. Carson, Med. Doct.
Aus dem Mechanics' Magazine No. 806 und
807.
Ueber Carson's Methode Thiere zu schlachten.
Die von mir empfohlene Schlachtmethode beruht auf Beseitigung der Hindernisse, welche
die Natur der Elasticitaͤt der Lungen entgegengesezt hat, und von deren
Vorhandenseyn das Leben großen Theils abhaͤngt. Durch Beseitigung dieser
Hindernisse wird naͤmlich den Lungen gestattet, auf ihre natuͤrlichen
Dimensionen zuruͤkzukehren, d.h. einzusinken oder zusammenzufallen
waͤhrend das Thier noch beim Leben ist. Die Art und Weise, wie diese
Hindernisse, welche, wie gesagt, an allen Thieren mit elastischen Lungen eine
Hauptbedingung zum Leben bilden, auf das humanste und schnell weggeschafft werden
koͤnnen, waren bei mir der Gegenstand lange fortgesezten Forschens und
mannigfacher Versuche. Ich war so gluͤklich, zu einem vollkommen
entsprechenden Resultate zu gelangen.
Die Folge meiner Schlachtmethode ist, daß die lymph- und milchartigen
Fluͤssigkeiten und uͤberhaupt alle feineren Saͤfte des
Koͤrpers an denselben Orten verbleiben, an denen sie sich zu Lebzeiten des
Thieres befanden, waͤhrend sie sich bei den gewoͤhnlichen
Schlachtmethoden in den großen Gefaͤßen ansammeln und in Masse aus dem Koͤrper
ausstroͤmen. Hieraus folgt, daß die Menge des eßbaren Theiles des thierischen
Koͤrpers im Vergleiche mit den gewoͤhnlichen Schlacht-Methoden
wenigstens um den zehnten Theil groͤßer ausfallt; daß das Fleisch saftiger,
zarter und wohlschmekender wird; daß es bei allen Zubereitungen schneller gar wird,
und daß es sich laͤnger frisch erhaͤlt. Diese leztere, so
hoͤchst wichtige Eigenschaft ruͤhrt unstreitig davon her, daß, indem
die Gefaͤße oder Adern nicht geleert sind, keine Luft in das Innere des
Fleisches eindringen kann; und daß, wenn man ein Stuͤk rohen Fleisches
durchschneidet, die aus den Gefaͤßen austretenden Saͤfte gerinnen und
so die Gefaͤße verkleben. Es ist dieß nicht bloß fuͤr Fleischer, die
zur warmen Jahreszeit viel Fleisch verlieren, sondern fuͤr jede Haushaltung,
namentlich aber fuͤr Seefahrer und fuͤr die Bewohner waͤrmerer
Klimate von hoͤchster Wichtigkeit. Ich kann zwar die Zeit, waͤhrend
welcher sich das Fleisch der nach meiner Methode geschlachteten Thiere bei
verschiedener Witterung haͤlt, nicht angeben; allein davon uͤberzeugte
ich mich im Laufe des verflossenen Herbstes, daß es stets um einige Tage
laͤnger frisch blieb als unter gleiche Umstaͤnde gebrachtes Fleisch
der gewoͤhnlichen Schlaͤchtereien.
In financieller Hinsicht gewaͤhrt meine Methode eben so große Vortheile. Das
Fleisch schrumpft naͤmlich beim Kochen nicht ein, sondern es dehnt sich
vielmehr aus; das Fett wird, da es gleichfalls mit den Saͤften der rothen
Muskelsubstanz durchdrungen ist, genießbarer und schmakhafter; die Zubereitung ist
in kuͤrzerer Zeit beendigt, da das Fleisch schneller und im Inneren beinahe
eben so schnell wie an der Oberflaͤche gar wird. Diese Eigenschaften sind
dadurch bedingt, daß das Fleisch weniger schwammig und mithin ein besserer
Waͤrmeleiter ist, als das nach dem gewoͤhnlichen Verfahren
geschlachtete Fleisch. Beim Einsalzen bedarf man einer geringeren Menge Salzes, um
das Fleisch haltbar zu machen, und auch fuͤr die Haͤute hat die neue
Methode Vorzuͤge, auf deren Auseinandersezung ich hier nicht weiter eingehen
will.
Damit der Zwek, den ich bei meiner Schlachtmethode im Auge habe, erreicht werde, muß
auf die aͤußere Oberflaͤche der Lungen und der uͤbrigen in der
Brusthoͤhle enthaltenen Eingeweide ein Druk ausgeuͤbt werden, der dem
atmosphaͤrischen Druke wenigstens gleichkommt. Dieß geschieht, wenn man in
die beiden Brusthoͤhlen, welche von der den Brustkasten auskleidenden und die
Oberflaͤche der Lunge uͤberziehenden Haut, dem sogenannten
Rippenfelle, gebildet werden, einen reichlichen und ununterbrochenen Luftstrom
eintreten laͤßt. Denn, wenn der Druk der eingetretenen Luft auf die
aͤußeren Brustorgane dem Druke der in ihnen enthaltenen atmosphaͤrischen
Luft wenigstens gleichkommt, so muͤssen die Lungen ihrem Baue gemaͤß
zusammenfallen, collabiren. Wenn das Thier unter diesen Umstaͤnden
einzuathmen versucht und dadurch seinen Brustkasten ausdehnt, so wird die Luft,
welche zur Ausfuͤllung des erweiterten Raumes noͤthig ist, nicht durch
die Luftroͤhre eintreten, indem sie in dieser Richtung die ungebundene
Elasticitaͤt der Lungen zu uͤberwinden haͤtte; sondern sie
wuͤrde durch andere Canaͤle, welche auf die anzugebende Weise
hergestellt werden muͤssen, eindringen. Auf diese Weise wird also das
Eindringen der Luft durch die Luftroͤhre, oder mit anderen Worten das Athmen
unmoͤglich, und da keines der Brusteingeweide in irgend einer Weise von dem
atmosphaͤrischen Druke befreit wird, so wird kein Zufluß der
Fluͤssigkeiten nach der Brust Statt finden, wie sehr auch die Brust
ausgedehnt werden mag.
Die Art und Weise, auf welche Luft in die beiden Hoͤhlen der Brust eingelassen
werden soll, ist nun folgende. Ich verbinde eine Roͤhre, welche an dem einen
Ende spiz zulaͤuft, und in welche in der Naͤhe der Spize mehrere
Loͤcher gebohrt sind, an dem anderen Ende mit einem luftdichten, der
Groͤße des Thieres angemessenen Beutel, und bringe an dieser Roͤhre
einen Knopf an, der an der gegen die Spize hin gerichteten Seite etwas weniges
concav seyn soll. Dieser Knopf soll sich so weit von der Spize entfernt befinden,
daß wenn die Roͤhre in die Brust des Thieres eingestoßen wird,
saͤmmtliche Loͤcher in die Brusthoͤhle hinein kommen. Ein
derlei Instrument nun stoße ich zu beiden Seiten der Brust zwischen der
fuͤnften und sechsten Rippe bis zum Knopfe ein. Die concave Seite dieses
Knopfes soll mit irgend einer fettigen Substanz ausgefaͤllt, und fest an die
Brust angedruͤkt werden, damit außen keine Luft an der Roͤhre
entweichen kann. Ist das Instrument eingestoßen, so druͤke ich die in dem
dazu gehoͤrigen Beutel enthaltene Luft in die Brusthoͤhle, wo dann die
Lungen augenbliklich zusammenfallen, und das Thier in einer oder zwei Minuten
stirbt, ohne mehr als einen oder zwei Loͤffel voll Blut verloren zu
haben.
Die in die Brust eingetriebene Luft muß auf einem etwas hoͤheren Druke, als er
der atmosphaͤrischen Luft zukommt, erhalten werden, damit, wenn sich die
Brust bei den Anstrengungen, welche das Thier macht, um Athem zu schoͤpfen,
ausdehnt, die Luft in der Brusthoͤhle doch wenigstens einen dem Druke der
atmosphaͤrischen Luft gleichkommenden Druk beibehaͤlt. Dieß
laͤßt sich leicht dadurch bewirken, daß man auf den Luftbeutel
bestaͤndig einen Druk ausuͤbt. Die Erwaͤrmung der Luft, welche
erfolgt, wenn sie einige Secunden lang in der Brusthoͤhle verweilt hat, traͤgt noch
mehr hiezu bei. Bei dieser Vorsicht ist nicht zu besorgen, daß die Brusteingeweide
einem Theile des atmosphaͤrischen Drukes entzogen werden, waͤhrend
dieser Druk auf die uͤbrigen Koͤrpertheile fortwaͤhrt; es wird
also allem Zuruͤkstroͤmen der Saͤfte aus dem Koͤrper
gegen die Brusteingeweide, welches bei den sonstigen Todesarten Statt zu finden
pflegt, vorgebeugt.
Um mein Instrument mit sicherem Erfolge anwenden zu koͤnnen, muß das Thier so
verwahrt werden, daß es keine staͤrkere Bewegungen machen oder seine Stellung
nicht veraͤndern kann. Laͤmmer, Kaͤlber, Schafe, Schweine
bringt man zu diesem Behufe in einen laͤnglichen seichten Trog, an dessen
Eken sich senkrechte Pfosten befinden. An diesen Pfosten sollen sich auf
verschiedenen Hoͤhen Schnallen befinden, womit man an jedem Pfosten ein Bein
des Thieres befestigen kann. Die Thiere lassen sich auf diese Weise gehoͤrig
fixiren, ohne daß man ihnen viele Schmerzen verursacht. Daß man Troͤge von
verschiedener den verschiedenen Thieren entsprechender Groͤße haben muß,
versteht sich von selbst.
Fuͤr Ochsen duͤrfte eine eigene Vorrichtung erforderlich seyn; ich
schlage hiezu einen folgendermaßen gebauten Nothstall vor. Man soll in einer der
Laͤnge des Thieres gleichkommenden Entfernung von einander zwei breite starke
Eisenstaͤbe von 2 bis 3 Fuß in der Laͤnge anbringen, und diese an
jedem Ende und an einer und derselben Seite mittelst eiserner Stangen verbinden. Auf
jedem Ende der Eisenstaͤbe soll man eine Eisenstange errichten, welche an
Laͤnge beinahe der Hoͤhe des Thieres, wenn es steht, gleichkommt.
Diese senkrecht stehenden Stangen sind sowohl an den Seiten als auch vorne in
verschiedener Hoͤhe durch andere Stangen miteinander zu verbinden. An den
oberen Enden der stehenden Stangen oder an den obersten Seitenstangen sind an einer
Seite Ketten anzubringen, welche, wenn das Thier in den Nothstall getreten ist,
uͤber dessen Schultern und Lenden gefuͤhrt und an der entgegengesezten
Seite in die entsprechenden Stangen gehakt werden. Das Thier soll mit den vorderen
Fuͤßen auf dem einen und mit den Hinteren auf dem anderen der breiten
Staͤbe stehen. Jeder der vier Fuͤße soll in verschiedenen
Hoͤhen an die ihm zunaͤchst stehende senkrechte Stange geschnallt
werden. Nachdem das Thier auf solche Art fixirt worden, ist der Eingang in den
Nothstall mit einer Kette zu versperren, worauf man dann unter der Brust und den
Flanken starke lederne Baͤnder durchfuͤhrt, die zu beiden Seiten
entweder an den senkrechten Stangen, oder auch an den Verbindungsstangen befestigt
werden sollen. Diese Baͤnder dienen weniger zur Befestigung des Thieres, als
vielmehr um das Niederstuͤrzen desselben beim Eintritte des Todes zu verhindern. Der Kopf
ist mittelst eines Strikes zu fixiren. Bei der Stellung, in welcher das Thier in
diesem leicht zu handhabenden Nothstalle erhalten wird, ist die Anwendung meines
Instrumentes sehr leicht.
Haͤtte man keinen derlei Nothstall zur Verfuͤgung, so soll man das
Thier auf den Ruͤken werfen, die Vorderfuͤße an die Hinterfuͤße
binden, und das Thier durch Strike so fixiren, daß es sich nicht auf die Seiten
werfen kann. Auch kann man die Thiere an den Vorder- oder Hinterfuͤßen
aufhaͤngen, und dann die losen Fuͤße an Pfloͤken, weche in den
Boden eingesezt sind, befestigen. Jenes Verfahren, welches am wenigsten
Vorbereitungen erfordert und Muͤhe verursacht, ist das beste; und in dieser
Beziehung sowohl als der Sicherheit wegen scheint mir ein Nothstall wie der oben
beschriebene den Vorzug zu verdienen.Nach Liverpooler Blaͤttern steht ein großer Theil der dortigen
Fleischer im Begriffe das von Hrn. Dr. Carson angegebene Verfahren, auf welches der
Erfinder auch ein Patent genommen hat, in ihren Fleischereien
einzufuͤhren. Bei einem Gastmahle, bei welchem Fleisch von Thieren,
die nach dem neuen Verfahren getoͤdtet worden, auf die Tafel gesezt
wurde, will man dasselbe in hoͤchstem Grade schmakhaft und zart
befunden haben. – Ohne in Eroͤrterungen einzugehen, ob nach
Hrn. Carson's Verfahren das Blut und die weißen
Saͤfte gehindert werden koͤnnen waͤhrend des
Todeskampfes in das Herz und die groͤßeren
Gefaͤßstaͤmme zu treten, so daß sie also in dem Fleische
zuruͤkgehalten werden, wollen wir nur bemerken, daß Fleisch, in
welchem das Blut zum groͤßeren Theile noch enthalten ist, auf dem
Continente kein großes Gluͤk machen duͤrfte. Man ist bei uns
so sehr an blutloses Fleisch gewoͤhnt, daß in den meisten
Haushaltungen das Fleisch von Thieren, die nicht gut ausgeblutet haben, nur
mit Widerwillen und Ekel genossen wird. Zur Bereitung einer guten und auch
reinen, klaren Suppe, wie man sie in Deutschland liebt, und wie man sie in
England gar nicht kennt, duͤrfte sich ein derlei Fleisch schon gar
nicht eignen. – Was uͤbrigens das Humane betrifft, welches der
Patenttraͤger an seiner Methode preist, so scheint sich dieß bloß
darauf zu reduciren, daß man bei dieser Art der Schlaͤchterei kein
Blut sieht. Fuͤr das Thier selbst duͤrfte wenig gewonnen seyn,
denn ein Erstikungstod, bei dem nach des Patenttraͤgers eigenem
Gestaͤndnisse der Todeskampf immer 2 Minuten dauern kann, muß
wahrhaftig qualvoll genug seyn. Dazu kommt noch, daß, wenn der Apparat nicht
in sehr gutem Zustande ist und gut gehandhabt wird, der Todeskampf sich noch
um Vieles mehr in die Laͤnge ziehen wird. Wir zweifeln daher an der
Tauglichkeit dieses Verfahrens, wenigstens in seinem dermaligen
Zustande.A. d. R.