Titel: | Ueber Hrn. Robiquet's Alizarin und Runge's Krapproth; von Hrn. Prof. Dr. Runge in Oranienburg. |
Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. LXXVI., S. 386 |
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LXXVI.
Ueber Hrn. Robiquet's Alizarin und Runge's Krapproth; von Hrn. Prof. Dr. Runge in
Oranienburg.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1839 1ste Lieferung.
Ueber Robiquet's Alizarin und Runge's Krapproth.
In meiner Monographie des KrappsMan findet sie im Auszuge im polyt. Journal Bd. LXIV. S. 195. habe ich bewiesen, daß lezter zwei Stoffe enthaͤlt, die troz ihres
verschiedenen chemischen Verhaltens darin uͤbereinstimmen, daß sie beide mit
der Thonerde eine rothe Verbindung bilden.
Den einen dieser Stoffe habe ich Krapppurpur genannt. Er
bildet mit Kali und Wasser eine kirschrothe
Aufloͤsung, und gibt mit Thonbeizkattun eine rothe Verbindung, die bei dem
Verhaͤltnisse von 1 Gr. Krapppurpur auf 80 Gr. Zeug noch sehr satt
ausfaͤllt.
Den anderen Stoff habe ich Krapproth genannt. Er bildet
mit Kali und Wasser eine blaue Aufloͤsung, und
gibt mit Thonbeizkattun ebenfalls eine rothe Verbindung, die aber bei einem
Verhaͤltnisse von 3 Gr. Krapproth auf 80 Gr. Zeug erst so satt
ausfaͤllt, wie das Roth mit dem Purpur.
Ferner habe ich gezeigt, daß der Krapppurpur ohne allen Zusaz und bei Anwendung von
destillirtem Wasser mit geoͤhltem Thonbeizkattun eine brillante rothe Farbe
gibt, Krapproth dagegen eine sehr schlechte und unansehnliche. Ebenso ist dargethan,
daß ein Zusaz von Kreide in dem Verhaͤltnisse von 1 : 1 Krapppurpur beim
Faͤrben sehr schaͤdlich wirkt, indem die Haͤlfte Farbstoff
durch Lakbildung verloren geht, waͤhrend ein Kreidezusaz beim Faͤrben
mit Krapproth das Faͤrbungsvermoͤgen desselben bedeutend vermehrt, so
daß man ohne alles Aviviren ein wirkliches Tuͤrkischroth erhaͤlt,
indeß dieselbe Faͤrbung, ohne Kreide wiederholt, nur ein schmuziges,
hoͤchst glanzloses Braunroth gibt.
Hieraus folgere ich nun, daß das Alizarin, von welchem Hr. Robiquet angibt, daß es 1) mit Kaliaufloͤsung blau reagire, 2) mit
Thonbeizkattun, ohne alle Zusaͤze und mit bloßem destillirtem Wasser
ausgefaͤrbt, eine brillante rothe Farbe gebe, die eine dieser Eigenschaften,
naͤmlich die blaue Reaction gegen Kali, dem Krapproth und die andere,
naͤmlich die Schoͤnfaͤrbung ohne Kreidezusaz, dem Krapppurpur
verdanke, und muß um so mehr bei dieser Ansicht verharren, da mir neuere Versuche,
die ich in Folge der Kritik meiner Krappmonographie von Hrn. Robiquet (Annales de Chimie et de Physique
Novbr. 1836, S. 297 in
Dingler's polytechn. Journal Bd. LXIV. S. 208) unternommen, dieselbe
bestaͤtigt haben. Ehe ich hierauf eingehe, muß ich mich noch uͤber
einen Punkt mit Hrn. Robiquet verstaͤndigen, der
zu einer Mißdeutung Gelegenheit gegeben.
Mein Urtheil uͤber das Alizarin des Hrn. Robiquet
lautet woͤrtlich: „In Robiquet's
Alizarin, aus der schwefelsauren Krappkohle dargestellt, ist der rothe
Farbstoff, den ich Krapppurpur genannt habe, wohl am reinsten. Mein dennoch ist
er mit Krapproth gemischt, wie denn auch die Reaction mit Kalilauge nicht rein
kirschroth, sondern purpurroth ist, von der Beimischung des Blaues, welches Kali
mit Krapproth erzeugt.“
Ich glaubte, nach einem Aufsaze Robiquet's in den Annales de Chimie, derselbe stelle sein Alizarin durch
Erhizen der schwefelsauren Krappkohle dar. Es ist leicht der Beweis zu
fuͤhren, daß ich das aus der schwefelsauren Kohle dargestellte Sublimat mit
Recht fuͤr ein Gemenge erklaͤrte; denn es loͤst sich nur zum
Theil in Alaunaufloͤsung, und reagirt, wie bereits oben gesagt, mit Kali
purpurfarben, anstatt rein roth, oder rein blau, wie es seyn muͤßte, wenn es
entweder Krapppurpur oder Krapproth allein
waͤre.
Dieß ist also abgemacht. Nun aber handelt es sich darum, ob das Alizarin des Hrn. Robiquet uͤberhaupt, auf andere Weise dargestellt,
als rein, und zwar als identisch mit meinem Krapproth zu betrachten sey, oder ob ein
Ruͤkhalt von Krapppurpur ihm die vorzuͤglichen Eigenschaften ertheile,
welche es beim Faͤrben zeigt.
Die Methode des Hrn. Robiquet, das Alizarin darzustellen,
ist nicht geeignet, ein reines Product zu liefern, da sich derselbe zur Scheidung
des Alizarins bloß der Aufloͤsungsmittel: Wasser, Weingeist und Aether
bedient. Hr. Robiquet waͤscht das weingeistige
Extract des mit Wasser gewaschenen Krapps mit Aether aus. Der Ruͤkstand ist,
nach seiner Angabe, Alizarin, und zwar ganz rein und mit meinem Krapproth identisch,
wenn man es sublimirt und das Sublimat noch mit Aether waͤscht. Diesemnach
muͤßte das Alizarin, oder mein Krapproth schwieriger loͤslich in
Aether seyn, als der Krapppurpur, was, wie folgender Versuch beweist, nicht der Fall
ist.
Wenn man naͤmlich nach meiner Methode dargestellten reinen Krapppurpur,
welcher gegen Kaliaufloͤsung kirschroth, und reines blau reagirt, zu gleichen
Theilen in Alkohol aufloͤst, abdampft und den Ruͤkstand so oft mit
Aether waͤscht, wie Hr. Robiquet es mit dem
weingeistigen Extract der gewaschenen Krappwurzel macht, um daraus sein Alizarin
darzustellen, so erreicht man nie den Punkt einer vollkommenen Scheidung beider Stoffe; die
aͤtherische Aufloͤsung reagirt gegen Kali nie rein roth, und der
Ruͤkstand nie rein blau, vielmehr stets purpurfarben, und zwar so lange, bis
der Aether alles aufgeloͤst hat. Hieraus folgt, daß die beiden Farbstoffe
eine gleiche Aufloͤslichkeit in Aether haben, und daß also Aether nicht das
Mittel seyn kann, sie von einander zu scheiden.
Selbst wenn man das nach einem zehnmaligen Auswaschen mit Aether noch
Zuruͤkbleibende sublimirt, erhaͤlt man zwar lange Nadeln, die ganz die
Form meines sublimirten Krapproths haben, aber anstatt gelbroth blauroth aussehen,
und genau so reagiren, wie ein Gemisch beider Farbstoffe, naͤmlich
purpurn.
Hiemit ist bewiesen, daß beide Farbstoffe, der Sublimation unterworfen, sich nicht
trennen, sondern zusammen in der Form von Nadeln krystallisiren. Es gilt also der
Saz, daß das bei der Sublimation Krystallisirende als rein zu betrachten sey,
wenigstens nicht ohne Ausnahme.
Auch diese Nadeln habe ich wieder mit Aether behandelt, um jezt vielleicht den
Krapppurpur davon zu trennen. Mit nichten. Sie loͤsen sich leicht und
unveraͤndert in Aether auf, und wenn man das, was nach fuͤnfmaligem
Waschen mit Aether noch ruͤkstaͤndig ist, mit Kaliaufloͤsung
pruͤft, so reagirt es nicht wie Krapproth blau, sondern purpurn.
Hienach wird es mir nun wahrscheinlich, daß Hr. Robiquet
bei seinen Faͤrbeversuchen stets mit einem Gemenge beider Farbstoffe operirt
habe, und daß meine Meinung, sein Alizarin sey nicht rein, sondern enthalte sehr
viel Krapppurpur, wohl die richtige ist. Jedoch will ich nicht in Abrede stellen,
daß die Sorte Alizarin, von welcher derselbe angibt, daß sie in
Alaunaufloͤsung unaufloͤslich sey, und gegen Kali blau reagire, mit
meinem Klapproth identisch sey. Aber bei dieser scheint es Hr. Robiquet verabsaͤumt zu haben, ihr Verhalten beim Faͤrben zu
pruͤfen (wenigstens gibt er es in seiner Abhandlung nicht an). Er
wuͤrde alsdann gefunden haben, daß sie nicht so faͤrbt, wie er es von
seinem Alizarin im Allgemeinen gewohnt ist, sondern daß sie ebenso wie mein
Krapproth einen Kreidezusaz verlangt, um Tuͤrkischroth zu geben.
Aber auch selbst diese Sorte stimmt nicht ganz mit meinem Krapproth uͤberein.
Dieses loͤst sich naͤmlich mit praͤchtig purpurrother Farbe in
Ammoniakaufloͤsung auf und wird durch Kalkwasser mit gleichfalls rother Farbe
gefaͤllt, indeß das Alizarin sich, nach Hrn. Robiquet's Angabe, mit hellvioletter Farbe (couleur
pensée) aufloͤst und nun mit Kalkwasser einen schoͤnen
blauen Niederschlag gibt. Ich gestehe, daß diese Reaction gegen Ammoniak mir ganz
unerklaͤrlich
ist, da sie mir niemals, auch bei keinem anderen Stoffe im Krapp vorgekommen, und
ich bei einem so ausgezeichneten Chemiker, wie Hr. Robiquet ist, nicht voraussezen darf, daß sein Ammoniak kalihaltig gewesen
sey.
In Betreff des Purpurins hat Hr. Robiquet ganz Recht, daß
es mit meinem Krapppurpur identisch sey. Ich habe seine Arbeit nicht gekannt, sonst
wuͤrde ich wich gewiß darauf bezogen haben. Uebrigens theile ich die Ehre der
Entdekung mit Demselben, da ich schon im Jahre 1823 von dem preuß.
Handelsministerium ein Patent auf dessen Darstellung erhielt. Da ich aber damals
mein Verfahren nicht bekannt machte, so konnte Hr. Robiquet dieses nicht wissen.
Schließlich bitte ich Denselben, das oben Gesagte einer naͤhern
Pruͤfung zu unterwerfen, und sich dabei, wie ich es gethan, des sichersten
Reagens fuͤr Farbstoffe, des Thonbeizkattuns, zu bedienen. Er truͤgt
nie, und gewaͤhrt den großen Vortheil, daß man die Reaction fixirt
erhaͤlt und auf Papier geklebt Jahrelang zum Gebrauch aufbewahren kann.
Nachschrift. Diese Vertheidigung gegen die etwas
unsanften Angriffe des Hrn. Robiquet habe ich vor 1 1/2
Jahren geschrieben. Der Hr. Prof. H. Rose hatte die
Guͤte, dieselbe nach Paris zu senden, begleitet von einem Briefe, worin ich
Hrn. Robiquet ersuchen ließ, davon Kenntniß zu nehmen und
seine Arbeit zu revidiren. Hr. Robiquet hat diese
Artigkeit von meiner Seite nicht anerkannt und, wie es scheint, das Ganze ignorirt,
daher ich nun auch weiter keinen Anstand nehme, die Nachweisung seiner
Irrthuͤmer druken zu lassen.