Titel: | Ueber einige neuere Verbesserungen an den Eisenbahnwagen, von der Erfindung des Hrn. W. Curtis. |
Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. LXXX., S. 425 |
Download: | XML |
LXXX.
Ueber einige neuere Verbesserungen an den
Eisenbahnwagen, von der Erfindung des Hrn. W. Curtis.
Aus dem Civil Engin. and Archit. Journal. April 1839, S.
122.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber Curtis's Verbesserungen an den Eisenbahnwagen.
Hr. Curtis, dem wir bereits mehrere Verbesserungen an den
Eisenbahnen und an den auf ihnen laufenden Wagen zu verdanken haben, ließ neuerlich
einige weitere Erfindungen patentiren, welche hauptsaͤchlich zur
Verhuͤtung der Collisionen, in welche die Wagenzuͤge leider schon
oͤfter auf den Eisenbahnen geriethen, bestimmt sind. Da die von ihm
getroffenen Vorkehrungen dem Zweke, den der Erfinder beabsichtigte, in hohem Grade
zu entsprechen scheinen, so beeilen wir uns, das Publicum darauf aufmerksam zu
machen.
I. Beschreibung einer neuen Bremse,
womit Wagen und Locomotiven in ihrem Laufe angehalten werden koͤnnen, und
welche zugleich auch zur Reinigung der Bahnen von den zufaͤllig auf sie
gerathenen fremden Koͤrpern dient.
Man sieht diese Bremse in Fig. 5 in einer
seitlichen, und in Fig. 6 in einer Endansicht. Sie kann sowohl vor als hinter der Locomotive
oder dem Wagen angebracht werden; die geeignetste Stelle fuͤr sie scheint vor
der Locomotive, indem sie dann zugleich auch zur Reinigung der Bahn dient. Quer
durch das Gestell der Maschine ist eine Welle oder Achse F gelegt, an welcher die beiden Schenkel oder Hebel C, C festgemacht sind. An den unteren Enden dieser lezteren sind mittelst
der Zapfen der Verbindungsstange G die Hemmschuhe E, E festgemacht. In jenen Faͤllen, wo die
Verbindungsstange G das Holz der Schwellen der Bahn
beruͤhren wuͤrde, kann man die Stange auch weglassen, und die
Hemmschuhe bloß mit Zapfen an den Hebeln befestigen. Die Querstangen koͤnnen
uͤbrigens auch hoͤher oben an den parallelen Staͤben D, D, mit denen die unteren Oberflaͤchen der
Hemmschuhe mit den Schienen parallel erhalten werden, und durch die ihnen zugleich
auch eine gewisse Staͤtigkeit gegeben werden kann, angebracht werden. Der
Hemmschuh selbst kann aus Schmiede- oder Gußeisen, oder auch aus Holz,
welches mit Eisen beschlagen ist, bestehen; an seinem inneren Rande soll er mit
einem Vorsprunge versehen seyn, der den Randkraͤnzen der Raͤder
entspricht; sein hinteres Ende soll der Curve des anliegenden Rades angepaßt seyn,
so daß es, wenn der Hemmschuh in Thaͤtigkeit ist, dem Rade anliegt, und daß
der Randkranz des Rades in die in dem Hemmschuhe angebrachte Fuge einpaßt. Man sieht
diese Fuge deutlich aus Fig. 7, wo der Hemmschuh
von Oben gesehen, und aus Fig. 8, wo er von Unten
betrachtet dargestellt ist. An der unteren Seite des Hemmschuhes laͤßt sich
mit Nieten oder auf andere Weise ein Reibungsstuͤk aus Schmiedeisen oder
einem anderen Metalle anbringen, welches so oft ausgewechselt werden kann, als es
durch die Reibung an den Schienen abgenuzt worden. An dem einen Ende der Welle F ist ein Krummzapfen befestigt, an welchem die
Verbindungsstange B angebracht ist. Mit dem anderen Ende
dieser lezteren ist der um einen Zapfen bewegliche Hebel A verbunden, wonach also der Maschinist die Bremse nach Belieben handhaben
kann. Die Welle F ist durch den Wagen auf die
gewoͤhnliche Weise mit dem Gestelle verbunden; und ihre Zapfen verbinden auch
die parallelen Stangen D. Anstatt des Hebels kann man
zur Handhabung des Apparates auch eine Schraube, die man in einer Linie mit der
Verbindungsstange B arbeiten lassen kann, oder irgend
eine andere entsprechende Hebelvorrichtung verwenden. Bemerkt der Maschinist auf der
Bahn irgend etwas, was er mittelst der Bremse zu beseitigen wuͤnscht, so
senkt er den Hemmschuh bis in die Naͤhe der Schiene herab. Man kann die
Entfernung, bis auf welche der Hemmschuh zu diesem Zweke der Schiene
angenaͤhert werden soll, durch einen Aufhaͤlter, welcher in einen
Kreisbogen eingelassen ist, und gegen den sich der Hebel A stemmt, bezeichnen; oder man kann sich zu gleichem Behufe irgend einer
anderen der uͤblichen Vorrichtungen bedienen. Soll die Maschine angehalten
werden, so bewegt der Maschinist den Hebel A noch
weiter, d.h. so weit vorwaͤrts, bis die Bremse mit den Schienen in
Beruͤhrung kommt. Soll endlich die Maschine so kurz als moͤglich zum
Stehen gebracht werden, so wird der Hebel A nach
Vorwaͤrts geschwungen, bis er in die durch punktirte Linien angedeutete
Stellung kommt, und bis er hiedurch den Apparat in jene Stellung bringt, welche in
Fig. 5
durch punktirte Linien angedeutet ist; denn dann wird die Maschine um soviel
aufgehoben, als der Raum zwischen den schwarzen und den punktirten Linien
betraͤgt.
Der Kraftaufwand, welcher von Seite des Maschinisten zu diesen Verrichtungen
erfordert wird, ist sehr gering, indem der Hemmschuh durch das Bewegungsmoment der
Maschine in Wirksamkeit gesezt wird, so wie er nur mit den Schienen in
Beruͤhrung gebracht ist. Die Federn erhalten durch ihre Reaction die
Raͤder auf den Schienen; da jedoch das Gewicht zum groͤßten Theil auf
die Bremse uͤbergetragen wird, so wird die Zugkraft der Treibraͤder
bedeutend vermindert. Gleichzeitig zeigt sich aber auch die Wirksamkeit einer so ausgedehnten
Reibungsoberflaͤche, daß die Maschine zum Stillstehen kommt, selbst wenn der
Dampf nicht abgesperrt worden waͤre. Es erhellt offenbar, daß sich zwischen
der Retardirung, welche erforderlich ist, um die Maschine zum Stillstehen zu
bringen, und einer leichten Verminderung ihrer Geschwindigkeit jeder beliebige Grad
der Retardirung erzielen laͤßt, je nachdem man den Hebel mehr oder minder
vorwaͤrts bewegt. Die Hebel muͤssen, aus welchem Materiale sie
bestehen moͤgen, so kraͤftig seyn, daß durch sie die Hemmschuhe
ausgezogen werden koͤnnen, ohne daß man die Maschine zu diesem Behufe
anzuhalten braucht.
II. Beschreibung eines Apparates,
wodurch das Aneinanderrennen von Wagenzuͤgen auf einer und derselben
Bahnlinie verhuͤtet werden soll.
Man sieht diesen Apparat in Fig. 9 von der Seite, an
dem hintersten Wagen eines Wagenzuges angebracht und mit einer Locomotive in
Beruͤhrung gerathen. Fig. 10 ist ein Grundriß.
Der Schlitten oder die Hemmvorrichtung A hat die Form
eines Keiles, dessen oberes Ende an der inneren Seite aufgebogen ist; auch hat er
Randvorspruͤnge, durch welche er auf den Schienen erhalten wird. Die beiden
Seitentheile sind durch den Querbalken J mit einander
verbunden. Die Platte K, die Querstuͤke G, G und die beiden Seitentheile des Schlittens sind auf
dieselbe Spurweite gestellt wie die Schienen, so daß eine Locomotive ohne alle
Schwierigkeit auf ihnen laufen kann. An dem Querbalken J
sind zwei Stoͤßer oder Stoßaufhaͤlter D, D
so befestigt, daß sie mit andern an dem Vordergestelle der Locomotive befindlichen
Stoͤßern I correspondiren, damit, wenn die
Maschine mit dem Schlitten in Beruͤhrung kommt, diese Stoͤßer den Stoß
aufhalten. Die Platte K dient dazu, die beiden
Seitentheile des Schlittens moͤglichst nahe an dessen Spize mit einander zu
verbinden, und doch dabei fuͤr den Durchgang der Randkraͤnze der
Raͤder freien Raum zu gestatten. An den Querstuͤken G, G sind die Federn B, B
befestigt. Diese lezteren bilden Deichseln fuͤr die Raͤder C, C, auf denen der Wagen laͤuft, wenn er außer
Thaͤtigkeit ist. E ist ein Gegengewicht
fuͤr das Gewicht des Schlittens, so daß dieser von einem Manne mit
groͤßter Leichtigkeit wie ein Karren auf der Bahn fortgeschafft werden kann.
Zur Verbindung des Schlittens mit dem Wagenzuge dient ein gewoͤhnliches
Stiftgelenk, wie man es bei F sieht.
Der Apparat ist, wenn er außer Thaͤtigkeit und mit einem Wagenzuge verbunden
ist, an dem lezten Wagen angebracht, wie man bei L
sieht. In diesem Falle reitet der Schlitten auf den Schienen, wobei er an den Federn
B, B aufgehaͤngt ist. Sollte sich jedoch ein
Unfall ereignen, in Folge dessen der Zug zum Stillstehen kaͤme, so macht
einer der Conducteurs alsogleich den Schlitten los, um ihn 5–600 Yards hinter
dem Wagenzuge aufzustellen. Sollte daher der Maschinist des naͤchstfolgenden
Wagenzuges den stehengebliebenen Zug nicht bemerken, und seine Locomotive nicht
anhalten, so wuͤrde diese in den Apparat einlaufen und dadurch zu einem
Schlitten werden. Die Treibraͤder wuͤrden, wenn sie durch den großen,
ihnen entgegengesezten Widerstand nicht gaͤnzlich zum Stillstehen
kaͤmen, in dem Apparate herumlaufen, ohne dabei eine Triebkraft
auszuuͤben. Es wuͤrde also keine heftige Erschuͤtterung
eintreten, sondern die Locomotive wuͤrde eine kurze Streke weit in dem
Schlitten fortgleiten und dann zum Stillstehen gebracht werden. Von dem Gestelle der
Locomotive muͤßte ein Gestell K herabsteigen, an
welchem die Stoͤßer, die sich sonst gewoͤhnlich an dem Haupte des
Gestelles befinden, anzubringen waͤren. Oder wenn man wollte, koͤnnte
auch oben und unten fuͤr Stoͤßer I gesorgt
werden, da ich es nicht fuͤr gut halte, das obere Ende des Schlittens A so hoch hinaufreichen zu lassen, daß es mit den an dem
gewoͤhnlichen Haupte des Gestelles befindlichen Stoͤßern in
Beruͤhrung kaͤme. Der Randvorsprung des Schlittens A kann entweder den ganzen Schlitten entlang laufen,
oder in Zwischenraͤumen und abgebrochen angebracht seyn, je nachdem man es
fuͤr besser haͤlt. In jenen Faͤllen, wo ein schneller Wagenzug
bei Nebel oder waͤhrend der Nacht einen langsamer gehenden uͤberholt,
wuͤrde die schnellere Locomotive in den Schlitten einlaufen, wo dann
gleichfalls wieder die eben beschriebene Wirkung eintreten wuͤrde; d.h. die
Locomotive wuͤrde zum Stehen kommen, und die einzige Wirkung auf den
langsameren Wagenzug, hinter dem der Schlitten nachlaͤuft, wuͤrde die
seyn, daß der Schlitten von seinen Befestigungen losgerissen wuͤrde. Diese
Befestigungen muͤßten demnach der Art seyn, daß sie losgerissen werden
koͤnnten, ohne daß der lezte Wagen dadurch irgend eine zu heftige
Erschuͤtterung erlitte. Der Stift bei F
koͤnnte zu diesem Behufe aus Eichenholz oder einem anderen derlei harten
Holze und von solcher Staͤrke gemacht werden, daß er in einem eintretenden
Falle der angegebenen Art nachgaͤbe.